Pfälzer Weihnachtsbäume
Advent-Abenteuer
Weihnachtsbäume aus dem Pfälzerwald sorgen in immer mehr Wohnzimmern für festliche Stimmung. Ganze Familien machen sich im Dezember mit Beil und Säge auf den Weg, um den eigenen Baum selbst zu schlagen.
Sie kommen in Autos mit Gepäckträgern oder Anhängern angefahren. Gleich nach dem Parken laden sie Beile und Sägen aus. Sie rücken in Truppenstärke, allein oder als Paar an. Nicht zuletzt sind da noch ganze Familien, die sich auf den Weg gemacht haben. Alle wollen sich gleich ins Advent-Abenteuer stürzen. Alle haben ein Ziel: den eigenen Weihnachtsbaum auswählen, einschlagen und nach Hause transportieren. Der Wanderparkplatz zwischen Ulmet und Mayweilerhof an der K22 im Landkreis Kusel ist mittlerweile Jahr für Jahr einmal im Dezember ein Treffpunkt für Freunde festlich geschmückter Tannenbäume. Hier wachsen sie in der Weihnachtsbaumkultur des Forstamts Kusel.
Grüne Siegel fürs Grün
Auf etwa zwei Hektar Fläche stehen rund 8000 Bäume. Dort, wo Tannen entnommen werden, folgen Neupflanzungen. „Mein Vorgänger hat das Ganze mit Weitblick angelegt. Mittlerweile ist die Weihnachtsbaumkultur ein bisschen auch mein Steckenpferd geworden“, sagt Gabi Kleinhempel, die das Forstamt Kusel seit 2017 leitet. Mit einer durchbrochenen Landschaft, mit vielen Wiesen und guten Böden, eignet sich die Region besonders gut. Alle Bäume in der Kultur sind mit dem Forest Stewardship Council (FSC)- und PEFC-Siegel zertifiziert. Letzteres steht für „Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes“. Damit wird bescheinigt, dass Bäume natürlich und ohne Einsatz von Mineraldünger und Pestiziden aufwachsen. Seit 2020 tragen die Kuseler Bäume auch noch das Fair-Trees-Siegel, das zusätzlich faire Arbeitsbedingungen bei der Ernte voraussetzt.
Saatgut von Zapfenpflückern
In der Kuseler Kultur setzt man heute überwiegend auf die formschönen und beliebten Nordmanntannen, deren fair produzierte Setzlinge aus Baumschulen in Dänemark kommen. Das Saatgut für diese Setzlinge wiederum stammt meist aus Georgien, wo es sogenannte Zapfenpflücker aus Nadelbäumen ernten. Fair Trees achtet bei dieser gefährlichen Tätigkeit auf sichere Kletterausrüstungen, angemessene Arbeitsbedingungen und eine korrekte Bezahlung. Die Setzlinge werden in den Baumschulen und in der Kuseler Kultur weder gedüngt noch mit Pflanzenschutzmitteln oder Insektiziden behandelt. „Sechs bis acht Jahre dauert es, bis ein Baum eineinhalb bis zwei Meter hoch ist“, erklärt Kleinhempel. Eine Faustregel zur Altersschätzung: Pro Jahr wächst ein Kranz mit Ästen.
GUTES GEFÜHL Selbst einen Christbaum auswählen, macht zufrieden – besonders, wenn er zertifiziert ist. Fotos: Landesforsten RLP.de/MUEEF/Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber
Abstecher ins Elsass
Apropos Jahr: Bereits seit mehr als fünf Jahrhunderten schmücken an Weihnachten Tannenbäume Kirchen und Wohnungen. Als Wiege der Tradition sieht sich der elsässische Ort Sélestat, wo ein Buchhalter am 21. Dezember 1521 sorgfältig „Item IIII Schillings den förstern die meyen an Sanct Thomas Tag zu hieten“ im Rechnungsbuch notierte. Vier Schillinge sollten dem Förster bezahlt werden, der die Tannen (altdeutsch: Meyen oder Maien) des Gemeindewalds hütete. Beschrieben wird dort weiter, dass die Einwohner der Stadt kostenlos eine Tanne fällen können, um sie zu schmücken. Der Eintrag gilt als weltweit ältestes Dokument, in dem der Festbaum erwähnt wird.
Zeichen einer neuen Zeit
Einen konkreter „Erfinder“ des Weihnachtsbaum-Brauches gibt es jedoch nicht. „Immergrüne Maien, geschmückte Stecken, Äste oder Bäume sind für Brauchtumsträger ein optisches Zeichen, das Beginn, Dauer und Ende einer wie auch immer gearteten ,neuen Zeit‘ anzeigt, hier den christlichen Neuanfang mit der Geburt Christi“, hat es Helmut Seebach einmal zusammengefasst. Der Pfälzer Volkskundler und Historiker hat sich in verschiedenen Büchern, die in seinem Bachstelz-Verlag erscheinen, ausführlich dem Brauchtum gewidmet. Den Beginn des Siegeszuges des Weihnachtsbaumes, der bis heute anhält, datiert er auf Ende des 18. Jahrhunderts.
Bäume aus Plantagen
In Deutschland werden pro Jahr rund 30 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Knapp zwei Millionen davon stammen aus Rheinland-Pfalz. Sie wachsen überwiegend in landwirtschaftlichen Plantagen. Mehr als 70 Prozent sind Nordmanntannen, die ursprünglich in unseren Breiten gar nicht gewachsen sind. Regionale Baumarten wie Fichte oder Tanne sowie auch die Kiefer sind deshalb bis heute eine sinnvolle Alternative. Im Pfälzerwald sind es vor allem Blaufichten und Weißtannen. Übrigens: Ein alter Merksatz, der auch dem Laien hilft, Nadelbäume zu unterscheiden, heißt: „Die Fichte sticht, die Tanne nicht.“
Weihnachtsbaum-Tipps
- Baum beim Transport auf dem Autodach in Folie einschlagen, damit ihm der Fahrtwind kein Wasser entziehen kann
- Baum an kühlem Platz, am besten im Freien, stehend lagern
- Baum vor direkter Sonneneinstrahlung schützen
- Baum am Fuß eine etwa zwei Zentmeter große Scheibe abschneiden und in einen Eimer mit Wasser stellen (eventuell gesamten Baum mit Wasser benetzen)
- Baumnetz immer von unten nach oben öffnen
- Baum so spät wie möglich ins Zimmer holen
- Baum vor dem Aufstellen am Stammende frisch beschneiden
- Baumständer mit Wasserreservoir benutzen• Baum einmal täglich mit Wasserzerstäuber leicht befeuchten
Selbstschlagen als Trend
Die Nachfrage nach heimischen Weihnachtsbäumen steigt stetig. Waren es in Kusel am Anfang rund 100 Bäume, sind es heute zwischen 300 und 400. Kuseler Weihnachtsbäume, so Kleinhempel, sind sogar in Bad Sobernheim und Mainz gefragt. Auch andere Forstämter im Pfälzerwald registrieren ein wachsendes Interesse. In der Adventszeit bieten sie zahlreiche Termine zum Selbstschlagen an. Vor Ort sind meist auch bereits geschlagene und zugekaufte Bäume erhältlich. Vielerorts gibt es lokale Händler mit kleinen Kulturen, bei denen zum Teil auch das Selbstschlagen möglich ist.
Christbäume zum Pauschalpreis
„Wer sich einen grünen Baum fürs Weihnachtsfest holt, will immer häufiger wissen, wo er herkommt. Neben regionaler Nähe, kürzeren Transportwegen und Ökobilanz geht es aber auch um das gemeinsame Erlebnis“, betont Kleinhempel. In Kusel werden die Weihnachtsbäume, die sich die Käufer aussuchen und fällen, übrigens unabhängig von der Größe zum Pauschalpreis – anno 2024 sind es 30 Euro – verkauft. Der Hintergedanke: Mancher entscheidet sich so für einen größeren Baum. Dies sorgt dafür, dass kleinere Bäume mehr Raum zum Nachwachsen bekommen.
Suche im Winterwald
In der Kuseler Kultur läuft unterdessen die Weihnachtsbaum-Suche auf vollen Touren. Einem Paar hören wir zu. Er: „Nehmen wir den?“ Sie: „Nein, der ist ein bisschen schief und nicht dicht genug. Schau mal dahinten, der sieht besser aus.“ Mit Beil und Säge in der Hand geht das Paar zielstrebig auf den Baum zu und ist sich einig: „Der sieht gut aus, den nehmen wir.“ Ein Dialog, der so oder so ähnlich häufiger zu hören sein dürfte. Danach geht es zur Kasse. An der „Packstation“ gelangt das Netz um den Baum, der so aufs Dach oder in den Anhänger kommt. Advent-Abenteuer im Wald machen hungrig und durstig. Kein Wunder, dass Wildbratwurst nebst Glühwein hier gefragt sind. Und Weihnachten kann jetzt kommen.
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