Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Pfälzer Perspektiven

Ohrenschmaus

Können Sie mit Ihren Ohren genießen? Zugegeben, meistens sind bei mir eher Mund und Nase dran, wenn es ums Genießen geht – guter Wein und gutes Essen stehen oben auf der Liste. Aber manchmal kommt der Genuss auch durch die Luft geflogen. Besonders im Sommer in der Pfalz!

Foto: Arno Senoner/Unsplash

Für die meisten geht es dabei natürlich um Musik: Vor allem die Freiluftsaison hält vom Festival bis zum klassischen Konzert viel bereit. Für manche reicht auch schon die Weinfestband oder die Jazz-Combo beim Frühschoppen. Wie bei Wein & Co. gilt auch hier: Was gefällt, ist Genuss – und das variiert bekanntlich von Person zu Person.

Region mit einzigartigem Klangteppich

Doch was gibt es abseits davon? Und was ist mit den genuin pfälzischen Geräuschen? Wenn man mal um die Ecke denkt beziehungsweise hört, gibt es auch hier viel zu entdecken – unsere Region hat ihren einzigartigen Klangteppich und irgendwie gehört er zum Gesamterlebnis: Die Vögel im Pfälzerwald geben jeden Tag ein individuelles Konzert. Das Knirschen des felsigen Sandsteinbodens und das Knacken trockener Zweige unter den Wanderschuhen gehören für manche zur Wochenendentspannung. Genauso bestimmen das Knattern von Oldtimern und das Motoren-Röhren schicker Sportwagen mit kurpfälzer Kennzeichen die typische Geräusch-Atmosphäre entlang der Weinstraße.

Wenn die Pfälzer loslegen, ist es einfach herrlich

So richtig pfälzisch wird es aber dann, wenn die Pfälzer selbst ins Spiel kommen – zugegeben, leise bleibt es dabei selten. Korken ploppen, Schraubverschlüsse ratschen, Sprudel trifft gurgelnd auf Riesling. Zarte Weingläser klirren in hellen Tönen, während schwere Dubbegläser eher brachial aufeinandertreffen. Um die Ecke brutzeln Bratwurst und Saumagen und wer sie schon in der Hand hat, gräbt seine Zähne krachend ins knusprige Brötchen.
Und dann kommt das Beste: Es wird Pfälzisch gesprochen! Das kann bei einer zufälligen Begegnung im Wald sein, auf der nächsten Hütte, auf dem Weinfest oder bei Mundart-Events – wenn die Pfälzer so richtig loslegen, ist es einfach herrlich. Wie oft habe ich schon im Vorbeigehen das Gespräch von ein paar Ur-Pfälzern belauscht, dabei jedes Wort genossen und mir gedacht: Wie schön, dass es das gibt! Der Mannheimer Literat Hans-Peter Schwöbel hat dieses spezielle Hörerlebnis einmal treffend „Vollbad in de Muddersprooch“ getauft. Ein heimatlicher Ohrenschmaus, der jede Pfälzerin und jeden Pfälzer ins Herz trifft – das zählt ja wohl zu Genuss, oder?

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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Pfälzer Pferdestärken

“Sanfte Riesen” in Wald und Wingert

Genügsam, entspannt und voller Kraft: Arbeits- und Zugpferde spielten früher in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Mechanisierung und Motorisierung verdrängten die vierbeinigen Helfer nahezu komplett. Doch Menschen stellen heute immer wieder fest, dass Pferde manches besser können als Maschinen. VielPfalz besuchte die „sanften Riesen“ und ihre Besitzer in der Pfalz.

Pferd im Wingert
ARBEITSTIER Mancherorts in der Pfalz erlebt das Pferd als starker Helfer eine Art Renaissance. Hier pflügen Philipp Böhrer (links)
und ein Mitarbeiter mit „Farceur“ in einem Weinberg bei Weisenheim am Sand.Foto: Norman Krauß

Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt.
Er pfleget und pflanzet all’ Bäume und Land.
Er ackert, er egget, er pflüget und sät,
und regt seine Hände gar früh und noch spät.

Dieses 1905 erstmals veröffentlichte Bauernlied ist ziemlich in Vergessenheit geraten. Ebenso sein Gegenstand. Denn lange schon haben auch in der Pfalz Maschinen die Zugpferde ersetzt. Aber nicht überall und nicht ausnahmslos. Denn, wie es scheint, wird man sich wieder mancherorts der Vorteile bewusst, die sich mit dem Pferd als starkem Helfer verbinden. So erleben die Kaltblüter teilweise eine Art Renaissance. Ihr Name steht übrigens nicht in Zusammenhang mit der Körpertemperatur, sondern bezieht sich auf das ruhige, ausgeglichene Temperament der Pferderassen mit hohem Körpergewicht. Sie werden deshalb gerne auch als „sanfte Riesen“ bezeichnet.

Mehr als 1000 Zuchtpferde

Hans-Willy Kusserow
Hans-Willy Kusserow. Foto: Privat

Für das Jahr 2022 zählte die Interessengemeinschaft Zugpferde (IGZ) im Gebiet Rhein-Pfalz/Saar nur noch 31 eingetragene Zuchtpferde verschiedener Kaltblutrassen. Ganz so schlimm steht es um die gutmütigen Dicken aber nicht, denn diese Zahl trügt. Zum einen sind nicht alle Züchter und Pferdehalter in der IGZ gemeldet. Zum anderen hat sich eine ganze Reihe an Haltern und Züchtern aus Rheinland-Pfalz, warum auch immer, dem Landesverband Baden-Württemberg angeschlossen. Und für Baden-Württemberg hat die IGZ im Jahr 2022 immerhin etwas mehr als 1000 Kaltblut-Zuchtpferde gezählt, einschließlich einer nicht bezifferten Anzahl aus Rheinland-Pfalz. Experten wie Hans-Willy Kusserow, der das Zuchtbuch der Kaltblut-Rasse Pfalz-Ardenner mit entworfen hat, sind vorsichtig optimistisch. Der Fachmann sieht eine Renaissance des Zugpferdes, auch in der Pfalz. „Die Hochzeit der Zugpferde liegt zwar schon lange zurück. Sie ist auf die 1950er-Jahre zu datieren. Aber inzwischen zeigt das allgemeine Loblied auf land- und forstwirtschaftliche Maschinen auch einige kritische Zwischentöne. Man beginnt, in einigen Bereichen und Nischen den Wert von Kaltblutpferden wieder neu zu entdecken“, erklärt Kusserow.

Liebe auf den ersten Blick

Philipp Böhrer wohnt in Maxdorf und arbeitet im Hauptberuf als Schlosser. Zu den Mitgliedern seiner jungen Familie gehört neben Frau und zwei kleinen Kindern auch ein Pferd. Böhrer war 2015 noch Lehrling und hatte damals nach eigenen Worten „nix auf der Kralle“. Aber als er auf einer Zuchtschau in Frankreich die Bekanntschaft mit dem Fohlen „Farceur“ machte, war dem jungen Pferdeliebhaber fehlendes Geld gleichgültig. Das Pferd kam in die Pfalz. Wir treffen Böhrer und „Farceur“ in einem Weingut in Weisenheim am Sand (Landkreis Bad Dürkheim). Während des Vorgesprächs mit Weingutsbesitzer Rainer Gehrig und Pferdenarr Böhrer steht auf dem Tisch eine Flasche Riesling, dessen Etikett das Pferd bei der Arbeit im Weinberg zeigt. Der Name des Weines: „Gehrig – Riesling EIN PS“. Der vierbeinige Namensgeber „Farceur“ wartet derweil geduldig im Transportanhänger.

Weinflaschen
Das Etikett des Rieslings zeigt das Pferd bei der Arbeit im Weinberg. Foto: Norman Krauß

Die Technik der 1960er-Jahre

Wo die Trauben für diesen Wein wachsen und was „Farceur“ damit zu tun hat, sehen wir eine halbe Stunde später. In den Weinbergen angekommen, führt Böhrer sein Pferd routiniert aus dem Anhänger und legt ihm das Geschirr an. Dabei erläutert er, dass die Entwicklung von Ackergerät für die Arbeit mit Pferden in Deutschland praktisch auf dem Stand der 1960er-Jahre stehen geblieben sei. „Der vom Pferd gezogene Pflug, die Egge, Sä- und Dreschmaschine, alles wurde bei uns kaum weiterentwickelt“, betont Böhrer. In den USA hingegen gebe es diesbezüglich gute und neue Geräte, die oft von den Amish People konstruiert würden, da sie motorgetriebene Technik ablehnen. „Farceur“ scheint seinen Job zu kennen und zu können. Er lässt sich in aller Ruhe einspannen und zur ersten Reihe führen, wo die Arbeit mit der Kreiselegge beginnt.

Bodenschutz auf Hufen

Seine Herkunft hat das gutmütige Tier wohl nicht vergessen. Die Kommandos für „Auf geht’s!“ oder „Rechts!“ erfolgen auf Französisch. Nur das „Zurück!“ akzeptiert „Farceur“ auf Deutsch. Rainer Gehrig ist froh über die Unterstützung von Philipp Böhrer und dessen Pferd. „Wir machen das hier nicht aus Liebhaberei, sondern aus Überzeugung. Und wenn man sieht, wie anstrengend diese Arbeit für Mensch und Tier ist, versteht man, dass unsere Altvorderen nicht so große Flächen in den Weinbergen bewirtschaften konnten“, sagt der Winzer. Warum ein Pferd hier besser arbeitet als eine Maschine, erklärt er so: „Wir hatten in diesem Wingert eine starke Bodenverdichtung. Die Blätter an den Rebstöcken waren schon kraftlos gelb. Schwere Maschinen hatten beim erforderlichen Aufreißen des Bodens die Pflugschar tiefer und unkontrollierter geführt als ein Pferd.“ So seien viele Wurzeln beschädigt oder durchtrennt worden, was bei der Arbeit mit dem Pferd vermieden werden kann. Schon ein Jahr nach dem Einsatz des Pferdes habe der Boden wieder seine Qualität gefunden. Böhrer ergänzt, dass ein Ardenner etwa 800 bis 850 Kilogramm wiegt. Die meisten Schlepper hingegen würden mit rund zwei Tonnen Gewicht über den Boden fahren.

Pferde gehören zum Leben

Mit dem Zusatz „Rosswingert“ kennzeichnen Herbert Heußler und sein Sohn Christian aus Rhodt unter Rietburg (Landkreis Südliche Weinstraße) ihre Premiumweine. Der Grund dafür steht bei ihnen im Stall. Rosswingert-Weine kommen bei Heußlers aus Weinbergen, die mit dem Pferd bearbeitet werden. Derzeit sind es 1,5 von rund 20 Hektar Fläche. Seit der 1948 geborene Herbert Heußler denken kann, gehören Pferde zu seinem Leben. Ein Foto im Familienalbum zeigt ihn als Kleinkind auf einem Pferd. Wobei das Gespann damals aus Pferd und Ochse bestand. Es gab in der frühen Nachkriegszeit für die Landwirtschaft nicht genügend Pferde, weil die Nazis im Zweiten Weltkrieg mehr als 1,6 Millionen Tiere „verheizt“ hatten.

Herbert Heußler
Pferd im Weinberg
Herbert Heußler

Das „wirtschaftliche Aber“

Als Herbert Heußler 1973 das Weingut von seinem Vater übernahm, fuhren überall in Rhodt schon Traktoren. Jetzt brauchte man keine Pferde mehr, auch nicht im elterlichen Weingut. Heußler ging jedoch einen anderen Weg: „Ich holte mir gleich mein erstes eigenes Pferd und wollte zumindest einen Teil unserer Weinberge damit bearbeiten. Dies ist bis heute so geblieben.“ Den Grund dafür erklärt er so: „Mit dem Pferd vorm Pflug wird der Boden locker, gut belüftet und lebendig. Tonnenschwere Schlepper dagegen verdichten den Boden und machen ihn hart wie Beton.“ In einer Bachelor-Arbeit, die eine Studentin in seinem Betrieb verfasste, wurden Weinbergsflächen gegenübergestellt, die mit dem Pferd beziehungsweise dem Schlepper bearbeitet wurden. Bei der „Pferde-Fläche“ entwickelte sich alles etwas früher und üppiger. Außerdem konnten stärkere Regenfälle hier in den Boden eindringen, während das Wasser in den durch Maschinen verdichteten Flächen darüber hinweg floss. Diesen Vorteilen entgegen steht das große „wirtschaftliche Aber“: Was ein Mann mit Pferd an einem Tag pflügt, schafft ein Traktor in 30 Minuten. Deshalb ist auch für Heußler nachvollziehbar, dass die Arbeit mit dem Pferd im Weinberg eine Nische bleiben wird.

Symbiose von Pferd und Mensch

Ein weiterer Aspekt: Bei der Maschine dreht man den Schlüssel um, dann ist Feierabend. Sein Süddeutsches Kaltblut „Max“ muss Heußler aber morgens striegeln, füttern und anschirren. Die Arbeit im Stall macht sich auch nicht von allein. Und abends, bevor der Winzer ins Bett geht, schaut er auch noch mal beim Pferd vorbei. Heußlers zufriedener Kommentar: „Na und? Mir macht es nichts aus, dass die Arbeit mit dem Pferd abends länger dauert und morgens früher beginnt. Mein Gaul und ich, wir schaffen zusammen. Und wenn wir nicht mehr können und müde sind, dann fahren wir heim.“ Um viel zu sagen, bedarf es in der Pfalz manchmal nur weniger Worte. Mit Wehmut spricht Heußler über sein Pferd „Rico“, das im Alter von 17 Jahren eine Kolik nicht überlebte: „Wenn ich mit ,Rico‘ gezackert habe, ging das sogar ohne Zügel. Er wusste genau, was zu tun ist und drehte am Ende einer Reihe in die nächste um. Oft ging das wortlos.“

Alte Aufnahme von Herbert Heußler.
WEGGEFÄHRTEN Seit Herbert Heußler denken kann, gehören Pferde zu seinem Leben. Dieses Foto zeigt ihn als Kind auf dem Pferd sitzend, das zusammen mit einem Ochsen ein Gespann zieht. Foto: Familie Heußler/Privat

Der Vorteil der „Rückepferde“

Die Bezeichnung „Rückepferd“ ist nahezu selbsterklärend: Wenn es im Wald darum geht, gefällte Baumstämme zum nächsten Waldweg zu bringen, wo sie zum Abtransport gesammelt werden, werden Pferde gebraucht. Durch die Mechanisierung der Forstwirtschaft sind Rückepferde fast überflüssig geworden. Selbst dort, wo Waldstücke für Maschinen schwer zugänglich sind, kommt heute Spezialgerät zum Einsatz. Doch aktuell bekommen Rückepferde als ökologisch sinnvolle Ergänzung bei der Forstarbeit wieder mehr Bedeutung. Denn Maschineneinsatz im Wald braucht etwa alle 20 Meter eine befahrbare Schneise. Der Boden wird dort stark verdichtet und so bei Starkregen zur „Wasserstraße“. Außerdem können Schätzungen zufolge durch Rückegassen bis zu 20 Prozent der Holzproduktionsflächen verloren gehen.

Sicherheit für Holzrücker gefragt

Würde die Mehrheit der Förster in Deutschland jeweils etwa 1000 Festmeter Holz von Pferden rücken lassen, würden sich nach Ansicht von Experten verschiedene Vorteile erzielen lassen: Die Abstände der Rückegassen würden größer, entsprechend mehr Fläche könnte bepflanzt werden. Pferde könnten auch bei nassen und tiefen Böden im Wald arbeiten. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe und klimaschädlicher Emissionen würde sich wie die Bodenverschmutzung durch Kraftstoffe und Hydrauliköle reduzieren lassen. Nicht zuletzt führten dann Erlöse durch sichere Einsätze dazu, dass Holzrücker leichter in die Arbeit mit Pferden investieren könnten. Schließlich muss man für ein Pferd vom Züchter mit einem Kaufpreis von rund 7000 Euro rechnen. Dazu kommen Arbeitsgeschirr und Rückekette für zusammen etwa weitere 3000 Euro.

Schritt für Schritt zum Waldeinsatz

Ernst Winkmann aus Blieskastel (Saarpfalz-Kreis) leitet einen der wenigen Forstbetriebe, die professionell mit Rückepferden im Wald arbeiten. Der heute 62-Jährige stammt aus dem Rheinland und wuchs dort in einem Landwirtschaftsbetrieb auf. Er ist von klein auf mit Pferden vertraut, suchte 2011 die Selbstständigkeit und kam als Holzrücker nach Blieskastel. Einige Forststellen in der Region hatten ihm auf Anfrage entsprechende Aufträge erteilt. Seine zwei Pferde, ein belgisches Kaltblut und einen französischen Ardenner, gewöhnte er Schritt für Schritt an die Arbeit im Wald. „Wenn Pferde zu mir kommen, kennen sie Geschirre und das Ziehen von Wagen und Kutschen. Ich fange dann an, mit ihnen stundenweise im Wald spazieren zu gehen, um sie an das Milieu zu gewöhnen. Sie erleben dabei auch unebene Böden, Totholz und andere Hindernisse“, erläutert Winkmann. Danach beginne er damit, ihnen eine Last anzuhängen und sie an Kommandos zu gewöhnen.

Gut planbare Saisonarbeit

„Bei der Ausbildung wie bei der Arbeit braucht man ein gutes Gespür dafür, die Leistungsgrenzen eines Pferdes zu erkennen. Ich muss merken, wann es den Tieren zu viel wird, wann sie nervös werden. Dann nehmen sie keine Kommandos mehr wahr und reagieren falsch“, betont Winkmann. Um ausreichend Aufträge muss man sich in diesem Familienbetrieb nicht sorgen. Für die Saison zum Holzrücken, sie dauert von August bis Ende März, fragen die Forstämter der Umgebung mit ausreichendem zeitlichem Vorlauf an. So werden die Arbeiten für den Betrieb gut planbar. Dennoch sieht Winkmann im Holzrücken mit dem Pferd keinen Beruf mit Perspektive: „Die Mengen reichen für eine Professionalisierung einfach nicht aus.“

Strafender Blick von „Odin“

An einem sonnigen Samstagvormittag erleben wir am Ortsrand von Heuchelheim-Klingen (Landkreis Südliche Weinstraße) nicht nur ein großes Treffen stolzer Bulldog-Veteranen, sondern auch Inge und Stefan Schmeltekopf. Sie demonstrieren dort mit ihrem Pfalz-Ardenner „Odin“ das Holzrücken. „Lui“, das zweite Pferd der Schmeltekopfs, ist zuhause in Rohrbach bei Landau geblieben. Stefan Schmeltekopf verdeutlicht mit einer Geschichte, wie eng die Verbindung zu Pferden ist. Als er vor ein paar Jahren von einer vierwöchigen Kur zurückgekommen sei, habe er seinen „Odin vom Lindenhof“ mit einer Tasche voller Äpfel begrüßen wollen. Das Pferd, mit dem er durch Jahre der Zusammenarbeit sehr vertraut war, sei jedoch achtlos an ihm vorbeigelaufen. Dort, wo Odin während der vorangegangenen vier Wochen eingestellt war, berichtete man Schmeltekopf, dass das Pferd in der ersten Woche unzugänglich war, in der zweiten Woche trauerte und in den restlichen Wochen jede Ansprache ignorierte. Die Missachtung des Pferdes gegenüber dem Kur-Rückkehrer dauerte volle drei Tage. Erst dann kam „Odin“ wieder auf Schmeltekopf zu – mit einem Blick, der „Mach das nicht noch einmal, Alter“ zu sagen schien.

Der mit dem Pferd „spricht“

Der Rohrbacher Pferdeflüsterer weiß die Sprache seines Pferdes zu verstehen. „Odin fragt mich zum Beispiel mit klaren Gesten, ob wir bei der Zugarbeit Pause machen können. Dazu dreht er sich zunächst einmal mit dem Kopf zu mir um. Und dann in kurzem Abstand noch einmal“, erzählt Schmeltekopf. Ein guter Fuhrmann lerne schnell, wie und was ein Pferd „spricht“. Das sei vor allem dann wichtig, wenn ein Pferd ein Kommando ablehne. „Man sollte es nicht dulden, dass es einen Befehl verweigert, wohl aber tolerieren, wenn es signalisiert, einen Befehl nicht durchführen zu können“, betont Schmeltekopf. Er ist mit seinen Pferden regelmäßig in einem eigenen Wald zum Holzrücken unterwegs. Auch bei Projekten des Naturschutzbundes Südpfalz kommen „Odin“ und „Lui“ zum Einsatz, etwa beim Räumen von Schnittgut und Totholz auf Streuobstwiesen und Auen.

Stefan Schmeltekopf mit "Odin"
PFERDEFLÜSTERER Stefan Schmeltekopf hat eine enge Verbindung zu Tieren, ganz besonders zum Pfalz-Ardenner „Odin“. Foto: Norman Krauß

Trittsicherheit nicht nur im Parcours

Bei der Präsentation in Heuchelheim-Klingen zeigt das Pferd, als sein Halter mit laufender Kettensäge unter ihm hindurchkriecht, eine stoische Ruhe. Beim Gang durch einen Parcours stellt es seine Trittsicherheit unter Beweis. Die ist bei der Arbeit im Wald auch gefordert, denn dort muss das Pferd beim Holzrücken ständig Bodenlöchern, Baumstümpfen, Wurzeln und Gestein ausweichen. Aufmerksamkeit und Umsicht eines Pferdes sind deshalb wichtig. „Es ist schon passiert, dass ich hinten bei Zuglast gestolpert und umgefallen bin. ,Odin‘ hat das registriert und ist sofort stehen geblieben“, freut sich Schmeltekopf, der sein Pferd für seine Zugwilligkeit lobt. „Er hängt sich mit seinen 800 Kilo zumeist voll ins Geschirr und zieht wie ein Ochse. Wobei ich darauf achte, das Pferd nicht zu überlasten. Die Zugleistung eines Kaltblüters sollte maximal das Anderthalbfache seines Körpergewichts betragen“, betont er. Inge und Stefan Schmeltekopf wünschen sich: „Bei derzeit weniger als 20 hauptberuflich tätigen Rückebetrieben in ganz Deutschland und angesichts der vielen guten Argumente für solche Betriebe, wäre ein verstärkter Einsatz von Pferden bei Wald- und Landschaftsarbeiten sehr sinnvoll.“

Von Pfalz-Ardennern begeistert

Zur Erfüllung dieses Wunsches liefert Holger Bossong aus Schneckenhausen (Landkreis Kaiserslautern) mit seinem Zuchtbetrieb die notwendige „Hardware“. Zunächst waren es Warmblüter, die er züchtete. Seit mehr als 20 Jahren sind es Kaltblüter. Der Grund für diesen Wechsel: „Ich habe gemerkt, dass mir etwas ruhigere und robustere Pferde mehr entsprechen. Auch wegen ihres Gemüts und ihrer Vielseitigkeit.“ Derzeit hat er fünf Pfalz-Ardenner im Stall. Bisweilen kommen sie beim privaten Holzrücken zum Einsatz, im Herbst auch zum Pflügen. Bei Ausflugswetter spannen Sylvia und Holger Bossong die Pferde vom Gorrhof für Spazierfahrten vor die Kutsche. Als Sylvias Bossongs Reitpferd einmal krank war und ein Ausritt in Richtung Dahn anstand, setzte sie sich einfach auf den Rücken eines „Dicken“. Sie schwärmt noch heute davon und lobt die Vielseitigkeit der Pfalz-Ardenner: „Diese Rasse ist sehr umgänglich und nicht so schwer wie die Ardenner aus Frankreich. Diese Pferde haben einen sehr guten Raumgriff und einen freundlichen Charakter. Einfach wunderbar!“ Holger Bossong schätzt die Rasse auch wegen ihrer Robustheit. Es gehört zu seiner Zuchterfahrung, dass die Pfalz-Ardenner außer beim Impfen so gut wie keinen Tierarzt sehen. Für ihn hat das Zugpferd dann wieder eine Chance auf verstärkten Einsatz, wenn „Pferd und Maschine vernünftig kombiniert werden. Außerdem müsste die Politik das gewachsene Verlangen der Menschen nach Langsamkeit, Ruhe und Umweltschutz stärker aufgreifen. Zugpferde bieten dazu einige gute Möglichkeiten“.

Spazierfahrten mit der Kutsche

Pferdearbeit in Wingert und Wald wird in der Pfalz von wenigen Enthusiasten gepflegt. Populärer sind Kutschen- und Planwagenfahrten mit Pferden. Manchmal sind es Familienbetriebe, die schon Jahrzehnte durch die Landschaft fahren, manchmal junge Halter, wie Philipp Böhrer, der mit seinem Pferd nicht nur im Weinberg arbeitet. Paul Gumbinger zum Beispiel sitzt seit fast 40 Jahren „auf dem Bock“. Seit 1988 startet er zu Planwagenfahrten in der Umgebung von Erpolzheim (Landkreis Bad Dürkheim). Ein Pferde-Enthusiast ist er seit mehr als 50 Jahren: „Mein Großvater war schon mit Pferden zugange. Sie gehörten immer zu meinem Leben. Ich habe mit den Pferden zunächst Holz gerückt, was aber sehr unrentabel war. So kam ich auf das Planwagenfahren, das sich gut entwickelt hat. Ich brauche dafür kaum Werbung und habe inzwischen mehr Anfragen als freie Termine.“

Ausbildung für Pferd und Kutscher

Mit „Fritz“, „Schorsch“, „Dom“ und „Iwan“ hat Gumbinger derzeit vier Wallache der Rasse Süddeutsches Kaltblut im Stall. „Wallache, also kastrierte Hengste, sind einfacher zu erziehen und zu lenken. Hengste wären mir vor der Kutsche zu stark und eigenwillig, Damen kommen öfter in Wallung, was im Fahrbetrieb viel Unruhe bedeuten kann“, so Gumbinger. Er erklärt auch, was man als Pferd und als Kutscher lernen und können muss: „Als meine Pferde jung waren, habe ich ihnen einen ganzen Winter lang täglich eine halbe Stunde die nötigen Begriffe beigebracht: ‚Lauf!‘, ‚Stopp!‘, ‚Links!‘, ‚Rechts!‘, ‚Huf geben!‘ Ich selbst habe den Kutschenführerschein B für gewerbliche Fahrer, der umfangreiche Fahr- und Sicherheitskenntnisse erfordert.“ In die Zukunft blickt Paul Gumbinger ohne Sorgen: „Mein Sohn Frederik wird das Kutschenfahren fortführen. Und dann sind da noch einige Enkelkinder, von denen vielleicht auch einmal eines Gefallen daran findet.“

Frederik Gumbinger fährt mit dem Planwagen
FREIZEITSPASS Frederik Gumbinger tritt als Planwagenfahrer in die Fußstapfen seines Vaters Paul. Foto: Privat/Elisabeth Gumbinger

Der „Landauer“ aus Hochstadt

Die Edellimousinen der Autobauer von heute hatten im 18. und 19. Jahrhundert in vielen europäischen Ländern mit dem „Landauer“ einen Vorgänger als „beliebtester Reisewagen und Statussymbol der begüterten Kreise“. Ob das vornehme viersitzige Gefährt mit seinem Namen wirklich auf die Stadt Landau zurückgeht, ist nicht gesichert. Sicher hingegen ist es, dass es noch heute viele Brautpaare in der Südpfalz genießen, in einem „Landauer“ von der Kirche zu einer Ausfahrt abgeholt zu werden. Dieses nostalgische Erlebnis ermöglicht seit zehn Jahren Suse Hörner aus Hochstadt (Landkreis Südliche Weinstraße) mit ihren Stuten „Yske“ und „Fera“ vor der Kutsche. Die beiden majestätischen Niederländerinnen bilden das passende Gespann vor dem noblen Gefährt, das Hörner bei der Auflösung einer Kutschensammlung erwarb und für Ausfahrten restaurieren ließ. „Mit funkelnden Augen und einem ‚Oh je, is des schä!‘ kommentierte ein Winzer die Geburtstagsausfahrt, die er zu seinem 90. Geburtstag geschenkt bekommen hatte“, erinnert sich Hörner. Und ein Hochzeitspaar, das sie von der Kirche abholten und eine Stunde durch Wiesen und Wälder fuhren, habe nach der Hochzeit erklärt: „Dies ist die ‚schönste Stunde des ganzen Hochzeitstages‘ gewesen.“ Einen ganz entscheidenden Anteil daran hatten die „sanften Riesen“ – vierbeinige Helfer, die an vielen Orten in der Pfalz weiterhin fester Bestandteil des Lebens sind.

Suse Hörner bei der Fahrt mit dem "Landauer"
NOBELKAROSSE Den „Landauer“ erwarb Suse Hörner bei der Auflösung einer Kutschensammlung. Foto: Norman Krauß

Interessengemeinschaft Zugpferde

Pferdezuchtverband Rheinland-Pfalz-Saar

Weingut Gehrig

Weingut Heußler

Forstbetrieb Winkmann

Stefan Schmeltekopf

Land- und Forstbetrieb Bossong


Kutschfahrten
Böhrer | Weisenheim/Sand, Fahrten für bis zu 8 Personen in Weisenheim und Umgebung, Telefon 01575 1588947, philipp.boehrer@web.de


Planwagenfahrten
Gumbinger | Erpolzheim, Telefon 06353 8975 (vorzugsweise ab 18 Uhr)
„Landauer“-Kutschenfahrten
Hörner | Hochstadt, Ansprechpartnerin Suse Hörner, Telefon 0151 28702454, suse.hoerner@hainbachhof.de

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Pfälzer Pferdestärken

Die Pfalz-Ardenner

Pfalz-Ardenner kommen aus dem Zuchtgebiet Rheinland-Pfalz-Saar und werden seit Beginn des 20. Jahrhunderts gezüchtet. Die Tiere zeichnen sich durch ein hohes Maß an Beweglichkeit aus.

Stefan Schmeltekopf mit "Odin" beim Holzrücken
STARKE HELFER Bei der Arbeit im Wald müssen die Pfalz-Ardenner Trittsicherheit beweisen. Foto: Norman Krauß

Wenn Pferde als Zug- oder Arbeitspferde eingesetzt werden, dann am häufigsten die starken Kaltblüter. In den Ardennen, einem Gebirge, das sich über Frankreich, Luxemburg und Belgien erstreckt, ist die Kaltblutrasse der Ardenner zuhause. Der Ardenner ist auch eine Stammrasse für andere Rassen. So zum Beispiel für den Pfalz-Ardenner als etwas leichterem Kaltblüter mit gehobener Gangqualität. Pfalz-Ardenner kommen aus dem Zuchtgebiet Rheinland-Pfalz-Saar und werden seit Beginn des 20. Jahrhunderts gezüchtet. Entstanden ist die Rasse aus Importen aus dem Elsass und aus Lothringen, auch ein kleiner Anteil aus Bayern ist dabei.

Tiere sind heute gefährdet

Zwischen 1946 und 1959 standen in Zweibrücken zwischen 12 und 15 Pfalz-Ardenner-Hengste, die anfangs noch mehr als 1000 Stuten deckten. Aber bereits 1958 waren nur noch 158 Stuten beim Verband eingetragen. Die Motorisierungwelle rollte und 1971 verließ der letzte Kaltbluthengst das Landgestüt Zweibrücken. Heute sind die Tiere aufgrund der kleinen Populationsgröße gefährdet, da sie in ihrer üblichen Tätigkeit als Arbeitspferd entbehrlich wurden. Das Stockmaß der Pferde liegt zwischen 1,52 und 1,62 Metern. „Der flotte Kaltblüter, wie ich ihn gern nenne, ist nicht besonders groß und zeichnet sich durch ein hohes Maß an Beweglichkeit aus,“ so der Pfalz-Ardenner-Experte Hans-Willy Kusserow.

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Landauer Verbindungen

Der pfälzische Franzose

Landau feiert anno 2024 seinen 750. Geburtstag. In den Fokus gerät dabei Michel Bréal. Die Stadt ehrt den gebürtigen Landauer mit dem ersten Bréal-Marathon. Der Ideengeber des neuzeitlichen Marathonlaufes steht dabei auch symbolisch für die Vielfalt der deutsch-französische Verbindungen Landaus. In der wechselvollen Geschichte war die Stadt von 1688 bis 1816 französische Exklave auf deutschem Reichsgebiet.

In diesem Haus am Landauer Rathausplatz wurde Michel Bréal geboren. Foto: Hans Giessen

Es gibt nicht viele Städte, die auf eine solch wechselvolle Geschichte zurückblicken können wie Landau. Wenn die südpfälzische Metropole in diesem Jahr ihren 750. Geburtstag feiert, dann spielt dabei natürlich auch die enge Verknüpfung zu Frankreich eine Rolle. Und eben diese facettenreiche deutsch-französische Geschichte auf der einen und Michel Bréals Kreativität auf der anderen Seite führte dazu, dass ein gebürtiger Landauer zum Ideengeber für die Entstehung des neuzeitlichen Marathonlaufs wurde.

Michel Bréal
Michel Bréal. Foto: Hans Giessen (Offizielles Porträtfoto Institut de France Archiv)

Begründer der Semantik

Es war der 26. März 1832, als Michel Bréal, der zudem als Begründer der Semantik (Teil der Sprachwissenschaft) in ihrer heutigen Bedeutung gilt, das Licht der Welt erblickte. Vor seinem Geburtshaus direkt am Rathausplatz, an dem eine Gedenktafel an den berühmten Sohn der Stadt erinnert, werden die Teilnehmer des ersten nach ihm benannten Marathons am Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober) ins Ziel einlaufen. Bréal, dem seine Eltern ursprünglich den Namen Michael gegeben hatten, zog es aus der Pfalz in die Hauptstadt des Nachbarlandes Frankreich, wo die Geschichte des modernen olympischen Langstreckenlaufs ihren Anfang nahm.

Anknüpfung an die Antike

In Paris, wo sich Bréal in den 1850er-Jahren erstmals länger aufgehalten hatte, lernte er Baron Pierre de Coubertin kennen. Den Sportfunktionär, der maßgeblich an der Wiederbelebung der Olympischen Spiele beteiligt war. Bréal, ein Bewunderer der antiken Kulturen, schlug ihm vor, bei den ersten Spielen der Neuzeit im Jahr 1896 in Athen einen Langstreckenlauf von Marathon ins Panathenäische Stadion zu organisieren – „dann hätten wir einen weiteren Anknüpfpunkt an die Antike“. Coubertin war so begeistert, dass der Marathonlauf im Programm der Spiele sogar als eigenständige Kategorie auftauchte, unabhängig von anderen Wettbewerben der Leichtathletik. Der Wettbewerb löste großen Jubel aus: Die letzten Meter rannte sogar König Georg I. von Griechenland mit. Ohne diesen Erfolg wäre es fraglich gewesen, ob sich die Olympischen Spiele als Idee so schnell durchgesetzt hätten. Doch mit der Begeisterung der Griechen für den Marathonlauf wurde dann auch dem Gesamtkonzept „Olympische Spiele“ zum Durchbruch verholfen.

Antikes Wandbild
EINBLICKE Die Geschichte des Marathons spielt aktuell auch bei einer Ausstellung zum Thema „Olympisme“ in Paris eine Rolle. Foto: Hans Giessen

Enge Verbindungen

Dass der „Landauer Bub“ überhaupt nach Paris ging und dort Karriere machte, lag auch an der engen Verknüpfung der Geschichte der heute kreisfreien Stadt mit Frankreich. Schließlich ist Landau die deutsche Stadt, die mit 135 Jahren am längsten französisch war. 1680 verleibte sich König Ludwig XIV. die Stadt in seinen Herrschaftsbereich ein. Im Westfälischen Frieden (1648) wurde das Elsass der Krone Frankreichs zugesprochen. Ludwig XIV. nutzte diese Regelung und behauptete einfach, dass Landau Teil des Elsasses sei. Sein Argument: Landau gehöre zum Elsässischen Zehn-Städte-Bund. Zehn freie Reichsstädte hatten sich 1354 im – damals noch deutschen – Elsass zusammengeschlossen, um Kaiser Karl IV. gegenüber ein stärkeres politisches Gewicht zu haben. Landau war zunächst nicht dabei – die Stadt lag ja in der Pfalz. Aber als sich 1521 Mühlhausen im Süden des Elsasses der Schweizerischen Eidgenossenschaft anschloss und damit den Zehn-Städte-Bund verließ, wurde die pfälzische Reichsstadt Landau angefragt, ob sie sich beteiligen wolle. Schließlich lag sie nur wenige Kilometer vom Elsass entfernt. Zudem sollte so die symbolische Zahl „10“ (in Anspielung an die biblische „Dekapolis“) unbedingt erhalten bleiben.

Pokal
POKAL Die Ausstellung zeigt auch den Coupe Bréal für den Sieger des Marathons bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit. Foto: Hans Giessen

Ein Vorposten Frankreichs

War Landau damit also tatsächlich Teil des Elsasses? Zumindest verleibte Ludwig XIV. die Stadt seinem Reich ein, wie Schritt für Schritt auch das „übrige“ Elsass. So wurde Landau französisch. Gerade die Tatsache, dass die Stadt rund 150 Jahre lang zum Bund der Freien Elsässischen Reichsstädte zählte, führte jedoch dazu, dass sie fortan gar nicht mehr so frei war. Sie wurde sogar französische Garnisonsstadt als Vorposten Frankreichs im deutschen Reichsgebiet und deshalb auch vom Militärbaumeister Vauban zur „größten Festung der Christenheit“ ausgebaut. Von dort aus wurde in der Zeit von 1688 bis 1697 der Pfälzische Erbfolgekrieg organisiert, eine der brutalsten Kriegskampagnen.

Festungsmodell im Museum
BLICK IN DIE VERGANGENHEIT Das historische Festungsmodell ist um 1740 entstanden und im Museum für Stadtgeschichte zu sehen. Foto: Stadtmuseum Landau/Christoph Bauer

„Politik der verbrannten Erde“

Französische Truppen brannten Speyer nieder, zerstörten Heidelberg, vergewaltigten und töteten. Die offizielle Devise war eine „Politik der verbrannten Erde“. Ältere Landauer kennen noch die Bezeichnung „Mélac“ für einen besonders bösartigen Hund – Ezéchiel de Mélac war der französische Stadtkommandant. Es ist geradezu makaber, dass eine der aufwändigsten und beeindruckendsten historischen Grab- anlagen in Landau dem Lieutnant-Général Joseph de Montclar gewidmet ist. Er war einer der brutalsten Generäle in französischen Diensten, der Speyer niederbrennen ließ und der später in Landau eines natürlichen Todes starb, wo er dann begraben wurde.

Grab von Montclar
HISTORIE Die Grabanlage des Lieutnant-Général Joseph de Montclar in Landau. Foto: Hans Giessen

Pfälzer Freiheitskämpfer

Im Reich blieb das Misstrauen gegenüber der „terreur française“, das zum gegen Frankreich gerichteten deutschen Nationalismus führte, als französische Revolutionstruppen Ende des 18. und Anfangs des 19. Jahrhunderts die deutschen Länder eroberten. In der Pfalz selbst hatte man im Lauf der Zeit allerdings auch die positiven Seiten Frankreichs kennengelernt. So wurden viele Pfälzer, als die Französische Revolution (1789 bis 1799) ausbrach, zu überzeugten französischen Freiheitskämpfern. Landau selbst blieb immer eine Exklave des elsässischen Départements Bas-Rhin. Auch als die Revolutionstruppen die gesamte Pfalz eroberten und dort das Donnersberg-Département (Département du Mont-Tonnerre) als Verwaltungseinheit etablierten. Das Landauer Stadtgebiet war damals, zu französischer Zeit, rechtlich gesehen also in der Tat nicht mehr Teil der Pfalz, sondern des Elsass.

Ein gefragter Mann

Einer derjenigen, der zur Zeit der Revolution ein begeisterter Franzose wurde, war August Breal, der Vater des „Marathonlauf-Erfinders“. Er stammte aus Pirmasens und studierte in Straßburg französisches Recht. Er nutzte aber auch alte Familienkontakte und bildete sich in Würzburg im bayerischen Recht weiter. 1815 wurde dann im Wiener Kongress festgelegt, dass Landau wieder zu Deutschland kommen sollte. Der Münchner Vertrag wies die Region Bayern zu. Gleichzeitig wurde den Pfälzern, zu denen nun die Landauer wieder gehörten, zugesichert, dass dort das französische Rechtssystem bestehen bleiben solle. Damit wurde August Breal dank seiner Kenntnisse des französischen und des bayerischen Rechts zum gefragten Mann: Fast unmittelbar nach dem Studium berief man ihn als – damals noch einzigen – Staatsanwalt ans Bezirksgericht in Landau.

Französisches Lebensgefühl

In den folgenden Jahren bekam die Familie Breal drei Kinder, die allesamt im zu dieser Zeit wieder pfälzischen Landau geboren wurden. Das französische Lebensgefühl war in der Stadt aber weiterhin sehr dominant. Michel behielt seine Kindheit immer in sehr positiver Erinnerung. Im Jahre 1908 beschrieb er in einem Artikel für die damals von Hermann Hesse herausgegebene Zeitschrift „März“ seine Landauer Jugend rückblickend geradezu begeistert als sehr glücklich. Und doch bezeichnete er sich selbst stets als Elsässer und nicht als Pfälzer.

Aus Michael wird Michel

Schließlich war es ein Schicksalsschlag, der den jungen Michael dann tatsächlich ins Elsass verschlug. Als er sieben Jahre alt war, starb sein Vater. Die nun alleinerziehende Mutter zog mit den Kindern nach Weißenburg, heute die nördlichste Stadt des Elsass, in der Verwandte lebten. Dort schloss er die Schule ab und begann ein Studium in Paris. Aus Michael wurde Michel, der Nachname Breal erhielt einen „accent aigu“ und wurde zu Bréal. Eine Integration, wie sie damals üblich war. Deutschland blieb er dennoch weiter verbunden. Auch da seine Ehefrau aus Mainz stammte, reiste Bréal immer wieder ins Nachbarland. Er absolvierte ein Auslandsjahr in Berlin und hielt auch in der schwierigen Zeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 Kontakt zu seinen deutschen Kollegen.

Wohnhaus von Michel Bréal
BERUFLICHE HEIMAT In diesem Haus in Paris lebte Michel Bréal. Foto: Hans Giessen

Olympisches Motto festgezurrt

Seine berufliche Heimat aber wurde Paris. Schon mit 36 Jahren übernahm Bréal eine Professur am Collège de France. Schon bald verkehrte er in der Pariser Haute Volée. Einer seiner Söhne heiratete die Tochter des damaligen französischen Marineministers, seine Tochter den späteren Literaturnobelpreisträger Romain Rolland. Zu Bréals Kontakten zählten französische Ministerpräsidenten wie Jules Simon oder Jules Ferry. Andere Bekannte waren Jeanne de Bonaparte oder eben Pierre de Coubertin. Letzterer war es dann auch, der dafür sorgte, dass Bréal im Jahre 1894 beim Gründungskongress des Olympischen Komitees direkt an seiner Seite saß. Dort hielt Coubertin die erste Rede, in der er das Olympische Motto „citius – altius – fortius“ (auf Deutsch: „schneller – höher – stärker“, im allgemeinen Sprachgebrauch übersetzt mit „schneller – höher – weiter“) festzurrte. Und auch wenn das Internationale Olympische Komitee 2021 beschloss, dem Ganzen den Begriff „communiter“ („gemeinsam“) hinzuzufügen: Michel Bréal, der einst in einem Haus am Landauer Rathausplatz das Licht der Welt erblickte, hat Spuren hinterlassen, die bis heute sichtbar sind.

Der erste Bréal-Marathon in Landau startet am Donnerstag, 3. Oktober 2024 (Tag der deutschen Einheit). Neben dem Marathon stehen ein Ekiden (Marathon-Staffellauf), der EnergieSüdwest-Halbmarathon, der APL-Schüler-Halbmarathon, ein Sparkassen-Schülerlauf und ein Bambini-Lauf auf dem Programm.

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Pfälzer Wasserspass

Die Pfalz erfrischt

Baggerseen, Wooge, Weiher und Bäder – kaum eine andere Region bietet eine so große Bandbreite an Bade- und Ausflugsmöglichkeiten wie die Pfalz. VielPfalz-Autorin Friederike Krauß war auf Erkundungstour und hat dabei allerhand Erfrischendes entdeckt.

Gelterswoog
WASSEROASE Der Gelterswoog bei Kaiserslautern. Foto: Friederike Krauß

Die Pfalz hat viel zu bieten. Idyllische Wälder und stille Täler, bizarre Sandsteinfelsen und mächtige Burgen, urwüchsige Auen und sanfte Berglandschaften. Auch ich als Zugezogene habe das alles kennen und lieben gelernt. Was mir als gebürtigem Nordlicht aber fehlt, ist das Meer vor der Tür. Der Horizont, der sich darin verliert, das Rauschen der Wellen, Salz in der Luft. Damit kann die Pfalz zwar nicht dienen, dennoch gibt es zahlreiche Orte am und mit Wasser, die es zu entdecken und erkunden lohnt: Die Pfalz erfrischt.

Gefühl von Entspannung und Urlaub

Auf der glatten Wasserfläche spiegelt sich imposant der Pfälzerwald. Außer Vogelgezwitscher sowie hier und da leisem Stimmengewirr ist nichts als Stille zu vernehmen. Fast meditativ zieht der Clausensee in seinen Bann, lädt zum Hineinspringen ein. Aber Vorsicht! Abkühlung garantiert! Denn der See wird zu 100 Prozent aus reinem Quellwasser des Waldes gespeist. So liegt die Wassertemperatur selbst im Hochsommer nie über 23 Grad. Die optimale Wasserqualität wird alle vier Wochen vom Gesundheitsamt kontrolliert und bestätigt. Im Bach, der idyllisch durch die Anlage des dazugehörigen „Camping Clausensee“ führt, steht Besuchern eine Natur-Kneippstelle zur Verfügung. „Die wird sehr gerne genutzt“, verrät Juliane Klüßendorf. Sie ist seit drei Jahren auf dem Campingplatz beschäftigt und könnte sich keinen herrlicheren Arbeitsort vorstellen. „Für mich sind die allerschönsten Momente des Tages, wenn ich auf den See schaue. Das belohnt alle Anstrengung und schenkt mir sofort ein Gefühl der Ruhe“, erzählt Klüßendorf. Tatsächlich hat man hier mitten im Pfälzerwald fernab von Stadt und Lärm vom ersten Augenblick an das Gefühl von Entspannung und Urlaub.

Clausensee
ERFRISCHUNG Quellwasser sorgt im Clausensee inmitten des Pfälzerwaldes für Abkühlung. Foto: Camping Clausensee GmbH

Ankommen und wohlfühlen

Der Campingplatz Clausensee samt gleichnamigem See ist vor rund 45 Jahren entstanden und gehört zu Waldfischbach-Burgalben. Der Vater der jetzigen Geschäftsführerin Katharina Singer hatte damals den Wunsch und die Idee für diesen Ort und ließ dazu neben dem Platz für Camper auch den See ausgraben und anlegen. Heute fügt sich das Gewässer in die Landschaft, als wäre es schon immer dort gewesen. Das gesamte Areal erstreckt sich über zwölf Hektar, der Clausensee selbst umfasst vier Hektar Fläche. Der Slogan „Ankommen und Wohlfühlen – Ihr Familienplatz im Pfälzerwald“ trifft es perfekt. Denn den Besuchern wird neben dem landschaftlichen Genuss einiges geboten. Rund 150 Stellplätze, neue Sanitäranlagen, ein Restaurant, eine Bar, Verleih von Tretbooten und Stand-Up-Paddle-Boards (SUP), Kettcars, der Bachlauf zum Spielen – Langeweile kommt hier bestimmt nicht auf. Wer nicht übernachten möchte, ist auch als Tagesgast willkommen. Erwachsene zahlen dann vier, Kinder drei Euro. Tretboote können für 16 Euro die Stunde, Stand-Up-Paddle-Boards für 14 Euro die Stunde geliehen werden. Gerne kann man auch mit eigenem Schlauchboot oder SUP den See erkunden. Die kleine, verwunschene Insel in der Mitte gehört allerdings ausschließlich den Enten.

Clausensee
Clausensee
Clausensee

Sogar viele Pfälzer sind überrascht

Für mich strahlt dieser Ort Leichtigkeit aus und das Gefühl, durchatmen zu können. Juliane Klüßendorf erzählt mir, dass sogar viele Pfälzer, die eher zufällig hier vorbeikommen, überrascht sind, nicht vorher von diesem Fleckchen gewusst zu haben. „Die meisten kommen dann immer wieder“, sagt Klüßendorf lachend und fügt hinzu: „Der See in Kombination mit dem Wald und der Ruhe ist einfach anziehend.“ Ein Geheimtipp, würde ich sagen. Denn auch wenn die Ferien- und Feiertage hier sehr gefragt und gut ausgebucht sind: Unter der Woche ist es beschaulich und durch die große Fläche nie überlaufen, bestätigt mir Juliane Klüßendorf.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Mein nächster Stopp führt mich an den Lambsheimer Weiher. Kaum zu glauben, aber hier liegt eine der ältesten Beachbars Deutschlands. Besitzer Srećko Marušić hatte vor knapp 25 Jahren den richtigen Riecher oder wie er selbst sagt: „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Damals bewirtschaftete seine Tante das Restaurant am Lambsheimer Weiher. Er selbst half immer mal aus und feierte schließlich seinen 30. Geburtstag dort. Ein rauschendes Fest mit unterschiedlichen Musikacts und guten Drinks. „Einfach so gut, dass alle begeistert waren und zu mir meinten: ‚Du musst hier mehr machen’.“ Dies ließ den gebürtigen Kroaten nicht los. Kurzerhand brachte er seine Vorstellungen einer Beachbar aufs Papier, ging damit zum damaligen Bürgermeister von Lambsheim, Kurt Scherr, der seinen Plan unterstützte.

Den Alltag hinter sich lassen

So öffnete Marušić im Jahr 2000 die „Beachbar Lambsheim“. Der Anfang war hart. „Ich musste ganz schön kämpfen“, erzählt Marušić, „hatte noch meinen Job in Mannheim, bin immer hin- und hergependelt.“ Aber er hielt an seinem Traum fest, einen Ort zu schaffen, an dem sich die Menschen sofort wie im Urlaub fühlen und für ein paar Stunden den Alltag vergessen. 2003 kam dann der Durchbruch. Der heiße Sommer brachte den Boom der Beachbars in Deutschland. Eine Zeit lang führte der 54-Jährige sogar parallel die Strandbar in Mechtersheim. Doch sein Herz gehörte Lambsheim und so fokussierte er sich auf die Beachbar. „Bei uns ist perfekt, dass man einfach vorfahren kann und da ist. Nach wenigen Schritten blickt man aufs Wasser, und allein das löst schon Anspannung“, schwärmt Marušić.

Baden und Angeln in klarem Wasser

Der Lambsheimer Weiher bietet definitiv eine lässige und entspannte Atmosphäre. Für einen Moment denke ich, ich könnte gerade genauso an einem See in Schweden sitzen, lasse die Gedanken schweifen. Die naturbelassene Umgebung kann über einen Weg rund um den See erkundet werden. Das kristallklare Wasser lädt zum Baden und Angeln ein. Gerne treffen sich hier Freunde auf einen Drink oder Familien nutzen den See als Ausflugsziel. Kinder können im Sand buddeln oder am seicht abfallenden Ufer planschen. Wer selbst keinen Proviant für ein Picknick dabei hat, kann im Restaurant einkehren oder ein Getränk in der Beachbar nehmen. Ein kleiner Kiosk rundet das Angebot ab. Viele Optionen also für Ausflügler, die es zum See zieht. Er ist der Glücksort von Marušić. Inzwischen sind Sohn und Neffe mit von der Partie. Er selbst sehe sich eher als Maskottchen, meint er lachend. Der 54-Jährige kümmert sich in erster Linie um die Organisation. Und um die Musikgruppen. Denn die gibt es hier auch in den warmen Monaten – eine Vielzahl von Open-Air-Konzerten mit verschiedenen Live-Bands. Während der Sommermonate finden sie jeden Mittwoch und Samstag ab 19.30 Uhr statt. Im Herbst und Winter jeden Sonntag ab 15 Uhr.

Kühle Drinks bei Reggaeklängen

Wenn das Wetter mitspielt, kommen gerne mal bis zu 1000 Besucher. Sonst sind es zwischen 100 und 500. „Mir ist wichtig, ein breites Publikum anzusprechen. Also von Jung bis Alt. Ob Rocker, Hippie, Reggae oder Schlager – Bands und Musiker treten bunt gemischt im Wechsel auf und bescheren dem Publikum bei chilliger Strandatmosphäre, einem kühlen Getränk und Blick auf den Weiher garantiert ein besonderes Erlebnis“, berichtet Marušić. Ihm ist es ein Anliegen, Künstler aus der Nähe zu unterstützen. Aber auch kleine Bands aus Frankreich, Spanien oder weiter weg haben hier schon gespielt. Der Eintritt ist übrigens immer frei. Gute Gründe gibt es also einige, hier einmal herzukommen.

Jedes Fleckchen ist individuell

„Ob nun am Weiher liegen, sich eher an einer Quelle im Wald erfreuen oder entlang des Rheins in einer Strandbar einen Cocktail genießen – Möglichkeiten gibt es zahlreiche“, weiß auch Lena-Sofie Schuster von der PfalzTouristik zu berichten. „Ich finde das Angebot bemerkenswert und besonders schön, dass jedes Fleckchen dabei so individuell ist. Es macht einen großen Unterschied, ob ich an einen Woog fahre, die Natur im Wald samt Bach oder Quelle wähle oder eher die Rheinebene.“ Gerne erinnert sie sich selbst daran, als Jugendliche die Sommertage mit Freunden fast täglich in Mechtersheim am Badesee verbracht zu haben. „Es gibt doch kaum was Schöneres, als an heißen Sommertagen irgendwo am Wasser sein zu können“, schwärmt Schuster. Heute ist ihr persönlicher Favorit die Karlstalschlucht in Trippstadt.

Naturparadies für Kinder

Das größtenteils naturbelassene Karlstal mit seinen Sandsteinfelsen zählt zu den schönsten Schluchten des Pfälzerwaldes, durch dessen Tal sich der Bach Moosalb schlängelt. Der Weg entlang des Tals ist auch für Familien sehr reizvoll. Ein Naturparadies für Kinder. Sie können im Felsenmeer klettern oder barfuß durch den Bach spazieren – wobei es an einigen Stellen auf den Wasserstand des Baches ankommt. Aber auch barfuß den Waldweg zu beschreiten lohnt sich und bietet ein besonderes Erlebnis. Herrlich ist, dass der Weg fast überwiegend schattig liegt. Durch die kleinen Brücken, die den Bach queren, das Moos am Wegesrand und den wilden Baumbestand hat das Tal eine verwunschene, urwaldartige Anmutung. Mit ganz kleinen Kindern empfiehlt es sich, den Weg anstelle eines Kinderwagens mit einer Kraxe zu bestreiten. Dieser eignet sich nur bedingt und ist an einigen Stellen wenig komfortabel. Eine weitere erwähnenswerte Wanderung mit vielen Quellen verläuft entlang des Teufelspfades bei Pirmasens. Benannt nach einem seiner Höhepunkte – dem Teufelsfelsen. Eine Erfrischung an heißen Tagen ist hier mit den Weihern und Bachläufen zwischen bizarren Felsformationen bis hin zu zahlreichen Quellen und Wasserfällen garantiert.

Karlstalschlucht
NATURPARADIES Das Karlstal mit der Moosalb lockt bei Trippstadt im Sommer als kühle Schlucht. Foto: Pfalz Touristik e.V./Fachenbach Medien

Maritimes Flair mitten in der Pfalz

Natur und Sport verbindet Dietram Ertel. Er ist passionierter Windsurfer. Wer jetzt denkt: „In der Pfalz?“, dem sei gesagt: „Genau hier!“. „Wir haben tolle Seen – allein rund 20 um Speyer herum“, schwärmt der 45-Jährige. „Fast ein bisschen Karibik vor der Haustür“, sagt er und lacht. Das Vereinsgelände des Windsurf-Clubs Speyer liegt am Silbersee im Speyerer Binsfeld. Ertel, Erster Vorsitzender des Vereins, erklärt, dass das eher das Übungsgewässer ist. Der größere Kollersee bei Otterstadt ist das Revier der erfahreneren Surfer. Außerdem tummeln sich hier meist Kiter, Segler und Angler – maritimes Flair mitten in der Pfalz. Sogar mit Camping- und Einkehrmöglichkeit.

Surfspots Silbersee und Kollersee

Die meisten Vereinsmitglieder haben Windsurfen im Urlaub gelernt. Und weil es ihnen eben nicht nur ein- oder zweimal im Jahr reichte, auf das Surfbrett zu gehen, suchten sie in der Region nach entsprechenden Möglichkeiten. Die sind mit dem Silbersee und dem Kollersee gegeben. Die Lage im Naturschutzgebiet sei zwar nicht optimal, aber man könne etwas draus machen, meint Ertel und sagt mit einem Augenzwinkern: „Wir Windsurfer im Binnenland sind Kummer gewohnt, denn durch die Bedingungen ist Surfen hier per se schwieriger.“ Das heißt aber nicht, dass es weniger Spaß macht. „Man muss eben was dafür tun“, sagt Ertel. Dafür werde man ja auch belohnt. Positiv zu bemerken sei, dass der Wind in den vergangenen Jahren auch bei schönem Wetter zugenommen hat. „Super für uns Windsurfer“, meint Ertel. „Dann kommen wir schon so im Schnitt mindestens einmal die Woche aufs Wasser“, erklärt er und berichtet von einem 76 Jahre alten Vereinsmitglied, das bei jeder sich ihm bietenden Möglichkeit aufs Brett steige. Umgeben von herrlichen Wildblumen am Ufer, mitten in der Natur, packt auch mich die Lust, hier das Windsurfen einmal fernab vom Meer auszuprobieren. Denn das Gefühl, auf dem Wasser zu sein und für einen Moment alles andere um mich herum zu vergessen, ist unbeschreiblich.

Seengruppe am Binsfeld beliebt

Die Boomzeit des Windsurfens war übrigens in den 1980er-Jahren. Auch wenn es heute nicht mehr zu den Trendsportarten zählt, für Dietram Ertel ist und bleibt es der Sport schlechthin. Der Verein existiert seit 1979 und zählt vor allem Familienmitgliedschaften. „Bei uns ist jeder willkommen, der Lust hat, mal aufs Brett zu steigen“, betont er. Ein erstes Schnuppersurfen ist unverbindlich und kostenlos. Der Verein bietet nach Absprache auch Anfängerkurse oder Trainingsstunden an. Anfängern und Fortgeschrittenen steht Surf- und SUP-Material zum Ausleihen zur Verfügung. Vereinsmitglieder unternehmen regelmäßig gemeinsame Fahrten etwa an den Gardasee oder das Ijsselmeer. Am Silbersee darf zwar gerne im Sand gebuddelt werden. Da der See aber ausschließlich das Revier der Windsurfer ist, ist Baden nicht gestattet. Dies ist allerdings in einigen der sieben anderen umliegenden Baggerseen möglich, die teils miteinander verbunden sind. Die Seengruppe am Binsfeld ist gerade in den Sommermonaten ein angesagtes Ausflugsziel. Der Binsfeldsee wird von Mitte Mai bis Mitte September an Wochenenden und Feiertagen von der DLRG überwacht. Am See gibt es zudem einen Hundestrand.

Abstecher in den Beachclub am Rhein

Wer im Anschluss ans Surfen oder Baden noch Lust hat auf Füße im Sand, Drink in der Hand und Sonnenstrahlen im Gesicht, der kann den mit dem Auto etwa zehn Minuten entfernten „Rheinstrand Speyer“ aufsuchen. Für meinen Geschmack lässt es sich hier mit Blick auf den Rhein in Strandliegen oder im Biergartenbereich ganz wunderbar aushalten – Schiffe gucken inklusive. Die Öffnungszeiten des Beachclubs sind ans Wetter angepasst. Bei Regen oder Sturm bleibt der Strand geschlossen. Die Homepage wird täglich aktualisiert. Flammkuchen, Pizzen, Eis oder Brezeln sowie Getränke gibt’s mit Selbstbedienung.

Rheinstrand Speyer
RHEINSTRAND Bei Speyer sorgen coole Drinks und Füße im Sand für angenehme Auszeiten. Foto: Friederike Krauß

Kleine Oase aus dem Schlaf erweckt

Rund eine Autostunde westlicher mitten in der Natur der Westpfalz gibt es seit wenigen Jahren ebenfalls Strandgefühl zu erleben – am Gelterswoog. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der See durch Bachstau angelegt. In den 1920er-Jahren wurde er als Badegewässer freigegeben und in den 1930er-Jahren zum Strandbad ausgebaut. Irgendwann in die Jahre gekommen, war die Anziehung für Badegäste allerdings nicht mehr allzu groß. Das haben Boris Zeller und sein Kumpel Peter Werner geändert. Mit viel Mühe, Zeit und Geld konnten sie in Eigenarbeit über die vergangenen Jahre eine kleine Oase nahe Kaiserlautern aus dem Schlaf erwecken. Vor sechs Jahren übernahmen die beiden gebürtigen Pfälzer zunächst den Minigolfplatz, der von April bis November geöffnet ist. Die sehr gepflegte Anlage mit vielen Sitzmöglichkeiten und Schattenplätzen ist ein großer Spaß für Kinder, wie ich zusammen mit meiner Familie entdecken darf.

Gelterswoog
FREIZEITBAD Der Gelterswoog bietet neben Wasserspaß auch zahlreiche Sportmöglichkeiten. Foto: Friederike Krauß

Eine Herzensangelegenheit

Vor drei Jahren kam dann das komplette Areal dazu, das sich insgesamt über zwei Hektar erstreckt. „Wir haben den ganzen Strand- und Bistrobereich erneuert, einen neuen Steg gebaut, die Duschen und Toiletten repariert, die Blumenbeete neu bepflanzt und den Strand mit Palmen aufgewertet“, berichtet Zeller und fügt hinzu: „Der Gelterswoog war eigentlich immer ein Ort, an dem sich Familien und Freunde treffen, Spaß haben, Eis oder Pommes essen, Kaffee trinken und Kuchen essen, die Sonne genießen, schwimmen gehen oder Beachvolleyball spielen.“ All das wollten die beiden wieder möglich machen. Eine Herzensangelegenheit – denn Zeller hat als gebürtiger Hoheneckener schon als Kind und Jugendlicher seine Sommerwochenenden am Gelterswoog verbracht.

Ein vielfältiges Naturdenkmal

Mir fallen gleich der leicht rötliche Sandstrand auf, das flache Ufer, die Liegewiese mit Beachbetten und Sonnenliegen, eingebettet in die herrliche Natur. Im See darf nicht nur gebadet werden, auch Tret- und Ruderboote sowie SUPs stehen zum Verleih. Ebenso kann man eine Grillhütte mieten. Zwei Trampoline, Fußballfelder und eine Spielwiese für Kinder mit Klettergerüst runden das Angebot ab. „Erst kürzlich dazugekommen sind das Outdoor-Schachfeld sowie eine neue Bühne“, erklärt Zeller. An den Wochenenden gibt es hier Livemusik aus wechselnden Musikbereichen. „Wir freuen uns sehr, dass sich unser Konzept und das Strandbad mittlerweile so großer Beliebtheit erfreuen“, sagt der 46-Jährige. Auch Gäste, die eine längere Anreise hätten, würden gerne wiederkommen. Bei Regen kann es durchaus sein, dass das Freizeitbad geschlossen bleiben muss. Bei gutem Wetter hat es von April bis Oktober täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Montags erst ab 12 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt vier Euro für Erwachsene und zwei Euro für Kinder von sechs bis zwölf Jahren. Die ganz Kleinen sind kostenfrei. Für ihren Herzensort nehmen die beiden Freunde die viele Arbeit gerne in Kauf. „Wir sind sehr dankbar, dass unsere Familien und Freunde uns oft mit unterstützen“, betont Boris Zeller. Damit der Gelterswoog auch künftig ein Anziehungspunkt für Jung und Alt bleibt.

Beachbar Gelterswoog
HERZENSORT Der Strand- und Bistrobereich am Gelterswoog. Foto: Friederike Krauß

Die Pfalz erfrischt

Ob Ruhepol Clausensee, Konzerte genießen am Lambsheimer Weiher, Baden im Wald, Surfen auf dem See oder Relaxen am Gelterswoog – meine Exkursion quer durch die Pfalz hat eines bestätigt: Wasserspots, jeder davon mit seinen besonderen Reizen, mit inspirierenden Menschen dahinter, gibt es in der Region einige. Auch ohne Meer vor der Tür – die Pfalz kann ganz gewiss ebenfalls erfrischen.

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Pfälzer Wasserspass

Pfälzer Orte zum Abkühlen

Baden, Boot fahren oder einfach nur die Füße ins Wasser halten. Friederike Krauß hat für VielPfalz persönliche Tipps zusammengestellt.

Foto: Friederike Krauß

Baggerseen, Wooge, Weiher und Bäder – in der Pfalz gibt es zahlreiche Plätze am und mit Wasser, die es zu entdecken und erkunden lohnt. Die hier aufgeführten Orte zum Abkühlen sind in alphabetischer Reihenfolge geordnet. Die jeweilige Zahl markiert auf der Karte die geografische Lage.

Übersichtskarte Pfalz

1 Altrip Blaue Adria
Das etwa 35 Hektar große Naherholungsgebiet besteht aus mehreren Baggerseen. Sehr große Sandabschnitte und viele Schattenplätze machen das Gebiet zum tollen Sommerziel mit Kindern.

2 Bad Dürkheim Aloha Beach
Der Aloha Beach befindet sich auf dem Gelände des „Knaus Campingparks“ am Almensee. Tageseintritt erforderlich. Neben Schwimmen sind Aktivitäten wie Stand-Up-Paddling, Tretboot, Quadtouren, E-Bike oder Vespa buchbar.
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3 Bobenheim-Roxheim Silbersee
Der Silbersee mit 112 Hektar der größte See der Pfalz und der zweitgrößte im Bundesland. Hier kann man baden, surfen, Stand-Up-Paddling und Boot fahren. Parkplätze gebührenpflichtig.
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4 Elmstein Helmbachweiher
Naturbadesee im Helmbachtal mit Liegewiese, Grillplatz und Kiosk. Großer Parkplatz.
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5 Erlenbach bei Dahn Seehofweiher
Großer Badesee unterhalb der Burg Berwartstein mit schöner Liegewiese und Kiosk.
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6 Germersheim Sollachsee
See mit mehreren Badestellen, Spielplatz mit Kletterturm und Rutschen sowie ein Wasserspielplatz. Grillanlagen vorhanden.

7 Hauenstein Paddelweiher
Hier können Tretboote gemietet werden. Die Hütte mit Biergarten und Spielplatz ist Ausgangspunkt für Wanderungen. Kein Badesee.
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8 Hinterweidenthal Rohrwoog
Ein reiner Badesee im Wald zwischen Hinterweidenthal und Dahn.
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9 Jockgrim Baggersee
Treffpunkt mit klarem Wasser und gepflegten Sand- und Rasenliegeflächen im Naherholungsgebiet Johanneswiesen. Zu festen Öffnungszeiten mit Eintritt zugänglich.
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10 Kindsbach Bärenlochweiher
Badesee im Pfälzerwald mit Liegewiese am südlichen Ufer sowie Kiosk.
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11 Lingenfeld Baggersee
Baden (auf eigene Gefahr) im Erholungsgebiet. Zwischen April und Ende September geöffnet.
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12 Ludwigswinkel Sägmühlweiher
Ein Badesee in der Ortsmitte, ursprünglich für eine Mühle aufgestaut. Weitere Badeseen in der Nähe: Saarbacherhammer und Schöntalweiher.
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13 Ramsen Eiswoog
Ein See inmitten idyllischer Natur. Bootsfahrten sind möglich. Baden ist nicht erlaubt. Mit interessantem Naturerlebnispfad.
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14 Rülzheim Strandbad
Am Ortsrand in der Natur gelegen. Strandbad mit abgetrenntem Flachwasserbereich inklusive Wasserrutsche.
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15 Schönenberg-Kübelberg Ohmbachsee
Die Wasserfläche umfasst 15 Hektar. Es gibt Liegewiesen, Tretbootfahrten, Kneipptretbecken und einen Wasserspielplatz. Baden ist nicht erlaubt. Der See ist Ausgangs- und Endpunkt für Wanderungen und Radtouren.
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16 Trippstadt Sägmühlweiher
Der Naturbadesee liegt am Camping- und Freizeitzentrum Sägmühle mit großem Freizeit- und Aktivangebot. Restaurant mit Biergarten
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Literweine

Liter-Liebe

Er gilt in der Pfalz als Visitenkarte eines Weinguts: der Literwein. Seine Qualität muss stimmen. Dennoch landet selten eine Literflasche offen auf dem Tisch – dieser Platz ist den eleganteren Formaten vorbehalten. Sorten, Image, Zukunft: Wie steht es um den Literwein in der Pfalz?

Weinkiste
Foto: VielPfalz

„Ein Weingut, in dem es keinen Literwein gibt, ist mir erstmal suspekt.“ Willi Brausch ist Urpfälzer, Musiker, Kultur- und Weinbotschafter sowie echter Verfechter des Pfälzer Literweins. Er ist überzeugt: Die meisten hätten gar nicht auf dem Schirm, welche tollen Qualitäten es im Liter gäbe. Das macht er sich auch als Überraschungseffekt bei seinen Weinproben zunutze. „Da bringe ich immer wieder auch einen Literwein mit und die Leute sind begeistert.“ Pfälzer Literweine schmecken, sie gelten gar als wichtiges Aushängeschild vieler Weingüter – und dennoch scheinen nicht wenige ein gespaltenes Verhältnis zu ihnen zu haben. Ist der Liter eine Art heimliche Liebe für die Pfälzerinnen und Pfälzer?

Die Normflasche: 0,75 Liter

Weinflasche

Woher genau die Literflasche kommt, lässt sich schwer sagen. Fest steht: Wein kennen wir heute primär im 0,75-Liter-Format. Der Weg dorthin führte über die Anfänge der Herstellung von Glasflaschen im 17. und 18. Jahrhundert hin zu gängigen Formaten, die sich meist rund um ein Volumen von 700 Millilitern einpendelten. Der Legende nach war der Grund dafür das Lungenvolumen der Glasbläser, die die ersten Flaschen herstellten. Erst Ende des 19. Jahr-hunderts kamen allmählich maschinell gefertigte Flaschen auf. Weiter wird erzählt, dass die ursprünglichen Flaschenformate als vernünftige Ration für eine Person zu einer Mahlzeit galten.

Relevanz längs der Weinstraße

Dubbeglas
KULTOBJEKT Im Pfälzer Dubbeglas findet sich oft Schorle aus Literwein. Foto: VielPfalz/melhubach

Noch näher an die Wahrheit und an die 750 Milliliter kommt man jedoch mit der englischen Gallone: Als mehr und mehr Glasflaschen aufkamen, fanden französische Winzer auf der anderen Seite des Ärmelkanals ihren Hauptabsatz. Eine Gallone entspricht genau sechs Flaschen à 0,75 Liter. Das Format machte für den Handel also schlichtweg Sinn. So ging es auch von Frankreich aus, dass 1977 der Dreiviertelliter als Norm für Wein festgelegt wurde. Weitere Flaschenformate sind in der Regel ein Bruchteil beziehungsweise ein Vielfaches dieses Volumens – zum Beispiel die Demi mit 0,375 Litern und die Magnum mit 1,5 Litern. Die Literflasche passt schlicht nicht in diese Norm – und trotzdem hat sie hohe Relevanz. Vor allem entlang der Weinstraße.

Die Pfalz als Literhochburg?

Nicht nur Willi Brausch dürfte davon überzeugt sein: „Das Herz der Pfalz liegt im Liter!“ Häufig wird der Region als Hochburg von Weinfesten und Schoppenglas nachgesagt, dass hier einfach in größeren Volumina gedacht wird. Und auch, dass das Preis-Genuss-Verhältnis, das man in Pfälzer Weingütern antrifft, unschlagbar ist – nicht zuletzt wegen der Literweine. Das kann Steven Kärgel nur bestätigen. Er ist Geschäftsführer des Winzervereins Deidesheim, der ältesten Genossenschaft der Pfalz. „Wir haben ein breit gefächertes Sortiment. Die Literweine, vor allem der trockene Riesling, sind unsere stärksten Produkte. Sie machen rund ein Viertel des Absatzes aus.“ Dabei gehe es nicht primär um den günstigen Preis, fügt Kärgel hinzu – schließlich gebe es im Supermarkt immer noch deutlich günstigere Angebote. „Die Kunden wissen schon, was gut schmeckt – und unsere Liter bieten einfach viel Genuss für einen attraktiven Preis.“ Ein Fest ohne Literwein sei bei ihnen im Betrieb undenkbar.

Sonderpreis bei Weinprämierung

Ernst Büscher
Ernst Büscher. Foto: Deutsches Weininstitut

Wie sehr ist die Pfalz also tatsächlich vom Liter geprägt? Eindeutige Zahlen dazu gibt es kaum. Auf Nachfrage erklärt Ernst Büscher, Pressesprecher des Deutschen Weininstituts in Mainz: „Zu Gebindegrößen erfassen wir keine Daten. Klar ist aber, dass Literware im Lebensmittelhandel gut läuft.“ Und da ist die Pfalz als zweitgrößtes deutsches Weinbaugebiet nun mal auch stark vertreten. Dass Pfälzer Literweine erfolgreich sind, kann Ernst Büscher durchaus bestätigen: „Bei der Bundesweinprämierung gab es letztes Jahr einen Sonderpreis für den besten Müller-Thurgau. Es war eine verdeckte Verkostung. Die Genossenschaft Wachtenburg Winzer erzielte mit ihrem Müller im Liter den ersten Platz.“ Eine weitere Anlaufstelle ist die Landwirtschaftskammer – schließlich muss jeder Qualitätswein dort eine sensorische Prüfung bestehen, bevor er als Pfälzer Wein vermarktet werden darf. Während dabei ebenfalls keine Daten zu Flaschenformaten erhoben werden, ist das bei der Prämierung der Landwirtschaftskammer der Fall. Hier geht es um die goldenen, silbernen und bronzefarbenen Kammerpreismünzen. In der Regel werden hier nur Weine angestellt, von denen sich die Macher Erfolg erhoffen, deren Qualität sie also als hoch einschätzen. Und siehe da: 2023 wurden zu 28 Prozent Literflaschen zur Prämierung eingereicht. Spricht das nicht für einen gewissen Stolz der Pfälzer Winzerinnen und Winzer in puncto Liter?

Medaillen
Foto: Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz

Aufschlussreicher Blick ins Internet

Weinflasche

Aufschlussreich ist ebenfalls der Blick ins Internet: Unter der Adresse wirwinzer.de kann man direkt bei Winzern aus ganz Deutschland bestellen. Mehr als 6000 Weine aus der Pfalz sind aktuell im Angebot, fast 300 Weingüter nutzen die Plattform. Sie haben fast 800 Weine im Literformat inseriert. Das sind rund 13 Prozent des Angebots. Zum Vergleich: Ein ähnlich hoher Anteil findet sich nur noch bei Württemberg, wo 12 Prozent des deutlich kleineren Angebots im Liter verkauft werden. Fazit: Der Literwein ist in der Pfalz scheinbar tatsächlich etwas präsenter als in anderen Anbaugebieten.

Im offenen Ausschank erfolgreich

Lucas Philipp
Lucas Philipp. Foto: Weingut Lucashof, Lena Gelb

Die Relevanz von Literweinen wird auch seitens der Winzer bestätigt. Philipp Lucas vom Weingut Lucashof in Forst ist für seine Lagenrieslinge im Spitzensegment bekannt. Gleichzeitig stellt er aber auch klar: Der trockene Literriesling sei in seinem Familienbetrieb der größte Einzelposten und mache mehr als zehn Prozent der Gesamtmenge aus. Daneben fülle er noch einen halbtrockenen Riesling, einen Silvaner und einen halbtrockenen Rosé ab. „Ich würde sagen, die Hälfte davon geht an Privatkunden, der Rest verteilt sich auf Handel und Gastronomie – gerade hier sind unser Literweine im offenen Ausschank erfolgreich“, sagt Lucas. Dass den Gästen der Wein dort schmecke, merke seine Familie immer wieder, wenn Kunden auf den Hof kommen und sich erstaunt versichern, dass sie im Restaurant tatsächlich „nur“ den Literwein getrunken hätten.

Literwein als Stilrichtung

Auch Preise lassen sich mit einem guten Literriesling abräumen: Im vergangenen Frühjahr hat Philipp Lucas seinen Gutsriesling bei der Pfälzer Weinmesse Wein am Dom ins Rennen um den besten Riesling seiner Klasse geschickt. Eine Expertenjury hat ihn unter mehr als 50 blind verkosteten Weinen zum Sieger gekürt. „Nach diesem Erfolg haben wir das in unserem Newsletter erwähnt und hatten direkt sehr viele Bestellungen. Auch unsere Gastronomie-Kunden, zum Beispiel im Dänemark, fanden es interessant“, berichtet der Winzer. Allgemein sei der Liter für ihn kein Qualitätskriterium, sondern eher eine Stilrichtung. Ihm gehe es bei seinem Literriesling vor allem um den Trinkfluss – dafür brauche es eine saftige und angenehme Frucht und eine feine Säure. Auf jeden Fall solle der Wein sowohl als Schorle wie auch im Viertelglas überzeugen.

Zu vielen Gelegenheiten einsetzbar

Dieser Meinung ist auch Kultur- und Weinbotschafter Willi Brausch: Literwein sei dann gut, wenn er zu vielen verschiedenen Gelegenheiten einsetzbar sei. Das Vorurteil, er tauge nur zur Schorle, weist er zurück. Am Rande sei gesagt: Die Kohlensäure verstärkt bei jeder Schorle das Aroma des verwendeten Weines und bringt mögliche Fehler umso klarer zum Vorschein – nur guter Wein gibt also auch eine gute Schorle. Willi Brausch lädt zu einer kleinen Vergleichsverkostung sein. Sein „Lieblingsliter“ ist ein trockener Riesling von Winzer Christian Hartmann aus Kirrweiler. Als Gegenstück kommt ein Riesling Lagenwein aus dem Premiumsegment des Weinguts ins Glas. Beide Weine sind aus dem gleichen Jahrgang, aus dem gleichen Keller und doch grundverschieden in ihrer Art: Beim Literriesling rieche er vor allem frische Gäraromen, Noten von Zitrus und Weinbergspfirsich sowie ein paar Kräuter. Dazu sei der Wein ordentlich trocken und mit kräftiger Säure – eben ein Pfälzer Riesling, wie er im Buche steht. Der Lagenriesling dagegen zeige sich noch intensiver, mit viel reiferen Aromen und Anklängen von Honig, beschreibt der Fachmann. Ein Wein, der Aufmerksamkeit und für manche vielleicht auch einen besonderen Anlass braucht. Dass daraus keine spritzige Schorle wird, liegt auf der Hand. Im direkten Vergleich macht der Literriesling seinem Ruf als echter Allrounder alle Ehre.

Willi Brausch
Willi Brausch
Willi Brausch

12,5 Volumenprozent als Maximum

Ein Wein, der so viele Anforderungen erfüllt, ist kein Zufallsprodukt. Worauf achten Winzerinnen und Winzer, wenn sie ihre Literweine kreieren? Einer, der ein gutes Rezept gefunden hat, ist offensichtlich Christian Hartmann, von dessen Literriesling Willi Brausch so schwärmt. „Ich schätze, dass bei uns die Literweine schon mehr als 30 Prozent des Umsatzes ausmachen“, sagt Hartmann. Er verrät auch ein paar Details seiner Herangehensweise für den hochgelobten Literriesling: „Ich achte darauf, dass nur ein Teil der Trauben direkte Sonne abbekommt. So bleiben die Aromen eher frisch und grün, der Wein wird nicht zu breit. Außerdem ernte ich nicht zu spät, damit die Oechsle-Grade nicht zu hoch gehen. 12,5 Volumenprozent sind das absolute Maximum für einen Literwein, lieber wäre mir noch weniger.“

Gewisses Extra auch im Keller

Christian Hartmann
Christian Hartmann. Foto: Weingut Hartmann

Auch im Keller versucht Christian Hartmann immer, seinen Litern noch ein gewisses Extra mitzugeben: „Die Weine werden eher kühl vergoren, auch das trägt wieder zum frischen Charakter bei. Außerdem versuche ich, auch die Literweine nicht zu früh zu füllen und lieber bis ins Frühjahr auf der Hefe liegen zu lassen. So bekommen sie etwas mehr Körper.“ Er ist überzeugt, dass die Leute, die ihn besuchen, schon wüssten, was schmeckt und was nicht. Deshalb lohne es sich auch, gerade bei den Einstiegsweinen genau zu schauen, was man auf die Flasche bringe. Christian Hartmann vermarktet vermehrt an Kunden, die direkt zu ihm auf den Hof kommen, und sagt: „Manche Neukunden fahren gezielt wegen der Literweine zu mir. Dann trauen sie sich auch mal an die Dreiviertelliter ran.“ Ein wichtiger Multiplikator ist für ihn außerdem die Gastronomie. Er sieht jede Flasche, die dort ausgeschenkt wird, als Werbeträger und fügt hinzu „Mal ehrlich, das lohnt sich bei mehreren Tausend Flaschen Literwein noch viel mehr als bei ein paar Hundert vom Lagenwein.“

Mit Nachhaltigkeit punkten

Weinflasche

Stichwort Gastronomie: Im offenen Ausschank sind Literweine stets eine beliebte Wahl. Für vier Gläser muss man nur einen Schraubverschluss knacken lassen, und das Preis-Genuss-Verhältnis macht die Kalkulation für jeden Restaurantbetreiber attraktiv. Philipp Lucas weist außerdem darauf hin, dass gerade Gastronomen im Ausland ganz unvoreingenommen auf die großen Flaschen zugehen. Er sieht auch noch Nachhaltigkeitsvorteile – schließlich werde in Relation zur Menge Wein weniger Glas für die Flasche verbraucht. Die Produktion von Glasflaschen macht immerhin einen Großteil des CO2-Abdrucks von Wein aus – daher lohnt es sich, hier genau hinzuschauen. „Literflaschen gibt es mittlerweile auch als Leichtglas-Variante“, ergänzt Steven Kärgel vom Deidesheimer Winzerverein zum Thema Nachhaltigkeit. Auch er sieht eine hohe Relevanz von Literweinen in der Gastronomie. Auffällig ist beim Winzerverein, dass sogar Literrieslinge mit Lagenangabe gefüllt werden. Kärgel weiß: „Gerade die Gastronomen wollen das. Unser Riesling aus dem Deidesheimer Paradiesgarten bietet ihnen eine geringere Austauschbarkeit und strahlt Wertigkeit aus.“ Und doch, wenn es um die Flasche Wein geht, die im Restaurant auf dem Tisch steht oder im Eiskühler landet, schreckt man anscheinend wieder vor dem Liter zurück. Willi Brausch hat dazu eine passende Anekdote: „Mir hat mal ein Winzer – ich nenne keinen Namen – erzählt, dass er ein und denselben Wein, den er hier in der Pfalz als Liter vermarktet, für einen Gastronomiekunden im Norden extra in eine Dreiviertelliterflasche füllt.“ Dass es schick ist, ja geradezu zelebriert wird, eine Magnum – also 1,5 Liter – aufzumachen, gleichzeitig der Liter aber ein „No-Go“ ist, hält er für paradox.

Der Wein muss schmecken

Weinflasche

So richtig im Trend liegt der Literwein wohl nicht. Und dessen ungeachtet spricht vieles für ihn. Steven Kärgel kann in Bezug auf die Absatzkanäle sogar berichten: „Ich bin oft erstaunt, dass auch Kunden aus Hamburg und Co. sich kistenweise Literwein über unseren Onlineshop bestellen.“ So weist auch Ernst Büscher darauf hin, dass gerade in Zeiten von allgemeiner Kaufzurückhaltung Kunden mit preislich attraktiven Literweinen angezogen und gehalten werden können. „Und deshalb bleiben auch die meisten Topbetriebe beim Literwein“, ist er überzeugt. Dass man den Unterschied zwischen Liter- und Lagenwein schmecken kann, hat die Vergleichsprobe gezeigt. Allerdings ist das nicht unbedingt ein qualitativer, sondern vor allem ein stilistischer Kontrast. Für Willi Brausch steht ohnehin fest: „Wir Pfälzer brauchen uns mit unseren Weinen nicht zu verstecken, selbst international nicht – das gilt auch für die Literweine.“ Ohnehin gebe es, so sagt er, doch nur zwei Sorten von Wein: Den, der schmeckt, und den, der nicht schmeckt. Am Ende kann schließlich kein Wein etwas dafür, in welche Flasche er abgefüllt wird.

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Was wissen

Wie unterscheiden sich Bio- und konventionell erzeugte Weine?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert der Experte Rudolf Litty dieses Mal, was die Unterschiede zwischen Bio- und konventionell erzeugtem Wein sind. Wesentliche Faktoren sind Einstellung und Arbeitsweise der Winzer.

Weingläser
Foto: Kelsey Chance/Unsplash

Ob im Supermarkt, beim Stöbern im Internet oder direkt beim Winzer – auf der Suche nach einem guten Tropfen begegnen Konsumenten immer öfter Bioweinen. Und sie stellen sich dabei häufig die Frage: Was sind eigentlich die Unterschiede zu konventionell erzeugtem Wein?

Arbeitsweise der Winzer steht im Fokus

Ganz wesentliche Faktoren sind die Einstellung und die Arbeitsweise der Winzer. Sie können sich verschiedenen Bio-Verbänden anschließen und arbeiten dann nach deren Richtlinien. Der Bundesverband Ecovin etwa hat sich in seinem Leitbild den verantwortungsvollen und zukunftsorientierten ökologischen Weinbau auf die Fahne geschrieben, beim Bioland-Verband ist es der organisch-biologische, bei Demeter der biologisch-dynamische Anbau.

Keine synthetischen Pflanzenschutzmittel

Der Biowinzer arbeitet vorbeugend, um das Ökosystem im Einklang mit der Natur und die Pflanzen gesund zu halten. Für den ökologisch arbeitenden Winzer bedeutet das auch, dass er mehr Zeit für Laub- und Stockarbeit im Wingert aufbringen muss. Für den Pflanzenschutz und die mechanische Unkrautbekämpfung muss er öfter durch die Rebzeilen fahren. So wird etwa Unkraut auf natürliche Weise bekämpft. Bio-Betriebe setzen keine synthetischen Pflanzenschutzmittel ein. Sie dürfen Kupfer und Schwefel spritzen, um die Reben vor Krankheiten zu schützen. Da dies jedoch nicht immer ausreichend ist, bleibt als weitere Herausforderung der höhere Befallsdruck – das generelle Risiko und die Intensität von Krankheiten, die die Reben betreffen. So ist es in feuchten Jahren schwieriger, Bio-Wein anzubauen als in trockenen, niederschlagsarmen Jahren. Grund dafür sind der Echte und der Falsche Mehltau, die bei einer bestimmten Luftfeuchtigkeit und Wärme verstärkt auftreten. Die Pilzkrankheit kann an den Reben schwere Schäden anrichten, sofern sie nicht rechtzeitig bekämpft wird. Und es gibt weitere Herausforderungen: Auch der Traubenwickler, ein gefürchteter Schädling, kann den Rebstöcken schwer zusetzen. Er wird inzwischen auch im konventionellen Weinbau mit der Verwirrmethode bekämpft. Dazu werden im Weinberg Pheromone ausgebracht, die die männlichen Falter so verwirren, dass sie die weiblichen nicht finden und es so nicht zu einer Fortpflanzung kommt.

Weinbau noch nachhaltiger gestalten

Auch immer mehr konventionell arbeitende Winzer, die keinem Bio-Verband angehören, haben ein Interesse daran, den Weinanbau und die Produktion von Weinen noch nachhaltiger zu gestalten, um die Umwelt zu schonen. Die Weinmacher arbeiten bereits zum Großteil umweltschonend, schließen sich aber wegen des größeren Aufwands keinem Verband an. Auch wenn ihnen bewusst ist, wie wichtig es ist, die Umwelt zu schonen, wollen sie sich häufig bei der Auswahl des Mittels zum Pflanzenschutz nicht zu sehr einschränken lassen.

Auch persönlicher Geschmack entscheidend

Die sensorischen Unterschiede der Weine sind von zahlreichen Faktoren beeinflusst und geprägt – etwa dem jeweiligen Ausbaustil, der Kellertechnik, dem Kellermeister, der Bodenart oder der Restsüße. So lässt sich denn auch kein pauschales Urteil darüber fällen, ob Biowein generell besser oder schlechter schmeckt als konventionell erzeugter Wein. Fakt ist: Sensorisch kann man bei einem Wein nicht schmecken, ob er biologisch erzeugt wurde. Schließlich entwickeln sich die Aromen der Weine und deren Qualität überwiegend bei der Gärung und im Keller. Ob sich Konsumenten bei der Suche nach einem guten Tropfen also für oder gegen einen Biowein entscheiden, hängt schlussendlich nicht nur von deren genereller Überzeugung, sondern auch von ihrem persönlichen Geschmack ab.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Klein, aber oho

Zeiskam ist als Zwiebel- und Gemüsedorf in der Pfalz bekannt. Jungwinzer Lukas Hammelmann zeigt, dass in den dortigen Böden neben Lauchgewächsen auch charakterstarke Weine ihre Wurzeln haben.

Weinreben
Foto: Nikola Tomasic/Unsplash

Schon als kleiner Junge war für Lukas Hammelmann klar: „Wenn ich groß bin, werde ich in der Landwirtschaft arbeiten.“ Gesagt, getan – auch ohne Familienbetrieb im Hintergrund entschloss er sich mit 15 Jahren zu einer Winzerlehre. Inzwischen ist Hammelmann mit Leib und Seele Winzermeister, produziert 30.000 Flaschen Wein und versendet sie in 15 Länder. Auf fünf Hektar Rebfläche, von denen sich vier in seinem Heimatort Zeiskam befinden, pflegt er Riesling-, Chardonnay- und Spätburgunderreben. Seine Zeiskamer Weinberge sind direkt am Rheingrabenbruch. Dort ist es kühl, windig und die Böden haben einen hohen Lehmanteil. Mit Blick auf die klimatischen Veränderungen birgt dies viel Potenzial.

Lukas Hammelmann
Fotos: Privat

100 Prozent Handarbeit

Weinflasche

Mainstream-Weine stehen bei Lukas Hammelmann nicht auf dem Plan. Stattdessen bevorzugt er individuelle, präzise und langlebige Weintypen. Seine Weinmanufaktur ist klein, aber oho. Er setzt zu 100 Prozent auf Handarbeit, arbeitet schonend und naturnah. Die Weine werden spontan vergoren und im Holz ausgebaut. Im Juli dieses Jahres hat er einen neuen Wein auf den Markt gebracht: „Zimkaes Riesling Solera“. Der spanische Begriff Solera bedeutet „am Boden liegend“. Es ist die Bezeichnung für ein komplexes und dynamisches Verschnittsystem, das aus mehreren Fässern besteht. Sie sind meist übereinandergestapelt und oft pyramidenartig aufgebaut. Der Wein reift nicht in einem einzigen Fass, sondern durchläuft, durch regelmäßige Umfüllungen, die Fasspyramide von oben nach unten. Dabei wird ein Teil des Weins aus dem obersten Fass entnommen und in die darunter liegende Fassreihe gefüllt. Von oben wird ein neuer Jahrgang nachgefüllt. Im Laufe der Zeit entsteht so der „Solera“.

Komplex und betörend in der Nase

Der „Zimkaes Riesling Solera“ besteht aus fünf Jahrgängen. Genau das Richtige für Neugierige und alle, die sich Zeit für Wein nehmen. Der Riesling ist unglaublich komplex und betörend in der Nase. Eine Kombination aus Obstgartenfrucht und klarer Mineralität. Am Gaumen zeigt er lebendige Säure, ausgewogene reife Fruchtkomponenten und einen sauberen Abgang mit Nachdruck.

Zimkaes Riesling „Solera“ | 0,75 Liter | 20 Euro | LH Wines Weinmanufaktur | Zeiskam | 3m2n.de

Inga Klohr
Pfälzische Weinhoheit 2017

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Pfälzer Szenen von Karin Mihm

Än Aagebligg: Schlossbrunnen in Pirmasens

Sie sind eine gezeichnete Kolumne. Sie sind ein optisches Ausrufezeichen in Sachen Genuss. Sie halten besondere Augenblicke in einer besonderen Form fest. Karin Mihm präsentiert Pfälzer Szenen mit lockerem Tuschestrich und fröhlichen Aquarellfarben.

Die Künstlerin

Foto: Privat

Karin Mihm, Jahrgang 1966, hat in Gießen und Marburg studiert. Einige Jahre lebte sie in Berlin, bevor es sie 2003 nach Düsseldorf zog, wo sie bis heute lebt. Ihr künstlerisches Werk reicht von Comics für Kinder und Erwachsene über politische Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen bis hin zur Malerei. Sie werden mit lockerem Tuschestrich und Aquarellfarben angefertigt. Karin Mihms Ziel: typische Orte zeichnen und dabei eine liebenswerte und humorvolle Perspektive einnehmen. In der Pfalz hat sie dazu eine große Auswahl.

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