Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Ernährungswandel

Zusammen isst man besser

Die Frage, warum wir uns in Zukunft anders ernähren müssen als heute, ist längst und ausgiebig beantwortet. Wir stellen eine Auswahl an Pfälzer Akteuren vor, die sich um das Wie kümmern, in dem sie konkret vor Ort Wege hin zum Ernährungswandel beschreiten. Allen gemeinsam ist dabei der Gemeinschaftsgedanke. Eine Einordnung.

Foto: Gemüsehelden Dierbach

Der Wille ist da. Laut Ernährungsreport 2023, den das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Oktober vorgestellt hat, ist eines der wichtigsten Ergebnisse, dass sich „viele Verbraucherinnen und Verbraucher gesund und nachhaltig ernähren wollen“. Das stellte bereits vor zehn Jahren die damalige rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken fest, als sie auf der Grünen Woche in Berlin den Startschuss für „Rheinland-Pfalz isst besser“ gab: „Regionale Produkte werden zunehmend nachgefragt. Mit der Kampagne unterstützen wir diesen Markttrend. Wir werben für die Qualität aus unseren Regionen und gleichzeitig für gutes Essen und Leben.“

Die Frage nach dem Warum

Die Kampagne gibt es heute noch und umfasst mittlerweile mehr als 20 Projekte für Kinder und Jugendliche, Erwachsene, Senioren und benachteiligte Menschen. Dabei geht es vor allem um die Ernährungsbildung. Den Menschen klarzumachen, warum es wichtig ist, sich nachhaltig zu ernähren: Weil wir dadurch gesünder leben, weil es der Umwelt besser geht, weil es Vielfalt fördert, weil wir weniger Lebensmittel wegwerfen, weil es viele Ressourcen spart, weil wir regionale Betriebe unterstützen, weil faire Preise bezahlt werden, weil kein Gift zum Einsatz kommt, weil Tieren artgerechter leben, weil nachhaltige Ernährung – zusammengefasst – sozial, ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, um langfristig die Ernährung der Weltbevölkerung sicherzustellen. Die grundlegende Botschaft kam in vielen Köpfen an, wie nicht zuletzt der aktuelle Ernährungsreport zeigt.

GEMEINSCHAFT 1 Mit Gleichgesinnten macht die Mission nachhaltige Ernährungswende mehr Spaß. Der Austausch, zum Beispiel beim
Jungpflanzenverkauf bei den Gemüsehelden, ist wichtig. Foto: Gemüsehelden Dierbach

Wie statt Warum!

Nach Jahren, in denen sich die Politik mit dem Warum beschäftigt hat, ist es also an der Zeit, verstärkt nach dem Wie zu fragen. Auf Bundesebene hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vergangenes Jahr Pläne für eine ganzheitliche Ernährungsstrategie vorgestellt, die in Zusammenarbeit mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft erstellt werden soll. Ziel ist es, eine gute und gesunde Ernährung für alle Menschen zu ermöglichen. Erstmals wurde dafür im Bundestag ein Bürgerrat eingesetzt. Das 160 Mitglieder starke Gremium, darin auch eine Teilnehmerin aus Speyer, trägt den Titel: „Ernährung im Wandel: zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Bis Ende Februar 2024 soll der Bürgerrat, der zufällig und dennoch der Bevölkerung entsprechend zusammengesetzt ist, seine Empfehlungen dem Bundesrat vorlegen.

Kurzporträt | Ernährungsrat Südpfalz

Der Ernährungsrat Südpfalz ist ein loser Zusammenschluss unter dem Dach der Bürgerstiftung Pfalz von Menschen, die sich für Ernährung interessieren. Die deutschlandweite Bewegung ist je nach Region unterschiedlich aufgestellt. Gemeinsam ist, Ernährungstransformation vor Ort mitzugestalten.

Zusammen mit Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung sollen Visionen und Maßnahmen für ein regionales, ökologisch und sozial faires Ernährungssystem erarbeitet und umgesetzt werden. Das Ziel lautet also: aus der Südpfalz, für die Südpfalz. Wobei auch klar über die Kreisgrenzen hinausgedacht wird.

Wie 1: gemeinschaftlich handeln

Während in Berlin noch analysiert wird, handeln auf lokaler Ebene bereits viele Initiativen, die sich vor Ort für einen schnelleren Wandel unseres Ernährungssystems einsetzen. „Wir sind eine kleine Bewegung von unten“, sagt Heike Rosmann, Sprecherin des Ernährungsrates Südpfalz. „Doch je mehr sich zusammentun, umso mehr erreicht man.“ Gemeinschaft sei einer der Haupterfolgsfaktoren der Initiativen deutschlandweit, die es geschafft haben, mehr regionale und nachhaltige Produkte in die Einkaufstaschen der Menschen zu bringen. Zu diesem Ergebnis kam „Wertvoll Pfalz“, eine ganz junge Ernährungsinitiative, die sich aus einem Projekt des Vereins „in SPEYERed“ entwickelt hat. Mit „netzwerken“ bringt Ralf Honsberg, Vorsitzender von Slow Food Pfalz, es auf den Punkt, wofür die Organisation bereits seit 19 Jahren in der Pfalz steht.  „Verschiedene Akteure zusammenbringen, gemeinsam denken und arbeiten und mal auf Gewinnerzielungsabsichten verzichten“, sind auch für Melanie und Sven Hildebrand, Gartenberater aus Dierbach, tägliche Leitgedanken. Denn „es muss doch nicht jeder, besonders jede Gemeinde, das Rad neu erfinden. Wieso sollte man sich nicht an bestehende Strukturen andocken können?“, fragt Gabi Gründling, die die Marktschwärmerei in Freinsheim organisiert.

GEMEINSCHAFT 2 Bei regelmäßigen Stammtischen tauschen sich die Mitglieder von Slow Food Pfalz über rund um die Themen regionaler Genuss und Ernährung aus. Foto: Slow Food Pfalz

Erzeuger und Verbraucher vernetzen

Dieses Wie beim Vorgehen, nämlich gemeinschaftlich, verbindet die hier genannten, regionalen Akteure. Dabei kann die Gemeinschaft ganz unterschiedlich aufgebaut sein und doch gemeinsam mit den anderen Gemeinschaften in dieselbe Richtung gehen. Slowfood Pfalz „bringt verantwortungsbewusste Produzenten und Händler mit Verbrauchern zusammen“, berichtet Ralf Honsberg. Auf der Streuobstwiese lernten die Teilnehmer bei einer Veranstaltung zum Beispiel das Team von Purzelbaum kennen, das Cider, Secco und Brände ausschließlich aus Obst von regionalen Streuobstwiesen herstellt. „Oft sind die Produzenten und das, was sie zu erzählen haben, mindestens so interessant wie ihre Produkte.“

On- und offline kombinieren

Davon sind auch die Marktschwärmer überzeugt, die Verbraucher und regionale Erzeuger mit der Kombination aus Online-Shop und Bauernmarkt zusammenbringen. VielPfalz berichtete 2018 ausführlich über die damals einzige Marktschwärmerei in Kaiserslautern. Dieser Artikel motivierte Gabi Gründling aus Weisenheim am Berg, auch in der Vorderpfalz eine Schwärmerei auf die Beine zu stellen. Sie sucht Erzeuger, die sie beliefern, stellt das wöchentlich wechselnde Angebot auf die Online-Plattform, wo Kunden sich dann ihren Einkauf zusammenstellen und direkt bezahlen können. Einmal pro Woche wird die Bestellung bei einem Regionalmarkt übergeben, wo man sich direkt mit den Erzeugern austauschen kann. Sowohl die Bestellungen als auch das Abholen können gemeinschaftlich organisiert werden, zum Beispiel, wenn kein Internetzugang vorhanden ist oder damit nicht jeder selbst zum Abholort fahren muss.

Kurzporträt | Marktschwärmer

Foto: Marktschwärmer Deutschland

Das europaweite Projekt Marktschwärmer startete 2011 in Frankreich, wo es inzwischen mehr als 430 regionale Märkte gibt. Marktschwärmer fördert die regionale Wertschöpfung und eine nachhaltige Esskultur, indem „wir nachvollziehbare und faire Produktions- und Handelsketten schaffen. Wir sehen uns als aktiven Teil einer öko-sozialen Ernährungswende“ heißt es auf der Webseite.

Genau dort stellt das Projekt für Erzeuger einen fairen Vertriebsweg zur Verfügung und ermöglicht Verbrauchern einen transparenten Zugang zu hochwertigen, regionalen Produkten. Das Angebot und die Übergabe steuert jeweils die lokale Marktschwärmerei. 129 geöffnete Schwärmereien in 14 Bundeländern gibt es in Deutschland. Zwei davon sind in der Pfalz. Gabi Gründling betreibt ihre seit 2019 in der Urlaubsregion Freinsheim, wo es mehrere Abholpunkte gibt. In Kaiserslautern ist bereits seit 2017 eine Marktschwärmerei aktiv.

Solidarisch bündeln, bestellen, verteilen

Sprecherin für den Ernährungsrat Südpfalz. Foto: privat

Bei dieser Art des gemeinschaftlichen Handelns setzen auch die „Essbars“ der Wertvoll Pfalz Initiative an, deren Projektträger die Bürgerstiftung Pfalz ist. „Darunter verstehen wir solidarische Ernährungsgemeinschaften. Essbars bündeln, bestellen und verteilen nach Bedarf“, erläutert Elise Kissling. Durch dieses Wir-Gefühl der Gruppe möchte Wertvoll Pfalz Menschen in die Selbstwirksamkeit bringen, da sie erleben, was regionales und nachhaltiges Einkaufen bewirken kann. „Jede Essbar entwickelt sich nach ihren eigenen Bedürfnissen.“ Vier solcher Essbars konnte die Initiative für die Pilotierung gewinnen: die Solawi-Vorderpfalz auf der Großen Erde in Schifferstadt, den Kaufladen in Speyer, den Hofladen Gerbachhof in Bolanden und den Biomarkt Leprima in Bad Dürkheim.

Wie 2: Nachfrage steigern

Nun gilt es, Menschen für die Sache zu gewinnen. Viele Menschen. Das führt zum zweiten Wie, das die Ernährungswende in Gang bringt. Die Nachfrage nach regionalen, fair produzierten Produkten muss gesteigert werden. Hier ist das Zauberwort Motivation. Denn: „Der Mensch ist bequem. Er möchte sein Verhalten ungern ändern“, sagt Marktschwärmerin Gabi Gründling. Sie setzt auf Aufklärung in direkten Gesprächen oder auf klassische Werbung etwa in Form von Flyern. Ein Hauptargument ist, dass regionale Produkte nicht per se teurer sind. „In den Marktschwärmereien machen die Erzeuger die Preise selbst. Ein Salatkopf zum Beispiel, der am Abholtag morgens noch auf dem Feld ein paar Orte weiter stand und ökologisch angebaut wurde, kostet zwischen 1,45 und 1,55 Euro. Wer sagt, das ist zu teuer, hat sich nicht richtig damit beschäftigt. Dass es keine Discounterpreise sein können, ist klar“, führt Gründling aus. Sie sagt auch, dass jede noch so kleine Bestellung der Sache hilft.

Kurzporträt | Wertvoll Pfalz

Die Ursprünge von Wertvoll Pfalz gehen auf inSPEYERed zurück. Ein vom Verein organisierter Vortrag mit dem Vater der Regionalwert AG, Christian Hiß, zum Thema „Anders wirtschaften“ motivierte eine achtköpfige Gruppe, zu prüfen, ob dies nicht ein Modell für die Pfalz sein könnte. Unter der Schirmherrschaft der Bürgerstiftung Pfalz finanzierte die Initiative über eine Crowdfunding-Kampagne eine professionelle Konzeptionsphase. Heraus kam, dass in der Pfalz momentan nicht fehlende Finanzierungsmöglichkeiten das Problem sind, sondern die fehlende Nachfrage aufgrund mangelnder Infrastruktur.

Die Vision lautet nun, einen regionalen Wertschöpfungsraum Pfalz zu schaffen, in dem immer mehr Menschen nachhaltig und im lokalen Verbund arbeiten und gut leben können. Der Ansatz dabei ist auf der einen Seite, solidarische Ernährungsgemeinschaften aufzubauen, in denen Menschen gemeinsam regional und nachhaltig einkaufen. Hier schaffen lokale Betriebe gemeinschaftlich die Strukturen, welche den Weg zum Essenden verkürzen und so die Wertschöpfung für die Betriebe erhöhen.

Mit Grundzutaten kochen

Im Slow-Food-Sinne motiviert die Pfälzer Regionalgruppe die Menschen durch Genusserlebnisse. Es werden beispielsweise bei Kochrunden entstandene leckere Gerichte auf sozialen Kanälen gezeigt. Gekocht wird, was schmeckt, auch mal vegan, aber auch gerne Fleisch, zum Beispiel Wild aus dem Pfälzerwald. Auf dem Blog der Organisation finden sich zudem viele einfache Rezepte. „Viele wissen nichts mehr mit Grundzutaten anzufangen. Doch wenn man das weiß, kann man gesund und nicht teuer leben“, ist der Slow-Food-Vorsitzende Ralf Honsberg überzeugt. Ein anderes ureigenes Projekt von Slow Food international ist die „Arche des Geschmacks“. Unter dem Motto „Essen, was man retten will“ versucht Slow Food, bedeutsame Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen vor dem Vergessen und Verschwinden zu bewahren. „Da habe ich als Verbraucher eine direkte Möglichkeit, die regionale Wertschöpfungskette zu beeinflussen, indem ich versuche, solche Produkte zu finden und zu kaufen. In der Pfalz wäre dies zum Beispiel das Glanrind. Das ist eine alte Rinderrasse, die verschwunden wäre, wenn sich nicht Slow Food mit Produzenten zusammengetan hätte, um die Rasse zum Beispiel bei den Donnersberger Glanrindwochen zu promoten.“ Durch den Kauf solcher Produkte trage man zur Biodiversität bei.

MARKTSCHWÄRMER Gabi Gründling (links) betreibt zusammen mit ihrem Mann Peter die Freinsheimer Marktschwärmerei. Claudia Lang ist die Gastgeberin
in Kaiserslautern. Foto: Gründling

Hände in die Erde stecken

Artenvielfalt ist auch das Metier von Melanie und Sven Hildebrand. Als „Gemüsehelden Dierbach“ sehen sie sich als Botschafter für gute Ernährung. Auf ihrem mehr als 1000 Quadratmeter großem naturnahen Bio-Garten machen sie ganz praktisch vor, wie man Gemüse selbst anbaut. So wollen sie noch mehr Leute überzeugen, dies zu tun – unabhängig davon, wie groß der Garten ist. „Bei uns steht der Dienstleistungsgedanke im Vordergrund. Mit unserer Erfahrung wollen wir anderen helfen, schneller Erfolgserlebnisse beim Anbau zu haben“, sagt Sven Hildebrand. Dabei gehe es nicht nur darum, „Theorie runterzulabern. Wir möchten, dass die Menschen das Ökosystem Garten verstehen und dann einfach loslegen“. Wer ins Handeln kommt, sieht schnell, was er selbst für sich, seine Ernährung und die Umwelt bewirken kann. „Der Wert eines Gartens wird größer, wenn man selbst darin werkelt. Wir haben eine innere Zufriedenheit dabei gefunden“, erzählt Melanie Hildebrand. „Vielleicht tut es auch anderen gut, die Hände in die Erde zu stecken.“ In ihren Workshops, bei Vorträgen oder auf Märkten geben sie gerne in Gesprächen Anregungen mit. Etwas provokant vielleicht, aber nicht missionarisch: „Irgendwann müssen wir uns nicht mehr fragen, ob Öl auf dem Rhein hochkommt, sondern ob noch ein Wassertropfen aus dem Wasserhahn kommt.“

Kurzporträt | Slow Food Pfalz

„Gut, sauber, fair“ lautet der Slogan von Slow Food Pfalz. „Früher lag der Schwerpunkt eher auf dem Gut. Slow Food ist ursprünglich ein Zusammenschluss von Genussmenschen, die sich dafür interessieren, wo die Produkte herkommen und Wert auf Qualität und Geschmack legen“, beschreibt Ralf Honsberg die Anfänge der internationalen Bewegung. Gegründet wurde Slow Food 1986 in Italien, um sich gegen die industrialisierte Lebensmittelproduktion, dem „Fast Food“, zu stellen und regionale Vielfalt auf dem Teller zu fördern.

Heute sind ,sauber und fair‘ mehr in den Vordergrund gerückt.“ Dabei geht es immer ein Stück um bewussten Konsum, Verbraucher zu ermutigen, „über Produkte nachzudenken und nicht wild im Supermarkt zuzugreifen“. Slow Food ist in Deutschland in lokalen Gruppen, sogenannten Convivien, organisiert, die ihren Schwerpunkt unterschiedlich setzen. Das rund 200 Mitglieder zählende Convivium der Pfalz gehört zu einem der größten in Südwestdeutschland.

Kinder begeistern

„Das Ernährungsverhalten von Erwachsenen zu ändern, ist eines der schwierigsten Vorhaben“, sagt Heike Rosmann, Sprecherin des Ernährungsrates Südpfalz, der ebenfalls unter dem Dach der Bürgerstiftung Pfalz zuhause ist. Rosmann selbst ist Dozentin für Ernährungs- und Verbraucherbildung an der Universität Koblenz-Landau und einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist der „Einfluss der Verbraucherbildung auf das Konsumverhalten“. Mit diesem Hintergrund unterstützt sie gemeinsam mit vielen anderen Südpfälzern aus unterschiedlichen Berufen den Ernährungsbeirat, der vor Ort die Ernährungstransformation mitgestalten möchte. Unter den Mitgliedern sind auch Lehrer, was Heike Rosmann für sehr wichtig erachtet. „Die Gemeinschaftsverpflegung in Schulen und Kitas darf man bei einem Ernährungskonzept nicht außer Acht lassen. Denn auf den Kindern liegt auch unsere größte Hoffnung, da man hier durch Bildungs- und Aufklärungsarbeit noch viel bewirken kann.“ Im Visionspapier der Initiative heißt es deshalb klar: „In allen Schulen sind Theorie und Praxis einer gesunden und zukunftsfähigen Ernährung fest verankert.“

Slow Food Pfalz Vorsitzender Ralf Honsberg. Foto: privat

Erwachsene erziehen

Einige Schulen und Kitas setzen dies in Eigeninitiative bereits um. Oft gehören dabei Gartenanlagen mit zum Projekt. Hier kann Sven Hildebrand wieder ins Spiel kommen. Als Acker-coach im Auftrag des Vereins Acker unterstützt er Kinder und Pädagogen dabei, eine Ackerfläche einzurichten, selbstständig Gemüse anzubauen und ihr Wissen rund um den Gemüseanbau nachhaltig zu erweitern. „In einer Schule im Pfälzerwald begrüßte mich ein Mädchen beim ersten Treffen der Saison mit der Frage: Pflanzen wir auch wieder Gurken?“ Das Kind hat mit Genuss im Vorjahr zur Erntezeit Gurken genascht. Als es keine mehr gab, war es zwar traurig, aber die Gurken aus dem Supermarkt, die die Mama im Herbst besorgte, wollte das Kind auch nicht mehr essen. „Die haben ihr nicht geschmeckt. Sie hat lieber gewartet, bis es wieder Gurken aus dem Schulgarten gibt“, erzählt der Ackercoach gerührt zu Ende. Das zeige ihm zum einen, dass Erwachsenen die Saisonalität durch ein ganzjähriges Überangebot genauso abtrainiert wurde wie der gute Geschmack. Zum anderen aber, dass man viel bewirken kann, wenn Kindern der Wert von guten Lebensmitteln vermittelt wird, denn Kinder erziehen ihre Eltern.

Elise Kissling, Sprecherin bei Wertvoll Pfalz. Foto: privat

Es liegt nicht am Geld

Wenn all die Aufklärungsarbeit fruchtet und mehr Menschen sich für regionale und nachhaltige Produkte interessieren, bleibt die Frage: Warum kommt der Wertschöpfungskreislauf nicht zu Stande? Darauf Antworten zu finden, war Teil einer professionellen Konzeptionsphase, die durch Crowdfunding ermöglicht wurde. Das Ergebnis: „Es liegt nicht am Geld und nicht am Willen und den Ideen der Landwirte und Betriebe, denn viele Produzenten sind im Überlebenskampf und versuchen händeringend, so viel wie möglich direkt zu vermarkten. Es fehlt an Verbraucherstrukturen, die eine zuverlässige, stabile Nachfrage sicherstellen“, fasst Kissling zusammen.

Kurzporträt | Gemüsehelden

Foto: Gemüsehelden Dierbach

Vor zwei Jahren haben sich Melanie und Sven Hildebrand als „Gemüsehelden Dierbach“ selbstständig gemacht. Als Mentoren unterstützen sie Gärtner dabei, einen klimaresilienten Garten zu gestalten, der nachhaltig und biologisch ist, sowie gesundes und vielfältiges Gemüse hervorbringt. Während die Hauptmotivation ihrer Kunden zunächst darin lag, sich selbst mit Gemüse zu versorgen und Geld zu sparen, sind nun Gesundheits- und Umweltaspekte in den Vordergrund getreten.

Die beiden Macher schätzen den Austausch im Netzwerk und den lebenslangen Lernprozess. Dadurch passen sie ihr eigenes Handeln und Konzept immer wieder an. Aus Gartenberatung mit Fokus auf Gemüseanbau wurde schnell eine ganzheitliche Gartenplanung inklusive Zubereitungs- und Verarbeitungstipps der Ernte, sie organisieren Events und Workshops mit anderen Pfälzer Lebensmittelproduzenten und laden zu Kulturveranstaltungen in ihren Garten. Abokisten mit Gemüse aus ihrem Garten soll es zunächst nicht mehr geben, da sie das Angebot zuerst klimagerechter gestalten möchten.

Wie 3: Infrastruktur schaffen

Das ist das dritte gemeinsame Wie auf dem Weg zu nachhaltigen Essgewohnheiten: für passende Infrastruktur sorgen. Dies muss auf zwei Ebenen geschehen. Zunächst gilt es, mehr regionale Produkte überhaupt anzubieten. „Unsere Analysen haben gezeigt, dass es erschreckend wenig Lebensmittel gibt, die 100 Prozent Pfalz sind. Also hier angebaut, verarbeitet, abgefüllt und vermarktet werden. Wenn, dann sind es kleine Betriebe aus dem Obst- und Gemüsebereich“, sagt Elise Kissling. Zumindest beim Obst-, Gemüse- und Ackerbau ist die Pfalz gut aufgestellt. Doch werden die Erzeugnisse oft direkt außerhalb der Region vermarktet, zur Weiterverarbeitung oder zum Verpacken quer durch die Republik gefahren, bevor sie in der Pfalz verkauft werden. Andere Lebensmittel werden in der Region erst gar nicht hergestellt und so „fehlt es an Produkten, um sich mit allem regional versorgen zu können“, sagt Ralf Honsberg. „Aktuell läuft genau dazu ein Forschungsprojekt an der Uni Landau zur Fragestellung: Kann sich die Region von sich aus ernähren? Und zwar mit sozial und ökologisch gerecht hergestellten Lebensmitteln“, fügt Heike Rosmann vom Ernährungsrat Südpfalz hinzu. Während der Slogan der Initiative „Aus der Südpfalz für die Südpfalz“ lautet, umfasst das Forschungsprojekt sämtliche Regionen in Rheinland-Pfalz. „Wenn wir über regionale Produkte sprechen, stellt sich auch immer die Frage, was eine Region oder regional überhaupt ist“, sagt Rosmann.

LECKER Mit regionalen Grundzutaten lassen sich schmackhafte Gerichte zaubern. Dies ist weder teuer noch kompliziert. Foto: Gemüsehelden Dierbach

Wege verringern

Die Ergebnisse aus der Forschung werden im Frühjahr 2024 veröffentlicht. Wenn es prinzipiell möglich ist, dass eine Region sich selbst ernährt, bleibt die Herausforderung, die Produkte den Verbrauchern einfach zugänglich zu machen. „Es ist doch der Wahnsinn, wenn man zum Beispiel in Ruchheim, das von Feldern umgeben ist, kein Gemüse aus Ruchheim kaufen kann, weil die Vertriebsstrukturen fehlen“, gibt Gabi Gründling von den Freinsheimer Marktschwärmern zu bedenken. Einer der wenigen Betriebe, die dies seit kurzer Zeit möglich machen, ist der Gemüsehof Schuch, der die Marktschwärmerei beliefert und das Prinzip dahinter aufgreift – online bestellen, vor Ort abholen. Einige Landwirte bieten inzwischen Gemüsekisten im Abo an oder stellen Verkaufsautomaten auf. „Es ist aber ökologisch auch nicht sinnvoll, wenn alle quer durch die Pfalz zum Bauern fahren“, gibt Ralf Honsberg von Slow Food zu bedenken. Oft reicht eine Fahrt auch nicht aus, da man bei dem einen Landwirt nur Gemüse, beim anderen die Milch, beim dritten Obst und beim Bio-Metzger das Fleisch bekommt. „Es ist schwierig mit dem Sortiment des Hofladens seine Gerichte zu planen, weil vorher nicht weiß, was es zu meinem Einkaufszeitpunkt gibt. Muss ich für so etwas Simples wie Zwiebeln doch auf Supermarktware zurückgreifen?“

UNKOMPLIZIERT Regionale Lebensmittel müssen verlässlich und auf einfachen Weg direkt den Verbraucher erreichen. Zum Beispiel durch zentrale Ausgabestellen oder Lieferservices. Foto: Marktschwärmer Deutschland

Erzeuger mit einbeziehen

Die Marktschwärmerei versucht dem gerecht zu werden, indem sowohl Grundzutaten als auch Produkte im Angebot sind, die es nicht im Supermarkt gibt, wie zum Beispiel Quitten. „Ich bin selbst meine beste Kundin, wenn ich überlege, wo ich für die Sachen überall hinfahren müsste“, zeigt sich Gründling immer noch begeistert von dem Konzept. Auch die Essbars von Wertvoll Pfalz zielen darauf ab, Verbrauchern am Supermarkt vorbei einen simplen, gebündelten Zugang zu regionalen Lebensmitteln zu ermöglichen. Hinter der Koordination der Verbraucher steht noch jene der Erzeuger. „Das ist der zweite wichtige Aspekt unserer Initiative“, sagt Wertvoll-Pfalz-Mitinitiatorin Elise Kissling. „Wir möchten Betriebe zusammenbringen, die Strukturen für regionale Vielfalt und Nachhaltigkeit schaffen. Das heißt Höfe, Verarbeiter und Logistiker arbeiten kooperativ und solidarisch zusammen.“

Druck wegnehmen

VERNETZT I Bei den Marktschwärmern kaufen Kunden online ein und kommen beim Regionalmarkt mit Erzeugern ins Gespräch. Foto: Marktschwärmer Deutschland

Einen solchen wichtigen Player gibt es mit dem Hof am Weiher in Albessen bereits. Ihn konnte die Initiative für ihre Essbars und die Experimentierphase gewinnen. „Er ist der ideale Partner, weil es ein Zusammenschluss von Biolandwirten ist, wo schon eine Infrastruktur mit Kommissionierung und Logisitik besteht.“ Der Bioland-Betrieb wird seit 2001 als Aktiengesellschaft nachhaltig bewirtschaftet und die Vermarktung der Produkte läuft über die Erzeugerzusammenschlüsse Öko-Marktgemeinschaft Saar-Pfalz- Hunsrück und Kornbauern. Sie beliefern wiederum den regionalen Groß- und Einzelhandel. Der Hof am Weiher begreift „Landwirtschaft als gesamtgesellschaftliche Kulturaufgabe“ und hat die Aktiengesellschaft als Betriebsform, „weil eine einzelne Landwirtsfamilie völlig überfordert ist, wenn sie alle Forderungen nach einem umwelt- und tiergerechten Wirtschaften alleine zu tragen hat.“ Der wirtschaftliche Druck, dem diese Betriebe momentan ausgesetzt sind, spielt in einem Ernährungskonzept der Zukunft eine wichtige Rolle. Den Erzeugern den Druck durch gesteigerte Nachfrage zu nehmen, ist ebenfalls ein Anliegen der Pfälzer Ernährungs-Initiativen.

Was tun

„Wenn sich die Ernährungsumgebung nicht ändert, nutzt das beste Ernährungskonzept nichts“, fasst Ernährungsrätin Heike Rosmann zusammen. „Die Verhältnisse zu ändern, bewirkt mehr als auf das Verhalten der Verbraucher zu setzen.“ Dennoch helfe es natürlich, wenn sich jeder schon vorab auf regionale, nachhaltige Produkte besinnt. „Es gibt so tolles Wintergemüse. Wir brauchen im Dezember keine Tomaten aus Spanien“, führt sie als Beispiel an, wie man mit kleinen Dingen starten kann. „Es ist ein Marathon, kein Sprint“, sagt Melanie Hildebrand. Für Verbraucher und für alle, die sich für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft engagieren. „Man muss auch seine eigenen Ressourcen einteilen und immer wieder ein Scheibchen Motivation nachlegen.“ Dann hat man die Ausdauer, weiterzugehen. „Solch ein Wandel steht und fällt mit der Bereitschaft aller Teilnehmer, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Elise Kissling. Die Vision von Wertvoll Pfalz ist daher: „Dass sich Essende und Betriebe gemeinschaftlich auf den Weg machen, dass es ein gemeinsam getragenes Wirtschaften gibt, dass nicht in Konkurrenz sondern transparent und solidarisch geschieht. Wenn es bei der Ernährung gelingt, eine neue Wertschöpfung zu etablieren, kann das auf andere Wirtschaftszweige übertragen werden.“ Es passiere so viel, man könne viel effizienter vorgehen, wenn man sich vernetze.

VERNETZT II Bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Ernährungsrates mit den Gemüsehelden
gibt es viele Rezeptideen für saisonale und regionale Gerichte. Foto: Gemüsehelden Dierbach

Viele Bausteine, ein Haus

Womit wir wieder beim ersten „Wie“ wären: gemeinschaftlich handeln und lernen. Die Ernährungswende wird in der Pfalz von vielen Akteuren vorangetrieben, so vielen, dass hier nicht alle zu Wort kommen können. Beispielhaft seien die Solidarischen Landwirtschaften in Neustadt und der Vorderpfalz genannt oder die Landfrauen, die nach wie vor ein wichtiges Bindeglied zur Agrarwirtschaft sind, oder die Foodsharing- Gruppen, allen voran Kaiserslautern, das zur ersten Pfälzer Foodsharing-Stadt wird. Sie alle befassen sich – Großteils ehrenamtlich – mit dem Wie. Wie ändern wir Gewohnheiten, Strukturen, Denkweisen? Wie kann sich die Pfalz in der Zukunft selbst ernähren? Wie gelingt eine neue Wertschätzung für Lebensmittel? Das machen sie nicht in Konkurrenz und nebeneinander, sondern zusammen. Jeder als ein Baustein, der zum Aufbau eines gemeinsamen Ernährungshauses beiträgt. Und wichtig im Sinne Cem Özdemirs: Keine der Pfälzer Ernährungs-Initiativen möchte jemandem vorschreiben, was auf seinen Teller kommt. Sie möchten einladen und Möglichkeiten schaffen, für alle, die sich für diesen Weg entscheiden. Denn jeder Mensch hat das Recht, sich gesund zu ernähren.

Elise Kissling, Wertvoll Pfalz, Bürgerstiftung Pfalz, Regionalwert AG
Heike Rosmann, Bürgerstiftung Pfalz, Ernährungsrat
Melanie und Sven Hildebrand, Gemüsehelden Dierbach
Gabi Gründling, Marktschwärmerei Freinsheim
Ralf Honsberg, Slowfood Pfalz

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Weinstöberei

Terroir trifft Scheurebe

Würzig, mineralisch und mit lebendiger Säure – die kühle Nordpfalz bringt Terroir-Weine mit hohem Reifepotenzial hervor. Die Brüder Stephan und Georg Schwedhelm verknüpfen Scheurebe mit den Stärken des Zellertals. So interpretieren sie die Bouquet-Rebsorte neu.

Foto: Weingut Schwedhelm/Simon & Paul

Das nördlichste Kleinod der Pfalz ist das Zellertal. Die vorwiegend mit Kalk- und Tonmergel durchzogenen Weinlagen der Region sind aktuell in der Weinszene in aller Munde. In Zellertal-Zell ist das Weingut von Georg und Stephan Schwedhelm beheimatet. Die Brüder haben es sich zum Ziel gesetzt, ihren Weinen die Handschrift der Region zu geben. Hierbei setzen sie ihren Fokus primär auf Riesling und Burgunder, da sich bei diesen Rebsorten das Terroir hervorragend herausarbeiten lässt. Welches Potenzial in alten Scheurebe-Weinbergen schlummert, zeigen die Brüder mit ihrem neuen Weißwein: einer Scheurebe Schwarzer Herrgott.

100 Prozent Handarbeit

Der „Schwarze Herrgott“, eine der ältesten deutschen Weinlagen, liegt mitten im Herzen des Zellertals. Auf einem knapp 300 Meter hohen Plateau aus Kalkfels thront eine besondere kleine Parzelle. Der Weinberg ist von einer Kalksteinmauer eingerahmt und liegt rund um das Kreuz, worauf der Name der Lage zurückgeht. Hier ist 100 Prozent Handarbeit gefragt. In der Parzelle wachsen unter anderem 60 Jahre alte Scheurebe-Reben. Aufgrund des Alters tragen diese Reben nur wenige Trauben. Geschmacklich bringen sie eine intensive Mineralik mit sich.

Wartezeit zahlt sich aus

2021 erntete Stephan Schwedhelm erstmalig eine überschaubare Menge an Scheurebe-Trauben. Den Most vergor er spontan mit ganzen Trauben in einem gebrauchten Barriquefass. Es folgten eine zwölfmonatige Reifephase auf der Vollhefe im Holzfass und ein weiteres Jahr Flaschenreife. Die lange Wartezeit zahlt sich aus. Die 21er Scheurebe Schwarzer Herrgott zeigt sich mineralisch, mit einem Hauch von fruchtiger Aromatik der Scheurebe. Am Gaumen ist der Wein saftig, salzig, erdig, mit feiner Säurestruktur und nachhaltigem Abgang.

Eleganter Essenbegleiter

Er zeigt, dass eine trockene Scheurebe auch Reifepotenzial haben kann. Nicht nur solo kann die Scheurebe punkten, sie ist auch ein eleganter Essensbegleiter. Georg Schwedhelm würde die Scheurebe mit etwas Cremigen kombinieren, etwa einem Pilzrisotto an Schweinelende.

2021 Scheurebe Schwarzer Herrgott | 0,75 Liter | 29 Euro | Weingut Schwedhelm, Zellertal-Zell | schwedhelm-zellertal.de

Inga Klohr. Foto: Adlumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Pfälzer Szenen von Karin Mihm

Än Aagebligg

Die farbenfrohen, lebendigen Momentaufnahmen voller Licht und Leichtigkeit zeichnet die Künstlerin Karin Mihm exklusiv für VielPfalz. „Än Aagebligg“ startet, passend zur Vorweihnachtszeit, mit einem Blick in die Nikolausgasse in Speyer.

Breite Zeichenpalette

© Karin Mihm

Karin Mihm, Jahrgang 1966, hat in Gießen und Marburg studiert. Einige Jahre lebte sie in Berlin, bevor es sie 2003 nach Düsseldorf zog, wo sie bis heute lebt. Ihr künstlerisches Werk reicht von Comics für Kinder und Erwachsene über politische Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen bis hin zur Malerei. Unter anderem ist sie die Erfinderin von „Motte“. Der kleine, graue Mischlingshund entwickelt sich vom Dauer-Pechvogel zum Alltagshelden. Mittlerweile gibt es mehr als 1000 Strips und zwei Bücher von und mit ihm.

Humorvolle Perspektive

Karin Mihms Arbeiten sind aus zahlreichen Ausstellungen sowie Veröffentlichungen auf Postern, Postkarten und in mehreren überregionalen Tageszeitungen bekannt. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Zeichnungen von Städten und Landschaften. So entstanden ihre Momentaufnahmen unter anderem in London, Paris und natürlich Düsseldorf. Die berühmte Altstadt oder der Rhein, an dem Karin Mihm fast täglich spazieren geht, sind hier beliebte Motive. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie werden mit lockerem Tuschestrich und Aquarellfarben angefertigt. Karin Mihms Ziel: typische Orte zeichnen und dabei eine liebenswerte und humorvolle Perspektive einnehmen. In der Pfalz hat sie dazu eine große Auswahl.

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Pfälzer Handwerk

Mit Fingerspitzengefühl

Sie biegen Holz, flechten Weiden, bemalen Glas oder binden Bürsten. Kurz: Sie erhalten typische Pfälzer Handwerkskunst und somit Schätze der Region. Die Menschen hinter den alten Handwerksberufen wie Küfer oder Korbflechter sind mit der Region genauso verwurzelt wie ihre Produkte. Sie stehen im Kontrast zu unserer schnelllebigen, maschinellen Welt, denn sie sind von Hand gemacht fürs Leben. Mit Leidenschaft und modernen Ansätzen soll das zünftige Handwerk in der Pfalz fortbestehen.

Foto: Norman Krauß

Der warme, wohlige Duft von Holz liegt in der Luft. Es ist laut. Hier singt eine Säge, dort fliegen Funken. Mittendrin Küfer Jonas Eder. Für den gebürtigen Bad Dürkheimer gibt es keinen schöneren Ort zum Arbeiten als genau hier. In seiner Heimat. „Holz ist für mich ein unfassbar toller Werkstoff: wie es auf seine natürliche Art direkt vor unserer Haustür wächst, wie man genau schauen muss, dass man es wertig verarbeitet …“, kommt der 29-Jährige ins Schwärmen. Schon als kleiner Junge zieht es ihn mit seinem Großvater in die Werkstatt. Der Wunsch, selbst einmal im Familienunternehmen mitzuarbeiten, wächst, obwohl das traditionsreiche Handwerk des Küfers mittlerweile zu den seltensten zählt. Bundesweit gibt es jährlich etwa eine Handvoll Auszubildende. Ein Grund dafür sei sicherlich, dass die Bereitschaft zu körperlich anstrengender Arbeit abnehme, aber auch der geringe Verdienst, meint Jonas Eder. Ungefähr 1500 Euro brutto pro Monat bekommt ein Geselle im Küferhandwerk.

PRÄZISE Ein Mitarbeiter der Küferei Eder fräst eine Nut. Sie ist entscheidend, um die einzelnen Fassdauben miteinander zu verbinden. Foto: Norman Krauß

Vom Gesellen zum Geschäftsführer

Jonas Eder hielt dennoch an seinem Traum fest. Seine Ausbildung absolvierte er in einer anderen Küferei in der Pfalz, ging dort durch die „alte, harte Schule“, wie er selbst sagt. Das bedeutet viel schweißtreibende Handarbeit, wenig Automatisierung. Lehrreiche Jahre nennt Eder diese Zeit und ist dankbar für die Erfahrungen, die er dort sammeln konnte und die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist: stolzer Unternehmer mit handwerklichen Wurzeln und obendrauf einem Studium als Holztechnikingenieur. Denn nach seiner Ausbildung entschied sich der Pfälzer, nach Rosenheim zum Studieren zu gehen, um sein Wissen rund um Holz und Maschinen zu vertiefen. Seit Oktober 2022 ist er neben seinem Vater und Onkel Geschäftsführer der Eder GmbH in Bad Dürkheim. „Ich finde es besonders wertvoll, mit so vielen verschiedenen Menschen in unserer Branche zu tun zu haben. Ich liebe die Regionalität sowie durch meine Zusammenarbeit mit den Winzern, Einblicke in die lokale Kultur des Weins zu bekommen“, erzählt Jonas Eder und fügt schmunzelnd und mit Stolz hinzu: „Manchmal fühlt es sich schon fast so an, indirekt den Wein mitzugestalten.“ Denn heute wie damals machen den Hauptteil der Produktion der Küferei Weinfässer aus. Die Geschichte der Fässer ist traditionsreich. 

Berühmte Pfälzer Fässer

Der Begriff Küfe/Kufe bezeichnet im ursprünglichen Sinne einen Kübel oder Eimer aus Holz. Bereits in der römischen Kaiserzeit verschickte man Wein überwiegend in Holzfässern. Wie dem Buch „Geschichte des Pfälzischen Handwerks“ zu entnehmen ist, das anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Handwerkskammer der Pfalz im Jahr 2000 erschienen ist, wurden schon um 1416 auch in der Pfalz von Speyer aus 8000 Fuder Wein in den Handel gebracht. So ist bereits damals von einer umfangreichen Tätigkeit von Küfern entlang der Haardt auszugehen. Der Beruf des Küfers zählt also zu einem der ältesten Handwerksberufe der Pfalz und war jahrzehntelang sehr gefragt. Zwei überdimensionale Exponate sind sogar über die Grenzen der Pfalz hinaus als Symbole des Pfälzischen Küferhandwerks bekannt geworden: das Heidelberger Fass aus dem 17. Jahrhundert und das jüngere Bad Dürkheimer Riesenfass. 1934 wurde es von dem Bad Dürkheimer Weinguts­besitzer und Küfer­meister Fritz Keller in traditioneller Herstellungsweise gebaut und ist mit einem Durchmesser von 13,5 Metern das größte Fass der Welt.

Das Pfälzer Handwerk

Seit 1953 gibt es eine Handwerksordnung in der Pfalz. Zu diesem Zeitpunkt waren noch alle Handwerksberufe zulassungspflichtig. Heute arbeiten rund 84.000 Menschen in 18.588 Handwerksbetrieben in der Pfalz (Stand 31.12.2022) berichtet Ellen Thum, Leiterin der Pressestelle der Handwerkskammer der Pfalz. „Spuren handwerklicher Tätigkeit reichen weit zurück bis in ur- und frühgeschichtliche Epochen. Wo Menschen lebten oder zusammenlebten, produzierten sie etwas mit ihren Händen. Auf dem Gebiet der heutigen Pfalz beispielsweise in der Gegend um Eisenberg gibt es bereits aus römischer Zeit Belege für die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen“, erzählt Barbara Schuttpelz, Abteilungsleiterin für Pfälzische Volkskunde und stellvertretende Direktorin des Instituts für Pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern. Außerdem seien Werkzeugfunde aus dem 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. von mehreren heute pfälzischen Orten wie Geinsheim, Bad Dürkheim oder Waldfischbach bekannt.

Unentbehrliche Berufe

„Handwerker waren seit jeher unverzichtbar für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung von den kleinsten Gemeinden bis in die Städte. Die vielfältigen Handwerksberufe bildeten zum einen die Lebensgrundlage für die Ausübenden, zum anderen dienten sie der Deckung des Bedarfs an Produkten des täglichen Gebrauchs für Stadt- und Landbevölkerung“, sagt Barbara Schuttpelz. „Neben Küfern waren viele andere Handwerker wie Schmiede, Bürstenmacher, Gerber, Metzger, Brauer, Bäcker, Zimmerleute oder Schneider unentbehrlich und übten jeder für sich eine wichtige Funktion im gesellschaftlichen Gefüge aus.“ Im Mittelalter bildeten sich in Städten wie Speyer oder Kaiserslautern die Zünfte, in denen die Handwerker organisiert waren und die ihnen einen erheblichen Einfluss innerhalb des Stadtgefüges sicherten. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert sei zu beobachten, dass Handwerksberufe immer weiter zurückgingen – die maschinell gefertigten Produkte waren einfach schneller und kostengünstiger herzustellen und zu vertreiben.

Des Küfers Arbeit

Zurück in die Werkstatt von Jonas Eder. Auch im Küferhandwerk werden heute wesentlich mehr Maschinen eingesetzt. Kleinfässer werden zum Beispiel fast vollständig automatisiert hergestellt, um die Erhöhung der Produktivität zu ermöglichen und der Nachfrage gerecht zu werden. Küfer müssen sich also auch mit Maschinen auskennen und programmieren können. Doch die Arbeit von Hand hat nach wie vor großen Stellenwert. Zu den Hauptaufgaben des Küfers zählen die Herstellung, die Instandhaltung und die Reparatur von Holzfässern. Benötigt werden hierfür eine genaue Kenntnis der geeigneten Holzsorten sowie präzises Arbeiten. „Das Eichenholz trocknet teilweise drei Jahre an der Luft bevor wir die ausgewählten, gealterten Eichenplanken zu Dauben zurechtschneiden“, erklärt Küfer Jonas Eder. Danach werden sie innerhalb eines Metallreifens angeordnet. Durch die Bearbeitung mit Feuchtigkeit und Hitze biegen sich die Holzdauben schließlich zur typischen Fassform. Mit weiteren Reifen versehen, landet das Fass schließlich beim so genannten Toasting. Hierbei wird es aufs Feuer gestellt und „angeröstet“. Je nach Intensität und Dauer sowie der Holzart treten durch diesen Prozess später Aromen wie Vanille, Karamell, Kokos, Kaffee oder Tabaknoten gepaart mit weiteren Holzaromen unterschiedlich stark im Wein auf. Das Holzfass und die Arbeit des Küfers beeinflussen also maßgeblich den Geschmack dessen, was später im Fass gelagert wird. Um den Rauchgeschmack zu mildern, wird das Fass mit Wasser gefüllt und so gleichzeitig auf seine Dichtigkeit geprüft. Erst ganz zum Schluss folgt der Boden. 

INDIVIDUELL Während Kleinfässer fast komplett automatisiert hergestellt werden, ist bei größeren Modellen noch viel Handwerk gefragt. Die Größe und die Auswahl des Holzes hängen davon ab, was später in den Fässern reifen darf: Wein, Whiskey, Bier oder andere Spirituosen. Foto: Norman Krauß

Der Fässer-Kreislauf

Rund 50.000 Fässer, neue und gebrauchte durchlaufen jährlich die Firma Eder. Im Familienbetrieb in Bad Dürkheim arbeiten etwa 50 Mitarbeiter. Ursprünglich waren es einmal acht. Besonders stolz ist das Unternehmen darauf, dass die gesamte Wertschöpfung im eigenen Haus stattfindet. Neben einem Sägewerk zählen eine Schreinerei sowie die Küferei dazu. „Bei der Produktion unserer Fässer legen wir Wert darauf, Holz, primär Eichenholz aus unserem heimischen Pfälzerwald, selbst und nach unserem Standard einzuschneiden. Eine jahrelange und natürliche Trocknung in unserem Lager erhöht die Strapazierbarkeit und Qualifikation des Holzes der späteren Holzfässer für Wein, Bier und Spirituosen“, erklärt Jonas Eder. Während zum beliebten Barrique-Ausbau Küfer relativ kleine Eichenholzfässer mit 225 Litern Fassungsvermögen herstellen, werden mittlerweile auch Großfässer bis zu 20.000 Litern sowie Saunen, Badebottiche, Möbel oder dekorative Fässer im Unternehmen in Bad Dürkheim produziert. Die Auftraggeber kommen zwar primär aus der Region, aber auch internationale Bestellungen nehmen zu. So stehen inzwischen Holzfässer made in Dürkheim in Frankreich, Kanada, China oder Taiwan.

Ein langlebiges Produkt

Großgeschrieben werden im Unternehmen auch Recycling und Nachhaltigkeit. Gebrauchte Weinfässer werden aufgearbeitet und sind bei Bierbrauern und Whisky-Destillerien zur Veredelung ihrer Produkte begehrt. Sind die Fässer irgendwann zu marode, bauen die Schreiner sie auseinander und verarbeiten sie beispielsweise zu Gartenmöbeln. „Nachhaltiges, Umwelt und Ressourcen schonendes Arbeiten ist ein großes Thema“, erklärt Eder, der generell positiv in die Zukunft blickt. „Ein wichtiger Faktor wird sein, flexibel zu bleiben und Holz in seiner Beschaffenheit als Naturprodukt zu respektieren“, ist er sich sicher. Dass Deutschland strenge Waldgesetze verfolgt, unterstützt der Küfer und arbeitet eng mit hiesigen Förstern aus nachhaltiger Forstwirtschaft zusammen. Auch optimale Kundenbetreuung sei ein wichtiger Baustein. „Wir führen vorab bereits intensive Gespräche, damit wir bei der Produktion individuell auf die Wünsche unserer Kunden eingehen können und sie möglichst lange etwas von den Produkten haben“ – auch das sei nachhaltiges Denken.

VERSIERT Korbflechten zählt zu den ältesten Handwerkstechniken der Menschheit. In der Pfalz flicht Edmund Gehrlein bereits in der siebten Generation Körbe und gibt sein Wissen in Kursen weiter. Foto: Norman Krauß

Edmund Gehrlein, der Korbflechter

Ohne Zweifel fortwährend im positiven Sinne ist auch das Tun von Korbflechter Edmund Gehrlein. Dass sein Handwerk, das zu einem der ältesten der Menschheit zählt, nicht in Vergessenheit gerät, ist ihm ein großes Anliegen. Körbe flechten hat in seiner Familie Tradition und so war für den heute 74-Jährigen schon als kleiner Junge klar, dass er ebenfalls in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten will. „Mich fasziniert, dass dieser Rohstoff, die Weiden, bei uns in den Rheinauen vor der Haustür wächst und ich aus ihm an einem Tag ein Gefäß herstellen kann, mit dem man mehr als 60 Jahre Freude hat“, sagt Edmund Gehrlein, dessen Leidenschaft für sein Handwerk aus seinen Augen blitzt. Bereits in siebter Generation flicht der Pfälzer Körbe. Während sein Großvater noch eine Korbflechter-Werkstatt im pfälzischen Westheim mit 18 Angestellten betrieb, wusste Edmund Gehrlein, dass er vom Flechten und dem Verkauf der Körbe allein nicht mehr leben könnte. Doch auch wenn er sein Geld später als Gärtner verdiente, blieb das Korbflechten immer ein großer Teil seines Lebens. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ist der Westheimer heute noch auf Gartenschauen, Handwerks- oder Bauernmärkten unterwegs.

Eins der ältesten Handwerke

„Korbflechten zählt neben Schmieden wohl zu den ältesten Handwerkstechniken und ist bereits seit über 10.000 bis 12.000 Jahren bekannt. Das belegen unter anderem Funde aus dem Mittelmeerraum“, sagt Volkskundlerin Barbara Schuttpelz. Schon in der Frühzeit nutzten Menschen Zweige oder auch Fasern, um mit ihren Händen Gegenstände zu fertigen. Nach und nach wurden die Techniken verfeinert. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts stellten die Korbmacher aus regionalen Materialien hauptsächlich Körbe für den täglichen Bedarf her: zum Transport, für die Ernte, die Wäsche oder den Einkauf. Damals wurden fast in jedem Haushalt Körbe geflochten. Aber auch einer der heute weltgrößten Chemiekonzerne hatte laut Gehrlein große Nachfrage für die Naturprodukte: „Wenn Chemikalien in Glasballons transportiert wurden, dann wurden diese Ballons in Weidenkörben geschützt“, erinnert er sich. Damals gab es hier in der Region hunderte Korbmacher in mehreren Betrieben. Der große Einbruch kam mit der Einführung des Kunststoffes in den 1960er-Jahren und der Massenproduktion. Die Körbe, die Gehrlein heute anfertigt, dienen meist zu Dekorationszwecken oder wie seine gefragten Kaminholzkörbe quasi als hochwertiges Möbelstück.

Die letzten ihrer Art

Die uralte Technik des Flechtens erfordert Kraft und Fingerspitzengefühl zugleich – ganz ohne Maschinen. Heute beherrschen nur noch wenige Menschen diese Kunst. Edmund Gehrlein zählt in Deutschland zu einem der letzten gelernten Korbflechter, die die Tradition weitergeben. Von drei staatlichen Berufsfachschulen für Flechtwerkgestaltung in den 1960er-Jahren gibt es noch eine im bayrischen Lichtenfels, an der man das Handwerk erlernen kann. Doch es bewegt sich wieder was: Auch verschiedene Museen wollen die Kunst des Korbmachens bewahren und bieten Anfängerkurse für Laien an, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Ein Zeichen, dass die Wertschätzung des Handwerks wahrgenommen wird. Auch die Volkskundlerin Barbara Schuttpelz begrüßt diese Entwicklung und hält es für notwendig, dass alte handwerkliche Kulturtechniken und das Wissen um sie gepflegt, bewahrt und weitergegeben werden. „Dass es prinzipiell als wichtig angesehen wird, alte Handwerkstechniken zu erhalten und weiterzugeben, spiegelt sich unter anderem auch darin, dass einige bereits von der Deutschen Unesco-Kommission in das bundesweite Verzeichnis ,Immaterielles Kulturerbe‘ aufgenommen wurden, beispielsweise Flechthandwerk, Handweberei, Bierbrauen, Drechslerhandwerk oder Glasbläserei“, erklärt sie und führt fort: „Bei der Herstellung von Gebrauchsgegenständen beispielsweise in Heimat- und Freilichtmuseen kann man sich klar vor Augen führen, welche Schritte, Materialien, Fertigkeiten und vor allem welcher Zeitaufwand erforderlich waren und sind, um ein Ergebnis zu erhalten.“

BEGEHRT Früher wurden Körber fast in jedem Haushalt geflochten. Heute haben wieder mehr Menschen Interesse an der Kunst des Korbmachens und handwerklich hergestellten, robusten Körben. Foto: Norman Krauß

Die Kunst des Flechtens erlernen

Die handwerklich hergestellten Gegenstände faszinieren den Betrachter nicht nur, sie sind zumeist auch haltbarer und nachhaltiger als industriell produzierte Erzeugnisse. Genau dieses Ziel verfolgt Edmund Gehrlein mit seinen Flechtkursen. Diese Kurse beginnt der Korbflechter immer gleich, nämlich mit einem Bodenkreuz. „Das ist die einfachste Form“, erklärt er. „Die richtige Feuchtigkeit und Biegsamkeit der Weiden, die Anzahl und Stärke der Hölzer und natürlich die korrekte Flechttechnik sind nur einige Faktoren, die einen guten Korb ausmachen.“ Ebenso entscheidend für einen Korb, von dem man ein Leben lang etwas hat, sei konzentriertes und ordentliches Arbeiten. Während er das erzählt, gleiten die Weidenzweige präzise und leicht durch seine Finger und ruckzuck ist ein halber Korb geflochten. Gehrlein lacht: „Das ist wohl in mir drin.“ Korbflechten im Akkord komme für ihn aber keinesfalls mehr in Frage. „Ich mache das aus Leidenschaft fürs Handwerk und denke, das spüren die Menschen auch.“ Es sei wunderbar zu sehen, dass die unterschiedlichsten Interessenten zu ihm kommen, um ein so altes Handwerk zu erlernen, das bereits vor Tausenden von Jahren praktiziert wurde. Für ihn gibt es nichts Schöneres.

UNTERSTÜTZEND Markus Heid beliefert die wenigen noch ausübenden Korbflechter mit seinen Pfälzer Weiden, damit das Handwerk erhalten werden kann. Nebenbei stellt er selbst Zäune oder Tipis aus Weiden her. Foto: Weiden Heid

Das Korbflechterdorf

Bis vor Kurzem hat Gehrlein die Weiden sogar noch selbst angebaut, gelagert und getrocknet. Doch da das sehr aufwändig ist, besonders die Pflege der Weiden, lässt er sie inzwischen liefern. Wieviel Mühe und Arbeit hinter dem Weidenanbau steckt, weiß Markus Heid nur zu gut. In Neupotz, ebenfalls in den Rheinauen gelegen, hat er sich eben genau darauf spezialisiert – den Anbau von Weiden. Selbst aus einer Korbflechterfamilie mit Tradition stammend, stellt Markus Heid zwar keine Körbe her, hat sich aber ebenso zur Aufgabe gemacht, das Korbflechterhandwerk zu erhalten, indem er die wenigen noch ausübenden Korbflechter mit seinen Weiden beliefert. Der 53-Jährige bewirtschaftet neun Hektar und bietet fünf Sorten Weiden von 60 bis 80 Zentimetern bis zu zwei Metern Länge an. Insgesamt in acht verschiedenen Größen, die sich nach Farbe und Stärke, also weich und hart, unterscheiden. Damit beliefert er Kunden deutschlandweit, die Flechtarbeiten aller Art ausführen. Unterstützt wird er von seinem Neffen, von dem er sich erhofft, die Familientradition einmal weiterzuführen. Begründet hat sie der Urgroßvater, der damals das Korbflechten gelernt und sich mit Weidenanbau selbstständig gemacht hat. Der wurde nach und nach ebenfalls zu einer wichtigen Einnahmequelle, weil viele Winzer das Naturmaterial nutzten, um ihre Reben anzubinden. Lange Zeit war es normal, dass in jeder Familie, die Landwirtschaft betrieb, auch Körbe geflochten wurden. In der Gemeinde Neupotz gab es eine Korbfabrik und mehrere Korbhändler. „Fast jeder im Ort hat hier Körbe gemacht, oftmals auch nebenberuflich“, erzählt Markus Heid und fügt mit einem Lachen im Gesicht hinzu: „Es steckt mir also im Blut.“

FRISCH Die Weiden werden im Winter geerntet. Markus Heid liefert 80 Prozent der Ernte direkt aus, der Rest wird in Neupotz gelagert. Foto: Weiden Heid

Ein Kulturerbe erhalten

Auch wenn Heid selbst kein Korbflechter ist, in der Branche ist er bekannt. Bis zu 80 Prozent seiner Weiden, die er jährlich in den Wintermonaten erntet, liefert er frisch aus. Den Rest trocknet und lagert er bei sich. „Die Lieferung des Materials ist mein Beitrag, um die Kunst und Kultur rund ums Korbflechten sowie den Beruf zu erhalten“, erklärt Heid. Nebenbei flicht der ausgebildete Umweltschutztechniker mit Schwerpunkt Landschaftspflege unter anderem Zäune. Auch Tipis für Kindergärten oder Bekannte hat er schon gemacht. Einer seiner persönlichen Höhepunkte zum Erhalt des Kulturerbes des Flechtwerks war ein Korbmacherfest, das auf seinem Hof ausgerichtet wurde. Da es sehr gut angenommen wurde, wird es sicher nicht das letzte gewesen sein. Seit 2019 veranstaltet Markus Heid zudem Flechtkurse auf seinem Gelände.

AUFWÄNDIG Die Weiden fürs Korbflechten wachsen in den Rheinauen bei Neupotz. Der Anbau und die Ernte sind durchaus anspruchsvoll. Foto: Weiden Heid

Faszination Glaskunst

Die Begeisterung für ein altes Handwerk, allerdings mit einem anderen Rohstoff, teilt Karin Histing. Sie hat sich der Glaskunst verschrieben. „Jahrhundertealte Techniken anzuwenden und mit Handwerk und Kreativität zu kombinieren, ist für mich ein absoluter Traumberuf“, schwärmt die 42-Jährige. Seit 2018 ist sie Inhaberin der Glaskunst Krumholz in Bad Bergzabern. „Die Farben und Lichtwirkung von Gläsern begeistern mich immer wieder aufs Neue.“ Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. sollen die Römer Glasscheiben und Glasmosaike eingesetzt haben, um Helligkeit zu spenden und die Wärme in den Räumen zu erhalten. Die Glasmalerei findet sich seit jeher jedoch vorwiegend im sakralen Bereich. Auch Karin Histings Auftraggeber sind primär aus diesem Umfeld. Der Hauptteil ihrer Arbeit besteht aus der Sanierung und Restaurierung von Kirchenfenstern in teils jahrhundertealten Gemäuern. So hat sie unter anderem den Fenstern des Klosters Eberbach in Eltville schon zu neuem Glanz verholfen. Eine besondere Herausforderung bei ihrer Arbeit ist sicherlich, die Zerbrechlichkeit des Glases. „Mit der Zeit entwickelt man die Feinfühligkeit fürs Material und den achtsamen Umgang“, erklärt die Glaskünstlerin. Sie hat schon immer gerne mit den Händen gearbeitet und etwas Kreatives gemacht. Genau diese handwerkliche Fertigkeit braucht es bei der Glaskunst. Denn damals wie heute erfolgt wenig maschinell.

BEWAHREN Vor allem Kirchenfenster werden in der Bad Bergzaberner Werkstatt von Karin Histing saniert und restauriert. Foto: Norman Krauß

Die Vielfalt der Möglichkeiten

Karin Histing wendet unterschiedliche Techniken in ihrer Werkstatt in Bad Bergzabern an, die verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten mit sich bringen. Das gängigste Verfahren sind, unterschiedliche Buntgläser in Bleiprofile einzusetzen. „Zunächst fertige ich dafür eins zu eins Schablonen an, um dann die Buntgläser zurechtzuschneiden und schließlich Schritt für Schritt ein großes Fenster aus Glasstücken wie ein Puzzle zusammenzusetzen“, beschreibt Histing den Arbeitsprozess. Manch altes Fenster sei so zerstört, dass ein Rekonstruieren zur großen Herausforderung wird. Dann ist die Künstlerin froh, wenn alte Fotos vom Originalzustand existieren. Manchmal jedoch blieben nur Scherben, die es dann gilt, in Sisyphusarbeit wieder zusammenzusetzen. „Mir liegt es sehr am Herzen, das Fenster möglichst genau wieder in seiner Ursprungsform hinzubekommen.“

FRAGIL Die Zerbrechlichkeit des Materials ist immer eine Herausforderung. Foto: Norman Krauß

Von leuchtenden Farben

Eine weitere Technik, die es im Glaskunstbereich gibt, ist Sandstrahl. Hierbei lässt sich mit matten und klaren Flächen spielen, indem man zunächst mehrschichtig aufbaut, um dann einzelne Flächen oder Muster herauszustrahlen. Ferner eignet sich für größere Flächen ab und an die Anwendung von Silikon und Sicherheitsglas. Dass die ursprüngliche Glasmalerei, also richtiges Zeichnen und besonders detailliertes Arbeiten, eher selten vorkommt, bedauert Karin Histing. Aber der Aufwand und damit auch die Kosten für Arbeitsstunden seien eben sehr hoch, erklärt sie. Den einen oder anderen Auftrag von Privatkunden gibt es dann aber doch. Diese Arbeit erfüllt sie immer besonders. Nicht umsonst hat die Glasmalerei auch heute noch einen hohen Stellenwert in der Malerei. Denn keine andere Malart kann eine so solche Farbleuchtkraft und so große Helligkeitsunterschiede zeigen wie ein Glasbild. Karin Histing ist sich sicher, dass das Handwerk Glaskunst Bestand haben wird. Man müsse sicher vielseitig denken und sich hier und da umstellen, etwa neue Techniken lernen. „Einen Teil dazu beitragen zu können, etwas Altes und Schönes durch meine Arbeit zu erhalten, erfüllt mich in gewisser Weise mit Ehrfurcht“, sagt sie.

GESCHÄTZT In der Malerei hat die Glaskunst einen hohen Stellenwert. Foto: Norman Krauß

Traditionshandwerk Bürstenbinder

Bei Harald Klein geht es weniger um das Erhalten von antiken Gegenständen, sondern um das Schaffen von ganz alltäglichen, die man oft nicht wahrnimmt, die aber eigentlich jeder braucht: Er fertigt Besen und Bürsten. Von seinem Vater lernte er als Jugendlicher das Traditionshandwerk des Bürstenbinders und führt das kleine Unternehmen im südpfälzischen Ramberg nun in vierter Generation. „Ramberg war für viele Jahrhunderte das Dorf der Bürstenbinder“, erzählt der 63-Jährige. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute zählt Familie Klein zu den letzten Bürstenbindern. Auf über stolze 90 Jahre Firmengeschichte kann sie zurückblicken. „Für mich war es ganz normal, dass ich als kleiner Junge jeden Tag mit meinem Großvater ins Geschäft gegangen und so ins Bürstenbinden reingewachsen bin“, erinnert sich Harald Klein. „Hier und da habe ich mir immer mal 50 Pfenning verdient und konnte mir mit 14 Jahren von dem Ersparten ein Rennrad kaufen.“ Darauf sei er damals natürlich sehr stolz gewesen. Als er selbst den Betrieb übernommen hat, wuchs die Verantwortung und die neue Aufgabe  brachte auch viele Herausforderungen mit sich. „Ich habe hart und viel gearbeitet, um vom Handwerk leben zu können“, sagt der Bürstenbinder. Weil er seinen Beruf aber aus voller Überzeugung tut, ist es immer eine Erfüllung für ihn gewesen.

Zurück zur Qualität

HÄNDISCH Mitarbeiter Richard Rebholz zieht die Borsten von Hand ein, bevor sie auf eine Länge geschnitten werden. Foto: Norman Krauß

Ob Industriebesen, Zimmerbesen, Handbesen, Möbelbürsten, Staubwedel, Babyhaarbürsten oder Kuchenpinsel – rund 1000 verschiedene Artikel zählt das Sortiment der Firma Klein, die nach wie vor fast alle in Handarbeit produziert werden. Unterstützt wird Harald Klein von seinem Bruder und vier Aushilfen, die teils daheim arbeiten. „Das schätze ich sehr, weil es mir ermöglicht je nach Auftrag spontan zu reagieren“, erklärt Klein. Wenn erforderlich, schwingt er sich auf sein Fahrrad und bringt seinen Mitarbeitern die Materialien vorbei, um einige Stunden später die fertigen Produkte abzuholen. Auch früher schon war das im Bürstenbinderhandwerk eine gängige Methode. Um die Besen zu verkaufen, sind sein Großvater und Vater noch selbst direkt zur Kundschaft gefahren. Heute zählen eher größere Betriebe wie Baugeschäfte oder im Einzelhandel zu seinen Kunden.

Aber: Seit ein paar Jahren nimmt ebenfalls die Nachfrage bei Privatleuten ebenfalls zu. „Die Generation, die die alten Besen noch kennt, will sie wieder“, freut sich der Ramberger. Denn ein guter Besen kann bis zu 50 Jahre halten. Anders als Besen mit Kunstfasern, die sich im Gegensatz zu pflanzlichen oder tierischen Naturmaterialien beim Fegen statisch aufladen und schneller Borsten verlieren. Dafür sind diese industriell gefertigten Besen natürlich auch günstiger. Harald Klein vertritt schon immer den Standpunkt: Weniger ist mehr. Lieber einen gescheiten Besen, der zwar etwas mehr kostet, aber dafür Jahre hält, als ständig neue Besen kaufen. Das habe mit Nachhaltigkeit nichts zu tun, bedauert er. Die Entwicklung, dass mehr Privatleute sich wieder an handgefertigten Produkten und Qualität erfreuen würden, begrüßt Harald Klein daher sehr. Er geht auf Garten- oder Bauernmärkte, um seine Ware zu präsentieren. „Ich verkaufe auch einzelne Besen“, sagt er glücklich. Das sei ein schönes Gefühl, wenn jemand fröhlich anruft und sagt: „Ich habe noch nie so einen guten Besen gehabt.“

Traum einer gläsernen Manufaktur

Was lange währt Der Pfälzer produziert aber nicht nur neue Besen, sondern bestückt zum Beispiel auch alte Bürsten neu. Dabei handelt es sich teilweise um Erbstücke mit Initialen, die einen ganz besonderen Wert für ihre Besitzer haben. Besonders schön findet der Bürstenbinder die Vielzahl an Formen und Möglichkeiten, die sein Handwerk mit sich bringt. Jede Borste hat eine besondere Eigenschaft. Somit spielt es nicht nur eine Rolle, ob tierische Fasern wie Schweineborsten, Pferde- oder Rinderhaar, Naturmaterialien wie Kokos oder eben Kunststoff verwendet werden und in welchen Mischverhältnis. Sondern auch die Variation der Bündel – ob kräftig oder schwach, länger oder kürzer. Je nach Einsatz des fertigen Produkts entscheiden diese Faktoren, wie weich oder hart der Besen oder die Bürste sind und ob es letztendlich ein gutes, langlebiges Produkt wird. Der Stiel besteht fast immer aus Buchenholz. Das Stammholz für die Stiele wurde früher noch selbst in der Werkstatt aufgetrennt. Heute werden die Hölzer aus dem Naturpark Pfälzerwald gekauft. „Es hat sich vieles gewandelt“, erzählt Harald Klein. Nicht nur die Masse spielt heute eine deutlich größere Rolle, auch der Einsatz von möglichst günstigen Materialien. Der Bürstenbinder wünscht sich, dass in der Zukunft wieder nachhaltiger produziert und gewirtschaftet wird. Aber das sei gerade in großen Firmen bisher eben leider mit den Arbeitsstunden und dem Mindestlohn nicht vereinbar. Er selbst hofft, noch lange fit zu bleiben, um sein Traditionshandwerk per Hand ausüben zu können. Sein Traum ist, sein Wissen weiterzugeben und vielleicht mal eine kleine, gläserne Manufaktur zu besitzen, in der er den Menschen den Schatz seiner Handwerksarbeit zeigen kann.

Jonas Eder, Küfer, Bad Dürkheim, wilhelm-eder.de
Markus Heid, Weidenanbauer, Neupotz, weiden-heid.de
Karin Histing Glaskunst, Bad Bergzabern, glaskunst-krumholz.de
Harald Klein Bürstenbinder, Ramberg, www.klein-besen-buersten-shop.de

Wer mehr über alte Handwerke und Berufe erfahren möchte, kann über die
Museumsportalseite Rheinland-Pfalz diverse Museen ausfindig machen:
museumsportal-rlp.de

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Pfälzer Perspektiven

Glücklich gemeinsam genießen

Betrachtungen von Janina Huber rund um die Sorge, wie sich gemeinsam glücklich genießen lässt und warum das in der Pfalz eigentlich ganz einfach ist.

Urbane WeintrinkerInnen (outdoor), Berlin 2022
Foto: Deutsches Weininstitut

Glück ist nur echt, wenn man es teilt“ oder im Original „Happiness only real when shared“. Kennen Sie dieses Zitat? Es sind die Worte von Christopher MacCandless. Als junger Mann zog er Anfang der 1990er-Jahre auf der Suche nach dem Glück allein durch Amerika. Seine Reise endete tragisch in der Wildnis Alaskas, wo er einsam starb – doch seine wichtigste Erkenntnis, dass Glück zum Teilen da ist, die hat er uns hinterlassen. Nachlesen kann man diese bewegende Geschichte im Buch „Into the Wild“, das auch verfilmt wurde.

Was ist Glück?

Aber wie komme ich nun auf diese Geschichte, wenn ich mir hier doch Gedanken über das Genussgefühl der Pfalz machen soll? Nun, eine abschließende Definition zu der Menschheitsfrage „Was ist Glück?“ traue ich mir nicht zu. Dass aber für mich als Pfälzerin Genuss immer ein Teil der Antwort ist, steht fest – vermutlich teilen viele von Ihnen diese Ansicht, schließlich halten Sie ein Genussmagazin in der Hand.

Teilen als Lebensgefühl

Ein Teil des Genussgefühls in der Pfalz liegt für mich in dem Zitat von oben verborgen: Wir genießen gerne gemeinsam – mal nur zu zweit, mal zwischen Hunderten Gleichgesinnten. Geselligkeit ist Teil der Pfalz-DNA! Das Teilen gehört hier ganz natürlich zum Lebensgefühl – schließlich hat ein Schoppenglas nicht umsonst 0,5 Liter. Und wer kennt nicht die Pfälzer Standardsituation: In der Wirtschaft oder auf dem Weinfest ist kein Tisch mehr frei. Doch statt entmutigt nach Hause zu gehen, rutschen alle ein bisschen zusammen und ganz plötzlich verbringt man mit wildfremden Leuten eine genussreiche Zeit. Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das sich wohlig in einem ausbreitet.

Anschluss garantiert

Ist dieses Empfinden nicht genau wie guter Wein, gutes Essen und eine malerische Natur Teil des Pfälzer Genussgefühls? Ist es vielleicht gerade die Geselligkeit, die in der Pfalz Genuss umso leichter macht? Ganz gleich, wo wir hingehen – wir finden immer Anschluss. Der September liegt hinter uns und als Dürkheimerin kann ich mir hier einen kleinen Rückblick aufs größte Weinfest der Welt nicht verkneifen, denn bei uns heißt es auch: Wurstmarkt, das heißt Freunde treffen, die man vorher noch nie gesehen hat! Ein schöner Gedanke, der auf viele Feste in unserer Region zutrifft.

Fazit

Also: Dass Genuss entsteht, wenn man ihn mit anderen teilt, ist in der Pfalz eine Selbstverständlichkeit. Und vermutlich bringt uns das auch wieder ein großes Stück näher in Richtung Glück!

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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Natürlich Gärtnern

„Humus gibt es nicht in Tüten“

Im Herbst kommen oft besonders viel Grünschnitt, Laub und Pflanzenreste zusammen. Zudem werden Obst und Gemüse eingemacht und verarbeitet. Die Biotonne ist bald voll. Aus Umweltsicht ist das Quatsch. Diese „Abfälle“ sind ein wahrer Schatz für den Garten. Warum das so ist, was es mit hungrigen Bodenlebewesen und Bokashi auf sich hat, darüber hat Redakteurin Kathrin Engeroff mit Gärtnerin Ursula Abel-Baur aus Landau gesprochen.

Foto: Baur Fotografie

Frau Abel-Baur, wieso ist es sinnvoll, Garten- und Küchenabfälle selbst zu verwerten, statt sie in die Biotonne zu werfen oder zum Wertstoffhof zu bringen?

Ich würde gerne eine Frage voranstellen, um die Antwort auf Ihre Frage besser einordnen zu können. Nämlich: Was ist Humus eigentlich?

Gerne. Diese Frage ist gar nicht so trivial zu beantworten, oder?

Ja, selbst viele erfahrene Gärtnerinnen und Gärtner wissen oft gar nicht so genau, was das ist. Um zu verstehen, warum es sich richtig lohnt, eine Kreislaufwirtschaft im Garten und der Küche zu haben, ist etwas Bodenkunde sinnvoll.

Verstehe, dann von vorn: Was ist Humus mit einfachen Worten erklärt?

Humus bildet sich in der oberen, fruchtbaren Bodenschicht, die die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt. Dadurch wird die Wasserhaltekapazität der Böden erhöht. Humus entsteht durch einen komplexen Vorgang, an dem Bakterien, Pilze, tierische und pflanzliche Bodenlebewesen, das sogenannte Edaphon, beteiligt sind. Die größeren Lebewesen wie Würmer stoßen Stoffe wieder aus, die Bodenlebewesen sterben ab – all das und noch viel mehr ist Humus. Es handelt sich um einen ständigen, lebendigen Prozess, den man nicht in Tüten kaufen kann. Die Organismen brauchen für diesen Prozess organischen Nahrungsnachschub. Ich verstehe, dass nicht jeder einen Kompost haben möchte oder Platz dafür hat, aber man tut seinem Garten mit gekauften Substraten oder Humusprodukten nichts Gutes.

Humusaufbau ist also eine wichtige Station im biologischen Kreislauf und ich schütze dabei noch das Klima?

Genau. Ich selbst kann etwas Konstruktives zur Verbesserung des Klimas beitragen, wenn ich mit meinem Grünschnitt und Küchenabfällen Humus aufbaue. Das reduziert die Menge an Abfall, spart CO₂, da der Abtransport wegfällt, ist dadurch kostengünstig und umweltfreundlich, weil keine fossilen Brennstoffe verbraucht werden. Das Wichtigste ist aber die Kreislaufwirtschaft: Alles, was ich meinem Garten entnehme, führe ich wieder zurück und erhalte so einen wertvollen Rohstoff. Wenn jeder Einzelne das macht, erreicht man unglaublich viel für den Umwelt- und Klimaschutz.

Bei der Selbstwirksamkeit setzt auch die Bokashi-Methode an. Was steckt dahinter?

Bokashi wurde in den 80er-Jahren von dem Mikrobiologen Teruo Higa an einer japanischen Universität entwickelt. Es ist eine Methode zur Fermentation von organischen Abfällen. Bokashi bedeutet wörtlich übersetzt „fermentiertes Allerlei“. Entwickelt wurde diese Methode speziell für Städter, die so auf kleinstem Raum organische Abfälle verwerten können. Für die Verwertung von Küchenabfällen gibt es aber auch für alle anderen keine Alternative, die sich die Arbeit mit einem Kompost nicht machen möchten oder können.

Foto: Baur Fotografie

Wie funktioniert die Fermentation der Küchenabfälle? Was brauche ich alles dafür?

Der Prozess ist mit dem Einmachen von Sauerkraut zu vergleichen, er verläuft also anaerob ohne Sauerstoff. Mikroorganismen bauen organische Verbindungen ab, wodurch ein saures Endprodukt entsteht. Man braucht also zunächst den Bokashi-Eimer, den man luftdicht verschließen kann, einen Stempel zum Andrücken, Einstreu und Effektive Mikroorganismen (EM), die Milchsäurebakterien, Hefen und Photosynthesebakterien enthalten. Ich empfehle, sich einfach ein Starter-Set zu kaufen, damit man direkt loslegen kann – auch wenn man sich so einen Eimer selbst basteln könnte.

Die Gesprächspartnerin

Ursula Abel-Baur ist Gärtnerin mit Gartenbaustudium, Natur- und Wildkräuterpädagogin, sie führt durch die Landschaft und ist Projektleiterin für Schulgärten. Als systemische Trainerin sind Kreislaufwirtschaft und regenerative Landwirt-schaft ihre inhaltlichen Schwerpunkte. In Landau gründete die Mutter von vier erwachsenen Kindern mit Mitstreitern 2019 den Verein „Ursam – Natur- und Lebenspfade“. Dieser bringt Menschen aus unterschiedlichen Berufs- und Lebensfeldern zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam nachhaltig Zukunft zu gestalten. „Wir möchten keine grüne Blase, sondern verschiedene Blickwinkel“, sagt Vorsitzende Abel-Baur. Gemeinsam wolle man intelligente Strategien für eine Kreislaufwirtschaft ausbauen. Im Vordergrund stehe die Förderung des Umweltschutzes durch umweltverträgliche Lebenskonzepte für Mensch und Natur, die zum Handeln motivieren. Seit zwei Jahren hat der Verein ein 3000 Quadratmeter großes Grundstück in seiner Obhut, auf dem die Mitglieder Kreisläufe und Lösungen für anstehende ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen entwickeln. [ayß]

Info: ursam-training.com

TERRA PRETA Pflanzenkohle dient zur Terra-Preta-Herstellung oder Beigabe zum Bokashi. Die Biomassenkohle hilft auch bei der Kohlenstoffspeicherung im Boden. Foto: Baur Fotografie

Und dann kommt da alles rein, was ich an Küchenabfälle habe?

Man kann alles reinmachen, von Gemüseabfällen über Fleisch, Essensreste oder sogar Kuchen. Zunächst die Abfälle zerkleinern, bis sie etwa Zwei-Euro-Stück groß sind, und sie erst mal extern sammeln. Den Bokashi nur alle zwei bis drei Tage damit füllen. Denn je öfter ich den Eimer öffne, desto öfter unterbreche ich den Prozess und die Fermentation dauert länger. Vor dem ersten Befüllen den Eimer mit heißem Wasser auswaschen und mit EM einsprühen. Dann ist es wichtig, richtig zu schichten. Zuerst kommt die Biomasse, die mit dem Stempel richtig festgedrückt wird, sodass es keine Hohlräume gibt. Anschließend das Einstreu darüber verteilen. Im Starter-Set ist meistens RoPro enthalten – mit EM voraktivierte Pflanzenkohle. Es muss aber keine aktivierte Pflanzenkohle sein, genauso gut geht zum Beispiel Sägemehl. Das Einstreu dient dazu Gerüche und Flüssigkeiten zu binden. Ein Bokashi darf nicht zu feucht sein, aber auch nicht zu trocken, da beides die Fermentation unterbindet. Am besten ausprobieren. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass Essigsaures, etwa von Salatsoßen oder Gurkenwasser, dem Prozess ebenfalls schadet. Nach der Einstreu alles mit EM einsprühen und wieder luftdicht verschließen. Die Flüssigkeit, die beim Prozess entsteht und durch ein Sieb in den unteren Bereich des Eimers abfließt, kann ich übrigens ablassen und im Verhältnis 1 :100 zum Düngen nehmen. Überschüssige Bokashi-Flüssigkeit ist in gut verschließbaren Schraubgläsern maximal fünf bis sechs Monate lagerfähig. Die kann ich gut verschlossen auch im Keller lagern, bis ich sie ausbringen kann.

KLASSIKER Ein herkömmlicher Komposthaufen ist ebenfalls ein Resteverwerter, natürlicher Nährstofflieferant und Bodenverbesserer im Garten. Foto: Baur Fotografie

Wann ist denn die Fermentation abgeschlossen?

Die Zeit, die für die Fermentation benötigt wird, kann variieren. Das ist unter anderem abhängig davon, wie lange ich gebraucht habe, um den Eimer zu befüllen, und von den verwendeten Abfällen. In der Regel dauert die Fermentation etwa zwei bis vier Wochen. Der Bokashi verändert seine Textur, Farbe und seinen Geruch. Wenn er allerdings grünlich ist, und nach Erbrochenem riecht, stimmt etwas nicht. Dann würde ich ihn nicht im Garten ausbringen, um keine Ratten anzuziehen. Ein weißer Belag hingegen ist kein Problem. Es empfiehlt sich, mindestens zwei Bokashi-Eimer zu haben, damit immer einer befüllt werden kann, während der andere noch fermentiert.

Was mache ich mit dem fertigen Bokashi?

Den Inhalt des Bokashi-Eimers kann ich komplett und als Ganzes im Kompost vergraben oder ihn an andere Stelle im Gartenbeet an der Luft vererden lassen. Unter acht Grad Außentemperatur ziehen sich die Bodenlebewesen in tiefere Schichten zurück, dann warte ich einfach, denn die Vererdung geht im Frühjahr weiter. Wenn ich weder Kompost noch Beet habe, kann ich mich mit anderen Gärtnern und Gärtnerinnen zusammentun. Das potenziert das Gefühl noch mal, dass man wirklich etwas bewegen kann. Und das tut man ja auch.

Foto: Baur Fotografie

Vom Bokashi abgesehen: „Gartenabfälle“ helfen auch beim Humusaufbau, oder?

Auf jeden Fall. Laub und Pflanzenreste im Garten als Mulchmaterial auf den Beeten verwendet, verhindern Wasserverlust und werden von den Bodenlebewesen zersetzt. Äste und Zweige, die länger brauchen, bis sie zersetzt sind, kann ich in Hügel- und Hochbeete als Schicht einbauen oder eine Totholzecke einrichten. Oder ich baue einen Laubhaufen für Igel oder Eidechsen. Es lassen sich ganz verschiedene, tolle Biotop-Ecken mit Grünabfällen gestalten. Auch gibt es viele unterschiedliche Arten von Kompost. Das ist ein gigantisches Gebiet. Warum nicht mal einen Pilz- oder Wurmkompost, den man auch Indoor machen kann, ausprobieren? Alles, was ich selbst für den Humusaufbau in meinem Garten tun kann, ist für die Umwelt und das Klima besser, als Substrate oder Humusprodukte kaufen zu müssen. Ich würde mich freuen, wenn Menschen Lust bekommen, mit dem Garten und Boden zu arbeiten. Es ist ein andauernder Lernprozess und man kann nicht alles von heute auf morgen können. Wir von „Ursam“ stellen jedenfalls gerne unser Wissen zur Verfügung, um selbst weniger Fehler machen zu müssen und gemeinsam Lösungen für die Zukunft zu finden.

„Natürlich gärtnern“ heißt die VielPfalz-Serie. Experten aus der Pfalz geben Tipps, wie der Ein- oder Umstieg zum naturnahen Gärtnern gelingt. Bereits erschienen: Gemüseanbau (Ausgabe 2/2022), Schädlinge und Krankheiten (3/2022), eigenes Saatgut vermehren (4/2022), Bäume und Gehölze pflanzen (5/2022), der Garten im Winter (6/2022), Hühner & Co. im Garten halten (1/2023), Permakultur (2/2023) sowie Wassermanagement (3/2023) sowie das heimische Wildstaudenbeet
(4/2023). Ausblick: Im nächsten Teil der Serie geht es um Microgreens.

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Veranstaltungs­tipps

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Was wissen

Wofür steht die amtliche Prüfungsnummer?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, wie ein Wein zu seiner amtlichen Prüfungsnummer kommt, wofür die Zahlen stehen und weshalb die Nummer eine Pflichtangabe auf jedem Weinetikett ist.

Weinprüfung
Foto: DWI

Die amtliche Prüfungsnummer (A.P.-Nr.) auf dem Weinetikett ist die Nummer, die nach der erfolgreichen Standardprüfung für jeden deutschen Qualitäts- und Prädikatswein behördlich vergeben wird. Die Qualitätsweinprüfung soll gewähren, dass ausschließlich fehlerfreie Weine vermarktet werden, die zudem die Angaben auf dem Etikett, wie beispielsweise Farbton, Rebsorte oder Qualitätsstufe, erfüllen. Jeder deutsche Qualitätswein, wozu auch die Prädikatsweine Kabinett, Spätlese, Auslese, Beeren- und Trockenbeerenauslese sowie der Eiswein gehören, muss sich dem amtlichen Prüfungsverfahren unterziehen und nach einer erfolgreichen Prüfung als Pflichtangabe seine ihm zugeteilte A.P.-Nr. auf dem Etikett tragen.

Rückschlüsse auf die Weinherkunft

Anhand der angegebenen A.P.-Nr. kann eine Überwachungsbehörde Rückschlüsse auf die Herkunft und das Prüfungsjahr des Weines ziehen. Ein Beispiel, welche Informationen in der A.P.-Nr. 5 027 333 20 23 stecken: Jedes Weinanbaugebiet hat eine eigene Prüfstelle mit einer eigenen Ziffer. Mit dieser beginnt die amtliche Prüfungsnummer. Für die Pfalz ist die Prüfstelle bei der Landwirtschaftskammer im Weinbauamt in Neustadt an der Weinstraße angesiedelt und hat die Ziffer 5. Die nächsten drei Zahlen, hier 027, stehen für die Gemeinde des Abfüllers. Die weiteren Zahlen (333) beziehen sich auf den Abfüller. Die nächsten Zahlen beziffern die einzelnen Füllungen des Betriebes als laufende Nummer (20). Die Prüfnummer endet mit dem Jahr der Prüfung (23) für das Jahr 2023. Das hat aber nichts mit dem Weinjahrgang zu tun. Weine können auch, bedingt durch eine gewollte Reifung, später abgefüllt und geprüft werden.

Wein bei der Prüfstelle einreichen

Für die Prüfung der Weine muss der Winzer eine Analyse mit den relevanten Daten, die von einem anerkannten Weinlabor erstellt wird, zusammen mit einem Antrag, welcher unter anderem die gewünschte Bezeichnung sowie die Zusammensetzung des Weines beinhaltet, sowie drei Flaschen des abgefüllten Weines bei der Prüfstelle einreichen. Zwei der drei Flaschen werden versiegelt und dem Antragsteller zur Aufbewahrung zurückgegeben. Es muss sich um Durchschnittsproben handeln, auf welche die Überwachungsbehörde im Verdachtsfall zurückgreifen kann.

30.000 Weine pro Jahr

Der zur Prüfung eingereichte Wein wird von einer unabhängigen Prüfungskommission verdeckt verkostet. Diese Prüfungskommission setzt sich aus mindestens drei Prüfern zusammen, die jeweils den gleichen Wein verkosteten. Zur Prüfungskommission gehören Vertreter der Weinwirtschaft, Winzer, Händler, Weinbauberater, Angestellte der Verwaltung und auch Verbraucher. Alle werden vorab geschult und müssen sich vor einer Berufung zum Weinprüfer einer Abschlussprüfung unterziehen. Bei der Neustadter Prüfstelle verkosten etwa 180 Prüfer bis zu 30.000 Weine pro Jahr.

Nur Qualitätswein darf verkauft werden

Bei der sensorischen Prüfung wird der Wein zunächst auf seine Farbe und Klarheit geprüft. Sind diese Vorbedingungen erfüllt, findet ein Bewerten der Weine nach dem „5-Punkte-Schema“ statt. Beurteilt werden die Kriterien Geruch, Geschmack und Harmonie des Weines. Bei der Sensorikprüfung wird zwar der Wein im Mund verkostet, aber danach wieder ausgespuckt. Abschließend notieren die Prüfer die notwendigen Angaben und vergeben eine Punktzahl. Nach der Probe werden die einzelnen Ergebnisse abgerufen. Erreicht der Wein im Prüfungsergebnis der einzelnen Prüfer die notwendige Punktzahl nicht, führt dies zur Ablehnung der A.P.-Nr. mit einem negativen Prüfungsbescheid. Das heißt, der Wein oder der Sekt darf nicht als Qualitätswein verkauft werden.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Patenschaften

In der Pfalz verwurzelt

Ob aus Verbundenheit zur Heimat, als Urlaubssouvenir oder ausgefallenes Geschenk: Patenschaften für Rebstöcke und Bäume sind in der Pfalz begehrt. Für Mandelbäume gibt es bereits Wartelisten. Mancherorts tragen die Patenschaften zur Erhaltung wichtiger Lebensräume oder alter Reb- und Obstbaumsorten bei. Die „Patenkinder“ sind zudem eine lebendige, deutschlandweite Werbung für die Region.

Foto: Julia Köller

Die Mandelblüte lockt jedes Jahr aufs Neue unzählige Besucher an die Weinstraße. Wohl kaum eine Baumart ist in den Vorstellungen der Menschen so eng mit der Pfalz verknüpft. Da wundert es nicht, dass die Idee einer Mandelbaum-Patenschaft zum Erfolgsmodell wurde. So stehen etwa in Maikammer, Bad Dürkheim, Birkweiler, Ranschbach, Edenkoben und Gimmeldingen nun Mandelbäume, deren Pflanzung jeweils Paten zu verdanken ist.

In Bad Dürkheim erfolgte vor der ersten Pflanzaktion zunächst eine Bestandsaufnahme, wie Denise Seibert von der Tourist-Information erzählt. Entlang des Mandelpfads fiel auf: „Da würden sich ein paar Bäumchen noch gut machen.“ Hier sei vor allem der Verlauf durch die Weinberge besonders passend. Denn: „Die Römer haben die Mandel in die Pfalz gebracht“, sagt Seibert. Das haben die Bäume mit dem Wein gemeinsam. Mit einem Expertenteam wurde nicht nur nach geeigneten Standorten geschaut, sondern auch überlegt, welche Mandelsorten gepflanzt werden sollten. „Wir haben neun Sorten hier in Bad Dürkheim.“ Dazu gehören als eigene Sorten auch die weiß blühende Dürkheimer Krachmandel und die Ungsteiner Süßmandel mit rosa Blüten.

MEIN BAUM I In Bad Dürkheim übersteigt die Nachfrage nach Patenschaften das Angebot an Mandelbäumen. Foto: Stadt Bad Dürkheim

Mehr Nachfrage als Bäume

„Seit 2021 züchten wir unsere Mandelbäume selbst“, berichtet Seibert. Die ersten Patenbäume wurden allerdings bereits 2019 zwischen der Michaelskapelle und der Römervilla Weilberg gepflanzt. Bis heute ist der Mandelpfad so um mehr als 60 Bäume reicher geworden. Eine Patenschaft kostet einmalig 135 Euro. Hinzu kommen 25 Euro jährlich für die Pflege durch die Stadtgärtnerei. Die Paten bekommen für ihren Beitrag eine Urkunde und dürfen kostenlos zur Mandelblütenzeit an einer Führung mit der Weinprinzessin entlang der neu gepflanzten Bäume teilnehmen. Welcher Baum genau ihrer ist, verrät ein entsprechendes Schild am Stützpfosten. „Die Nachfrage ist größer als die Anzahl der Bäume, die gepflanzt werden“, sagt Denise Seibert, die eine Warteliste führt. Doch bis diese Liste abgearbeitet werden kann, müssen erst weitere Standorte gefunden werden.

Beliebtes Geschenk

MEIN BAUM II Einige der jungen Mandelbäume längs des Mandelpfads in Maikammer suchen noch Paten. Foto: Büro für Tourismus Maikammer

Verfügbare Paten-Mandelbäume gibt es derweil in Maikammer, wo im vergangenen Jahr 15 junge Bäumchen entlang des Mandelpfad-Rundwegs gepflanzt wurden. Weitere 15 kamen in diesem Frühjahr hinzu. „Unsere Grundintention war, den Mandelpfad noch attraktiver zu machen“, sagt Sabine Baßdorf vom Büro für Tourismus in Maikammer. In der Regel werde die Patenschaft verschenkt – etwa zu Hochzeit, Geburt oder Taufe. „Einige Paten kommen aus Maikammer. Aber es sind auch Urlaubsgäste dabei, die immer wiederkehren“, erklärt Baßdorf. Wenn die Gäste zum Beispiel im Frühjahr ihren blühenden Baum fotografieren, können sie sich dann das ganze Jahr über an dem Bild erfreuen oder sie kommen jederzeit einfach mehrmals ihren Mandelbaum besuchen.

Bäume für die Städte

Neben der Mandel gibt es in der Pfalz weitere Bäume, für die eine Patenschaft übernommen werden konnte oder kann. So gibt es zum Beispiel den Lautrer Kinderwald 2.0, der ab 2018 als Streuobstwiese mit 44 Apfel-, 20 Birnen-, acht Pflaumen- und vier Mirabellenbäumen angelegt wurde. Die ausschließlich alten Obstbaumsorten wurden auf Flächen des Forstamtes Kaiserslautern während „eines Events von Paten, meist Eltern oder Großeltern, für Kinder gepflanzt und werden von uns, dem Forstamt Kaiserslautern, künftig gepflegt“, heißt es auf der Website der Landesforsten Rheinland-Pfalz. Eine Baumpatenschaft zum Erhalt bestehender städtischer Bäume kann etwa in Ludwigshafen übernommen werden. Der Beitrag dient in diesem Fall dazu, die Stadt bei der Pflege und Bewässerung der Bäume zu unterstützen.

MEIN BAUM III Im Lautrer Kinderwald 2.0 sind wiederum alle Obstbäume mit Paten versorgt. Foto: Tetiana Padurets/Unsplash

Pate für Trüffelbäume

Bei den Baumpatenschaften, die das Weingut Karl Schaefer in Bad Dürkheim anbietet, sind es dagegen gar nicht die Bäume selbst, die faszinieren, sondern das, was im Erdreich darunter wächst. Denn Dr. Job von Nell, der gemeinsam mit seiner Frau Nana das Weingut führt, hatte vor einigen Jahren die Idee, die Genusskombination von Riesling und Trüffeln auch ganz praktisch umzusetzen – mit Trüffelbäumen. „Es sind überwiegend Haselnuss, Buche, Eiche und Linde“, erklärt der Unternehmer. Zu Trüffelbäumen werden sie, indem die Wurzeln der jungen Bäumchen mit Trüffelsporen oder -mycel beimpft werden. Etwa sieben bis zehn Jahre dauert es, bis rund um die Bäume die ersten Trüffel geerntet und von den Paten verzehrt werden können. Die Patenschaft, welche pro Jahr 250 Euro kostet, ist in diesem Fall also langfristig angelegt.

TRÜFFELBAUM Die Wurzeln dieses Haselnussstrauchs werden mit Trüffelsporen geimpft. Paten warten bis zu zehn Jahre, bis sich die ersten Trüffel finden und genießen lassen. Foto: Job von Nell

Nachhaltiger Genuss

Rund 70 Menschen haben sich bisher dem Freundeskreis der Paten angeschlossen und sind geduldig genug, der Natur ihren Lauf zu lassen – im wörtlichen Sinne, denn die Anlage ist naturbelassen. „Es geht darum, das Mikrobiom im Boden zu stärken“, erklärt von Nell, der sich in seinem Forstbetrieb, der von Nell’schen Forstverwaltung im Hunsrück, der naturnahen Bewirtschaftung verschrieben hat. Ebenso wie der Pilz eine Symbiose mit dem Baum eingeht, verschmelzen so auch Nachhaltigkeit und Genuss miteinander. Die Patenbäume stehen zwar auf dem rund 150 Trüffelbäume umfassenden Gelände im Hunsrück, doch einige Trüffelbäume sind auch in den Weinbergen des Weinguts Schaefer in der Pfalz zu finden. Bis die erste Ernte ansteht, lädt Job von Nell einmal jährlich zum Patentreffen. Von Jahr zu Jahr steigt die Spannung, wie wohl die ersten eigenen Trüffel schmecken.

„Familientreffen“ bei Kohls

Wer sich derweil für eine Rebstockpatenschaft entschieden oder sie geschenkt bekommen hat, kann relativ schnell von den Erzeugnissen der „Patenkinder“ kosten. Beim Weingut Kohl in Erpolzheim etwa ist das seit 2012 möglich. Weinfachfrau Annette Kohl schickt den rund 150 aktiven Pächtern nicht nur jährlich ihr Weinpaket, sondern lädt sie auch zu einem Pächtertreffen ein, das sich großer Beliebtheit erfreut. „Es ist wie so eine Art Familientreffen“, schwärmt die Weingut-Chefin. „Wenn man es ein paar Jahre macht, merkt man erst, was für ein Spirit da entsteht.“ Die ersten Pächter seien langjährige Stammkunden gewesen, erinnert sie sich. „Das hat motiviert.“ Mittlerweile würden die meisten Menschen über Mund-zu-Mund-Propaganda und das Internet auf das Angebot aufmerksam. Bei der Auswahl des Wingerts habe sie sich seinerzeit viele Gedanken gemacht. „Es sollte auch ein schöner Weinberg sein“, sagt Kohl. So wurde es ein Weinberg zwischen Freinsheim und Herxheim, der mit seiner leicht nach Süden geneigten Lage einen herrlichen Ausblick über die Rheinebene und somit auch die perfekte Kulisse für das Pächtertreffen bietet.

MEINE REBE I Zur Rebstockpatenschaft gehört beim Weingut Kohl auch das jährliche Pächtertreffen. Foto: Weingut Kohl

Pächter als Lesehelfer

Für 75 Euro pro Jahr können Pächter die Patenschaft von einem Spätburgunder-Rebstock übernehmen. Doch der Inhalt der Flaschen ist jedes Mal eine kleine Überraschung. „Der Spätburgunder ist sehr vielseitig, weil man so viel daraus machen kann“, erklärt Annette Kohl. Ob es am Ende ein klassischer Rotwein, ein Rosé oder ein Blanc de Noir wird, verrät das Weingut-Team vorab nicht. Allerdings dürfen die Pächter, wenn sie denn mögen, an der Lese teilnehmen. „Wir haben 2018 die Handlese wieder eingeführt“, sagt die Geschäftsführerin des Weinguts. Es gebe auch immer einige Pächter aus dem Umkreis, die sich spontan zur Lese einfänden. Für Annette Kohl hat sich das Konzept bewährt. „Es ist gut für den Beziehungsaufbau. Man hat einen Stamm an Kunden, die immer wieder vorbeikommen“, sagt sie. „Und durch die Pacht haben wir regelmäßige Einnahmen.“

Adoptierte Riesling-Reben

Diesen Vorteil sieht auch Laura Kerbeck von Kore-Wein in Deidesheim. Die 32-Jährige und ihr Mann Fabian, der ebenso wie sie hauptberuflich in der Weinbranche arbeitet, betreiben ihr Weingut im Nebenerwerb und bieten seit 2021 über die Plattform CrowdFarming Riesling-Reben zur Adoption an. „Wir wissen so vorher immer, was wir schon verkauft haben. Das ist ein Luxus“, erklärt die ehemalige Pfälzische Weinkönigin, welche Sicherheit die Rebstockpacht bedeuten kann. „Sonst ist man als Winzer ja immer in der Vorleistung.“ CrowdFarming lernten die Kerbecks kennen, als sie selbst die Adoption eines Bienenstocks geschenkt bekamen.

MEINE REBE II Kore-Wein bietet seit 2021 Riesling-Reben über Crowdfarming zur Adoption an. Foto: Kore-Wein

„Das große Ziel ist es, den Produzenten eine gewisse Sicherheit zu geben. Das nimmt enorm viel Druck raus“, so Kerbeck. Bei Kore adoptiert man sechs Rebstöcke für 78,45 Euro pro Jahr. Dafür erhält man die Ernte in Form von sechs Flaschen Riesling. Zudem markiert Laura Kerbeck die adoptierten Reben mit einer kleinen Schiefertafel. Wer durch den idyllisch oberhalb von Deidesheim gelegenen Wingert schlendert, wird dabei die Namen vieler Paare entdecken, die entweder gemeinsam die Rebstöcke adoptiert oder sie als Geschenk bekommen haben. „Es gibt einige, die jetzt schon das dritte Jahr dabei sind“, freut sich Kerbeck.

Wein aus dem Hochzeitswingert

Während beim Weingut Kohl und bei Kore Wein Rebstockpatenschaften häufiger ein Geschenk zur Hochzeit sind, gibt es in Weisenheim am Sand einen Weinberg, der seit rund 20 Jahren ganz und gar verheirateten Paaren gewidmet ist. „Das war eine Idee des Standesbeamten der Gemeinde Freinsheim“, sagt Jürgen von der Au, Vizepräsident der Casinogesellschaft Freinsheim und Ansprechpartner für den Hochzeitswingert. „Wein ist in unserer Kulturlandschaft ein wesentliches Element. Das kommt unserem Ziel entgegen, Freinsheim als Urlaubsregion bekannter zu machen“, erklärt von der Au, warum die Organisation des Hochzeitswingerts in den Händen der Casinogesellschaft liegt. Der Wingert selbst gehört zum Weingut Langenwalter, das den Wein – einen trockenen Riesling – auch ausbaut. Als „Vinum Nuptiale“, also Hochzeitswein, gelangt der Rebensaft dann zu den Paaren. 22 Euro pro Jahr kostet eine Patenschaft im Hochzeitswingert, die für mindestens drei Jahre übernommen werden muss. Viele Eheleute sind dem Hochzeitswein jedoch länger treu: „Es gibt Paare, die von Beginn an dabei sind“, so der Vizepräsident. Ehepaare, die sich über den „Vinum Nuptiale“ freuen dürfen, gibt es in ganz Deutschland sowie in England, den Niederlanden und der Schweiz. Für alle Paten muss es jedoch eine Empfängeradresse in Deutschland geben, da der Wein-Versand ins Ausland zu teuer wäre.

Prominente als Paten

Auslandsversand gehört für die Stadt Deidesheim wiederum dazu, denn im Deidesheimer Prominenten-Wingert waren und sind berühmte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland die Rebstockpaten. Neben Margaret Thatcher und John Major zählte auch der damalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow zu den Pächtern. Er besuchte 1990 gemeinsam mit Helmut Kohl Deidesheim und hielt dort spontan eine Rede, wodurch die pfälzische Stadt in allen Nachrichten vertreten war. „Das war der wohl spektakulärste Staatsbesuch, den wir je hatten“, erinnert sich Bürgermeister Manfred Dörr. Die in den Statuten festgelegte Pacht – der Gegenwert einer Logel Most – übernahm in Gorbatschows Fall die Stadt. Seine Flasche Riesling Kabinett trocken aus der Weinlage Paradieswingert habe der berühmte Pächter stets bekommen, sagt Dörr. Eine Rebstockpacht im Prominenten-Weinberg, der vom Weingut von Winning bewirtschaftet wird, kann man sich nicht einfach erkaufen, sie wird als besondere Ehre verliehen – an Politiker, Kulturschaffende, erfolgreiche Sportler und weitere Personen, die eine Verbindung zu Deidesheim haben. Die Einnahmen kommen dem 1986 eröffneten Museum für Weinkultur zugute.

Tief in Deidesheim verwurzelt

„Der Weinberg fiel nach einem Flurbereinigungsverfahren an die Stadt und wurde dann für diesen Zweck verwendet“, berichtet der Bürgermeister. Zu den namhaften Pächtern, die auch gerne bei der Weinlese mit anpacken, gehören etwa die Kunstturnerin Elisabeth Seitz und viele Turmschreiber. Erster Pächter im Promi-Wingert war 1983 Richard von Weizsäcker. Alt-Bundeskanler Helmut Kohl, der der Stadt sehr verbunden war, besaß selbstverständlich ebenfalls einen Rebstock. Rund 1300 Quadratmeter Fläche der Weinlage „Paradiesgarten“ gehören zum Prominenten-Wingert. Für Bürgermeister Dörr haben die Patenschaften einen großen Symbolwert. „Die Reben haben tief gehende Wurzeln“, sagt der Stadtchef. Und genauso tief sollen die Geehrten mit Deidesheim verbunden bleiben.

Alte Rebsorten bewahren

Wein aus dem Rebsortenarchiv. Foto: Jung

In der pfälzischen Gemeinde Weingarten gibt es ebenfalls einen besonderen Weinberg, in dem man Patenschaften für Rebstöcke übernehmen kann. Allerdings sind hier nicht die Paten außergewöhnlich, sondern die Patenkinder. Denn dabei handelt es sich um teils sehr alte oder zuvor ausgestorbene Sorten, die Andreas Jung wieder aufgespürt, gesammelt und für sein Rebsortenarchiv zur Erhaltung gezüchtet hat. „Es sind alles Sorten, die ich in alten Weinbergen gefunden habe“, sagt der Experte, der über mehrere Jahre hinweg die Sammlung aufgebaut hat, indem er in verschiedenen deutschen Regionen und in der Schweiz Jahresknospen eingesammelt hat. „Im Prinzip können Sie aus jeder Knospe eine neue Rebe ziehen“, erklärt der Lustadter. 131 Sorten finden sich nun im Südpfalzweinberg. Wer eine Patenschaft für einen Rebstock übernimmt, leistet damit auch einen Beitrag zur Erhaltung von Rebsorten, die sonst vermutlich längst ausgestorben wären. „Rebsortenarchive sind notwendig geworden, weil es staatliche Institutionen unterlassen haben, unser weinkulturelles Sortenerbe systematisch einzusammeln und als Gesamtheit nachhaltig in virusfreier Qualität und in der vorhandenen Klonenvielfalt zu bewahren“, mahnt Jung, der den Wingert mittlerweile selbst gepachtet hat und nicht nur als Züchter, sondern auch als Winzer im Südpfalzweinberg aktiv ist.

MEINE REBE IV Eine Patenschaft im Rebsortenarchiv von Andreas Jung in Weingarten trägt zum Erhalt alter, fast ausgestorbener Rebsorten bei. Foto: Julia Köller

Wertvolle Sortenschätze

Unterstützung bekommt er dabei vom Weingut Spieß in Weingarten. Interessierte Paten können aus den noch verfügbaren Sorten wählen. Da von manchen Sorten nur vereinzelte Rebstöcke vorhanden sind, ist es jedoch nicht möglich, einen Wein nur aus diesen Trauben zu gewinnen. Der Qualitätswein, den die Paten bekommen, vereint daher die alten Sorten in einer Cuvée. Für 120 Euro pro Jahr beziehungsweise 350 Euro für drei oder 580 Euro für fünf Jahre ist eine Patenschaft für – je nach Sorte – vier bis fünf Rebstöcke im Südpfalzweinberg zu haben. Den Ertrag bekommen die Paten in Form von sechs – ab dem zweiten Jahr zwölf – Flaschen Wein nach Hause geliefert. Außerdem gibt es eine handgefertigte Urkunde, Informationen zur Rebsorte, eine Führung durch den Weinberg und eine Einladung zu einer kulinarischen Weinprobe. Schon 2008 wurde das Patenprojekt ins Leben gerufen. Von den ersten 80 Paten seien zehn noch dabei, freut sich Jung. Insgesamt gebe es 120 Paten aus ganz Deutschland, die mit ihren Beiträgen den Weinberg finanzieren. „Sie haben den Sinn dieses Weinbergs verstanden“, sagt der Fachmann. „Sie haben begriffen, dass es da wirklich einen Schatz an Sorten gibt, den man woanders nicht findet.“ So kommt es, dass in der Pfalz auch Sorten wachsen, die mindestens 8000 Jahre alt sind wie etwa der Süßschwarz, ein Rotwein. Auch echte „Perlen des historischen Weinbaus“ sind vertreten, wie Jung erklärt. Als Beispiele nennt er die Rotweine Fränkischer Burgunder und Blauer Traminer und den weißen Adelfränkisch. Manche dieser Sorten möchte der Züchter auch wieder zu den Winzern zurückbringen. Die finanzielle Unterstützung durch die Paten ist dabei eine große Hilfe.

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Weinstöberei

Wiederentdeckte
Schätze

Im Nordpfälzischen Kindenheim ist das Weingut Thilo Holstein zuhause. Neben den klassischen Pfälzer Rebsorten bauen die Holsteins seit fünf Jahren historische Rebsorten wie Adelfränkisch, Roter Muskateller und Blauer Muskateller an.

Foto: Weingut Holstein

Die Vielfalt der Rebsorten, die es in der Pfalz gibt, gab oder wieder gibt, ist eng mit der Geschichte der Region verknüpft. Thilo Holstein erzählt, dass in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Könige und Fürsten über den Rheingraben herrschten. Jeder von ihnen brachte diverse Vorlieben mit und so legte jeder Amtsinhaber neu fest, welche Rebsorten angebaut werden durften und welche aus den Weinbergen verbannt wurden. So kam es, dass viele Rebsorten ausgehackt wurden und in Vergessenheit gerieten. Zum Zeitpunkt dieser Rodungen wurde noch mit Pferd und Muskelkraft jede Rebe einzeln aus dem Boden gezogen. In manchen Fällen schlugen die Pflanzen wieder aus und wuchsen wild am Rand der Weinberge.

“Historische Rebsorten”

Der Ampelograph (Rebsortenkundler) Andreas Jung hat sich 20 Jahre lang auf die Suche nach genau diesen Reben gemacht und sie dann in Zusammenarbeit mit dem Rebveredler Ulrich Martin vermehrt und zu Wein ausgebaut. Die Rebsorten, die sich weinbaulich und önologisch bewährten, wurden in die Liste der „Historischen Rebsorten“ aufgenommen.

Unkonventioneller Roséwein

Im vergangenen Jahr haben die Holsteins den Blauen Muskateller das erste Mal geerntet und zu einem Rosé ausgebaut. Entstanden ist ein spannender und unkonventioneller Roséwein. Die Farbe des 2022er Blauen Muskateller ist zartrosa im Provence-Stil. Beim ersten Hineinriechen in das Glas sind typisch-exotische Muskatelleraromen nach Litschi, jungen Rosenblüten und würzigen Muskatnoten zu finden. Der erste Schluck bringt eine Überraschung für den Gaumen. Die Musakatelleraromen sind etwas zurückhaltender und es tritt eine zarte Erdbeere, gepaart mit Zitrus und Johannisbeere in den Vordergrund. Thilo Holstein empfiehlt, den Rosé mit einem Mango-Curry-Auflauf zu kombinieren. Das Rezept hierzu gibt’s direkt beim Winzer.

2022er Blauer Muskateller Rosé | 0,75 l | 10,90 Euro | Weingut Holstein, Kindenheim | weingut-holstein.de

Inga Klohr. Foto: Adlumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Geschmacksverstärker

VielPfälzer

Der VielPfälzer hat sich in der Kolumne “Geschmacksverstärker” immer mit leichter Ironie der „Generation Genuss“ genähert. Der Autor, Journalist und Pfälzer mit Leib und Seele dahinter ist überraschend und viel zu früh verstorben. Ein Nachruf.

Ämotzione mit Schraubverschluss“ machen den Anfang. Seit der Ausgabe 5 im ersten VielPfalz-Jahr 2016 ist der VielPfälzer mit dem Dubbeschobbe in der Hand als „Geschmacksverstärker“ ein fester Bestandteil unseres Magazins. Des VielPfälzers ganz spezielle Gedanken rund um Pfalz-Phänomene, mit mehr oder minder zarter Ironie zum Ausdruck gebracht, gehören also fast von Anfang dazu. Seine Seite am festen Platz hat schnell einen begeisterten Leserkreis gefunden. Es gibt manche, die unser Magazin wegen der Kolumne von hinten zu lesen beginnen. Ab dieser Ausgabe fehlt sie.

Der VielPfälzer, dessen Gedanken immer ohne Namensnennung erschienen sind, ist auch im wahren Leben ein wirklicher VielPfälzer. Die Rede ist von Holger Mühlberger. Der Journalist und Buchautor beschreibt sich selbst als Sprachakrobaten, Humormenschen sowie „ausgebildeten und praktizierenden Pfälzer“. Wachenheim an der Weinstraße wird für den 1953 in Ludwigshafen geborenen Autor zum Lebensmittelpunkt.

Pfalz-Themen spielen für den früheren Redakteur der „Rheinpfalz“ in Kaiserslautern und Ludwigshafen immer eine wichtige Rolle. Ganz besonders während der Mitarbeit an den Regionalseiten „Südwestdeutsche Zeitung“. Intern nennt man sie liebevoll „Heimat“. Dieser bleibt „müb“ – so sein Kurzzeichen – treu, als er acht Jahre lang als Geschäftsführer der Pfalzwein-Werbung in Neustadt wirkt. Um viel Pfalz geht es für ihn danach bei seiner nächsten Herausforderung. Als Print Medien Service Südwest (mssw)-Geschäftsführer hebt er 1996 das Freizeitmagazin „Leo“ mit aus der Taufe. Ab 2005 ist „müb“ dann in der Werbung und als freier Texter tätig. Ab 2016 auch für uns.

Damit schließt sich ein Kreis: Denn die Wege von Holger und mir, der ich mich als Gründer unseres Magazins auch als VielPfälzer bezeichnen darf, kreuzen sich vielfach. Natürlich immer in der Pfalz. 1981 bringt er mir in meinem Volontariat, der Ausbildung zum Redakteur, als Ausbilder mit das Handwerk bei. Holger tritt damals in dieser Funktion in die Fußstapfen von Dr. Rudolf Joeckle, dem Nestor der „Volontärsväter“ bei der „Rheinpfalz“. Später darf ich dann selbst die Ausbildung vieler Redakteurinnen und Redakteure steuern. Doch nicht genug, ich werde ein weiteres Mal „müb“-Nachfolger: 2005 als mssw-Geschäftsführer und „Leo“-Chef. Nach dem Start von VielPfalz ist Holger deshalb wahrscheinlich nicht überrascht, dass ich ihn als Autor einer Kolumne gewinnen will. Sein Ja kommt prompt und der VielPfälzer erblickt das Licht der Welt.

Am 12. August ist Holger Mühlberger überraschend verstorben. Mit der Beschreibung ganz spezieller „Halsschmerzen“ in der Ausgabe 4/2023 endet deshalb seine Kolumne. Denn niemand kann Pfalz-Phänomene auch nur annährend so pointiert zu Papier bringen, wie es unser VielPfälzer zelebrierte. Er fehlt uns.