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Veranstaltungs­tipps

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Pfälzer Imker

Große Leidenschaft für kleine Insekten

Für die meisten Imker sind ihre Bienen mehr als nur Honig-Lieferanten. Der Fleiß und das Sozialverhalten der Insekten nötigen ihren Haltern Bewunderung ab. Ihr Summen beruhigt. Und das Ergebnis ihrer Arbeit ist ein hochwertiges Lebensmittel. Aber Imkern will gelernt sein und eignet sich keineswegs als Gelegenheits-Hobby.

Bienen
Foto: Bianca Ackermann/Unsplash

Schon in der Steinzeit entdeckten die Menschen Honig als Nahrungsmittel. Das belegen verschiedene Höhlenmalereien. Vermutlich vor rund 7000 Jahren begannen die Menschen, Bienen zu halten und so gezielt Honig zu gewinnen. In Europa gab es seit dem frühen Mittelalter den Beruf des Zeidlers. Er schlug künstliche Höhlen in alte Bäume und präparierte sie so, dass sie einem Bienenschwarm als Behausung, im Fachjargon Beute genannt, dienen konnten. Wurden sie von den Insekten besiedelt, sammelte der Zeidler später den Honig ein.

Wirtschaftszweig mit Bedeutung

Mit dem Imker, wie wir ihn heute kennen, hatte dieser Beruf noch nicht sehr viel gemeinsam. Zumal sich auch die Imkerei über die Jahrhunderte verändert hat. „Die Bienenhaltung war bis ins 18. Jahrhundert ein Wirtschaftszweig von großer Bedeutung und mit entsprechenden Privilegien ausgestattet“, erklärt Prof. Dr. Hermann Stever, der in Landau das Privatwissenschaftliche Archiv Bienenkunde aufgebaut hat. Als jedoch die Nachfrage der Kirchen nach Bienenwachs nachließ und über die Seewege vermehrt Zucker, Wachs und Honig nach Europa gelangten, habe dies zum wirtschaftlichen Niedergang des Zeidelwesens geführt.

Hermann Stever
BELESEN Prof. Dr. Hermann Stever befasst sich auch mit Entwicklungen, die sich in der Geschichte der Imkerei feststellen lassen. Foto: Julia Köller

Hobby-Imker mit großem Fachwissen

In seiner 1992 gegründeten Bibliothek verwahrt der emeritierte Professor für Mathematik mehr als 1200 Bücher, 600 kleinere Schriften sowie etwa 250 deutschsprachige und ausländische Zeitschriftentitel, die sich allesamt mit der Imkerei und Bienenkunde beschäftigen. Viel von dem darin enthaltenen Wissen hat der Hobby-Imker selbst verinnerlicht und in Vorträgen und Fachbeiträgen weitergegeben. So hat er sich auch mit den Entwicklungen befasst, die sich in der Geschichte der Imkerei feststellen lassen. Im 18. Jahrhundert sei es zu einer Neubewertung der Bienen und der Bienenzucht gekommen, und die Bienenhaltung sei von den Regierenden gefördert worden, sagt der Experte. Wie Stever ausführt, gab es damals Geldprämien für die Vermehrung von Bienenvölkern sowie Strafen für Bienendiebstahl oder das Abschwefeln von Völkern. Doch erst mit der durch imkerei-technische Erfindungen ermöglichten „Rationellen Bienenhaltung“ sei es ab dem 19. Jahrhundert wirtschaftlich aufwärts gegangen.

Klotzbeute
REGES TREIBEN Auch ein ausgehöhlter Baumstamm, eine sogenannte Klotzbeute, kann den Bienen als Behausung dienen. Foto: Julia Köller

Fast 15.000 gemeldete Bienenvölker

In dieser Zeit wurden dann auch die ersten Bienenzuchtvereine und in der Folge zahlreiche Imkervereine gegründet, die vielfach noch heute existieren. Allein im Imkerverband Rheinland-Pfalz gibt es aktuell 44 Ortsvereine mit zusammen mehr als 2400 Mitgliedern und fast 15.000 gemeldeten Bienenvölkern. Berufsimker gebe es heute nur noch vereinzelt, sagt Eckhard Richter, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit beim Landesimkerverband und Vorsitzender des Imkervereins Landstuhl und Umgebung. Auch bei den Hobby-Imkern seien die Zahlen nach einem massiven Anstieg vor einigen Jahren inzwischen wieder rückläufig. „Der Trend lässt nach. Und es kommt dazu, dass wir viele ältere Imker haben“, nennt Richter eine weitere Ursache für den Rückgang. Verändert hat sich außerdem der Schwerpunkt der Imker. Bei der „Rationellen Bienenhaltung“ ab Mitte des 19. Jahrhunderts lag der Fokus klar auf der Wirtschaftlichkeit. „Honiggewinnung war das Ziel“, sagt Hermann Stever. „Heute sind wir auf dem Weg von der Ökonomie zur Ökologie“, so der 82-Jährige. Auch Richter ist überzeugt: „Bei den meisten Imkern überwiegt heute der Natur- und Tierschutzgedanke.“

Bienen
IM WANDEL Bei den meisten Imkern steht inzwischen der Natur- und Tierschutzgedanke im Vordergrund. Foto: Ante Hamersmit/Unsplash

Ökologischer Aspekt im Vordergrund

Ein Indikator für die jeweilige Motivation sind auch die Bücher zum Thema, die in den vergangenen Jahren erschienen sind. In seiner Bibliothek hat Bienen-Experte Stever allein 142 Werke mit dem Stichwort „Lehrbuch für Anfänger“ dokumentiert. In seinen Regalen finden sich viele Titel, die den ökologischen Aspekt in den Vordergrund stellen – etwa „Bienengemäß imkern im Jahreslauf“ von Günter Friedmann oder „Naturnah und alltagstauglich imkern“ von Undine Westphal. Ganz ist der Gedanke an den maximalen Ertrag jedoch noch nicht aus der Imkerei verschwunden, wie zum Beispiel der Titel „Gewinnbringend Imkern – Mit Bienenhaltung Geld verdienen“ von Sebastian Reinold zeigt. Wer in die Imkerei einsteige, müsse sich im Vorfeld überlegen, ob es ihm um den Honig gehe, oder ob im Garten Leben einkehren solle, rät Stever. Vor allem aber sollte jeder angehende Imker sich ihm zufolge umfassend und qualifiziert informieren. „Er sollte sich einlesen und sich nicht nur auf YouTube verlassen“, erklärt der Landauer Bienenexperte.

Imker-Schnupperkurs in Landstuhl
QUALIFIZIERTE INFORMATION Der Landesimkerverband und die Ortsvereine bieten Schulungen und Kurse für Neueinsteiger an. Foto: Eckhard Richter

Schulungen und Kurse für Anfänger

Auch Eckhard Richter betont, wie wichtig es für Anfänger ist, sich mit der fachgerechten Bienenhaltung zu befassen. Der Landesimkerverband und die Ortsvereine bieten dazu verschiedene Schulungen und Kurse an, unter anderem die Honigsachkundeschulung, in der es auch um gesetzliche Vorschriften und Hygiene geht. Denn: „Egal ob ich den Honig verschenke oder verkaufe, ich muss mich an die Gesetze halten“, stellt der 73-Jährige klar. „Jeder Imker muss sich beim Veterinäramt und bei der Tierseuchenkasse eintragen lassen“, sagt Richter. Doch leider gebe es auch viele schwarze Schafe, die ihre Bienenvölker nicht meldeten. Zum Problem wird das besonders dann, wenn Völker krank werden und andere anstecken, weil mangels Meldung nicht rechtzeitig eine Sperrzone eingerichtet wurde. Der Ortsvereins-Vorsitzende, der selbst mehrere Bienenvölker hat, würde generell jedem Neu-Imker raten, in einen Verein zu gehen. „Da hat man immer die Möglichkeit zum Austausch“, sagt Richter. Einen solchen Austausch halte er für unverzichtbar. Darüberhinaus sei man im Verein über die Imker-Global-Versicherung geschützt, wenn beispielsweise ein Volk gestohlen wird. Oder ein anderer Fall, ein Pferd von den eigenen Bienen gestochen wird und Tierarztkosten anfallen.

Eckhard Richter
Eckhard Richter. Foto: privat

Mit Leidenschaft und Ernsthaftigkeit

Fachgerecht zu imkern ist aber auch ohne Vereinsmitgliedschaft durchaus möglich, wie Christoph Bullinger aus Böhl-Iggelheim beweist. Der 48-Jährige hat 2016 mit einem Volk angefangen, das er für einen Kollegen betreut und schließlich übernommen hat. Inzwischen besitzt er elf Völker, die zum Teil in seinem großen Naturgarten zu Hause sind. Für ihn sind die Bienen ein Hobby, das er mit Leidenschaft und großer Ernsthaftigkeit betreibt. Am Anfang habe er sehr viel über Bienenhaltung gelesen und auch viele Videos von Experten geschaut, berichtet der Elektroingenieur, der an einer Berufsschule unterrichtet. Das sei auch nötig, denn man könne sehr viel falsch machen.

Christoph Bullinger
BEGEISTERT Christoph Bullinger aus Böhl-Iggelheim besitzt inzwischen elf Bienenvölker. Foto: Julia Köller

Honigbiene ist kein Wildtier

Selbst mit einem guten Hintergrundwissen bleibe die Imkerei ein stetes Ausprobieren. Zum Beispiel bei den Rahmen, die in die Beute eingesetzt werden. Der Böhl-Iggelheimer testet derzeit, ob er vom Einheitsmaß „Deutsch Normal“ auf das etwas längere Maß „Zander“ umsteigen soll. Auch eine sogenannte Klotzbeute – einen ausgehöhlten Baumstamm – hat er mit einem Volk ausprobiert. Der Hobby-Imker wollte sehen, ob die Bienen dort auch ganz ohne Behandlung gegen die Varroamilbe überleben. „Leider ist das Volk nach zwei Jahren gestorben“, musste Bullinger feststellen. Daran zeigt sich, dass die Honigbiene eben kein Wildtier ist. „Die Biene ist ein domestiziertes Tier“, sagt Bullinger. Und als solches ist sie darauf angewiesen, dass der Imker sich um sie kümmert. „Es ist verdammt viel Arbeit und eine riesige Materialschlacht“, fasst er den Aufwand zusammen. Hat der Imker sich erst einmal genug Wissen angeeignet und sich für eine Beute und Rahmengröße entschieden, geht es an die praktische Arbeit. Rahmen müssen gereinigt und eingesetzt werden. Ein überwinterndes Volk muss der Imker gegebenenfalls mit Zuckerlösung oder Futterteig versorgen.

Asiatische Hornisse als Bedrohung

Die Behandlung gegen die Varroamilbe – üblich sind dafür Oxal-und Milchsäure – steht regelmäßig an. So hat ein Imker einige Aufgaben, die er nicht vernachlässigen darf. Neben der Varroamilbe ist die Amerikanische Faulbrut eine Gefahr für die Bienen. Doch die habe man weitestgehend im Griff, sagt Eckhard Richter. „Bei der Asiatischen Hornisse ist man dagegen noch ganz am Anfang.“ Sie sei für die Bienen eine echte Bedrohung, warnt Hermann Stever. „Eine Asiatische Hornisse, sagt man, frisst 50 Bienen am Tag“, informiert der Landauer, der die räuberischen Insekten selbst schon an seinen Beuten beobachten konnte. Ein wirksames Mittel gegen sie müsse erst noch gefunden werden.

Ein Imker setzt den Rahmen in die Beute ein.
VIEL ARBEIT Zu den Aufgaben des Imkers gehört auch das Reinigen und Einsetzen der Rahmen in die Beute. Foto: Bianca Ackermann/Unsplash

Mehreren Gefahren ausgesetzt

Es gibt also mehrere Gefahren, die zahlreiche Honigbienen oder ganze Völker töten können. Das Bienensterben, von dem oft in Zusammenhang mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger in der Landwirtschaft sowie ausgeräumten Landschaften die Rede ist, bezieht sich dagegen vor allem auf die Wildbienen. Ob domestizierte Bienen mit den rund 600 in Deutschland lebenden Wildbienenarten um die Nahrung konkurrieren und ihnen dadurch schaden, wird unterschiedlich bewertet. Richter ist überzeugt, dass sie sich in der Regel nicht in die Quere kommen. Nichtsdestotrotz sollte es entlang der Äcker seiner Ansicht nach mehr Blühpflanzen geben.

Fleiß und Sozialverhalten im Blick

Dort wo die Menschen auf die Arbeit der Bestäuber angewiesen sind – etwa in Obstplantagen oder auch im heimischen Garten – leisten die Bienen eine unverzichtbare Arbeit. Der Fleiß, den sie dabei unermüdlich an den Tag legen, begeistert auch die Experten immer wieder aufs Neue. Ebenso ihr Sozialverhalten. Richter merkt bewundernd an, dass 40.000 bis 50.000 Bienen in einem Volk friedlich zusammenleben. „Jede hat ihre Aufgabe“, erklärt er. Und sobald es warm genug ist, herrscht am Eingang zur Beute ein reges Kommen und Gehen. „Es ist schön, denen zuzuschauen“, sagt Christoph Bullinger, der seine Bienen im Sommer gerne von der Hängematte aus beobachtet und dies als extrem beruhigend empfindet. „Allein des Beobachtens wegen lohnt es sich“, stimmt Hermann Stever zu. Und Eckhard Richter beschreibt die Bienenhaltung als „Miterleben eines Stückchens Natur auf eine bewusste, schöne Weise“.

Bienenkönigin
NACHWUCHS In der Brutwabe hat die Königin (roter Punkt) die Eier abgelegt. Hier finden sich auch die Entwicklungsstadien Maden und Puppen. Foto: Eckhard Richter

„Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit“

Am Ende bekommt der Imker für seine Fürsorge eine Belohnung in Form von Honig. „Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit“, sagt Stever und betont, dass es wichtig sei, den Bienen genug Honig übrig zu lassen. Mit der nötigen Ruhe gelinge es auch, die gefüllten Waben ohne Schutzanzug zu entnehmen. Richter nennt seine Bienen wegen ihrer Sanftmütigkeit scherzhaft „Bikini-Bienen“. Vereinzelte Stiche ließen sich aber doch nicht ganz vermeiden, gibt Christoph Bullinger zu. Die Sanftmut ist eines der Zuchtziele, auf die Imker und Imkervereine besonders achten. In Rheinland-Pfalz gibt es zudem das Gemeinschaftsprojekt „Toleranz-Biene“, in dem die Zucht Varroa-resistenter Bienen vorangetrieben werden soll. „Ziel des Verbands ist es, den Ortsvereinen in den nächsten Jahren diese Königinnen zur Zucht zur Verfügung zu stellen“, sagt Imkerverbandssprecher Richter.

Waben
in einem Deckel
VIEL ZU TUN Ein Imker muss einige Arbeit in sein Volk investieren. Das Bild zeigt Waben in einem Deckel. Foto: Christoph Bullinger

Echter Imkerhonig hat seinen Preis

Wer einmal hinter die Kulissen schaut und sich bewusst macht, wie viel Arbeit ein Imker in sein Volk investieren muss, kann nachvollziehen, warum echter Imkerhonig deutlich mehr kostet als die Massenware im Supermarktregal. Hinzu kommt, dass eine DNA-Analyse im vergangenen Jahr aufgedeckt hat, dass die Supermarktware zum Teil mit Zuckersirup gestreckt wird. Bullinger jedenfalls ist angesichts dieser Ergebnisse heilfroh, dass er genau weiß, was bei ihm aufs Brot kommt. Und seit er seine eigenen Bienen hat, hat sich der Honigkonsum seiner Familie vervielfacht.

Intelligenz auf der Spur

Gewandelt hat sich letztlich nicht nur die Hauptmotivation vieler Imker, sondern auch ihre Einstellung gegenüber den Bienen, die heute meist mit Respekt und Bewunderung betrachtet werden. Bullinger ist überzeugt, dass seine Bienen ihn kennen und er auf eine gewisse Art mit ihnen kommunizieren kann. Neue wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass er damit richtig liegt. Lars Chittka, Professor für Sensorische Ökologie und Verhaltensökologie in London, hat sein jüngstes Buch „Im Cockpit der Biene“ ganz dem Denken und Fühlen dieses Insekts gewidmet. Er kommt darin zu dem Schluss, dass Bienen nicht nur im Schwarm, sondern auch als Individuen über Intelligenz verfügen. Zwar wolle er nicht unterstellen, dass sie über ein ähnlich vielfältiges Bewusstsein verfügen wie der Mensch, stellt der Biologe klar. Doch unterstützt er anhand zahlreicher Untersuchungen die These, dass Bienen sich der Dinge sowie Lebewesen in ihrer Umgebung bewusst sind und auf einfache Weise zwischen „sich“ und „anderen“ unterscheiden. Auch gefühlsähnliche Zustände attestiert Chittka den Tieren und folgert, dass sie auch deshalb schützenswert seien – und das eben nicht nur als Bestäuber und Honig lieferndes Nutztier.

VielPfalz-Ausgabe 3/2017
Mehr über Bienen in VielPfalz gibt es auch in Ausgabe 3/2017

Privatwissenschaftliches Archiv Bienenkunde

Imkerverband Rheinland-Pfalz

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Veranstaltungs­tipps

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Was wissen

Was ist ein Verjus?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen beschäftigt sich Rudolf Litty dieses Mal mit Verjus. Den Saft aus der „grünen Traubenlese“ haben einige Winzer als geschmacksergänzendes Produkt wiederentdeckt und in ihr Angebot mit aufgenommen.

Winzer sind auf verschiedensten Ebenen kreativ und innovativ. Etwa bei der Frage, was sie neben ihren Weinen, Destillaten oder auch Säften mit in ihr Produktangebot aufnehmen. So haben einige wenige von ihnen Saft aus der „grünen Traubenlese“ als geschmacksergänzendes Produkt wiederentdeckt: Verjus – ein Würzmittel für die Küche. Verjus zeichnet sich durch seine Ausgeglichenheit zwischen sauren, süßen, salzigen und herzhaften Aromen aus und ist eine Alternative zu Essig oder Zitronensaft. Verjus hat eine mildere und wesentlich dezentere und raffiniertere Säure als Zitronen.

„Grüne Lese“ meist im Juli

Die „grüne Lese“ findet im Sommer, meist im Juli, statt. Dabei werden die Trauben im unreifen Zustand von Hand geerntet, da sie bis dato nur eine unbedeutende Menge an Fruchtzucker gebildet haben. Zu beachten ist, dass die harten Traubenbeeren ein passendes Verhältnis von Süße und Säure aufweisen. Die Lese erfolgt am besten, wenn die Trauben gerade mit der Saftbildung begonnen haben. Dabei sind die vorgeschriebenen Wartezeiten nach der letzten Ausbringung von Pflanzenschutzmittel einzuhalten. Mit einer speziellen Bandpresse werden die harten Trauben dann gepresst. Um Verjus haltbar zu machen, wird er nach dem Pressen erhitzt (pasteurisiert), filtriert und schließlich in Flaschen abgefüllt.

Reich an Kalium, Magnesium und Kalzium

Die Gesamtsäure eines Verjus – bestehend aus Äpfel- und Weinsäure – liegt zwischen 20 und 35 Gramm pro Liter. Verjus ist reich an Kalium, Magnesium, Kalzium sowie Polyphenolen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen und denen verschiedene antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften nachgesagt werden. Das Endprodukt ist bitter-herb mit dem gewünschten säuerlichen Geschmack. Es gibt auch Verjus mit leichter Restsüße.

Im Mittelalter in der Heilmedizin verwendet

Verjus war im Mittelalter bei der Zubereitung der Speisen als Säureträger ein wichtiger Bestandteil, um das Essen geschmacklich zu verbessern. Auch in der Heilmedizin wurde er damals wegen seiner beruhigenden Wirkung auf Magen und Verdauung verwendet. Als aus der sogenannten Neuen Welt die Zitrone nach Europa eingeführt wurde, geriet Verjus als Würzmittel in der damaligen Küche in Vergessenheit.

Genauso teuer wie ein guter Wein

Verjus lässt sich vielseitig einsetzen. So dient er nicht nur in der Spitzengastronomie, sondern auch Hobbyköchen zur Verfeinerung von Soßen für Fisch- oder Fleischgerichte oder als Komponente des Dressings zum Anrichten von Salaten. Auch so manchen Cocktail kann er geschmacklich aufpeppen. Eine allzu günstige Zutat ist Verjus allerdings nicht. Er ist im Verhältnis genauso teuer wie ein guter Wein.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Frisch, frech und mit Potenzial

Im Staatsweingut der Pfalz kommt eine besondere Rebsorte ins Glas: Der Arneis ist mehr als nur ein Wein. Er ist eine Entdeckung. Ein Stück Pfalz, das die Tradition der italienischen Weinwelt aufgreift und mit innovativer Winzerkunst vereint.

Foto: Inga Klohr

Das Staatsweingut mit Johannitergut in Mußbach ist mehr als nur das älteste Weingut der Pfalz. Es ist ein Ort, an dem Tradition und Innovation aufeinandertreffen. Sascha Wolz, der leidenschaftliche Kopf des Betriebs, arbeitet gemeinsam mit seinem Team unermüdlich daran, den Weinbau der Region auf die nächste Stufe zu heben.

Nachhaltigkeit im Fokus

Im Staatsweingut wird nicht nur im Keller innovativ gearbeitet, auch in den Weinbergen steht Nachhaltigkeit im Fokus: Ein Teil der Lagen wird nach ökologischen Richtlinien bewirtschaftet. Wolz greift nur so viel wie nötig in den natürlichen Prozess der Vinifikation ein – für Weine, die authentisch und echt sind. Am Staatsweingut wird nicht nur Wein gemacht, sondern Zukunft gestaltet. Dort können internationale Rebsorten wie der Arneis aus dem Piemont zeigen, was die Pfalz wirklich draufhat.

Perfekter Begleiter für sonnige Tage

Der Arneis 2024 überzeugt besonders. Die weiße Rebsorte präsentiert sich im Glas sortentypisch und vollmundig. Zuerst entfaltet sich ein würzig-fruchtiges Bouquet, das sich mit der Zeit in intensive, frische Fruchtnoten verwandelt. Der anfänglich zurückhaltende Eindruck weicht einer Welle reifer Aprikosen, die den Gaumen erfrischen und beleben. Geschmacklich bleibt der Wein wunderbar würzig und frisch – ein echter piemontesischer Arneis, der stolz seine Herkunft trägt. Mit seiner knackigen Säure und erfrischenden Leichtigkeit ist dieser Tropfen der perfekte Begleiter für die kommenden sonnigen Tage.

2024 Arneis trocken | 0,75 Liter | 9 Euro | Staatsweingut mit Johannitergut | Neustadt | staatsweingut-neustadt.de

Inga Klohr
Winzerin Inga Klohr. Foto: AdLumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Pfälzer Szenen von Karin Mihm

Än Aagebligg: Teufelstisch bei Hinterweidenthal

Sie sind eine gezeichnete Kolumne. Sie sind ein optisches Ausrufezeichen in Sachen Genuss. Sie halten besondere Augenblicke in einer besonderen Form fest. Karin Mihm präsentiert Pfälzer Szenen mit lockerem Tuschestrich und fröhlichen Aquarellfarben.

Die Künstlerin

Foto: Privat

Karin Mihm, Jahrgang 1966, hat in Gießen und Marburg studiert. Einige Jahre lebte sie in Berlin, bevor es sie 2003 nach Düsseldorf zog, wo sie bis heute lebt. Ihr künstlerisches Werk reicht von Comics für Kinder und Erwachsene über politische Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen bis hin zur Malerei. Sie werden mit lockerem Tuschestrich und Aquarellfarben angefertigt. Karin Mihms Ziel: typische Orte zeichnen und dabei eine liebenswerte und humorvolle Perspektive einnehmen. In der Pfalz hat sie dazu eine große Auswahl.

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Pfälzer Perspektiven

Achtsam genießen

Betrachtungen von Janina Huber über die Fähigkeit, Genussmomente bewusst zu erleben und in vollen Zügen auszukosten.

Foto: Pixabay/Silviarita

Wie steht es um Ihre hedonistische Kapazität? Auch wenn Sie möglicherweise noch gar nicht wissen, was gemeint ist – wenn Sie einen typischen Pfälzer Lebensstil pflegen, dann kann ich jetzt schon sagen: Sie haben gute Karten!

Lust und Genuss im Mittelpunkt

Aber von vorne: Hedonismus bedeutet, philosophisch betrachtet, eine Art zu leben, bei der Lust und Genuss im Mittelpunkt stehen. Alles Negative, jeder Schmerz wird dabei vermieden. Das hört sich zwar nach Spaß, aber auch etwas illusorisch, eventuell ungesund und wenig sozial an. Das Image dieser lustorientierten Lebensweise ist dementsprechend eher zweifelhaft.

Sich wirklich fallen lassen

Warum wir trotzdem ein bisschen mehr Hedonismus gebrauchen können, zeigt ein Blick auf das Konzept der hedonistischen Kapazität. Gemeint ist die Fähigkeit, Genussmomente bewusst zu erleben und in vollen Zügen auszukosten. Beim morgendlichen Kaffee nicht gleichzeitig schlechte Nachrichten zu lesen. Beim Waldspaziergang die Kopfhörer aus den Ohren zu nehmen. Ein gutes Essen nicht zwischen zwei Termine zu quetschen, sondern sich voll darauf einzulassen. Und klar – ein gutes Glas Wein mit allen Sinnen und in all seiner Tiefe zu genießen. Wohlgemerkt: alles mit Maß. Es geht um Momente, in denen man sich wirklich fallen lässt, nicht um die allgemeine Maximierung von Lust. Unendliche Schwelgereien sind damit nicht gemeint.

Auf positive Momente konzentrieren

Sind wir mal ehrlich: Wer beherrscht denn diese Kunst wirklich, einen Moment vollends zu genießen? Viel zu oft sind wir im Kopf schon beim nächsten To-do oder fühlen den Weltschmerz, der uns umgibt. Dabei zeigen Studien, dass kleine hedonistische Fluchten aus dem Alltag Stress reduzieren und die Gesundheit fördern. Die Fähigkeit, sich auf positive Momente zu konzentrieren, schafft wertvolle Ruhe-Inseln und steigert unsere Widerstandskraft in einer stürmischen Welt – das können wir aktuell alle gebrauchen, oder?

An Gelegenheiten mangelt es nicht

Was heißt das für uns Pfälzerinnen und Pfälzer? Ich würde sagen, im Vergleich zu anderen ist ein gewisser positiver Hedonismus in uns schon angelegt. Und an Gelegenheiten zum bewussten Genuss mangelt es uns zwischen Rhein, Weinstraße und Pfälzerwald bei weitem nicht. Aber natürlich leben wir auch nicht auf einer Insel der Glückseligen. Und das ist auch gut so. Die Sorgen der Welt gehen uns alle etwas an, und aktuell braucht man vielleicht sogar etwas mehr Kraft als sonst, wenn man positiv bleiben möchte. Achtsamer Genuss kann helfen. Deshalb: Ich trainiere gerade jetzt meine hedonistische Kapazität. Machen Sie mit?

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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Pfälzer Mandelbäume

Naturspektakel mit Symbolkraft

Sie entfaltet einen Zauber mit magnetischer Kraft: Jahr für Jahr fasziniert die Mandelblüte zigtausende Menschen in der Pfalz. Wege, sich diesem besonderen Stück regionaler Identität zu nähern, gibt es viele. Und manchmal führt einer von ihnen gar in den eigenen Garten. Ein ganz persönlicher Erlebnisbericht.

Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Die Nase läuft. Die Finger sind kalt. Es weht ein rauer Wind. Eine dunkelgraue Wolkenschicht drückt auf die Stimmung. Es ist Anfang November. Die Woche, in der Donald Trump zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird und in Deutschland die Ampel-Regierung auseinanderbricht. In jener Woche pflanzen wir einen Mandelbaum. Es gibt diesen gärtnerphilosophischen Spruch, der mir dabei in den Sinn kommt: „Einen Baum zu pflanzen, heißt, an morgen zu glauben.“ Was müssen wir in diesen Zeiten doch für Optimisten sein. Spaten für Spaten heben mein Mann, mein Sohn und ich ein Loch im Garten aus. Der schwere Lehmbrabsch – wie wir in Hessen sagen – macht aus unseren Gummistiefeln zentimeterhohe Plateauschuhe. Moment! Hessen? Richtig, „Jimmy“, so taufen wir unsere Gimmeldinger Süßmandel, ist ein Hesse durch und durch. Genauso wie zighunderte seiner Brüder und Schwestern in der Pfalz.

Stamm eines Mandelbaums
Gestatten: „Jimmy“, eine Gimmeldinger
Süßmandel und ein Hesse durch und durch. Foto: Kathrin Engeroff

Ein bisschen wie Weihnachten

Doch beginnen wir von vorne: Meine lieben VielPfalz-Kolleginnen und -Kollegen hatten mir im vergangenen Frühjahr einen Gutschein für einen „Mandelbaum Hochstamm“ geschenkt. Die Pfälzer Mandelblüte war acht Jahre lang „mein“ Thema während meiner Zeit als VielPfalz-Redakteurin gewesen. Die Herausforderung dabei: Mit der Pfälzer Mandelblüte ist es ein bisschen wie mit Weihnachten. Während den Mandelblütenwochen liegt entlang der Deutschen Weinstraße ein Zauber in der Luft, der sich allein mit Worten nicht beschreiben lässt. Jahr für Jahr sehnen Einheimische und Besucher das rosarote Naturspektakel herbei, da es wie kein anderes für Erwachen und Neubeginn, Romantik und Verzauberung, Lebensfreude und Vitalität, Genuss und Entspannung steht. Einen Mandelbaum geschenkt zu bekommen, hat daher gleich eine doppelte Symbolkraft. Zum einen ruft es all diese positiven Emotionen hervor. Zum anderen ist ein Baum als solches ein starkes Symbol für Wachstum, Beständigkeit und eben den Glauben an die Zukunft.

Pfälzer Mandelbäume aus Hessen

Beim Blick auf den Mandelbaum-Gutschein sehe ich, dass ich ihn bei einer südhessischen Baumschule einlösen darf. Das vereinfacht den Transport des Hochstamms, denke ich. Doch es steckt mehr dahinter. Die Baumschule Heinrich in Bischofsheim im Kreis Groß-Gerau ist nämlich die einzige weit und breit, die noch selbst Mandelbäume produziert, wie mir VielPfalz-Macher Michael Dostal erzählt. Was? Wie bitte? Pfälzer Mandelbäume sind gebürtige Hessen? Wie kann das sein?

Mandelbäume bei Ungstein
Blütenpracht zwischen Bad Dürkheim und Ungstein. Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Warten auf richtigen Pflanzmoment

Ich muss mehr als ein halbes Jahr warten, bis ich Christian Groß, den Inhaber der Baumschule Heinrich, mit diesen Fragen löchern kann. Denn der späte Herbst ist für viele Laub- und Obstbäume die beste Pflanzzeit (siehe „Natürlich gärtnern“, VielPfalz 5/2022). Wenn die Obstbäume keine Früchte und Blätter mehr tragen, können sie ihre Energie in die Wurzeln stecken und haben dadurch weniger Stress beim Anwachsen. Das Ganze sollte vor dem ersten Frost und der natürlichen Winterruhe der Bäume passieren. Dann sind die Bäume im Frühjahr bereits etabliert und können schneller wachsen. Da Mandelbäume echte Frühstarter sind, vor allen anderen kultivierten Obstsorten und auch vor den allermeisten Wildobstgehölzen, ist es besonders kniffelig, den „richtigen“ Pflanzzeitpunkt zu erwischen.

Endlich fallen die Blätter

Ab Anfang Oktober beobachte ich also unsere beiden Apfelbäumchen im Garten. Mit ihren sechs Jahren stecken sie selbst noch in den Kinderschuhen und haben uns im vergangenen Jahr die ersten Probieräpfel geschenkt. Ganz gleich, wie ich sie anstarre: Sie halten an ihren Blättern fest. Hätte ich auf die beiden Herren – namens „Kaiser Wilhelm“ und „Pilot“ – gewartet, hätte es selbst nach dem Jahreswechsel noch immer keinen Mandelbaumzuwachs gegeben. Zum Glück haben wir auch einen echten Veteranen im Garten: Unseren über 50 Jahre alten Kirschbaum. Er weiß, wann es Zeit wird, die Blätter fallen zu lassen.

Verabredung auf dem Acker

Ende Oktober greife ich also zum Telefon und verabrede mich mit Christian Groß auf dem Acker. Das ist eine Besonderheit, wie ich erst vor Ort merke. „Wir sind eine von drei Baumschulen in Hessen, die Obstbäume noch selbst produzieren. In ganz Deutschland gibt es vielleicht noch 25“, sagt Groß, während wir mit seinem Kastenwagen durch ein Schlammschlagloch hinter dem anderen holpern. „Das macht kaum noch jemand. Und Mandelbäume erst recht nicht. Viel zu aufwendig, zu wenig Fachleute.“ Er sei die am nächsten gelegene und eine der letzten Anlaufstellen überhaupt für die Pfalz, wenn es zum Beispiel darum gehe, Mandelbäume für das Gimmeldinger Mandelblütenfest nachzupflanzen. Die Baumschule Heinrich ist Mitglied im Bund deutscher Baumschulen (BdB), der in seinem Jahresbericht einen Überblick der Branche gibt.

Immer weniger Baumschulen

Ein Exkurs: 2023/2024 gab es laut Bund deutscher Baumschulen rund 1500 Baumschulen in Deutschland, die zusammen etwa 17.000 Hektar Fläche mit einem Produktionswert von 1,3 Milliarden Euro bewirtschafteten und 29.000 Menschen Arbeit gaben. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wuchsen auf dem größten Anteil der Flächen Ziergehölze (7235 Hektar), gefolgt von Heckenpflanzen (2080 Hektar) und Forstpflanzen (2023 Hektar). Weihnachtsbaumkulturen und Obstbäume machten nur einen kleinen Anteil aus. An der Verteilung der Nutzungsarten hat sich in den vergangenen Jahren verhältnismäßig wenig verändert. Erschreckend ist eine andere Zahl: Im Jahr 2000 gab es noch 3779 Baumschulen in Deutschland. Das heißt, die Anzahl der Betriebe nahm innerhalb von 20 Jahren um 60 Prozent ab.

Mandelplantage in Freinsheim
VOGELPERSPEKTIVE Mit der Mandelplantage in Freinsheim gibt es wieder kommerziellen Anbau in der Pfalz. Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Die Wahl zwischen zwei Bäumen

Plötzlich fühlt es sich nicht mehr nur wie ein außergewöhnlicher Kundenservice an, dass wir unseren Baum auf dem Feld, das für ihn Kinderstube war, aussuchen dürfen, sondern vielmehr wie ein Privileg. Christian Groß lenkt nach einer kurzweiligen Fahrt den Wagen rechts rein und bleibt direkt vor unzähligen Reihen mit jungen Obstbäumen stehen. Wir gehen wenige Schritte. Es dämmert schon. Vor zwei Bäumen mit blauen Bändern bleiben wir stehen. Um sie herum klaffen Lücken. Zwischen diesen beiden habe ich die Wahl. Echt jetzt? Zwischen zwei? „Ja, es sind schon fast alle weg. Die beiden hier waren für ein Projekt reserviert, das jetzt doch nicht stattfindet“, sagt Christian Groß.

Baumschule
„Jimmys“ Kinderstube in der Baumschule. Foto: Kathrin Engeroff

Blätter werden heruntergerüttelt

Wie kann das sein, frage ich mich und denke an meine Bäume zu Hause. Sie verlieren doch jetzt erst langsam ihre Blätter. Ich schaue mich um. Hier hängt tatsächlich kein einziges Blatt mehr an den Ästen. Die Erklärung vom Fachmann: Sie wurden mehr oder weniger händisch heruntergerüttelt, damit die Bäume bereits ab Oktober bereit für den Verkauf sind. Wärmere Herbstmonate in den vergangenen Jahren hätten den Blattfall verzögert und gleichzeitig „wollen die Leute immer früher pflanzen, um im kalten Dezember nicht mehr raus zu müssen“, sagt der Garten- und Landschaftsbauer. Die Scheu, bei Wind und Wetter draußen zu arbeiten, sei auch ein Grund für die Nachwuchsprobleme der Branche und damit einhergehend für den Rückgang der Baumschulen. Es ist fast 17 Uhr. Christian Groß ist seit gut zehn Stunden für die Baumschule im Einsatz.

Mein Einzelstück

In der Hauptsaison verlassen ab November täglich bis zu 500 Bäume die Baumschule; sie finden in der ganzen Republik und in Nachbarländern ihren dauerhaften Standort. Laut Bund deutscher Baumschulen hält sich das Geschäft mit Privatkunden und öffentlichen oder privaten Institutionen die Waage. Einen einzelnen Mandelbaum an Endkunden verkaufe Christian Groß aber eher selten, sagt er. Letztendlich wird es dann doch keiner der beiden begutachteten Mandelbäume. Denn dabei handelt es sich um die Ziersorte „Perle der Weinstraße“. Unser Mandelbäumchen soll aber nicht nur schön anzuschauen sein, sondern auch den Gaumen glücklich machen. Der Baumschulinhaber verspricht, sich etwas zu überlegen. Bis heute weiß ich nicht, wie er das bei all dem regen Betrieb und den zigtausenden Bäumen gemacht hat, aber eine Woche später kommt der Anruf, dass eine Gimmeldinger Süßmandel in der Halle zur Abholung bereitstehe. Ein Einzelstück. Er habe sie auf einem anderen Acker „gefunden“. Normalerweise mache ich mir nichts aus Unikaten, aber dieses Mal ist es Liebe auf den ersten Blick.

Beschriftung eines Mandelbaums
„Jimmys“ erstes Namensschild. Foto: Kathrin Engeroff

Hoher Zierwert, leckerer Kern

Etwa vier Jahre alt ist unser „Jimmy“. Die Sorte jedoch ist bedeutend älter. Vermutlich handelt es sich um einen Zufallssämling aus dem Raum Gimmeldingen, der sich nach 1950 verbreitet hat. „Die Sorte ist eine der ganz seltenen Pfirsichmandel-Sorten mit süßem, essbarem Kern. Sie stellt somit eine Besonderheit dar, denn sie vereint hohen Zierwert mit interessantem Nutzwert“, so beschreibt es Dr. Philipp Eisenbarth in seinem 2020 erschienenen Buch „Einheimische Mandeln. Kulturgeschichte des Mandelbaums und Mandelanbau in Deutschland“. Der Bad Dürkheimer erforscht und vermehrt alte Obstsorten seit Jahrzehnten und widmet sich seit 20 Jahren besonders den heimischen Mandeln. Das erlernte und in aufwendiger Recherchearbeit zusammengetragene Wissen darüber möchte er erhalten und weitergeben (siehe Titelgeschichte VielPfalz 1/2021). Das Interesse an alten Obstsorten ist laut Eisenbarth in der Pfalz da und nehme zu, genauso wie das Engagement für Streuobstwiesen und Artenvielfalt.

Philipp Eisenbarth
Philipp Eisenbarth. Foto: Michael Dostal

Glück gehabt

Ich erzähle Philipp Eisenbarth von „Jimmy“. Schließlich war er es, der dem VielPfalz-Team den Tipp gab, wo es noch heimische, selbstproduzierte Mandelbäume zu kaufen gibt. „Mandeln sind ein Spezialgeschäft, da es viel anspruchsvoller ist, sie zu veredeln und großzuzüchten als Äpfel, Birnen oder Kirschen“, erklärt er. Daher gebe es, wenn überhaupt, wenige Sorten im Handel. „Der Aufwand ist viel zu hoch.“ Wir hätten mit der Gimmeldinger Süßmandel richtig Glück gehabt.

Mandelplantage in Freinsheim
Blick auf die Freinsheimer Mandelplantage. Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Die Kunst der Mandelbaumzucht

Eisenbarth selbst züchtet privat uralte Mandelsorten wie die Dürkheimer Krachmandel nach, die es gar nicht in Gärtnereien oder Baumschulen zu kaufen gibt. Mehr als 100 Mandelbäume hat er inzwischen großgezogen. „Am Anfang gab es etliche Rückschläge. Ich habe viel ausprobiert und experimentiert, bis ich eine gewisse Erfolgsquote im Vergleich zum Aufwand erzielen konnte.“ Die Vermehrung beziehungsweise Produktion von Obstbäumen – von der Sämlingsunterlage oder dem Steckling bis zur finalen Pflanzung – ist ein mehrjähriger Prozess. Auf professioneller Ebene finden die einzelnen Produktionsschritte meist in unterschiedlichen Baumschulen statt. „Bei importierten Bäumen kann man am Ende oft nicht mehr nachverfolgen, wo die Bäume ihren Ursprung haben.“

Halt bei Wind und Wetter

Die Sämlingsunterlage für unsere Gimmeldinger Süßmandel kaufte die Baumschule Heinrich ein, alles andere wäre nicht wirtschaftlich. Aber davon abgesehen kennt der Baum nur hessischen Boden. Ein Pfahl gibt ihm die ersten paar Jahre bei Wind und Wetter Halt, die umgedrehte Grasnarbe schenkt ihm den ersten Dünger und die abgefallenen Blätter unseres Kirschbaums dienen als Mulchschicht und schützen so die Baumscheibe. Den ersten „Haarschnitt“ hat „Jimmy“ in der Baumschule bekommen. Wir freuen uns über unser neues Familienmitglied.

Blüte schon in diesem Jahr?

„Jimmy“ ist ein Baum mit Charakter und Willensstärke. Er ist krumm und schief, sein Stamm ist mit Augen übersät. „Das wächst sich raus. Es ist bei einem jungen Bäumchen gar nicht schlimm“, zeigt sich der Mandelexperte zuversichtlich. Das Tolle bei Mandelbäumen sei zudem, dass man nicht erst einige Jahre auf die ersten Früchte warten muss, wie bei anderen Obstbäumen. „Wenn der Baum Blütenknospen hat, wird er im nächsten Jahr blühen“, weckt Eisenbarth meine Hoffnung. Die Gimmeldinger Süßmandel gehört zu den Spätblühern und zeigt ihre Pracht im letzten Drittel der Mandelblütenzeit. Dabei ist „spät“ relativ zu betrachten: „Während früher die Mandelblüte Mitte März begann, geht es inzwischen meist bereits im Laufe des Februars los.“

Mandelzweig mit Knospen
Vorboten und Vorfreude auf die erste Blüte. Foto: Kathrin Engeroff

Mandelbaum ist Klima-Gewinner

Das Stichwort lautet Klimawandel. „Während sich im Obstbau traditionelle Sorten oft mit der Veränderung schwertun, gehören Mandelbäume zu den Gewinnern“, sagt Eisenbarth. Sie sind an Trockenheit gewöhnt, haben nicht so einen hohen Wasserbedarf und vertragen auch mal kältere Winter. „2024 war die Niederschlagsverteilung bei uns sehr gut. Wir müssen aber eher damit rechnen, dass Sommer trocken und heiß werden. Das bedeutet, dass wir eine ungenügende Wasserversorgung bei gleichzeitiger Hitze haben.“ Auch wenn der Mandelbaum als solcher dafür ganz gut gewappnet ist, bleibt abzuwarten, wie es sich mit der Fruchtbildung verhält. Eine frühere Blüte birgt ein höheres Risiko für Frostschäden, sollten doch noch Spätfröste auftreten.

Frau fotografiert Mandelblüten
Mandelblüten sind ein beliebtes Fotomotiv. Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Schäden kosten viele Lebensjahre

Eine ganz andere Gefahr für die Bäume sind von Menschen verursachte Schäden – angefangen bei eingeritzten „Inschriften“, über Mähschäden bis hin zu Autos, die beispielsweise beim Parken gegen die Bäume stoßen: „Wir haben leider schon einige Rückschläge hinnehmen müssen“, erzählt Philipp Eisenbarth, der mit der Stadtgärtnerei Bad Dürkheim Mandelbäume für die Mandelterrasse unterhalb der Michaeliskapelle auf dem Michelsberg und auch für die Erweiterung des Pfälzer Mandelpfades veredelt und pflanzt. „Wenn der Stamm, egal auf welche Weise, beschädigt wird, stirbt er vielleicht nicht sofort, aber die dadurch entstandenen Folgen, zum Beispiel ein Pilzbefall, kosten ihn viele Lebensjahre.“

Mandelblüte touristisch managen

Insgesamt seien entlang des Pfälzer Mandelpfades zum Glück kaum Vandalismus-Fälle bekannt, sagt Tobias Kauf, Geschäftsführer der PfalzTouristik. Nach einem zweijährigen Strategie- und Kommunikationsprozess konzentriert sich die Organisation jetzt darauf, die Tourismusmarke „Pfalz“ zu stärken, um die nationale und internationale Sichtbarkeit der Region zu erhöhen. Da ist es nur schlüssig, dass die PfalzTouristik seit dieser Saison auch die neue „Mandelzentrale“ ist. „Wir haben die Aufgabe von der Tourist-Information in Bad Dürkheim übernommen, die eine hervorragende Arbeit geleistet hat“, so Kauf weiter.

Tobias Kauf
Tobias Kauf. Foto: PfalzTouristik e.V.

Verbindendes Element: Mandelpfad

Dazu gehören unter anderem verschiedene Marketingmaßnahmen, das Pflegen der Website, das Bespielen der Social-Media-Kanäle, die Erstellung von Werbeprodukten, das Monitoring der Pfälzer Mandelwochen und das Wegemanagement des Pfälzer Mandelpfades. „Er ist das verbindende Element entlang der ganzen Weinstraße“, sagt Eva Rothhaar, Projektmanagerin für Kulinarik und Wein. Der rund 100 Kilometer lange Fernweg von Bockenheim nach Schweigen-Rechtenbach sei ein Erfolg. „Die sieben Etappen bieten sich auch als einzelne Tagestouren an“, erläutert Rothhaar. Traditionell sind die meisten Wanderer während der Pfälzer Mandelwochen auf den verschiedenen Strecken unterwegs. Immer auf der Suche nach dem weiß-rosa Blütenzauber. Denn es blühen naturgemäß nicht alle Bäume gleichzeitig.

Eva Rothhaar
Eva Rothhaar. Foto: Privat

Früher Beginn der Mandelwochen

Die ersten Mandelblüten-Fans fragen bei den Tourismusbüros bereits im November nach, wann es denn wieder losgeht. Ganz so früh starten die Bäume allerdings doch nicht durch. Aber durch die Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts beginnen die „Pfälzer Mandelwochen“ nun das zweite Jahr in Folge bereits im Februar statt Anfang März. „Die Blüte findet einfach früher statt und manchmal ist sie innerhalb von zwei bis drei Wochen vorbei“, sagt Rothhaar. Sechs Wochen hingegen dauern die kulinarisch-kulturellen Pfälzer Mandelwochen mit vielen Veranstaltungen und Genuss-Momenten rund um die Mandeln. „Ein Gedanke ist, künftig die ganze Obstblüte mehr mit einzubeziehen, um das Naturerlebnis zu verlängern“, fügt Kauf hinzu. Sie folgt unmittelbar auf die Mandelblüte, läutet endgültig den Frühling ein und präsentiert einen anderen Teil Pfälzer Kulturgeschichte.

Mandelpfad-Beschilderung an einem Baum
Eine stilisierte Mandelblüte markiert den Pfälzer Mandelpfad. Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Weit mehr als ein Touristenmagnet

Der Pfälzer Obstbau begann vermutlich vor 2000 Jahren. Wobei den Mandel- und Weinanbau die Römer mit an den Rhein brachten. Sichere Belege für den Anbau gibt es seit dem frühen Mittelalter. Die alljährliche Blütenpracht ist also weit mehr als ein Touristenmagnet. Sie ist ein Stück regionaler Identität. Als ich Christian Groß von der hessischen Baumschule Heinrich frage, was denn die Gimmeldinger machen, wenn er keine Mandelbäume mehr produziert oder er in Rente geht, antwortet er scherzhaft: „Dann müssen sie sich ein anderes Fest suchen.“ Klar, Pfälzerinnen und Pfälzer finden immer einen Grund zu feiern. Aber die Pfalz ohne Mandelblüte? Oder ohne die Vielfalt an Mandelbäumen? Christian Groß gibt Entwarnung: Er wird auch weiterhin Mandelbäume veredeln.

Alles andere als selbstverständlich

Ein flaues Gefühl bleibt dennoch. Hilft es, wenn die Nachfrage nach heimischen Mandelbäumen steigt, um dieser Kulturpflanze, die gut für den Klimawandel gewappnet ist, eine Zukunft zu geben? Vielleicht. Ein erster Schritt könnte auch sein, die Pfälzer Mandelblüte nicht als etwas Selbstverständliches zu erachten, sondern als etwas Wertvolles. Etwas, das nicht nur jedes Jahr vergänglich ist, sondern irgendwann vielleicht für immer verschwindet, wenn nicht respektvoll mit den Bäumen und klug mit dem Wissen über sie umgegangen wird.

Mandelallee bei Siebeldingen
Südpfalz-Panorama bei der Mandelallee am Geilweilerhof bei Siebeldingen. Foto: PfalzTouristik e.V./Fachenbach Medienagentur

Gute Durchmischung in der Pfalz

Eigentlich aber weckt die Mandelblüte ja viele positive Gefühle. Und aktuell ist das Szenario „Pfalz ohne Mandelbäume“ eines, das in weiter Ferne liegt. Mandelbäume können zwischen 50 und mehr als 100 Jahre alt werden. In der Pfalz herrscht eine gute Durchmischung zwischen jungen und alten Bäumen, zwischen weißen und rosa Blüten, zwischen neuen und traditionellen Sorten. Doch um ein weiteres Hobbygärtner-Zitat anzubringen: „Die beste Zeit, um einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.“

Familie Engeroff mit Mandelbaum
Cheeeeeese: Familienselfie mit Baum. Foto: Kathrin Engeroff

Mandelblütenfest in Hessen?

Unser „Jimmy“, die Gimmeldinger Süßmandel, kann 80 bis 90 Jahre alt werden. Bei dem Gedanken wird mir ganz schwummrig. Auch weil ich seine Zukunft irgendwann anderen Händen anvertrauen muss. Jetzt freue ich mich aber erst mal auf seine erste Blüte. Knospen habe ich schon gesichtet. Ein letzter Tipp von Mandelexperte Philipp Eisenbarth: „Wenn der Baum Früchte ansetzt, nicht mehr als zwei bis drei dran lassen. Das dämpft das Wachstum. Im nächsten Jahr dann vielleicht zehn.“ So können bis zu 15 Jahre vergehen, bis ein nennenswerter Ertrag zusammenkommt. Oh. Na dann, ich glaube ganz fest an die Zukunft… Bis dahin könnten wir einfach unser eigenes Mini-Hessisch-Pfälzisches Mandelfest feiern. Blüten darf „Jimmy“ ja haben so viele er möchte.

Weinbergleuchten
Foto: Stadt Bad Dürkheim

Wenn die Pfalz ihr rosa-weißes Blütenkleid anlegt, startet die Region mit einem Reigen an Veranstaltungen in die neue Saison: In den Pfälzer Mandelwochen vom 22. Februar bis 6. April stehen Oldtimer-Panoramabus, Schoppenbähnel oder Planwagen für Fahrten ins Blütenmeer bereit. Gästeführer, die Wissenswertes zu Blüte, Baum und Frucht vermitteln, starten zu unterhaltsamen Touren. Zudem erstrahlen abends die Burgen und Schlösser entlang der Deutschen Weinstraße im rosa Lichterglanz. Rosé-Weine und -Sekte runden in zahlreichen Weingütern das frühlingshafte Farbenspiel im Glas mit ab, zu dem natürlich auch leckere kulinarische Genüsse rund um die Mandel gehören. Das genussvolle Zusammenspiel wird zum Auftakt bei Vino Lumino am Samstag und Sonntag, 22. und 23. Februar, inszeniert. Die passende Kulisse liefern urige Weinkeller und trendige Vinotheken, die innen und außen in Pink leuchten. Die Bandbreite reicht dabei von der sensorischen Weinverkostung bis hin zum mehrgängigen Mandelmenü. [dot]

mandelbluete-pfalz.de

Titelseite VielPfalz 1/2021

Kurzporträts einzelner Mandelsorten, Mandelfakten und mehr über die Mandelgeschichte in der Pfalz findet sich in der VielPfalz-Ausgabe 1/2021, die es im Online-Shop Vielothek auch als Download zum Kauf gibt.

Buchtitel Einheimische Mandeln

Philipp Eisenbarth „Einheimische Mandeln“
Pomologen-Verein e.V., (Herausgeber im Selbstverlag), ISBN 978-3-943198-39-3, 132 Seiten, 16,50 Euro, online bestellbar

Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Museumstour

Reisen in die Vergangenheit

Museen befassen sich meist mit Dingen, die für die Menschen einst eine große Bedeutung hatten oder noch immer haben. Das Diamantschleifermuseum in Brücken entführt in die Welt der Edelsteine, im Haus Leben am Strom in Neupotz wird die Wirkmacht des Wassers erlebbar und das Museum in Herxheim bei Landau zeigt Einblicke in die Lebenswelten der Jungsteinzeit.

Foto: Julia Köller

Kein anderer Edelstein fasziniert die Menschen so sehr wie der Diamant. Er ist elegant, der pure Luxus und das härteste natürliche Material der Welt. Dabei sieht so ein Diamant, wenn man ihn aus dem ihn umgebenden Gestein löst, zunächst einmal recht unspektakulär aus. Erst der richtige Schliff macht ihn zum funkelnden Brillanten. Und dieser Schliff ist eine Kunst für sich, die nur erfahrene Diamantschleifer beherrschen. Ein Beruf, dem einst viele Menschen im Landkreis Kusel nachgingen.

Ort mit Glanzvoller Geschichte

Im Diamantschleifermuseum Brücken erfahren Besucher mehr über die glanzvolle Geschichte der Ortsgemeinde und der umliegenden Orte. Denn hier wurden von 1888 bis in die 1960er-Jahre hinein Rohdiamanten zu Brillanten veredelt. „Zu den besten Zeiten haben bis zu 3000 Leute in der Diamantschleiferei gearbeitet“, sagt Karin Grumer, Museumskraft der Ortsgemeinde Brücken. Den Anfang machte ein jüdischer Geschäftsmann namens Isidor Triefus, dessen Brüder nach London gegangen waren. „Sie haben mit Rohdiamanten gehandelt, aber mit geschliffenen Diamanten wird Geld verdient“, sagt Grumer. So hätten die Männer ihren Bruder dazu bewegt, sich diese Fertigkeit anzueignen, was dieser dann auch getan habe. Mit vier Schleifermeistern kehrte er nach der Ausbildung in die Heimat zurück und eröffnete in der Neumühle, die heute noch steht, die erste Diamantschleiferei in Brücken. Wie sich im Erdgeschoss des Museums anhand von Schautafeln nachvollziehen lässt, wuchs das Geschäft stetig, und mit der Zeit wurden immer mehr Schleifereien gegründet. Zudem gab es Schleifer, die sich einen Arbeitsplatz mieteten oder zuhause arbeiteten.

Diamantschleifer bei der Arbeit
ZEITREISE In den Hochzeiten bedienten bis zu 3000 Menschen die Maschinen in der Diamantschleiferei. Repro: Julia Köller

Spannende Einblicke aus erster Hand

Die Mitglieder des Förderkreises Diamantschleifermuseum, die ehrenamtlich Sonntagsdienste im Museum übernehmen und Führungen anbieten, haben zum Teil selbst noch in diesem Handwerk gearbeitet oder es als Kinder erlebt. So können sie aus erster Hand von spannenden Begebenheiten berichten – wie jener, als eine Elster durch ein offenes Fenster kam und Diamanten stibitzte. Oder sie schildern, wie selbstverständlich die Bevölkerung seinerzeit mit den Edelsteinen umging. Da konnte es auch schon mal passieren, dass Jungs die Diamanten, die sie ausliefern sollten, beim Fußballspielen noch in der Hosentasche hatten. Das Museum klärt aber auch über die Entstehung der Edelsteine und deren Abbau auf. Verschiedene Filme geben dazu tiefere Einblicke. Und in einer Vitrine im Foyer sind Rohdiamanten ausgestellt, sowohl im vulkanischen Gestein Kimberlit, aus dem sie zunächst herausgelöst werden müssen, als auch in ihren natürlichen Formen.

Rohdiamant
EXPONAT Auch Rohdiamanten sind im Museum zu sehen.
Vorführung im Museum
EINE KUNST FÜR SICH Das Handwerk des Diamantschleifens lässt sich in Brücken noch heute hautnah erleben. Fotos: Julia Köller

Diamantschleifer würdigen

Für Diebe ist das Museum dennoch nicht sehr attraktiv, da es sich bei den echten Steinen um weniger wertvolle Exemplare handelt. „Wir haben nur wenige Originale hier“, sagt Karin Grumer. Der Ortsgemeinde geht es schließlich nicht darum, Schätze zu präsentieren, sondern die Arbeit der Diamantschleifer darzustellen und zu würdigen. Die perfekte Form der Rohdiamanten sei ein Oktaeder, erklärt die 46-Jährige. Und wie aus diesen in exakt festgelegten Arbeitsschritten ein Brillant wird, zeigt die Ausstellung im Obergeschoss. Dort sind Original-Arbeitsplätze der Diamantschleifer aufgebaut, von denen einige auch noch in Gang gesetzt werden können.

Karin Grumer
Karin Grumer. Foto: Julia Köller

Dünne Scheibe zersägt den Diamant

Zunächst muss das Oktaeder in zwei Hälften geschnitten werden. Viele dürften überrascht sein, dass sich das härteste Material der Welt mit einem biegsamen Kupferblech zersägen lässt. „Es wurde mit Diamantpuder bestrichen“, klärt Karin Grumer auf. Nur so sei es möglich gewesen, dass die dünne Scheibe den Diamanten durchtrenne. Danach seien die Reiber gefragt gewesen, ebenfalls ein in Brücken oft ausgeübter Beruf. Sie rundeten die Ecken ab, bevor die Schleifer an ihr Werk gehen konnten. Im Anschluss wurde der Diamant mit dem sogenannten Doppen gefasst und auf der Schleifscheibe Facette um Facette zum Brillanten veredelt.

Arbeitsabläufe bis heute gleich

Tatsächlich sind die Arbeitsabläufe bis heute die gleichen geblieben. Lediglich die Werkzeuge wurden technisch verbessert. Unter anderem durch den Brückener Philipp Amann, der eine Steinhalterung für den Doppen entwickelte und patentieren ließ, die nach wie vor benutzt wird. Das von ihm gegründete Unternehmen stellt immer noch Maschinen für die Diamantindustrie her. Die Hochzeit der Diamantschleifer ist allerdings in der Pfalz schon lange vorbei. In den 1960er-Jahren verlagerte sich diese Tätigkeit nach Indien.

Skulptur
ERINNERUNG Die Hochzeit der Diamantindustrie in der Pfalz ist lange vorbei. Foto: Julia Köller

Tour auf dem Diamantschleiferweg

Zum Abschluss des Rundgangs stehen dann aber doch noch die Juwelen selbst im Vordergrund. In einer Vitrine funkeln die Nachschliffe weltberühmter Diamanten um die Wette. So lässt sich etwa der gelbe Diamant von Tiffany, der vor allem durch Fotos, auf denen Audrey Hepburn ihn trägt, bekannt ist, aus der Nähe bewundern. Oder der Koh-i-Noor, der die Krone der Königinmutter in England zierte. Auch der offiziell kleinste geschliffene Diamant der Welt ist in Brücken zu sehen. Gerade einmal 0,001 Karat hat der Brillant, der 1985 ins „Guinessbuch der Rekorde“ aufgenommen wurde. Um dies und mehr zu sehen, kommen jährlich mehrere Hundert Menschen in das kleine Museum. Viele verbinden ihren Besuch auch mit einer Wanderung auf dem Diamantschleiferweg oder der Traumtour Diamant, die ebenfalls unterstreichen, welch große Bedeutung die Diamantindustrie für die Region hatte.

Fund von enormer Bedeutung

Deutlich weiter zurück in der Zeit – rund 7000 Jahre – reist man im Museum Herxheim. In der Ortsgemeinde bei Landau wurde in den 1990er-Jahren ein Fund gemacht, der von enormer Bedeutung für die Forschung ist. Vor der Erschließung des heutigen Gewerbegebiets am Westrand des Ortes führte die Außenstelle Speyer der Direktion Landesarchäologie eine sogenannte Rettungsgrabung durch und stieß dabei auf eine jungsteinzeitliche Siedlung. Dieser Fund entpuppte sich als echte Sensation, wie Museumsleiterin Lhilydd Frank begeistert erzählt: „Um die Siedlung war ein Doppelgraben angelegt, und der war angefüllt mit Ritualresten.“ Was zunächst harmlos klingt, könnte tatsächlich als Vorlage für einen Kriminalroman oder True-Crime-Podcast herhalten. Denn diese Ritualreste bestehen vor allem aus unzähligen menschlichen Knochen sowie Scherben der damals üblichen Bandkeramik, der diese Epoche auch ihren Namen verdankt.

Bandkeramik im Museum
BEDEUTENDER FUND Im Museum Herxheim sind unter anderem Scherben von Bandkeramik aus der Jungsteinzeit zu sehen. Foto: Julia Köller

Noch immer ist vieles unklar

Seit seiner Entdeckung sind der Doppelgraben und dessen Inhalt Gegenstand eines breit angelegten Forschungsprojekts. Und noch immer sei vieles unklar. Ziemlich sicher ist laut Lhilydd Frank, dass ein Ritual stattgefunden hat. „Wir müssen heute annehmen, dass Menschen geopfert wurden“, sagt die 44-jährige Archäologin. Denn die Knochen seien zerschlagen worden, und dies nachweislich kurz nach dem Todeszeitpunkt. Zudem legten Schnittspuren von Werkzeugen an den Knochen nahe, dass vor dem Zerschlagen Haut und Fleisch entfernt worden seien.

Lhilydd Frank
Lhilydd Frank. Foto: Julia Köller

Einblicke in die Jungsteinzeit

So grausam die Fakten sind, so faszinierend sind sie auch. Denn sie beleuchten einen Aspekt der bandkeramischen Kultur, der zuvor unbekannt war. Nirgendwo sonst wurde bislang ein Fund wie in Herxheim gemacht. Und da der Heimatverein seinerzeit ohnehin ein Museum in der ehemaligen fränkischen Hofanlage an der Hauptstraße plante, wurde viel Platz für die Dokumentation der Jungsteinzeit eingeplant. Seit 2005 bekommen Besucher in der Museumsscheune Einblicke in das Leben, das sich vor rund 7000 Jahren ganz in der Nähe abgespielt hat. Die Bandkeramiker waren die ersten Menschen, die sesshaft wurden und Ackerbau sowie Viehhaltung betrieben.

Reich verzierte Keramikgefäße

An einem Modell wird veranschaulicht, wie in jener Zeit die Langhäuser gebaut wurden. Der Fund von Spinnwirteln und Webgewichten legt zudem nahe, dass die Bandkeramiker bereits Textilien gewebt haben. Wie das funktionierte, zeigt der Nachbau eines Gewichts-Webstuhls. Auch reich verzierte Keramikgefäße sind in den Vitrinen ausgestellt. Sie belegen, dass die Menschen der Jungsteinzeit bereits Wert auf schöne Dinge gelegt haben. Als Bandkeramik bezeichnet man diese Gebrauchsgegenstände, weil die Muster in Form von Bändern gestaltet wurden.

Werkzeuge aus vergangenen Zeiten

Nicht zuletzt sind im Museum Werkzeuge zu sehen, wie sie zur damaligen Zeit angefertigt wurden. „Ein ganz typisches Werkzeug ist die sogenannte Dechsel“, erklärt die Museumsleiterin. „Sie wurde dazu benutzt, Bäume zu fällen“, führt Frank aus und fügt mit Blick auf die Forschungsergebnisse hinzu: „Aber auch, um seinen Mitmenschen auf den Kopf zu schlagen.“ Denn zahlreiche gefundene Schädeldecken weisen Verletzungen auf, die offenbar durch einen Hieb entstanden sind und teilweise der Form nach zu den typischen Dechselklingen passen.

Nachbildung der Fundstätte

In dem rund um die Siedlung verlaufenden Doppelgraben wurden letztendlich die Knochen von etwa 1000 Menschen gefunden, die innerhalb von maximal 50 Jahren dort hineingelegt wurden. Der Großteil dieser Funde befindet sich in Speyer. „Wir haben hier eine Auswahl, die die ganze Bandbreite zeigt“, sagt die Museumsleiterin. Um zu verdeutlichen, welches Bild sich den Archäologen bei den Ausgrabungen geboten hat, wurde auch ein Stück des Grabens nachgebildet – mit einem Teil des Original-Inhalts. Im Kontrast dazu steht der Fund eines jungsteinzeitlichen Menschen, der nach dem damals üblichen Ritus in Seitenlage mit angewinkelten Beinen bestattet wurde. „Herxi“, wie der Mann in Anlehnung an „Ötzi“, eine in den Ötztaler Alpen entdeckte Gletschermumie, getauft wurde, ist ebenfalls im Museum zu sehen – genau so, wie er Tausende Jahre zuvor begraben wurde.

Nachbildungen von Fundstücken
Herxi
FASZINIERENDE ENTDECKUNGEN Neben der Nachbildung eines Teils des Doppelgrabens mit Original-Inhalt wird das Skelett von „Herxi“ so gezeigt, wie er bestattet wurde. Fotos: Julia Köller

Weberei, Baugeschichte und Tabak

Neben diesem weit zurückliegenden Teil der Ortsgeschichte widmet sich das Museum aber auch der jüngeren Vergangenheit der Gemeinde. Der Fokus liegt dabei auf der Weberei, der Baugeschichte und dem Tabak – jenen Dingen, die Herxheim Wohlstand eingebracht haben. Sorgfältig kuratiert, gibt die Ausstellung spannende Einblicke in diese Bereiche. So wird etwa die Baugeschichte hinter alten Türen präsentiert. Und ein Brautkleid aus Fallschirmseide, das 1947 mithilfe von illegal fermentiertem Tabak erstanden wurde, zeigt, wie wichtig in der Nachkriegszeit der Tabak als Tauschmittel war.

Webstuhl im Museum
SPANNENDE EINBLICKE Das Museum widmet sich auch Dingen, die Herxheim Wohlstand einbrachten – etwa die Weberei. Foto: Julia Köller

Liebevoll gefertigte Szenerien

Besonders niedlich ist derweil die Ausstellung am Beginn des Rundgangs: Unter dem Titel „Waldliebe-Szenerien“ hat die Herxheimerin Judith Groß Szenen ihrer Gemeinde aus Eicheln, Moos, Holz und weiteren Naturmaterialien nachgebildet. Eigentlich sollte es nur eine Sonderausstellung sein, doch viele Exponate dürfen nun dauerhaft im Museum bleiben. Eine dieser liebevoll gefertigten Szenerien zeigt den Fund von „Herxi“, der damit sowohl den Anfang als auch das Ende der Ausstellung bildet.

Gegenwart und Zukunft

Im Haus Leben am Strom in Neupotz spielt die Geschichte ebenfalls eine Rolle, doch liegt der Schwerpunkt dabei viel mehr auf der Bedeutung des Dargestellten für die Gegenwart und die Zukunft. Denn der Name des Hauses bringt auf den Punkt, was die Nähe des Rheins für die zur Verbandsgemeinde Jockgrim gehörende Ortsgemeinde bedeutet: Das Leben am Strom bietet zwar Vorteile wie Fischvorkommen und Schifffahrtswege, birgt seit jeher aber auch Gefahren durch Hochwasser. „Wir sind kein klassisches Museum, wir sind ein Hochwasserschutz-Informationszentrum“, erklärt die Leiterin des Hauses, Andrea Kalesse. Untergebracht in einem schmucken Fachwerkhaus aus dem Jahr 1785, führt das 2011 eröffnete Haus Leben am Strom dem Besucher auf etwa 150 Quadratmetern Ausstellungsfläche vor Augen, wie eng die Ortsgeschichte mit dem Rhein, seiner Begradigung und Hochwasserereignissen verknüpft ist.

Luftbild im Haus am Strom
VON OBEN BETRACHTET Zentrum der Ausstellung in Neupotz sind der Hochwasserschutz im Wandel der Zeit und die Veränderungen entlang des Stroms. Foto: Julia Köller

Ein Ort versinkt in den Fluten

Im Obergeschoss geht es zunächst zurück in die Vergangenheit von Neupotz, das früher einmal Potz hieß. Die Namensergänzung hat einen Grund, der unmittelbar mit dem Kernthema des Hauses verbunden ist: „Der ursprüngliche Ort ist früher in den Fluten versunken“, sagt Andrea Kalesse. Als die Menschen anfingen, einen neuen Ort aufzubauen, nannten sie ihn deshalb Neupotz. An einer Hörstation erfahren die Besucher, was es mit der Glockensage von Potz auf sich hat. Es wird erzählt, dass die Fischer sonntagmorgens das versunkene Dorf in den Fluten sehen und die Glocken der alten Kirche läuten hören konnten. Erstaunliches trat in den 1980er-Jahren bei Baggerarbeiten im Altrhein zutage. „Hier wurde der größte Schatz der Römer nördlich der Alpen gefunden“, erläutert Kalesse. Der sogenannte Hortfund oder auch Barbarenschatz befindet sich zwar heute im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, doch Bilder der metallenen Gegenstände sind auch in Neupotz zu bewundern.

Andrea Kalesse
Andrea Kalesse. Foto: Julia Köller

Überblick über Ortsgeschichte

Infotafeln, Fotos und Mitmachstationen geben einen Überblick über die Geschichte des Ortes, in dem die Menschen früher überwiegend von der Fischerei lebten. Speziell die Lachsfischerei spielte eine große Rolle. Es wird aber auch übersichtlich dargestellt, für welche Fische, Vögel und Pflanzen die Auenlandschaft einen wichtigen Lebensraum bot und noch bietet. Die Schifffahrt ist ebenfalls ein Thema – vom Treideln in früherer Zeit bis zur modernen Schleuse. Zudem weist ein Modell des Römerschiffs darauf hin, dass es in Neupotz mit der Lusoria Rhenana einen originalgetreuen Nachbau eines römischen Patrouillenschiffs gibt, mit dem auch Fahrten angeboten werden. Das Schiff sowie das Haus Leben am Strom sind zertifiziert als Schulnahe Umweltbildungsstation des Landes Rheinland-Pfalz.

Schautafel im Haus am Strom
INFORMATIV Das Haus Leben am Strom bietet Einblicke in die Geschichte von Neupotz. Foto: Julia Köller

Hochwasserschutz im Fokus

Zentrum der Ausstellung sind der Hochwasserschutz im Wandel der Zeit und die Veränderungen entlang des Stroms, wie etwa die Rheinbegradigung nach den Plänen von Johann Gottfried Tulla im 19. Jahrhundert oder der Ausbau des Oberrheins mit Staustufen. Um die Hochwassergefahr zu mindern, begann 2005 der Bau des Polders Neupotz. Welche Ausmaße er hat, wird im Erdgeschoss des Informationszentrums deutlich. Denn dort gibt es ein raumgroßes begehbares, interaktives Luftbild der eingedeichten Fläche, die bei Bedarf geflutet werden kann. Das Haus Leben am Strom selbst verdankt seine Existenz der Einrichtung des Polders, da es als akzeptanzfördernde Maßnahme die Bevölkerung aufklären und Verständnis für den Hochwasserschutz vermitteln soll. Dennoch wird nicht verschwiegen, dass es auch Gegner der Maßnahme gab. Ihre Stimmen – zumindest eine Auswahl – sind im Original zu hören. Doch mittlerweile habe sich die Aufregung gelegt, sagt Andrea Kalesse und fügt hinzu: „Die meisten haben gemerkt, dass es notwendig ist.“ Zu dieser Überzeugung gelangen sicher auch viele Besucher am Ende ihres Rundgangs.

Diamantschleifermuseum Brücken
Hauptstraße 47, Öffnungszeiten: Di 9.30 bis 12 Uhr, Do und So 14 bis 17 Uhr. Eintritt 2,50 Euro, ermäßigt 1,25 Euro. Gruppenführungen (15 Euro) nach Vereinbarung unter Telefon 06386/993168.

Museum Herxheim bei Landau
Untere Hauptstraße 153, Öffnungszeiten: Do und Fr 14 bis 19 Uhr, Sa und So 11 bis 18 Uhr. Di und Mi nach Vereinbarung unter 07276/502477. Eintritt 4,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro (Familien, Schulklassen und Gruppen).

Haus Leben am Strom Neupotz
Hauptstraße 4, Öffnungszeiten: Mi 14 bis 16 Uhr, Fr 16 bis 20 Uhr, am ersten Sonntag im Monat 11 bis 16 Uhr. Eintritt frei. Führungen und zusätzlich Workshops für Kinder.

Bisherige Museumstouren: Korkenzieher-Museum in Leinsweiler, Staubsaugermuseum in Miesau, Florum in Kleinfischlingen (VielPfalz-Ausgabe 5/2020); Fasnachtsmuseum in Speyer, Deutsches Straßenmuseum in Germersheim, Museum für Weinbau und Stadtgeschichte in Edenkoben (3/2021); Museum für Zeit in Rockenhausen, Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim und 3F-Museum in Deidesheim (5/2021); Friseurmuseum in Böhl-Iggelheim, Deutsches Kartoffelmuseum in Fußgönheim und Waagenmuseum in Wachenheim (1/2022); Westwallmuseum in Bad Bergzabern, Parfümmuseum in Mehlingen-Baalborn und Schillerhaus in Ludwigshafen-Oggersheim (5/2022); Museum unterm Trifels in Annweiler, Alte Samenklenge in Elmstein und Historische Schmiede in Friedelsheim (2/2023); Zirkus-Museum in Enkenbach-Alsenborn, PAN Das Museum/Tausendsassa Alkohol in Germersheim und Bachbahn-Museum in Kaiserslautern-Erfenbach (6/2023); Ziegelei-Museum in Jockgrim, Puppenstuben-Museum in Jakobsweiler und Pfälzisches Erlebnis Bibelmuseum in Neustadt (3/2024).

Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Pfälzer Ranger

Patrouille(n) im Paradies

Pfälzerwald und Haardtrand sind ein grüner Schatz, den viele Menschen gerne als Erholungsraum nutzen. Doch bisweilen wird die Schönheit der Natur getrübt von zurückgelassenem Müll, zertrampelten Pflanzen oder Tieren, die aus ihrem Lebensraum vertrieben werden. Im Landkreis Bad Dürkheim machen Ranger auf die Verletzlichkeit von Fauna und Flora aufmerksam. Und Junior-Ranger möchten in ihrer Heimat für das Biosphärenreservat und Naturschutzgebiete begeistern.

Foto: Michael Dostal

Sie haben ihn gleich im Blick. Den Baumstamm, der am Rande des Weges liegt. Denn Totholz ist ein wichtiger Lebensraum für Insekten und Kleinstlebewesen. Das Holz trägt somit zur Erhaltung und Erhöhung der Biodiversität bei. Christoph Bauer und Manuel Rautenberg, die beiden neuen Ranger des Landkreises Bad Dürkheim, sind auf Patrouille – diesmal auf den Geo-Naturwanderwegen Kallstadt und Herxheim am Berg. Sie führen durch verschiedene Naturschutzgebiete. Monitoring-Maßnahmen, etwa Bestandserfassung oder Kartierungen, gehören mit zu den Ranger-Aufgaben. Im Vordergrund steht aber die Überwachung von Schutzgebieten, um Menschen die Verletzlichkeit ihrer Umwelt bewusst zu machen und so die Akzeptanz von Naturschutzinteressen zu steigern.

Grüne Berufe als Basis

Offizieller Start für das Ranger-Projekt ist im kommenden Sommer. Bauer und Rautenberg sind aber schon seit November 2023 Mitarbeiter der Kreisverwaltung in Bad Dürkheim. Sie absolvieren eine einjährige Zusatzausbildung bei der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Laufen im Berchtesgadener Land. Beide Ranger kommen aus grünen Berufen. Bauer, der aus dem Donnersbergkreis stammt, ist gelernter Forst- und Landwirtschaftsgärtner. Rautenberg, im Kreis Bad Dürkheim zuhause, kommt aus dem Garten- und Landschaftsbau. „Diese Ausbildung zu absolvieren, ist für mich wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“, betont er erfreut. Bauer ergänzt: „Wir wollen die Menschen aufklären, sorgsam mit der Natur umzugehen. Vieles fängt im Kleinen an.“

Aufnäher "Ranger Landkreis Bad Dürkheim"
PREMIERE Im Landkreis Bad Dürkheim sind Ranger Mittler zwischen Mensch und Natur. Foto: Michael Dostal

Aufklärung statt Zeigefinger

„Nur was man kennt und gut findet, hält man auch für schützenswert“, beschreibt auch Sven Hoffmann, Beigeordneter des Landkreises Bad Dürkheim, die Philosophie hinter dem Projekt. Die Ranger sollen mit Wanderern, Spaziergängern und Radfahrern ins Gespräch kommen. Bald sollen auch geführte Touren und Seminare angeboten werden, die die Geheimnisse und Schönheit der Natur noch besser sichtbar werden lassen. Hoffmann hält wenig davon, nur mit Verwarnungen und Bußgeldern in Fällen von illegalem Campen oder Entsorgen von Müll zu reagieren, wie es das Naturschutzgesetz vorsieht. Zwar haben die Ranger auch hoheitliche Befugnisse, um zum Beispiel die Identität von Personen zu klären oder Berechtigungsscheine zu prüfen. „Doch der erhobene Zeigefinger bringt wenig. Wir müssen die Menschen vielmehr für die Natur begeistern“, ist Hoffmann überzeugt.

Sven Hoffmann, Manuel Rautenberg und Christoph Bauer
IN DER NATUR Manuel Rautenberg (Mitte) und Christoph Bauer sind zusammen mit Sven Hoffmann, Beigeordneter des Landkreises Bad Dürkheim, im Naturschutzgebiet bei Herxheim am Berg unterwegs. Foto: Michael Dostal

Premiere in Rheinland-Pfalz

Das bei der Unteren Naturschutzbehörde angesiedelte Ranger-Projekt im Landkreis Bad Dürkheim hat laut Hoffmann „in dieser Art und Weise in Rheinland-Pfalz eine Premiere“. Man wolle damit nicht nur einen gesetzlichen Auftrag erfüllen, sondern den Naturschutz im Zusammenspiel mit der Landwirtschaft und dem Weinbau sowie dem Tourismus nach vorne bringen. „Unser Schatz ist die einzigartige Landschaft, die wir nicht kaputtmachen dürfen“, sagt Hoffmann. Die große Bedeutung für die Region komme zudem daher, dass der Landkreis Bad Dürkheim die höchste Schutzgebietsdichte in ganz Deutschland habe. Dazu zählen insgesamt 27 Naturschutz-, Landschaftsschutz- und Natura-2000-Gebiete. Allein das Biosphärenreservat Pfälzerwald umfasst gut 70 Prozent des Landkreises mit seiner Gesamtfläche von 59.476 Hektar.

Manuel Rautenberg und Christoph Bauer
IM EINSATZ FÜR FAUNA UND FLORA Die neuen Ranger nehmen Totholz am Wegesrand in den Blick. Foto: Michael Dostal

Schwerpunkt Information

Ein Blick in die Zukunft: Die beiden Ranger sollen bei Einheimischen und Touristen den Blick für die Nachhaltigkeit schärfen und ihnen die Belange der Natur näherbringen. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen dabei im Fokus stehen, so Hoffmann. Um sie im Umgang mit Umwelt, Pflanzen und Tieren zu sensibilisieren, ist eine enge Zusammenarbeit mit Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen geplant.

Positiv besetzter Begriff

Kleiner Exkurs: Hauptberufliche Ranger sind in Deutschland vor allem in Nationalparks, Naturparks und Biosphärenreservaten im Einsatz. Ursprünglich kommt der Beruf des Wald- und Wildhüters aus dem mittelalterlichen England. Bekannt ist der Name aber vor allem aus den großen amerikanischen und kanadischen Nationalparks. Mit dem Yellowstone-Nationalpark entstand bereits 1872 das erste Schutzgebiet dieser Art in den USA, der erste Ranger folgte wenige Jahre später. Der Beruf wird deshalb heute hochgeschätzt und ist ausgesprochen positiv besetzt, weshalb der Begriff Ranger auch in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wurde.

Camps im Pfälzerwald

Gerne genutzt wird er in besonderer Form auch vom Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen: Hier werden seit 2017 von der Geschäftsstelle in Lambrecht, die der Bezirksverband Pfalz trägt, Jahr für Jahr Camps organisiert, die Mädchen und Jungen zu Junior-Rangern machen. Zu den Partnern, die die Aktion mittragen, zählen unter anderem Landesforsten Rheinland-Pfalz, die Naturfreunde und der christliche Jugenddachverband CVJM. Bei den fünftägigen Camps, die immer in den Schulferien über die Bühne gehen, erforschen und erleben Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren die Natur im Pfälzerwald. Es geht unter anderem ums Kennenlernen von Tieren und Pflanzen, die Orientierung mit Karte und Kompass, aber auch um Spiele, Entdeckungstouren oder Erlebnisse am Lagerfeuer. Zum Abschluss gibt es eine Urkunde und einen Aufnäher.

Gemeinsamkeit in der Natur

„Bei der ersten Evaluierung der Unesco zum Biosphärenreservat wurde 2014 darauf hingewiesen, dass mehr in Sachen Bildung unternommen wird“, berichtet Antje van Look, die beim Biosphärenreservat den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung leitet, wie alles begann. Man orientierte sich am bundesweiten Junior-Ranger-Konzept der Nationalen Naturland- schaften, einem Zusammenschluss deutscher Nationalparke, Naturparke, Biosphärenreservate und Wildnisgebiete zwischen Wattenmeer und Watzmann. Vor dem Hintergrund der dezentralen Struktur im Pfälzerwald entstand die Idee der Camps, in denen jeweils eine Woche gemeinsam gelernt, gespielt und gekocht wird. Van Look freut sich, dass bei den Camps dauerhafte Verbindungen entstehen: „Viele nehmen mehrfach teil. Eine ganze Reihe der Mädchen und Jungen aus den vergangenen Jahren, sind heute selbst Betreuer bei den Camps.“

Antje von Look
Antje van Look Foto: Biosphärenreservat Pfalzerwald-Nordvogesen/Ralf Ziegler

Nachhaltige Botschafter

Entstanden sind mittlerweile auch zwei feste Junior-Ranger-Gruppen bei den Naturfreunden in Bad Dürkheim und im Finsterbrunnertal (Landkreis Kaiserslautern). Und auf Junior-Ranger folgen für Jugendliche die sogenannten Volunteer-Ranger, die auf Entdeckertouren am Haus der Nachhaltigkeit in Johanniskreuz gehen. Auf Sicht könnte es auch dazu kommen, dass in Zukunft festangestellte Ranger auf Patrouille im Pfälzerwald gehen. Die Unesco legt nämlich, so wurde bei der Überprüfung des Biosphärenreservats festgehalten, großen Wert auf die „Weiterführung und Stärkung bereits etablierter Aktivitäten“. Zu diesen zählen übrigens nicht zuletzt auch die Biosphären-Guides. Bei ihnen handelt es sich um zertifizierte Natur- und Landschaftsführer oder staatlich zertifizierte Waldpädagogen, die eine Zusatzausbildung abgelegt haben. Mit geführten Touren und anderen Angeboten vermitteln sie Wissenswertes zu Pflanzen, Tieren und Geologie des Pfälzerwaldes. Die Guides und alle Ranger haben eines gemeinsam: Sie sind Botschafter für den Schutz der Natur und den Erhalt biologischer Vielfalt.

Das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen bietet 2025 wieder Naturerlebnisse für Kinder und Jugendliche an. Eine Übersicht zu allen Camps mit Daten, Teilnahmegebühren und Informationen zur Anmeldung gibt es unter pfaelzerwald.de/ junior-rangerinnen/. Für Informationen zu den Junior Rangern ist Antje van Look, Bildung für nachhaltige Entwicklung im UNESCO-Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen in der Geschäftsstelle in Lambrecht, per E-Mail an a.vanlook@pfaelzerwald.bv-pfalz.de erreichbar.

Kinder im Junior Ranger Camp
Foto: Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen/Ralf Ziegler

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Wein und Speisen

Genussvolles Wechselspiel

Weiß zu Weiß und Rot zu Rot? Das Zusammenspiel von Wein und Speisen ist längst nicht mehr von solch starren Regeln geprägt. Eine Spurensuche nach gelungenen Kombinationen, bei der kulinarische Akteure und Genussprofis aus der Pfalz ihre Geheimnisse verraten.

Foto: Deutsches Weinisntitut/Markus Bassler Photography

„Wein ist beim Essen ein Muss! Er verstärkt das Genusslevel der Speise.“ Florian Werner ist Pfälzer und Genussmensch durch und durch. So sehr, dass er vor ein paar Jahren seinen Job bei einer Bank an den Nagel hängte und beim Südpfälzer VDP-Weingut Münzberg anheuerte, wo er seitdem den Vertrieb steuert. Daneben hat er sich in den sozialen Medien einen Namen als Pfälzer Genussexperte gemacht und ist leidenschaftlicher Hobbykoch auf gehobenem Niveau. „Ich bin Autodidakt, aber mein Ziel ist immer die Perfektion“, sagt Werner und lacht. Dass in der Pfalz – zweitgrößtes Weingebiet Deutschlands und Heimat des Saumagens – Wein und Speisen zusammen auf den Tisch gehören, liegt auf der Hand. Doch worauf kommt es eigentlich an, wenn Glas und Teller genussvoll aufeinandertreffen sollen? Und kann das jeder Autodidakt – so wie Florian Werner – auch zuhause lernen?

Florian Werner
Florian Werner Foto: René Flindt

Mit dem Weinsortiment arbeiten

Sie kennt sich mit der Theorie in Sachen Wein und Speisen aus: Jennifer Henne-Bartz ist Winzermeisterin, hat sich in puncto Wein international weitergebildet und bietet mit ihrem Unternehmen „meetwine“ professionelle Fortbildungen an. Unter anderem ist sie Dozentin an der Deutschen Wein- und Sommelierschule in Koblenz. Der gekonnte Umgang mit Essenskombinationen ist ein Steckenpferd der Neustadterin. „In unseren Lehrgängen ist das Thema sehr wichtig. Jeder Sommelier muss wissen, wie er mit dem vorhandenen Weinsortiment arbeiten kann und sollte zu allen Speisen passende Weine vorschlagen können“, berichtet Henne-Bartz.

Jennifer Henne-Bartz
Jennifer Henne-Bartz Foto: Ralf Ziegler/adlumina

Experiment mit Wow-Effekt

Dafür müsse man sich immer erst einmal anschauen, wie ein Gericht aufgebaut ist: Was dominiert? Gibt es Fett, starke Gewürze oder Schärfe? Danach gelte es herauszufinden, wie die Inhaltsstoffe auf verschiedene Weintypen wirken. „Wer das Prinzip verstehen will, kann mit Süße experimentieren“, rät die Expertin. „Das gibt einen richtigen Wow-Effekt.“ Wobei der nicht immer unbedingt positiv ausfällt. Denn aus einem vollmundigen, trockenen Wein kann in Paarung mit einer Süßspeise schnell eine dünnes Weinchen werden. Die Süße nimmt dem trockenen Wein seinen Körper. „Erst bei einem Wein, der mindestens genauso viel Süße hat wie das Dessert, ergibt sich eine harmonische Kombination“, erklärt die Winzermeisterin.

Diese Art von Experiment lässt sich mit verschiedenen Essenskomponenten wiederholen: Während Säure und Salz sich mit vielen Weinen gut verstehen, haben es die Weine bei anderen Komponenten wie eben Süße, aber auch Schärfe schon schwieriger. „Bei schärferem Essen, gerade aus der asiatischen Küche, passt ein leicht restsüßer Wein super – eine Kombination, die ich selbst sehr gerne mag“, verrät die Fachfrau. Alkoholschwere Weine täten sich dagegen schwer und ergäben mit der Schärfe ein unangenehmes Mundgefühl. Eine weitere Geschmacksrichtung ist Umami, eine Art Wohlgeschmack, der auf die Glutaminsäure zurückgeht und auch durch den Geschmacksverstärker Glutamat bekannt ist. Hier gilt es ebenfalls zu experimentieren, ob ein Wein dazu passt oder nicht. Vor allem Rotweine mit bitterem Tannin können sich schwertun, während sich zurückhaltende Weißweine flexibler zeigen.

Gewürze verändern den Charakter

Zusätzlich verändern Gewürze und Zubereitungsart den Charakter eines Gerichts und damit auch die Anforderungen an einen Wein. Das Thema ist komplex – da ist es kein Wunder, dass es in den Sommelier-Schulungen von Jennifer Henne-Bartz mehr als tagesfüllend ist. „Wir gehen tief ins Detail. Zum Beispiel bei den unterschiedlichen Arten von Protein wird es richtig spannend“, sagt sie. An „ein paar Konventionen“ komme man dabei nicht vorbei. „Zu einem zarten Fisch geht einfach keine dunkelrote Tanninbombe.“ Viel wichtiger ist ihr aber zu betonen: Alle Theorie nützt nichts ohne Praxis. „Das Schöne ist heutzutage, dass es zwar Richtlinien, aber keine starren Regeln mehr gibt. Wir lassen unsere Sommeliers experimentieren und selbst kreativ werden.“

Mit alten Mythen aufräumen

Wie das in der Praxis aussieht, weiß zum Beispiel Bernhard Holzer. Er ist Sommelier im Restaurant Ritterhof zur Rose in Burrweiler. Flexibilität und Kreativität passen ganz zu seiner Arbeitsweise: „Bei uns gibt es keine festen Weinempfehlungen zu den Menüs. Das wird mit jedem Gast neu verhandelt“, beschreibt der gebürtige Österreicher und Wahl-Pfälzer sein Vorgehen. Mit den meisten alten Mythen könne man aufräumen: „Zum Beispiel ist die Annahme, dass Rotwein immer zu Käse passe, in den meisten Fällen nicht richtig.“ Er reagiere flexibel darauf, wenn die Küche spontan frisch verfügbare Zutaten in Gerichte einbaue und gehe im Gespräch den Wünschen seiner Gäste auf den Grund. Sein Eindruck ist, dass manche Stammgäste gerade deshalb immer wieder kommen, weil er mit seiner Weinauswahl ständig neue Geschmackserlebnisse kreiert.

Bernhard Holzer
Bernhard Holzer Foto: Ritterhof zur Rose

Große Klaviatur an Weinen

Dafür braucht es natürlich eine große Klaviatur an unterschiedlichen Weinen, die die Weinfachleute quasi als Künstler immer neu interpretieren können. Dementsprechend umfangreich gestaltet sich die Weinkarte in vielen gehobenen Restaurants. Das weiß auch Sybille Bultmann vom Restaurant Atable, das sie seit mehr als zehn Jahren zusammen mit ihrem Mann betreibt. Seit 2021 sind sie im Freinsheimer Amtshaus beheimatet. „Wir arbeiten mit mehr als 500 Positionen, dazu noch unzählige gereifte Weine, die wir für die passende Gelegenheit im Keller haben“, sagt sie. Natürlich sei das für die Gäste durchaus fordernd, doch im Gespräch lasse sich immer die richtige Auswahl finden.

Sybille Bultmann im Weinkeller
GROSSE VIELFALT Sybille Bultmann vom Restaurant Atable setzt bei der passenden Begleitung der Speisen auf eine große Weinauswahl. Foto: Atable/Lucie Greiner, medienagenten

Nichts ist in Stein gemeißelt

Was die Gestaltung der Karte angeht, verfolgt die bekannte Sommelière einen etwas anderen Ansatz als ihr Kollege aus Burrweiler. So fällt ins Auge, dass im Atable zu jedem Gericht ein eigener Wein empfohlen wird – glasweise. „So kommt schon eine große Auswahl an Weinen zusammen, die wir offen vorhalten müssen. Aber es lohnt sich. Gerade so wird die Weinbegleitung noch besser angenommen“, zeigt sich Bultmann überzeugt. In Stein gemeißelt sei dabei nichts: Wenn ein anderer Wein gewünscht wird, gehe das natürlich auch. Am Ende sei es ohnehin so, dass meist die Gerichte den Ton in puncto Weinauswahl angeben – zwar ändern sich die Menüs häufig, doch was einmal aus der Küche kommt, ist, wie es ist. Deshalb sei eine große Weinvielfalt wichtig, um immer etwas Passendes parat zu haben, sagt die Sommelière.

„Burgunder gehen immer!“

Doch welche Rebsorten und Weinstile sind bei den Profis angesagt? Bei Florian Werner fällt die Antwort naheliegend aus: „Burgunder gehen immer!“ Schließlich sind sie bei Münzberg gerade auf diese Sorten spezialisiert, die rund um Godramstein, wo das Weingut liegt, das passende Terroir finden. Vor allem der Weißburgunder ist ein wichtiges Aushängeschild – und den gibt es in unterschiedlichen Gewichtsklassen. „Das ist im Grunde ganz einfach: Je leichter die Speise, umso leichter der Wein. Je kräftiger das Essen, umso komplexer darf es im Glas werden“, erklärt der Vertriebsprofi, der seinen Kunden auch zum Thema Speisenkombination Rede und Antwort steht.

Riesling ist anspruchsvoller

Weißburgunder könne genau diese Bandbreite bestens abbilden. Die komplexeren Lagenweine, die meist etwas Holzeinfluss haben, seien außerdem mit mehr Flaschenreife besonders interessant. „Wenn unsere Kunden mal einen zehn Jahre alten Weißburgunder probieren, sind sie total überrascht“, so Werner. Von weiteren Konventionen hält er eher wenig – bei ihm gibt es auch mal einen leichten Spätburgunder zu einem gebratenen Fisch. Ein deutlich anspruchsvollerer Sparringspartner ist aus seiner Sicht jedoch der Riesling: Bei der Pfälzer Leitrebsorte tue er sich manchmal schwer, passende Speisenpartner zu finden. „Zu einem jungen Riesling passen am ehesten leichte, mineralische Gegenstücke wie Sashimi oder eine frische Vinaigrette.“

Sushi mit Weinglas
ABGESTIMMT Aromatischer Wein unterstreicht auch den Genuss von Sushi. Foto: Deutsches Weininstitut

Reife Weine zu Pfälzer Klassikern

Auch die beiden Sommeliers Sybille Bultmann und Bernhard Holzer sehen die Stärken des Rieslings vor allem dann, wenn ein etwas gereifteres Gewächs auf den Tisch kommt. Beide lagern eigens dafür ausgewählte Flaschen ein. „Wir hatten zum Beispiel einen Seeteufel mit geschmortem Fenchel, Safran und Orange – das ist genial mit reifem Riesling“, sagt Bultmann. Holzer sieht außerdem zu Pfälzer Klassikern wie dem Saumagen gerne Weine mit ein paar Jahren Reife. Geht es nach Jennifer Henne-Bartz, schaden ein paar Gramm Restzucker als Brücke zum Essen auch nicht: „Ich liebe zum Beispiel Pfälzer Fläschknepp mit Meerrettichsoße. Sonst trinke im liebsten trocken, aber hier ist ein kleines bisschen Zucker, maximal im feinherben Bereich, eine tolle Brücke.“

„Harte Hunde“ als Herausforderung

Für die Winzermeisterin sind häufig nicht die Weine der Bestandteil, der die Kombination herausfordernd macht. Vielmehr gebe es manche Speisen, die scheinbar unbesiegbar seien. Als Beispiel nennt sie die Artischocke, die so ziemlich jeden Wein schwach aussehen lasse. Bernhard Holzer fühlt sich durch solche „harten Hunde“ geradezu angestachelt: „Ich bin ein Fan von Naturweinen. Bei denen geht es weniger um Frucht, mehr um hefige und oxidative Noten. Das hat sich als toller Gegenspieler zu gemüsigen, erdigen Gerichten erwiesen, sogar die Artischocke macht da mit.“

Schaumweine nicht nur als Aperitif

Ein weiterer Tipp von Holzer: Schaumweine zum Menü und nicht nur als Aperitif. „Wir haben mehr als 30 Sekte auf der Karte. Nehmen wir das Beispiel Tomate: Die ist meistens schwierig zu begleiten, weil sie viel Umami enthält. Mit Rosé-Sekt geht es.“ Nicht so leicht zu kombinieren seien auch Suppen: Allein die Wärme und zusätzlich die cremige Konsistenz machen es dem Wein schwer. „Wir bauen in unsere Maronensuppe zum Beispiel ein bisschen Frucht in Form von Apfel ein – dazu fügt sich ein etwas nussiger Grauburgunder schön ein“, erklärt Sybille Bultmann. Auch gut zu allem, was kräftig und cremig ist, sei es eine winterliche Suppe oder eine zarte Leber, passe der Klassiker Gewürztraminer, gerne auch wieder mit etwas Restsüße.

Frauen trinken Sekt
Service im Restaurant Atable
EXPERTEN Bei der Auswahl von Weinen zu Gerichten sind Sommeliers die richtigen Ansprechpartner. Fotos: Deutsches Weininstitut / Atable/Lucie Greiner, medienagenten

Alternativen auch ohne Alkohol

Es scheint, als könnte man in Sachen Wein und Speisen wohl nie aufhören, Neues zu entdecken – dank der Kreativität der Genussmacher, die sich dem komplexen Thema mit viel Leidenschaft widmen. Doch was machen die Weinenthusiasten, wenn ein Gast mal alkoholfrei bleiben möchte? Kann man zu einem guten Essen einfach auch Wasser trinken? Florian Werner tut sich hier eher schwer, schließlich ist für ihn der Wein ein „Muss“. Nur er könne die Speise unterstützen und so puren Genuss schaffen. Doch zum Glück: Außer schnödem Wasser gibt es heutzutage viele spannende nicht alkoholische Alternativen. „Die Speisenbegleitung ohne Alkohol ist in der Sommelier-Ausbildung ein wichtiger Punkt“, berichtet Jennifer Henne-Bartz, die ihre Auszubildenden neuerdings auch über entalkoholisierte Weine aufklärt. Bernhard Holzer steht ihnen noch skeptisch gegenüber, findet aber andere Alternativen interessant, etwa perlende Getränke aus Säften und Tee oder Kombucha – der ist immerhin auch fermentiert.

Die Kombination „wirklich erleben“

So muss Wein selbstverständlich nicht immer zwingend Essensbegleiter sein. Und doch bieten Wein und Speisen in Kombination schier grenzenlose Genusswelten und sind Ausdruck kulinarischer Kreativität. Erleben kann man das bei den Profis im Restaurant oder einfach zuhause – Mut zu Experimenten vorausgesetzt. Der Rat von Sybille Bultmann: „Häufig trinken die Gäste den Wein eher vor und nach dem Essen, aber nicht wirklich dazu. Einfach mal Gabel und Glas parallel in die Hand nehmen, so kann man die Kombination wirklich erleben.“

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Was wissen

Worauf kommt es bei der Neuanlage eines Weinbergs an?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, warum im Arbeitsalltag eines Winzers bei bestimmten Entscheidungen ganz besonders viel Weitsicht gefragt ist.

Weinreben
Foto: Deutsches Weininstitut

Im Alltag eines Winzers ist in vielerlei Hinsicht Weitsicht gefragt. Das gilt in besonderem Maße bei der Neuanlage eines Weinbergs. Schließlich geht es dabei um Standzeiten von etwa 30 Jahren und mehr. So stellt sich für den Winzer unter anderem die Frage nach der Rebsorte: Setzt er auf Bewährtes oder aber auf eine Sorte, die gerade besonders im Trend liegt? Nur: Wie lange hält der Trend an? Was schmeckt dem Verbraucher heute und auch noch in einigen Jahren oder gar Jahrzehnten? Und wie weit sind bei der Auswahl einer Rebsorte die Veränderungen durch den Klimawandel zu berücksichtigen?

Rebveredlungsbetriebe als große Hilfe

Bezüglich der Vor- und Nachteile der einzelnen Sorten ist dem Winzer die Unterstützung durch Rebveredlungsbetriebe eine große Hilfe. Zunächst werden hier die Reben pflanzlich (ungeschlechtlich) über Stecklinge oder Ableger beziehungsweise Setzlinge vermehrt. Die Stecklinge dienen als Unterlage, auf die später die gewünschte Rebsorte veredelt wird. Sie werden in der Regel in Spezialbetrieben in einem recht umständlichen Verfahren herangezogen und später an die Rebveredlungsbetriebe verkauft. Unterschiede gibt es dabei allerdings bei der Widerstandsfähigkeit.

Amerikanische Reben widerstandsfähiger

Im 19. Jahrhundert wurde die Reblaus aus Amerika eingeschleppt. Das etwa 1,5 Millimeter große Insekt sticht die Wurzeln der Rebe an und ernährt sich vom Zellsaft. In der Folge schädigte die Reblaus damals europäische Reben so stark, dass Tausende Hektar Weinberge zu Grunde gingen. Man kam schließlich zu der Erkenntnis, dass amerikanische Reben an der Wurzel widerstandsfähiger gegen die Reblaus sind. Seitdem pfropft man europäische Sorten (Edelreis) auf einen 25 bis 30 Zentimeter langen, verholzten Trieb amerikanischer Rebsorten als Unterlage. Diese Kombination zieht man im Treibhaus und der anschließenden Rebschule als so genannte Pfropfrebe heran.

Unterschiede in der Stärke der Wuchskraft

Die von amerikanischen Rebsorten stammenden Unterlagen werden in Europa in eigens dafür zugelassenen Betrieben erzeugt. Dabei unterscheiden sich die Unterlagen in der Stärke ihrer Wuchskraft. So werden etwa bei einem leichten Boden kräftig wachsende Unterlagen bevorzugt. Beim Vorgang des Pfropfens selbst wird das Edelreis auf die Unterlage gesteckt. Hier gibt es verschiedene Veredlungsverfahren. An den veredelten beiden Teilen soll sich eine Kalluswulst bilden. Sie sollen zusammenwachsen und Wurzeln bilden. Dazu werden sie im Treibhaus vorgetrieben und anschließend den Sommer über in einer Rebschule im Freien ausgesetzt, damit sie sich an die Witterung gewöhnen, weiterwachsen und stärkere Wurzeln bilden.

Strenge gesetzliche Vorgaben

Im Spätjahr werden die Pfropfreben dann mit dem Rebenhebepflug aus dem Boden gepflügt (ausgeschult) und die Wurzeln in entsprechender Länge abgeschnitten. Schlecht gewachsene oder Reben mit einseitiger Wurzelbildung werden aussortiert. Bei den übrigen werden die Triebe zurückgeschnitten, sie werden zu 25 Stück gebündelt, verplombt und mit Etikett versehen. Diese stehen nun als einjährige Reben zum Kauf. Da die Reben erst im darauffolgenden Frühjahr ausgepflanzt werden, übernimmt meistens der Erzeuger die Überwinterung und bietet sie im Frühjahr an. Vermehrungsbetriebe und Rebveredler müssen bei ihrer Tätigkeit strenge gesetzliche Vorgaben beachten und werden dabei kontrolliert. Hat der Winzer erst einmal seine Entscheidung bezüglich einer Rebsorte getroffen, bestellt er sie – je nach seinem Bedarf – mit der gewünschten Unterlage bereits ein Jahr vorher, um sichergehen zu können, die benötige Anzahl an Pfropfreben auch zu bekommen.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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