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Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Pfälzer Perspektiven

Neues entdecken

Janina Huber musste feststellen, dass es selbst für sie als Pfälzerin durch und durch noch Vieles in der Genussregion zu erkunden gibt. Genau das hat sie jetzt vor, denn Entdeckungstouren sind eine Bereicherung für Leib und Seele.

ein Kompass liegt auf einer Landkarte
Foto: Pixabay

Mit welchem Genuss-Motto sind Sie ins neue Jahr gestartet? Ganz oben auf meiner Liste steht das Credo „Zeit für Neuentdeckungen“! Dass darin viele genussreiche Erlebnisse liegen, fiel mir gerade letztens auf. Ich bin zwar per Geburt begeisterte Pfälzerin und mit den vielen Vorzügen unserer Heimat gut vertraut. Und doch war ich kurz nach Neujahr mit einer Freundin im Süden der Pfalz unterwegs und wir stellten fest, dass wir hier zu viele Ecken noch nicht erkundet haben – beide kommen wir aus der Bad Dürkheimer Gegend und mussten uns eingestehen, dass wir in den vergangenen Jahren vor allem vor der eigenen Haustür unterwegs waren.

Mit Forschergeist voran

Wie schade, könnte man jetzt meinen, sich in der eigenen Heimat gar nicht überall auszukennen. Dabei finde ich das alles andere als schade: Was für eine wunderbare Erkenntnis, dass wir in einer Region leben dürfen, die uns auch nach Jahren noch neugierig macht. Die so viele schöne Orte, Landschaften und kulinarische Eindrücke bietet, dass wir ihr immer wieder mit Forschergeist begegnen können. Und wie gut, dass wir noch nicht alles gesehen haben und uns deshalb auf so viele kleine Erkundungen freuen dürfen.

Mit frischen Eindrücken kognitiv fit

In diesen Neuentdeckungen liegt dabei mehr als nur das äußerlich erkennbare, nette Erlebnis. Vielleicht kennen Sie dieses fast kindliche Gefühl der Freude und Leichtigkeit, wenn man einen Ort erkundet oder neue Geschmäcker kennenlernt. In dem Moment, in dem wir uns der Neugier des Entdeckens öffnen, bedankt sich auch unser Kopf bei uns. Mit frischen Eindrücken regen wir die Neuroplastizität unseres Gehirns an. Neue Verbindungen werden gebildet, wir lernen quasi im Vorbeigehen, bleiben anpassungsfähig und kognitiv fit.

Wo gehen Sie auf Entdeckungstour?

Umso mehr freue ich mich darauf, die Pfalz Stück für Stück weiter zu erkunden. Welche Geschichten verbergen sich hinter historischen Gebäuden? Welcher verwunschene Waldweg lässt uns noch tiefer in die Natur eintauchen? Wo können wir unseren Geschmackshorizont erweitern, sei es in einem spannenden Restaurant oder bei einem innovativen Weingut? Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass es wirklich Pfälzer gibt, die die Pfalz bis in den letzten Winkel erkundet haben. Aber wer ein größeres Jagdgebiet braucht, den darf dieses Entdecken natürlich auch über Rhein und Haardt hinausführen. Oder es kann daheim im Lesesessel stattfinden, wo ein Buch uns neue Dimensionen erschließen kann. Möglichkeiten gibt es viele – Hauptsache neuer Input! Also: Wo gehen Sie demnächst auf Entdeckungstour?

Janina Huber im Porträt

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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Das Grün der Zukunft

Vom Verbrauch zum Gebrauch

„Wintersaison“ im Pfälzerwald: Wenn die Blätter fallen, beginnt die Hauptzeit der Holzernte. Obwohl es dem Wald in Zeiten des Klimawandels immer schlechter geht, ist dies nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Parallel zum Fällen von Bäumen werden Konzepte entwickelt und Strategien verfolgt, wie das Grün der Zukunft zu mehr Widerstandskraft kommen kann. Eine Expedition ins Dreieck zwischen Wirtschaft, Erholung und Natur.

HOLZRÜCKEN Im Wald geerntete Bäume werden mit dem Forwarder an Transportwegen abgeladen. Holz wird immer „frei Waldstraße“ verkauft.Foto: Norman Krauß

Ein Tag im Dezember 2023. Leichter Dunst liegt nach langem Regen zwischen den Bäumen im Pfälzerwald bei Hinterweidenthal (Landkreis Südwestpfalz). Es riecht nach frischem Holz. Mit einem Greifarm werden Baumstämme nach und nach übereinandergeschichtet. Ein Holzpolter entsteht am Rand eines befahrbaren Waldweges. Mit dem sogenannten Forwarder, einem Tragschlepper, sind die Stämme zuvor aus dem Wald geholt worden. Der Vorgang wird als Holzrücken bezeichnet. Nun liegt das Holz zum Abholen bereit, denn verkauft wird es grundsätzlich „frei Waldstraße“. Bis zu diesem Punkt ist es allerdings in mehrfacher Hinsicht ein langer Weg: Zum einen, weil die Holzernte auf einer Vielzahl von Gesetzen und Regeln basiert, vom Betretungsrecht des Waldes bis zu Grundsätzen der Waldwirtschaft. Zum anderen, weil es schlicht Jahrzehnte dauert, bis Bäume groß genug gewachsen sind.

EMOTIONEN Arbeiten mit schwerem Gerät hinterlassen Spuren, die bei Waldbesuchern immer wieder auf Unverständnis stoßen. Foto: Norman Krauß

Emotionen im Wald

Holzernte geht deshalb immer auch mit Emotionen einher. Zum einen, weil natürlich das schwere Gerät Spuren hinterlässt. Wanderer oder Mountainbiker fühlen sich durch matschige Wege gestört. Zum anderen, weil Bäume, die unter dem Klimawandel immer mehr leiden, geschützt werden sollen. Über das Wie streiten jedoch selbst die Fachleute. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Fragen: Braucht es den Menschen, um den Wald zu retten? Oder soll man die immens schwierige Aufgabe der Natur überlassen? Unstrittig ist in beiden Lagern nur eines: Intakte Wälder sind überlebensnotwendig. Ohne natürliches Senken von Kohlendioxid (CO2) werde keine Klimaneutralität erreichbar sein, so der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Allein auf technischem Weg seien Emissionen nicht auf Null zu reduzieren.

SEHNSUCHTSORT Der Mensch braucht den Wald auch fürs Seelenheil und die Gesundheit. Foto: Landesforsten RLP.de/Markus Hoffmann

Exkurs in die Geschichte

Der Mensch lebte ursprünglich mit und im Wald. Dies hat sich über die Jahrtausende hinweg geändert. Nicht geändert hat sich die Tatsache, dass der Mensch ohne Wald nicht auskommt. Er braucht ihn von Geburt an zum Atmen. Er braucht ihn zum Bauen, zum Heizen oder als Rückzugsort zur Erholung, fürs Seelenheil und die Gesundheit. Wald diente über Jahrhunderte als eine Vorratskammer für Beeren, Pilze, Wildbret und – vor allem – Holz. Doch eine stetig wachsende Zahl an Menschen räumt diese Vorratskammer immer schneller aus. Bereits im Jahr 1713 forderte der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz in seinem Buch „Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ immer nur so viel Holz einzuschlagen, wie nachwächst. Heute gilt dies als Grundidee der Nachhaltigkeit. Zwei Jahrhunderte später erweiterte der Berliner Forstwissenschaftler Alfred Möller diesen Ansatz. Er machte sich 1920 für einen Wald ohne Kahlschlag stark. Möller nannte ihn „Dauerwald“. Dort, so sein Ansatz, sollen nur einzelne Bäume gefällt und so die Artenvielfalt gesichert werden. Seinem Vorschlag folgten damals allerdings nur wenige Waldbesitzer.

Katastrophen als Auslöser

Forstwissenschaftler Georg Josef Wilhelm. Foto: Privat

Ein Sprung zurück in die Gegenwart mit einem Rückblick: Gestern wie heute, der Mensch kümmert sich immer erst dann um Probleme, wenn sie schon akut sind. Dies war bei Carlowitz so, der auf Naturkatastrophen seiner Zeit und vor allem aber auf den Raubbau am Wald für den sächsischen Bergbau reagierte. Dies war bei Möller so, dessen Dauerwald-Gedanke erst mit dem Waldsterben der 1980er-Jahre wieder in den Fokus rückte. Und dies war 1990 so, als die Orkantiefs Vivian, Wiebke und Co. zwischen Januar und März für Schäden in Milliardenhöhe sorgten. Das Saarland und Rheinland-Pfalz waren besonders stark betroffen. „Damals sind Jahreszuwächse von 10 bis 15 Jahren flächig einfach umgefallen“, erinnert sich Georg Josef Wilhelm. Der Forstwissenschaftler, früherer Forstplaner und Forstamtsleiter, verantwortete zuletzt ab 2015 als Ministerialrat im Klimaschutzministerium die Bereiche Naturnahe Waldwirtschaft, Waldschutz, Waldplanung, Forschung und Entwicklung. Seit Juni 2023 ist er im Ruhestand. In der Folge der Orkane, so Wilhelm heute, sei es zu einem „Paradigmenwechsel“ in der rheinland-pfälzischen Forstwirtschaft gekommen.

WINDWURF Orkane sorgten auch für einen „Paradigmenwechsel“ in der Forstwirtschaft. Foto: Landesforsten RLP.de/Sebastian Heinrich

Qualifizieren – Dimensionieren

„Wald ist eine Lebensgemeinschaft, die durch Bäume geprägt ist. Hier wirkt alles zusammen. Das meiste spielt sich dabei im Boden ab“, erklärt Wilhelm die Handlungsgrundlage der Forstleute. Für ihn bedeutet Klimawandel vor allem auch Artensterben, was zum Zerreißen von Lebensnetzen führe. „Es geht also darum, Lebenssysteme so wenig wie möglich zu stören“, ergänzt er. Vor diesem Hintergrund hat Wilhelm maßgeblich die naturnahe Waldbewirtschaftungsstrategie „Qualifizieren – Dimensionieren (QD)“ entwickelt, die sich an den charakteristischen Phasen orientiert, die Bäume durchlaufen (siehe auch Infografik oben). QD spielt nun seit bald 30 Jahren in den rheinland-pfälzischen Wäldern eine wichtige Rolle. „Wald ist keine Baustelle“, stellt Wilhelm fest und erinnert gerne an einen seiner Vorgänger, den Ministerialrat Dr. Walter Eder (Kirchheimbolanden). Es gehe also nicht um Waldbau, sondern um Waldentwicklung und eine naturnahe Waldwirtschaftsstrategie. Wilhelm betont: „Dies ist eine Daueraufgabe. Sie ist noch nicht in allen Köpfen verankert. Wir alle sind auf einem Weg.“

In Ökosysteme einfühlen

Kurz und knapp lässt sich Wilhelms Vision von Waldwirtschaft mit „vom Verbrauch zum Gebrauch“ beschreiben. Diese Haltung kommt auch in seinem Lebensprinzip „weder geizig – noch gierig“ zum Ausdruck. „Wir denken nicht mehr darüber nach, dass wir unsere Lebensweise auf schieren Verbrauch ausrichten“, kritisiert er. Diese Verbrauchskultur bezeichnet Wilhelm als Webfehler. Die große Herausforderung sei es, aus dem Wald zu schöpfen, ohne ihn zu erschöpfen. „Man kann Ökosysteme nicht beherrschen oder gar verbessern, sondern man muss sich so gut wie möglich einfügen“, ist Wilhelm überzeugt, dass Nutzen für den Menschen daraus gezogen werden kann, wenn sich dieser „integriert oder reintegriert“. In Rheinland-Pfalz gibt es zum Beispiel keine flächenweise Durchforstung mehr. „Die seit langem überwundene Kahlschlagwirtschaft war für mich der größte Horror“, fügt Wilhelm hinzu.

KLUMPENPFLANZUNG Unter Fichten soll Buchenvoranbau die Basis für einen klimastabilen Wald der Zukunft bilden. Foto: Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber

Den Klumpen im Blick

Für einen Generationenwechsel in Wäldern und zur Wiederbewaldung von Freiflächen ist die Verjüngung entscheidend. Sämlinge, Wurzelschösslinge oder Stockausschläge von Bäumen, die sich oft spontan einstellen, konkurrieren immer mit anderen Pflanzen. Auch bei Pflanzenfressern wie Rehen sind sie als Leckerbissen begehrt. Waldwirtschaftlich gelten Bäume erst als etabliert, wenn sie sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben. Mit QD werden dabei gezielt Teilflächen, sogenannte Klumpen, in den Fokus genommen, um eine starke neue Waldgeneration heranwachsen zu lassen (siehe Infografik links). Zwischen diesen Klumpen, die meist weniger als zehn Prozent der Fläche einnehmen, ist viel Platz für die eigendynamische Entwicklung. Diese ist ohnehin ganz stark auf Waldentwicklung gerichtet. Später wählt man besonders vitale „Zukunfts- oder Auslesebäume“ aus, die nochmal 50 oder sogar 200 Jahre später bei der Ernte mit geraden, astfreien Stämmen besonders wertvolles Holz liefern. Wenn der höchste Mehrwert im Holzkörper erreicht ist, würde nach herkömmlicher Wirtschaftsweise bereits mit der Holzernte der Nutzungszyklus geschlossen. In der naturnahen Waldwirtschaft verbleiben jedoch ausreichend Bäume für den kompletten Naturzyklus im Wald. Sie „reifen“ weiter und mit der Zeit beginnt der Zerfall. So bleiben waldökologische Regelkreise und die Lebensgrundlage für eine Vielzahl von Arten erhalten. Forstexperte Wilhelm ordnet ein: „Es geht darum, Extreme zu vermeiden. Wald ist komplex, aber nicht kompliziert.“ Für ihn ist QD „keine Strategie für die Ewigkeit, sondern ein in sich lernendes System, das Gestaltungsfreiheit zulässt“.

Wald ist nicht gleich Wald

Diese ist auch erforderlich, denn Wald ist nicht gleich Wald. Schon gar nicht in einem Bundesland wie Rheinland-Pfalz, dessen Fläche mit rund 840.000 Hektar zu 42 Prozent mit Wald bedeckt ist. Er befindet sich zu etwa 46 Prozent im Eigentum von Städten, Gemeinden und anderen Körperschaften. Privatleuten gehören 27 Prozent, dem Land Rheinland-Pfalz 26 Prozent und der Bundesrepublik ein Prozent. Angesichts der großen Gesamtfläche wird hier besonders augenfällig, was der Klimawandel bewirkt: Nur noch 19 Prozent aller Bäume in Rheinland-Pfalz sind ohne Schadmerkmale. Betroffen ist natürlich auch der Pfälzerwald, der jedoch noch davon profitiert, dass er überwiegend aus resistenterem Mischwald besteht. Wegen seiner unvergleichlich hohen Bewaldungsdichte gilt er als größtes zusammenhängendes Waldgebiet Deutschlands. Das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen erstreckt sich auf deutscher Seite über eine Fläche von 180.000 Hektar. Rund 75 Prozent davon sind bewaldet. Auch innerhalb dieser Region gibt es große Unterschiede.

Kernzonen als Besonderheit

Beispiel 1: das Forstamt Hinterweidenthal. Wie alle Forstämter ist es zum einen Informationsstelle für Fragen zu Themen des Waldes von Brennholz über die Jagd oder Freizeitangebote bis zur Umweltbildung. Zu den Aufgaben zählen die Waldpflege oder die Betreuung von Wegen und Erholungseinrichtungen. In Hinterweidenthal, das Team umfasst rund 50 Köpfe, ist man zuständig für 16.000 Hektar Fläche, von denen rund 10.000 Hektar Staatswald, 3500 Hektar Privatwald und 2500 Hektar kommunaler Wald sind. Organisiert ist man als Gemeinschaftsforstamt mit Revierdienst für den Kommunal- und Staatswald, den sich fünf staatliche Förster teilen. Zwei arbeiten in Mischrevieren, drei betreuen ausschließlich Staatswald. Dazu kommen ein kommunaler Forstbeamter und ein Privatwaldbetreuer. Sie beraten die Eigentümer und wirken bei der Bewirtschaftung mit. „Zu uns gehört mit insgesamt 2400 Hektar die größte Kernzonenfläche im Pfälzerwald“, nennt Forstamtsleiter Michael Grünfelder eine Besonderheit. In den Kernzonen des Biosphärenreservats bleibt sich die Natur selbst überlassen, sodass besondere Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstehen. Sie machen im gesamten Pfälzerwald rund drei Prozent der Fläche aus. Eingebettet sind sie in Pflegezonen, die schädliche Einflüsse auf die Kernzonen abschirmen sollen.

Thema „Pfälzerwald“ in der VielPfalz

Von der Fläche zum Einzelbaum

Eine Hauptaufgabe ist auch die Organisation von Holzeinschlag und Holzvermarktung. In Hinterweidenthal, so Forstamtsleiter Grünfelder, werden jährlich etwa 35.000 Festmeter Holz aus dem Staatswald verkauft. Hinzu kommen weitere rund 15.000 Festmeter aus dem Gemeinde- und Privatwald. Aus kartellrechtlichen Gründen ist die Vermarktung über jeweils eigene Verkaufsorganisationen geregelt. Das Forstamt Hinterweidenthal ist zudem, zusammen mit den Forstämtern Wasgau (Dahn) und Westrich (Pirmasens), für die Ausbildung von Waldarbeitern (Forstwirten) zuständig. Grünfelder, Jahrgang 1958 und seit 2000 im Amt, unterteilt seinen Bereich grob in zwei Teile: „Die Bundesstraße 10 ist quasi die Grenze. Nördlich, im inneren Pfälzerwald, haben wir klassischen Laubwald, südlich mit Kiefern einen höheren Nadelholzanteil.“ Gute Standortbedingungen in den Hochlagen des Pfälzerwaldes heben laut Grünfelder die Konkurrenzkraft der Traubeneiche und führen sie, neben der Buche, in eine mitherrschende Rolle. „Bis 1990 gab es in unserem Gebiet noch Kahlschläge“, berichtet Grünfelder. Heute orientiere man sich auf der Basis der QD-Strategie nicht mehr an der Fläche, sondern am Einzelbaum. Genutzt werde nur so viel, wie nachwachse. Dabei ist die Zahl der geernteten Bäume insgesamt zurückgenommen worden. „Es gibt aber keinen Masterplan, denn alles ist ein dynamischer Prozess“, betont der Forstamtsleiter.

Inventur und Planung

Basis für die Waldbewirtschaftung ist die sogenannte Forsteinrichtung. Sie umfasst zum einen die Wald-inventur, die den Waldzustand mit Standorten, Fläche oder Baumzahl detailliert dokumentiert. Zum anderen kommen die Kontrolle der bisherigen Maßnahmen und die Planung hinzu. „Der Schutz von Boden, Luft, Wasser, aber auch die verfügbare Arbeitskraft setzen klare Grenzen“, erklärt Grünfelder. Die Revierleiter müssten sie erkennen und berücksichtigen. Für die Holzernte gibt es eine Zehnjahresplanung, die durch eine jährliche Wirtschaftsplanung konkretisiert wird. Die Fläche wird nach Waldorten strukturiert. Zu klären sind dabei Fragen wie: Welche Menge Holz wird benötigt? Welche Maschinen sind dafür notwendig? Welche Konflikte könnte es geben? Der Bereich technische Produktion erstellt auf dieser Basis einen Umsetzungsplan. Parallel erfolgt, in Abhängigkeit von den Kosten, eine nationale oder europaweite Ausschreibung der Waldarbeiten. „Nur ein bewirtschafteter Wald bringt die volle Wirkung“, betont Grünfelder, weil Kohlendioxid (CO2) dann im Wald und in Holzprodukten gleichzeitig gespeichert werde. Das an anderer Stelle wichtige Totholz dagegen gebe CO2 ab.

Forstamtsleiter Johanniskreuz: Niklas Tappmeyer. Foto: Michael Dostal

Planung mit Detailschärfe

Beispiel 2: das Forstamt Johanniskreuz. Gut 30 Kilometer weiter nördlich liegt es im Herzen des Pfälzerwaldes. Der Zuständigkeitsbereich umfasst 23.000 Hektar. Auch hier hat der Staatswald mit 17.000 Hektar, gefolgt von 4000 Hektar kommunalem und 2000 Hektar privatem Wald, den größten Anteil. Niklas Tappmeyer, seit September 2022 Leiter des Forstamtes, erklärt die Struktur. Die Gesamtfläche unterteilt sich in Reviere, Distrikte, Abteilungen und Waldorte. Von Bereich zu Bereich wird die Größe dabei von zunächst rund 2000 Hektar bis am Ende auf fünf bis 15 Hektar kleiner. Auch hier ist die Forsteinrichtung Basis der Arbeit. „Für unsere Fläche umfasst das Zahlenwerk mehr als 6000 DIN A4-Seiten. Die Baumartenliste zeigt nicht nur den Mengenanteil, sondern auch das Alter“, beschreibt Tappmeyer Größenordnung und Detailschärfe des Planungsinstruments. Rund drei Viertel betreffen die zukünftige Waldentwicklung, das restliche Viertel beschreibt betriebswirtschaftliche Ziele. „Die Herausforderung ist die Frage, was wir in 200 bis 300 Jahren brauchen“, erklärt Tappmeyer.

WERTHOLZ Auf dem Lagerplatz bei Johanniskreuz liegen etwa 300 Jahre alte Eichen bereit, für die Kaufinteressenten Gebote abgeben. Foto: Michael Dostal

„Brautschau“ im Wald

Warum dies so ist, wird auf dem Lagerplatz in Johanniskreuz deutlich. Mitte Dezember beginnt hier die „Brautschau“. In Reih und Glied liegen mächtige Eichenstämme neben- und hintereinander. Insgesamt rund 450 Festmeter mit einem Wert von etwa 700.000 Euro. Alle sind etwa 300 Jahre alt. Alle sind von Anfang Oktober an aus dem Wald „geholt“ worden. Bis Ende Januar konnten Interessierte ihre Gebote abgeben, um das Holz zu erwerben. Bei den Traubeneichen, die trockenere Standorte lieben, handelt sich um Wertholz im Wortsinn. Der Buntsandstein-Untergrund sorgt für ein langsames, stetiges Wachstum und damit für ein mildes Holzbild oder einen geraden Faserverlauf. Das eine ist für Furnierholz wichtig, das andere schätzen Fassbauer. Tappmeyer: „Die Eiche ist mit Preisen zwischen 1000 und 4000 Euro pro Festmeter das wertvollste Holz.“ Glücklicherweise komme sie mit Trockenstress gut zurecht, sodass man auch künftig mit auf die Eiche setzen könne. Seinen Antrieb für die Arbeit beschreibt Tappmeyer, Jahrgang 1992, so: „Demut vor dem, was meine 15 Vorgänger hinterlassen haben. Und die Überzeugung, dass es nichts Besseres für den Klimaschutz gibt als den Rohstoff Holz.“ Für dieses Ziel arbeite er mit Menschen, die mit dem Wald arbeiten.

Forstamtsleiterin in Kusel: Gabi Kleinhempel. Foto: Marco Sergi

Von Leitlinien überzeugen

Beispiel 3: Rund 35 Kilometer weiter nordwestlich liegt das Forstamt Kusel. Hier ist man für insgesamt 16.500 Hektar Waldfläche zuständig, die sich jedoch ganz anders aufteilt. Den kleinsten Anteil hat nämlich mit 3500 Hektar der Staatswald, dafür umfassen Privatwald 5000 Hektar und Kommunalwald sogar 8000 Hektar. Er gehört insgesamt 94 gemeindlichen Waldbesitzern im Landkreis Kusel. Um Synergieeffekte erzielen zu können, sind vor kurzem von 39 Gemeinden zwei Forstzweckverbände gegründet worden. Die anderen Kommunen haben über einen solchen Schritt noch nicht nachgedacht oder haben sich dagegen entschieden. Noch kleinteiliger ist der Privatwald mit etwa 20.000 Eigentümern, was teilweise zu Waldflächen in Gartengrundstückgröße führt. Deren Besitzer werden vom Forstamt Kusel, das deshalb eigens über ein Revier für Privatwald verfügt, beraten und betreut. Dies gilt auch für jede Kommune, die jeweils einen eigenen Betrieb darstellt oder Mitglied eines Zweckverbands ist. „Die Zeit des Erklärens beginnt für uns deshalb oft neu“, beschreibt Gabi Kleinhempel, die das Forstamt Kusel seit 2017 leitet, die Arbeit. Hintergrund: Alle fünf Jahre nach den Kommunalwahlen gibt es vielerorts neue Ortsbürgermeister und andere Zusammensetzungen der Gemeinderäte. „Wir müssen also immer wieder Menschen von unseren Leitlinien neu überzeugen“, ergänzt die 1963 geborene Leiterin. Es sei ja zu klären, was die Gemeinde in ihrem Wald mit Blick auf Erholung, ökologische Schutzfunktion und wirtschaftliche Nutzung erreichen wolle. „Die Kernthemen in der Zusammenarbeit sind immer die Rückschau, der Ist-Zustand als eine Art Inventur und die Vorausschau“, ergänzt Werner Häußer, seit 1987 Leiter des Reviers Lichtenberg. Er hat in der Verbandsgemeinde Kusel-Altenglan mit 18 Gemeinden zu tun.

Große Vielfalt an Baumarten

„Wir haben den Goldstandard“, freut sich Kleinhempel. Die Forstamtsleiterin spielt damit auf insgesamt 42 Baumarten und einen Nadelbaumanteil unter zehn Prozent in ihrem Zuständigkeitsbereich an. Mit Blick auf die Anforderungen an den Wald durch den Klimawandel sei dies eine gute Ausgangsposition. Die Gemeinden nehmen auch mit Hilfe des Forstamts am Förderprogramm der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) teil, in dem es um klimaangepasstes Waldmanagement geht. Dabei werden bei der Erfüllung vielfältiger Bewirtschaftungsauflagen unter anderem fünf Prozent der Gesamtfläche für 20 Jahre aus der Nutzung genommen. Nicht zuletzt beteiligt sich das Forstamt Kusel als Zentrum für Gen-Erhaltungsmaßnahmen der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz (FAWF) mit Sitz in Trippstadt an der Nachzucht von Pflanzen. Auf knapp 70 Hektar Fläche sind sogenannte Erhaltungs-Samenplantagen für mehr als 20 seltene und gefährdete Baumarten angelegt. Weitere Versuchsflächen dienen der Herkunftsforschung. Dabei geht es unter anderem darum, Daten zu erheben, die die Anbaufähigkeit und die Abstammung mit Blick auf den Klimawandel vergleichbar machen.

LECKERBISSEN Wildbestände bestimmen die Zukunft von Wäldern entscheidend mit. Wildmanagement ist deshalb ein wichtiger Baustein. Foto: Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber

Vorausdenken ist angesagt

Ziel der Arbeit: den Wald für die nächsten 150, 200 und 300 Jahre möglichst fit zu halten. „Forstleute müssen deshalb immer zwei, drei Schritte weiterdenken. Wir haben keine Glaskugel, aber verschiedene Schattierungen sehen wir schon“, erklärt Forstamtsleiterin Kleinhempel. Waldverwaltung sei immer in Bewegung, wie der Wald auch, ergänzt der 1962 geborene Revierleiter Häußer. Der Umgang mit Wald sei ja zudem keine neue Erfindung, sondern mindestens 2500 Jahre alt. Heute setze man in den Flächen auf Naturverjüngung und seit 2005 auf die QD-Strategie. Neu hinzu kämen stellenweise Ergänzungsbaumarten wie beispielsweise Baumhasel und Edelkastanie. In der Planung gehe man bei den laubholzgeprägten Waldbeständen pro Hektar von einem Zuwachs von vier und einer Entnahme von drei Festmetern aus. Ein Problem mit Blick auf die Waldentwicklung seien zu hohe Wildbestände, so Kleinhempel. So gebe es im Oberen Glantal mehrere Muffelwild-Rudel mit bis zu 150 Tieren sowie viel Damwild. „Die Wildbestände bestimmen die Zukunft entscheidend mit, deshalb ist ein Wildmanagement zwingend erforderlich“, betont die Forstamtsleiterin.

ZUKUNFTSBAUM An dieser Stelle signalisiert eine blaue Markierung, dass hier ein Baum wächst, der viele Jahre später besonders wertvolles Holz liefern soll. Foto: Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber

Ökologie und Holz als Ziel

Werner Häußer. Foto: Michael Dostal

Überall im Wald, dies zeigen die drei Beispiele, wird an dessen Zukunft gearbeitet. „Der Mensch nimmt sich zurück und schaut mehr auf das, was die Bäume machen“, beschreibt Bernhard Frauenberger die Grundphilosophie für alle. Als Referent im Mainzer Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität hat er seit 2023 – zuvor leitete er das Forstamt Soonwald im Hunsrück – eine Doppelfunktion. Der 1979 geborene Forstwissenschaftler verantwortet sowohl betriebliche Strategien von Landesforsten und berät als Teil der Forstabteilung im Ministerium politische Entscheidungsträger. Als „aktives Nichtstun, bei dem beobachtet und punktwirksam reagiert wird“ bezeichnet er den Kern der Zukunftsstrategie im Wald. „Festmeter sind ein Wert, aber nicht der alleinige“, betont Frauenberger und fordert, nicht gegen die Natur, sondern mit ihr zu arbeiten. Die Diskussion über das Wie müsse man auch im Rückblick fair führen. „Es war nicht alles schlecht, sondern alles muss aus der Sicht der jeweiligen Zeit betrachtet werden“, ergänzt Frauenberger. Wenn heute die einen den Wald alles selbst regeln lassen wollen und andere das Steuern durch den Menschen einfordern, so ist für Frauenberger die QD-Strategie die Antwort an beide Lager. „Wir müssen hier Brückenbauer sein“, macht er sich dafür stark, auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einzubinden. Die Devise müsse lauten: „Probleme benennen, dann an Lösungen arbeiten.“ Dabei rücken die Ökosystemdienstleistungen des Waldes immer mehr in den Mittelpunkt. Ein weiteres Ziel bleibt daneben die Holzgewinnung.

Bernhard Frauenberger. Foto: Landesforsten RLP.de

Im Gegenstrom-Prinzip

Ganz gleich, ob in Hinterweidenthal, Johanniskreuz, Kusel oder anderswo in er Pfalz, der Verkauf von Holz – auch auf dem Wertholzlagerplatz – wird zentral gesteuert. Für den gesamten Staatswald in Rheinland-Pfalz ist die Zentralstelle der Forstverwaltung (ZdF) mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße zuständig. Wenn es um Holz aus Gemeindewäldern geht, ist es die Kommunale Holzvermarktung Pfalz GmbH in Maikammer. Ähnlich wie im Wald selbst, sind auch beim Verkauf die Abläufe komplex. „Wir arbeiten in einer Art Gegenstrom-Prinzip“, erklärt Klaus Dunkel, seit 2019 Abteilungsleiter Produktion und Vertrieb bei der ZdF. Der Verkauf müsse sich einerseits an der Nachfrage orientieren, die sich zum Beispiel nach dem Umfang der Bautätigkeit richte. Andererseits hänge er von der Holzproduktion ab, die auf der Waldentwicklung basiert. Beide Seiten erfordern langfristige Prognosen. Hinzu komme, dass Kalamitäten wie Stürme oder Borkenkäferbefall Planungen durchkreuzen. So sind ein kontinuierlicher Holzbedarf auf der einen Seite und eine Holzerzeugung, die durch Wetter und Klima beeinflusst wird, auf der anderen Seite in Einklang zu bringen.

PRÄZISION Waldarbeiter (Forstwirte) haben beim Fällen von Bäumen eine diffizile Arbeit zu erledigen, die noch dazu gefährlich ist. Maschinen, sogenannte Holzvollernter, sind im Wald nur begrenzt einsetzbar. Fotos: Norman Krauß

Klaus Dunkel. Foto: Privat

Der lange Weg zum Holz

Rund eine Million Festmeter Holz aus dem Staatswald in Rheinland-Pfalz werden pro Jahr verkauft. Sie bringen alle zusammen zwischen 50 und 70 Millionen Euro für den Landeshaushalt. Die Preisspanne pro Festmeter reicht dabei von rund 50 Euro bis zu 1.000 Euro für beste Eichenstammhölzer. An der Spitze stehen Werthölzer für Furniere, Fässer oder Musikinstrumente. Danach folgt die Kategorie Sägeholz für Möbel, Fußböden, Dachstühle oder den Bau von Holzhäusern. Eine Stufe darunter wird Verpackungsholz einsortiert, das zum Beispiel für Holzpaletten benötigt wird. Und am Ende stehen Industrieholz für die Herstellung von Papier, Zellstoff oder Spanplatten sowie Brennholz. Letzteres wird übrigens von den Forstämtern an private Abnehmer auch direkt abgegeben. „Für alle Holzarten gilt grundsätzlich, verkauft wird nur, was die Forstämter anbieten“, betont Dunkel. Die Einschlagplanung liefert dafür das Mengengerüst. Seitens der ZdF erhalten die Forstämter Hinweise zur Planung, etwa welches Holz wohl im nächsten Jahr mehr oder weniger benötigt wird. „Im Wald gibt es mit Blick auf Holzarten glücklicherweise eine gewisse Dehnbarkeit“, erklärt Dunkel. Am Ende unserer Exkursion ins Dreieck zwischen Wirtschaft, Erholung und Natur ist also klar: Es ist nicht nur ein langer Weg bis zum Holzpolter in Hinterweidenthal, sondern auch zum Wald der Zukunft.

www.wald-rlp.de | klimawandel-rlp.de | fawf.wald.rlp.de
nachhaltigkeit-pfalz.de | waldwissen.net | koho-pfalz-gmbh.de | bmel.de | fnr.de | holz-von-hier.eu | charta-fuer-holz.de

„Naturnahe Waldwirtschaft mit der QD-Strategie“
Georg Josef Wilhelm/Helmut Rieger, Eugen Ulmer KG
ISBN 978-3-8186-0354-0, 224 Seiten, 29,90 Euro

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Foto-Tour im Pfälzerwald

Den Winterwald perfekt inszenieren

Der Pfälzerwald ist zu jeder Jahreszeit fotogen. Im Winter bietet er jedoch aufgrund des besonderen Lichts und der Natur einzigartige Motive. Lassen Sie sich von unseren Bildideen inspirieren und erfahren Sie, mit welchen Tricks besonders schöne Fotos vom Winterausflug gelingen.

FROSCHPERSPEKTIVE Mit dem Handy ist es viel einfacher als mit anderen Kameras, vom Boden aus zu fotografieren. Wagen Sie mal den Perspektivwechsel, wie im Foto von Matthias Schulz.

Der Winter ist die Jahreszeit der unzähligen Fotomotive. Glücklicherweise benötigt man dafür keinen Schnee, zumal der in der Pfalz nur ein paar Stunden liegen bleibt, wenn überhaupt. Eine teure Fotoausrüstung ist nicht notwendig, denn die beste Kamera ist die, die man dabeihat. Das Smartphone reicht für gute Bilder völlig aus und ist auch in der Wandergruppe kompatibler. Wenn der Profi seine Fotoausrüstung erst auspackt, hat das Handy schon wieder drei Bilder mehr in der Jackentasche. Aber: Knipsen Sie einfach drauf los oder fotografieren Sie bewusst?

In drei Sekunden zum besseren Bild

Der einfachste und wirksamste Trick zu besseren Fotos: Stellen Sie in der Handy-Kamera einen 3-Sekunden-Selbstauslöser ein und fotografieren Sie ab jetzt nur noch so. Sie schauen länger auf das Display und beschäftigen sich mit dem Motiv. Probieren Sie es aus! Sie sehen plötzlich das Bild als Fotograf und werden oft in den drei Sekunden den Bildausschnitt ändern. Und zwar am besten so:

eine verwitterte Bank im Pfälzerwald
RAUS AUS DER MITTE Die verwitterte Bank sieht interessant aus, weil sie aus der Mitte verschoben aufgenommen wurde. Das Motiv hat Jürgen Rink fotografiert.
Farne, Gräser und ein Pfad im Pfälzerwald, Nadelbaum im Vordergrund
FARBKONTRASTE Farne und Gräser sind im Winter oft hell statt grün und bieten reizvolle Kontraste. In diesem Bild von Jürgen Rink dient der Nadelbaum im Vordergrund zudem als Bildrahmen.

Eine Bitte noch zu diesen fünf Basistipps für die nächste Winterwanderung: Nehmen Sie zwei bis drei der Tipps in Gedanken mit und wenden Sie sie zusammen mit dem 3-Sekunden-Trick an. Die Qualität der Fotos wird damit aus der Masse herausstechen. Nach und nach nehmen Sie dann weitere Tipps in Ihr Repertoire auf.

Porträt von Jürgen Rink

Jürgen Rink…

… war viele Jahre Chefredakteur der Fotozeitschrift c’t Fotografie, die er auch gegründet hat, und ist Mitglied der deutschen Gesellschaft für Photograpie (dGPh). Er juriert Fotowettbewerbe und gibt Kurse und Vorträge, derzeit eher zum Thema KI statt Fotografie. In der Pfalz großgeworden und in die weite Welt gereist, wohnt Jürgen Rink seit Kurzem wieder in seiner alten Heimat Neustadt an der Weinstraße.

Winterwald-Eigenheiten

Im Winter wirkt der Pfälzerwald auf den ersten Blick trist und farblos. Der Himmel erscheint grau. Dennoch lohnt es sich, das Handy zu zücken, denn nur in dieser Jahreszeit zeigen sich die Astverzweigungen der Bäume. Baumporträts, die skurrile Stämme und Äste zeigen, wirken sehr gut vor einem hellen, nebligen Hintergrund, wie es ihn oft im Winter gibt. Das diffuse Licht bewölkter Tage leuchtet den Wald hervorragend aus. Regen hat einen ähnlichen Hintergrundeffekt wie Nebel: Der Baum kommt auch damit sehr gut zur Geltung.

Schwarz-weiß-Aufnahme einer Baumgruppe neben Weideflächen
WENIGER IST MEHR Die Baumgruppe mit den Holzpfosten wirkt, weil nicht allzu viele davon auf dem Bild sind. In der Wintersonne mit harten Schatten sieht Schwarzweiß sehr gut aus. Ein Motiv von Matthias Schulz.

Nutzen Sie die Sonne

Wenn sich dann mal die tiefstehende Sonne in der kalten Jahreszeit zeigt, leuchtet der Wald in harten Kontrasten. Übrigens: Während Fotografen im Sommer mittags Pause machen, weil die Sonne zu steil scheint, hat die tiefe Wintersonne den Vorteil, dass Sie den ganzen Tag über schöne Fotos machen können. Die Baumgruppe im Gegenlicht, wenn einer der Bäume die Sonne verdeckt, wirkt zum Beispiel immer. Nutzen Sie die Sonne nicht nur als Beleuchtung, sondern auch als Fotomotiv. Wenn das Bild auf dem Display über- oder unterbelichtet ist, ändern Sie einfach die Helligkeit – das geht beim Handy sehr einfach.

Weniger statt mehr Objekte

An den starken Kontrasten und Schlagschatten durch die Wintersonne kann man sich kaum sattsehen. Doch wirkt ein solches Foto oft nicht, weil zu viele Licht- und Schattenbereiche im Bild sind. Beschränken Sie sich daher auf wenige Objekte. Im Sonnenlicht ist ein Baum, Strauch, Felsen oder auch eine Bank der Schwerpunkt, den das Bild braucht.

Kahle Laubbäume im Gegenlicht der Wintersonne
SCHLAGSCHATTEN Wenn dann mal ausnahmsweise die Sonne scheint, ergeben sich im Gegenlicht interessante Schattenspiele auf dem Boden, die Matthias Schulz eingefangen hat.

Fotostudio Wald

Der Wald ist ein riesiges Fotostudio mit vielen Gegenständen. Um ein ruhiges Bild zu erzeugen, sollten sich Baumstämme möglichst nicht überkreuzen. Parallele Stämme sehen besser aus. Wenn zwischen den Stämmen noch helle Kontraste sind, entsteht ein wunderschönes Foto. Im Winter werden viele Gräser und andere niedrige Pflanzen gelb bis hellgelb und wirken zwischen den Bäumen als faszinierender Kontrast. In der Nähe der Hohe-Loog-Hütte bei Neustadt kann man das beobachten.

Matthias Schulz…

… fotografiert schon fast sein ganzes leben lang. Der versierte Hobbyfotograf ist vor allem bei Hochzeiten und in der People-Fotografie tätig. Doch bei den zahlreichen Wandertouren im Pfälzerwald ist die Kamera immer dabei. Nicht nur die Kamera: Matthias Schulz lässt gerne für spektakuläre aufnahmen die Drohnen hoch über die Berge steigen. Er nahm an einigen Fotowettbewerben und Ausstellungen teil.

Ein Rahmen veredelt das Bild

Nutzen Sie das natürliche Fotostudio zum Beispiel, wenn Sie weit über die Pfälzer Berge schauen: Fotografieren Sie das Panorama so, dass Zweige und Boden einen Rahmen geben, wann immer Sie in die Weite fotografieren. Das Motiv wirkt mit einem natürlichen Waldrahmen viel besser, genauso wie ein Rahmen ein Bild veredelt.

Unendliche Möglichkeiten

In der Pfalz haben wir Mischwald und damit die volle Auswahl: Um in den Wald reinzufotografieren, eignen sich Nadelbäume hervorragend, für Gegenlichtaufnahmen bieten Laubbäume die besseren Motive.

Detailaufnahme einer Pilzkolonie auf dem Waldboden
DETAILS Im kargen Winterwald findet man ständig Objekte, die ein Foto wert sind: hier eine reizvolle Pilzkolonie, fotografiert von Jürgen Rink.

Bildideen für die Wanderung

Damit der Übergang vom Knipsen zum Fotografieren leicht gelingt, haben wir hier noch einige Foto-ideen: Setzen Sie zum reizvollen Blick mit Aussicht im Pfälzerwald noch eine Person in Szene, und zwar so, dass sie nur klein von hinten auf dem Bild zu sehen ist. Wenn Sie Gemälde von Caspar David Friedrich kennen: Genau so. Das Foto wirkt erhabener, der kleine Mensch in der großen Natur.

Zwei Baumstämme die zusammen den Buchstaben R bilden
BUCHSTABENSPIEL Suchen Sie Baumformationen, die wie Buchstaben aussehen. Wer die meisten fotografiert hat, gewinnt – das ideale Motivationsspiel für den Nachwuchs im Wald (das hier ist zwar kein Winterwald, aber das R ist so schön – gefunden und fotografiert von Jürgen Rink).

Gerade mit dem Handy ist es sehr einfach, direkt vom Boden aus der Froschperspektive so zu fotografieren. Einfach deshalb, weil Sie auch von schräg oben noch das Motiv im Handy-Bildschirm erkennen. Dazu kommt die enorme Schärfentiefe der kleinen Kamera, der Vordergrund ist dadurch genauso zu erkennen wie das eigentliche Bildmotiv. Die Bodenaufnahmen sind die Spezialdisziplin der Handy-Kamera. Das können die Pfütze mit Spiegelung sein oder die Blätter auf dem Waldboden.

Schauen Sie nach Details im Wald, statt immer nur die spektakuläre Aussicht aufzunehmen. Gerade im Winter ist die Auswahl an Pilzen, skurrilen Ästen, moosüberzogenen Steinen, Eiszapfen, Regentropfen groß. Ein Mikrokosmos der Möglichkeiten tut sich auf.

Das Baumbuchstabenspiel ist ein spaßiger Fotowettbewerb, um den Nachwuchs auf der Wanderung bei Laune zu halten: Jeder sucht nach Baumformationen, die wie ein Buchstabe aus dem Alphabet aussehen. Wer die meisten Waldbuchstaben aufgenommen hat, darf sich in der Pfälzer Hütte etwas wünschen. Welche Bildideen fallen Ihnen ein, wenn Sie das lesen?

Los geht’s!

Wählen Sie für die nächste Winterwanderung aus den vielen Anregungen und Tipps diejenigen aus, die Ihnen am besten gefallen. Und wenn dann auch noch ein spektakuläres Foto dabei herauskommt, das sich zu Hause für die Wohnzimmerwand eignet, dann bietet sich ein Leinwanddruck von einem der zahlreichen Dienstleister an. Die Handy-Auflösung reicht für DIN A4, manche High-End-Handy-Kameras erlauben sogar DIN A3.

Meist kommt der Wunsch nach Bildbearbeitung auf, wenn ein Bild an die Wand soll. Das Handy bietet schon viele Modi, die man einfach durchprobieren kann. Apps wie Snapseed und viele andere bieten noch viel mehr Bildbearbeitung fürs Handy. Auf dem PC sollten sich Einsteiger die kostenlosen Programme jpg-Illuminator und FastStone Image Viewer ansehen, die leicht bedienbar sind.

Viel Spaß im Pfälzerwald und schöne Fotos!

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Veranstaltungs­tipps

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Natürlich gärtnern

„Ein Gefühl von Vertrautheit
und Wärme“

Im Garten wächst Obst und Gemüse. Im Garten blühen Stauden und Sträucher. Im Garten summt, brummt und zwitschert es. Im Garten wird gespielt, gefeiert, gearbeitet – und entspannt. Eine ansprechende Gestaltung ist unerlässlich, damit der Garten all diesen Zwecken gerecht wird. Gartendesignerin Heide Pfeiffer gibt Redakteurin Kathrin Engeroff Antworten auf die Fragen, welche Elemente und Farbkonzepte in einem naturnahen Garten zum Tragen kommen.

Trockenmauer mit bunten Sommerblumen
Foto: freepik.com/Aopsan

Welche grundlegenden Prinzipien sollten für ein ansprechendes Gesamtbild bei der Planung eines Gartens beachtet werden?

Die wichtigsten Prinzipien der Gartengestaltung sind Einheitlichkeit, Ordnung, Wiederholung und Proportion. Eine einheitliche Gestaltung sorgt dafür, dass verschiedene Bereiche des Gartens oder verschiedene Elemente wie Pflanzen, Materialien, Farben und Strukturen zusammenpassen und eine harmonische Einheit bilden. Ordnung ist ein grundlegendes Prinzip, das dazu beiträgt, dass der Garten visuell ansprechend und funktional ist. Dazu gehört die Anordnung der Beete, Wege und anderen Pflanzflächen. Proportion bezieht sich auf die ausgewogene Beziehung zwischen den verschiedenen Elementen im Garten, zum Beispiel durch die richtigen Größenverhältnisse. Ziel ist es, eine visuelle Harmonie und Ästhetik zu schaffen, die das Auge anspricht und ein angenehmes Gartenerlebnis bietet.

Warum ist eine ansprechende Gartengestaltung wichtig für das Wohlbefinden der Menschen?

Menschen fühlen sich im Allgemeinen in einer gestalteten Landschaft wohl, in der die genannten Prinzipien eines guten Designs umgesetzt sind. In einer Landschaft mit vorhersehbaren Mustern, Wiederholungen und ausgewogenen Proportionen können Menschen ein Gefühl von Sicherheit und Wohlbefinden entwickeln. Zudem entstehen Freude und ästhetisches Vergnügen beim Aufenthalt in einer einheitlich gestalteten und harmonischen Landschaft.

Welche Elemente sind neben den Pflanzen für die visuelle Erscheinung entscheidend?

Die Grundstruktur des Gartens entsteht aus den Elementen, die bleiben, wenn die Blumen verblüht und die meisten Blätter verschwunden sind: Mauern, Zäune, Pergolen, Terrassen, Wege, Bänke, Steine, Skulpturen, Bäume und Sträucher. Solche strukturellen Elemente verleihen dem Garten optischen Halt und dauerhaften Charakter. Viele Gehölze wirken durch ihre schöne Wuchsform und bilden nach dem Laubfall skulpturale Blickpunkte. Ein Beispiel hierfür ist die mehrstämmige Kupfer-Felsenbirne. Sie hat einen besonders malerischen Wuchs und zählt zu den attraktivsten Vier-Jahreszeiten-Gehölzen überhaupt. Ende April erscheinen weiße Blütentrauben, gefolgt von einem kupferfarbenen Austrieb. Im Herbst zeigt sie eine aufregende Färbung in Gelb-, Orange- und Rottönen und im Winter sind die Früchte eine beliebte Nahrungsquelle für Vögel.

Frühlingsbeet mit gelben Tilpen und blauen Traubenhyazinthen
BERUHIGEND Kühle Farben wie Blaz und Blauviolett lassen uns zur Ruhe kommen. Foto: Unsplash/Faith Crabtree

Welche Rolle spielt dabei die Farbgestaltung?

Wie die Forschung zeigt, lassen sich mit Farben Stimmungen erzeugen und unser emotionales Befinden beeinflussen. Dieses Prinzip kann man auch im Garten anwenden und mit vorwiegend beruhigenden Farben den Garten zu einem Ort machen, an dem wir uns entspannen und wohlfühlen. Vor allem Sand- und Erdfarben sowie Braun und alle dazugehörigen Untertöne wie Lehm, Ocker und Terrakotta wirken beruhigend. Diese sanften Farben kommen in der Natur am häufigsten vor. Deshalb nehmen wir sie auch als natürlichen Bestandteil eines Gartens wahr und fühlen uns in diesen Farben sicher und geborgen. Sie vermitteln Stabilität und Verlässlichkeit. Ein solches warmes Farbschema lässt sich gut im Garten umsetzen, indem man Naturstein verwendet, um Terrassen, Wege und Mauern zu gestalten. Kühle Farben wie Blau, Blauviolett, Blaugrün, Grüngelb, Grün und Weiß wirken allgemein auch beruhigend. So kann man zum Beispiel ein blaues Beet anlegen, mit Traubenhyazinthen zusammen mit Blauer Balkan-Anemone im Frühjahr, Akelei im Frühsommer, Steppen-Salbei, Blaunessel und Kleiner Kugeldistel im Sommer sowie die Glatte Aster im Herbst.

Wie wirken im Gegensatz dazu warme Farben?

Blick in einen Garten mit roten Stauden

Warme Farben wie Gelb, Orange und Rotorange wirken anregend und aktivierend. Orange Farbtöne können die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin anregen, was zu gesteigerter Motivation und Lebensfreude führt. Eine besonders hübsche Pflanze mit orangefarbenen Blüten ist der Wald-Scheinmohn. Die Pflanze wirkt im Staudenbeet sehr schön, wenn sie locker dazwischen gestreut wird. Da der Wald-Scheinmohn nicht sehr langlebig ist, ist er gut geeignet in einem neu angelegten Beet die anfangs noch vorhandenen Lücken zu füllen. Gelb wiederum hat eine breite Palette an Nuancen, zum Beispiel die blassgelben Blütenköpfchen der Gelben Skabiose oder die zarten gelbgrünen Blütendolden von Fenchel und Dill – beides aparte Pflanzen, die mit ihrem filigranen Laub auch im Staudenbeet eine gute Figur machen. Schön wirkt es auch, wenn man in überwiegend blauen oder blau-violetten Pflanzungen mit einigen wenigen gelb blühenden Stauden helle Akzente setzt.

Welche Farbtöne dominieren in einem natürlichen Garten?

Die Farbgestaltung natürlicher Gärten zielt darauf ab, eine harmonische Verbindung zur umgebenden Natur herzustellen. Deshalb werden in naturnahen Gärten meist Materialien mit eher erdigen Farbtönen verwendet, die auch in der Natur häufig vorkommen und eine warme Ausstrahlung besitzen. Sanfte Erd- und Grautöne finden sich in Naturmaterialien, wie beispielsweise in einem Holzdeck, in einem Staketenzaun aus Kastanie, in einer geflochtenen Beeteinfassung aus Haselnuss oder auch bei einer Gartenmauer, die in einem warmen Terrakottaton gestrichen ist. Auch die graue Patina eines Holzzaunes oder eines Gartenhauses und graue Pflastersteine haben eine solch natürliche Ausstrahlung. Grün, die Farbe der Vegetation, ist ohnehin die vorherrschende Farbe in den meisten Gärten. Im naturnahen Garten haben Stauden, Sträucher und Bäume jedoch nicht nur eine ästhetische Funktion, sie sind gleichzeitig auch eine natürliche Nahrungsquelle und Lebensraum für Vögel, Insekten und andere Tiere. Mit bewussten Grüntönen lassen sich ganz unterschiedliche Stimmungen im Garten erschaffen. Wie beispielsweise das freundliche Gelbgrün von Frauenmantel, das eine heitere Atmosphäre verbreitet. Vornehm und edel wirken dagegen die elegant überhängenden, mattgrünen Triebe des Vielblütigen Salomonssiegels. Ganzjährig grüne Gräserflächen tragen wesentlich zu einer ruhigen Stimmung innerhalb von Vegetationsbildern bei. Es gibt attraktive heimische Gräser wie Pfeifengräser, Schwingel und Kopfgräser, die den Garten gestalterisch bereichern und gleichzeitig wichtige Nahrungsquelle für viele Schmetterlingsraupen sind. Der Schutz dichter Gräserhorste dient Schmetterlingen auch als Rückzugsort.

Heide Pfeiffer lebt in der Westpfalz bei Kaiserslautern und machte sich 2013 als Gartendesignerin selbständig. Sie bietet Bepflanzungskonzepte, Gartenentwürfe sowie Gartendesign-Beratungen sowohl online als auch vor Ort an. Heide Pfeiffer lernte Gartendesign an der English Gardening School in London und bei Gartengestalter Johann Bauer in Italien. Eine Weiterbildung in naturalistischem Gartendesign folgte dann beim englischen Gartengestalter Dan Pearson. Zuvor war Heide Pfeiffer wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. „Der Entschluss, Gartendesign zum Beruf zu machen, entstand aus der Wahrnehmung des tiefgreifenden Einflusses, den ein bewusst gestalteter Garten auf Menschen haben kann. Ein Garten kann ein wunderbarer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit sein und gleichermaßen eine überaus heilsame Wirkung auf das seelische Wohlbefinden seiner Nutzer entfalten.“ [ayß]

Info: gartenumgestalten.de

Mögen Schmetterlinge und Co. nicht auch bunte Blüten?

Obwohl die verwendeten Materialien in Naturgärten überwiegend in zurückhaltenden Naturtönen gehalten sind, sollten insektenfreundliche Stauden mit teils auch kräftigeren Blütenfarben wie Gelb-, Violett- und Blautönen sowie mit pink- und rosafarbenen sowie weißen Blüten nicht fehlen. Diese Farben locken Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge an, die von einem möglichst umfangreichen Nahrungsangebot aus vielen verschiedenen Pflanzen profitieren. Sinnvoll ist es, bei der Auswahl der Pflanzen darauf zu achten, dass zu jeder Jahreszeit etwas blüht. Stauden können auch nach ihrer Blütezeit schön sein. Im Herbst gewinnen Strukturen und Linien an Bedeutung, während die Farben verblassen. Die abgeblühten Samenstände setzen besondere Akzente. Und wenn sich Raureif über die Silhouetten von Gräsern und Stauden legt, verleiht er dem Garten eine besondere Schönheit. Aus diesem Grund sollten die Pflanzen nicht zu früh zurückgeschnitten werden. Andernfalls würde man auf reizvolle Herbst- und Winterimpressionen verzichten und den Insekten wertvolle Rückzugsorte sowie den Vögeln willkommene Nahrungsquellen nehmen.

Welche Materialien empfehlen Sie mit Blick auf eine nachhaltige Gestaltung?

Bei der Wahl der Materialien für Terrassenbeläge, Gartenmöbel oder Zäune können haltbare heimische Hölzer wie Lärche, Edelkastanie, Eiche oder Douglasie anstelle tropischer Hölzer verwendet werden. Für die Anlage von Gartenwegen, den Bau von (Trocken-) Mauern und anderen Elementen können Pflastersteine, Mauersteine, Splitt und Kies aus der Region zum Einsatz kommen. Diese regionalen Materialien benötigen nur kurze Transportwege und verleihen dem Garten meist eine harmonische und natürliche Ausstrahlung. Es gibt mittlerweile auch Gartenelemente aus recyceltem Kunststoff, wie zum Beispiel Gartenstühle oder Pflanzkübel, die langlebig und stilvoll sind. Auch die Wiederverwendung gebrauchter Materialien wie Steine, Holz und Metall wird immer beliebter und trägt zur Ressourcenschonung bei. Wenn die Wiederverwendung mit Bedacht erfolgt und nicht unterschiedlichste Materialien beliebig miteinander kombiniert werden, kann das Ergebnis auch ästhetisch ansprechend sein.

Ein Holzzaun mit lila Herbstastern
EXPERTENRAT Sinnvoll ist es, bei der Auswahl der Pflanzen darauf zu achten, dass zu jeder Jahreszeit etwas blüht – wie hier die Herbstastern. Foto: Pixabay/Roland Steinmann

Zum Garten gehört häufig auch Rasen. Wie könnte der zukunftsfähig gestaltet werden?

Ein Blumenkräuterrasen ist eine pflegearme und insektenfreundliche Alternative zu herkömmlichem Rasen. Gerade in den häufiger werdenden trockenen Sommern sind Kräuter überlebensfähiger als Rasengräser. Ein Blumenkräuterrasen ist trittfester und schnittverträglicher als eine Blumenwiese. Das Wässern, Düngen, Vertikutieren oder Beseitigen von Unkraut entfällt. Dadurch gelangen auch keine Schadstoffe ins Grundwasser. Darüber hinaus bietet der Blumenkräuterrasen reichlich Nahrung für Wildbienen und andere Insekten, da er neben Rasengräsern auch strapazierfähige Blütenstauden und Kräuter enthält.

Wie können kleinere Gärten von einer durchdachten Gestaltung profitieren?

Viele Designer betonen in kleinen Gärten die Diagonale des Raumes, wodurch der Garten größer wirkt. So kann man durch ein diagonales Layout den Blick in die hintere linke Ecke des Gartens lenken, beispielsweise indem man dort eine Skulptur aufstellt oder einen Brunnen installiert oder auch ein schönes Beet anlegt. Auch ein asymmetrisches Layout kann für einen kleinen Garten sehr vorteilhaft wirken, da auf diese Weise unterschiedliche Perspektiven entstehen. Gerade bei kleinen Gärten soll man daran denken, wie der Garten im Winter aussehen wird und deshalb immer einen großzügig bemessenen Anteil immergrüner Pflanzen einplanen. Verwenden Sie eine reduzierte Materialpalette, zum Beispiel Pflastersteine in möglichst nur einem Format und einem Farbton, kombiniert mit einer ebenfalls reduzierten Palette standortgerechter Pflanzen. Man sollte sich auf sechs bis zehn verschiedene Pflanzenarten beschränken. In kleinen Gärten empfiehlt es sich eher kühle Farben, wie Blautöne, Violett, Blaugrün zu verwenden, sie schaffen sie schaffen Distanz und optische Weite. Helle Farben wirken leicht und freundlich und sind besonders für schattige Bereiche gut geeignet. Auch helle Farben vermitteln einen Eindruck von Weite und lassen den Garten größer erscheinen.

Ein Blumenkräuterrasen mit Alium
PFLEGEARM Ein Blumenkräuterrasen macht weniger Arbeit, lockt viele Insekten an und ist resistener als herkömmliche Rasen. Foto: Unsplash/Erda Estremera

Gibt es aktuelle oder aufkommende Trends in der Gartengestaltung, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ästhetik?

Das Gärtnern mit Sand erfreut sich immer größerer Beliebtheit, da es viele Vorteile bringt. Ein Sandbeet benötigt minimalen Pflegeaufwand, spart Wasser, fördert das Bodenleben und sorgt für eine reiche Blütenpracht. Till Hofmann, Chef der „Staudengärtnerei“ in Rödelsee, ist in Deutschland der führende Experte auf diesem Gebiet. Gerade in den heißen und trockenen Sommern der letzten Jahre hat sich diese Methode bewährt. Auf das Bewässern kann fast vollständig verzichtet werden. Der Trend zu einem einfacheren und gesünderen Lebensstil nimmt weiter zu. Immer mehr Menschen möchten Obst und Gemüse aus industrieller Produktion so weit wie möglich vermeiden und stattdessen ihre eigenen gesunden Lebensmittel anbauen. Gärten sind nicht mehr nur zum Anschauen da, sondern werden zu Orten zum Leben. Im Bereich des Gartendesigns gewinnen dadurch Themen wie die Gestaltung attraktiver Küchengärten, die Planung von Schnittblumenbeeten sowie die Errichtung von Gewächshäusern, Frühbeeten und ansprechender Geräteschuppen an Bedeutung. Auch der Anbau von Edimentals, Stauden, die sowohl essbar als auch dekorativ sind, ist ein zunehmender Trend. Die zeitgenössische Gartengestaltung setzt vermehrt auf warme Farbtöne und historische Materialien, die ein Gefühl von Vertrautheit und Wärme vermitteln. Die Abkehr von reinem Weiß, kühlem Stahl und uniformen Grautönen ist unübersehbar.

„Natürlich gärtnern“ heißt die VielPfalz-Serie. Experten aus der Pfalz geben Tipps, wie der Ein- oder Umstieg zum naturnahen Gärtnern gelingt. Bereits erschienen: Gemüseanbau (Ausgabe 2/2022), Schädlinge und Krankheiten (3/2022), eigenes Saatgut vermehren (4/2022), Bäume und Gehölze pflanzen (5/2022), Der Garten im Winter (6/2022), Hühner und Co. im Garten halten (1/2023), Permakultur (2/2023), Wassermanagement (3/2023), Das heimische Wildstaudenbeet (4/2023), Bokashi und Kompost (5/2023), Microgreens (6/2023). Ausblick: Das nächste Mal nehmen wir Kräuter in den Fokus.

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Veranstaltungs­tipps

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Sehnsucht Pfalz

Des Königs wahre Liebe

Ludwig I. von Bayern: Das Historische Museum der Pfalz in Speyer widmet ihm 175 Jahre nach der Abdankung eine Ausstellung. Für VielPfalz Anlass zu einer Spurensuche im früheren „Rheinkreis“. Der bayerische Monarch hat die Pfalz, von der er als „dem gesegneten Land“ sprach, geprägt. Bis heute.

Foto: Historisches Museum Pfalz Speyer

Sein Herz verschenkte er vielfach. Das Leben von Ludwig I., 1825 bis 1848 König von Bayern und somit auch der Pfalz, war mehr als facettenreich. Schöne Frauen spielten darin immer wieder eine große Rolle. Wegen der erotischen Affäre mit der Tänzerin Lola Montez musste er abdanken. Elizabeth Rosanna Gilbert, unter diesem Namen war sie geboren, ist als vermeintliche spanische Tänzerin auf vielen Bühnen Europas unterwegs gewesen. Die skandalumwitterte Beziehung mit Ludwig I. begann mit einer Audienz, bei der sie um eine Auftrittserlaubnis in München gebeten hatte. Am Ende führte dies auch dazu, dass Ludwig I. seine Sommerresidenz in der Pfalz, die Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben, erst bezog, als er schon keine Krone mehr trug. Dies hat fast tragische Züge, war doch die Pfalz so etwas wie die wahre Liebe des Königs.

Angstbesetzte Kindheit

BEZUGSPERSON 1 Ludwigs geliebte Mutter Auguste Wilhelmine starb 1796, als er gerade zehn Jahre alt war. Foto: Historisches Museum der Pfalz Speyer

Das Leben Ludwig I., einem 1786 in Straßburg geborenen Wittelsbacher, wurde durch eine angstbesetzte und verlustreiche Kindheit geprägt. Sein Vater Max I. Joseph war durch Napoleons Gnaden am 1. Januar 1806 zum ersten König von Bayern ernannt worden. Die Revolution in Frankreich beendete drei Jahre nach Ludwigs Geburt das unbeschwerte Leben in Straßburg. Die pfalzgräfliche Familie sah sich zur Flucht gezwungen, die unter anderem nach Darmstadt, Mannheim, Schwetzingen und nach Rohrbach bei Heidelberg führte. Dort verstarb in einem heute noch erhaltenen Landschlösschen seine geliebte Mutter 1796 an Tuberkulose. In Mannheim hatte Ludwig als Kind schwere Bombardierungen durch die Franzosen erlebt, als diese sich im ersten „Koalitionskrieg“ die linksrheinischen Gebiete der Kurpfalz einverleibten. In Darmstadt wurde Ludwig von Blattern befallen, die bleibende Narben hinterließen.

Sehnsucht nach Schönem

Von klein auf war Ludwig I. auf einem Ohr taub und litt unter häufigen allergischen Reaktionen. Zudem soll er gestottert haben. Kein Wunder, dass er sich bei so viel traumatischer Prägung voller Sehnsucht dem Schönen in der Welt zuwandte. Dies waren für ihn das Griechenland des Altertums, das Italien der Renaissance, die Poesie und – siehe oben – die Frauen. 1810 heiratete Kronprinz Ludwig die evangelische Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Das große öffentliche Hochzeitfest in München war die Geburtsstunde des Oktoberfestes. Die Theresienwiese erinnert an die langmütige Ehefrau des Mannes, der mit ihr neun Kinder zeugte und darüber hinaus 30 außereheliche Affären pflegte. Auch als 1825 gekrönter König nahm sich Ludwig I. noch Zeit, in Briefen viele schöne Damen mit Schmeicheleien zu bezirzen.

Das Land als Garten

BEZUGSPERSON 2 Die Affäre mit der Tänzerin Lola Montez war letztlich Auslöser für seine Abdankung. Foto: Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde

Festgelegter war er an anderer Stelle: Neben Italien, wo er seine Liebe zur Kunst und Antike entdeckte, stand die Pfalz bei ihm ganz oben. Schon mit 14 Jahren soll er seinem Tagebuch anvertraut haben: „Dich vergesse ich nicht, die du Aufenthalt warst meiner Kindheit, Pfalz!“. Nach Napoleons Niederlage und dem Wiener Kongress 1814/15 war das linksrheinische Gebiet dem bayerischen Königreich zugeschlagen worden. Warum König Ludwig I. die Pfalz so sehr mochte, wird nirgends besser nachvollziehbar als in dem kleinen Pavillon, den man beim Aufstieg zur Rietburg auf etwa halbem Weg erreicht. Dieser von Ludwig eingerichtete „Schöne Punkt“ legt jedem, der eine besondere Aussichtspunkt sucht, die Pfalz in ganzer Schönheit zu Füßen. Übrigens: Es zählt mit zu den Verdiensten von Ludwig I., dass im Pfälzerwald durch den Import vieler Hölzer aus Italien gerodete Flächen aufgeforstet wurden. Der König lehnte sogar eine Planung für das Areal rund um die Villa Ludwigshöhe ab: „Ein besonderer Garten ist überflüssig, alles Land rings umher, soweit das Auge reicht, ist ein großer Garten.“ Stattdessen ließ er im Wald bei der Villa – er hatte ihn für 12.000 Gulden angekauft, um den Ausbau des Ausbau des Weinanbaus zu verhindern – „in der darauf folgenden Zeit 24.359 Kastanien und 5.781 Lärchen“ nachpflanzen (Quelle: Geheimes Hausarchiv im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, München).

Römische Villa als Vorbild

Die klassizistische Villa Ludwigshöhe liegt unterhalb der Rietburg auf einer Anhöhe zwischen Edenkoben und Rhodt. Ludwig ließ sich diesen Sommersitz nach dem Vorbild einer römischen Villa Rustica in den Jahren 1846 bis 1852 nach Plänen von Friedrich von Gärtner errichten. Da der Bau genau auf der Grenze zwischen Edenkoben und Rhodt unter Rietburg erfolgte, blieb lange unklar, zu welcher Gemeinde der Schlossbau gehören sollte. Ludwig entschied sich für Edenkoben. In einem Brief vom 16. Februar 1853 an den dortigen Bürgermeister schrieb er: „Eden-koben, einer altpfälzischen Stadt gebe ich den Vorzug.“ Die Villa erfährt derzeit eine große Sanierung, bei der neben der Fassade unter anderem 150 Fenster restauriert werden. Außerdem wird die Barrierefreiheit weiter verbessert. Nach mehrjähriger Schließung ist die Wiedereröffnung für Besucher in diesem Sommer geplant.

Außenaufnahmen der Villa  Ludwigshöhe
SOMMER-RESIDENZ Die Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben ließ Ludwig I. nach Plänen von Friedrich von Gärtner erbauen. Foto: GDKE Rheinland-Pfalz/Pfeuffer

Die Spuren des Königspaares

Spuren hat Ludwig I. an vielen Stellen hinterlassen. Auf dem Ludwigsplatz in Edenkoben erinnert seit 1890 eine lebensgroße Kalksandsteinskulptur an ihn. Sie zeigt den König als älteren Mann in ziviler Kleidung. Ganz so, wie er bei seinen Aufenthalten auch den katholischen Gottesdienst in Edenkoben besuchte. Königin Therese begleitete ihren Gemahl nicht zum Gottesdienst. Sie besuchte alle zwei Wochen den protestantischen Gottesdienst in Rhodt. Chronisten hielten die Atmosphäre fest: „Köstliche Teppiche wurden gelegt von der Hofkutsche bis in die Kirche, bis in ihrem Stuhl gegenüber der Kanzel, der herrlich drapiert war und mit weißblau-seidenen Draperien und mit einem halben Dutzend blausammtner Stühle umgeben, dazu ein blausammtner, gepolsterter Sessel, auf dessen Rücklehne das Wort ‚Therese‘ geschrieben steht“. Dieser Stuhl der Königin und sechs Originalstühle der Begleiterinnen stehen noch heute in der evangelischen St.-Georg-Kirche von Rhodt. Nach der Königin wurde das Herzstück des Ortes, die „Theresienstraße“, benannt.

Blick von der Rietburg.
AUSSICHTSREICH Blick von der Rietburg. Foto: Thomas Kujat/Bildarchiv Südliche Weinstrasse

Die Rundtour (etwa 11 Kilometer, rund 450 Höhenmeter im Auf- und Abstieg, etwa 4 Stunden) beginnt am Schloss Villa Ludwigshöhe. Sie führt durch einen Esskastanienwald in Richtung Rietburg. Man stößt unterwegs auf den „Schönen Punkt“, von dem schon König Ludwig I. den Blick in die Rheinebene genossen hat. Dann geht’s zur Rietburg, wo sich eine Rast anbietet. Entlang des Wildgeheges hinter der Burg findet man mit dem Ludwigsturm den höchsten Punkt der Wanderung. Von nun an geht es bergab, vorbei am Kohlplatz, bis zur Gaststätte Hüttenbrunnen. Von dort aus führt ein Wasserlehrpfad im naturbelassenen Triefenbachtal zum Hilschweiher. Kurz danach geht es rechter Hand noch einmal leicht bergauf zum Ausgangspunkt – Schloss Villa Ludwigshöhe. [hb]

Info: suedlicheweinstrasse.de/touren

Eisenbahnen für die Pfalz

Bisweilen entsteht der Eindruck, dass es sich bei Ludwig I. um einen reinen Schöngeist gehandelt habe. Die Lektüre des empfehlenswerten Büchleins „Ludwig I. von Bayern“ aus der Feder von Golo Mann belehrt eines Besseren. Der Monarch engagierte sich stark für die Verbesserung der Infrastruktur. In Ludwigs Regierungszeit fuhr ab 1835 die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. 1847 bis 1849 wurde dann eine Bahnlinie zwischen Bexbach im saarpfälzischen Kohlerevier und Ludwigshafen geschaffen. Beide Strecken erhielten den Namen „Ludwigsbahn“. Der Bahnhof Neustadt an der Weinstraße wurde 1847 fertiggestellt und diente zunächst als Endbahnhof des östlichen Abschnitts der Ludwigsbahn. Das spätklassizistische Empfangsgebäude löste bereits 1866 einen Vorgängerbau ab.

ENDBAHNHOF Der Neustadter Bahnhof liegt auf der Strecke der Pfälzischen Ludwigsbahn, die 1847 unter Ludwig I. fertiggestellt wurde. Die Fotografie hat Jacob Friedrich Mauer um 1870 aufgenommen. Quelle: Historisches Museum der Pfalz Speyer

Fruchthalle trotz Missernten

Zu den Bauwerken, die unter König Ludwig I. entstanden, zählt auch die „Fruchthalle“ in Kaiserslautern. Den Grundstein für den nach florentinischem Vorbild der Frührenaissance zwischen 1843 und 1846 errichteten Bau legte er persönlich. Die Halle diente als wetterfester Marktplatz. Heute gilt der Bau als einer der schönsten Profanbauten in der Pfalz und wird als Konzert- und Festsaal genutzt. Die schöne Fruchthalle ließ sich in ihrer Entstehungszeit allerdings oftmals schwer mit landwirtschaftlichen Produkten füllen. Bis 1850 waren in der Pfalz zwar mehr als drei Viertel der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Naturkatastrophen und Missernten verursachten jedoch gravierende Hungerkrisen, besonders in den Jahren 1816/17 und 1831/32. Zudem waren die Gemeinden der Pfalz gegenüber jenen in Altbayern steuerlich benachteiligt, weil sie Ludwigs Prachtbauten in München mitfinanzierten.

Der Schock von Hambach

Die Liebe zwischen den Pfälzern und ihrem König war also nicht so einfach und eindeutig, wie verklärende Zitate es gerne glauben machen. Da zeigten sich zwar die Straßen gesäumt von jubelndem Volk, als der König im Juni 1829 im vierten Jahr seiner Regierung zusammen mit seiner Frau eine „Jubelreise“ als Antrittsbesuch in der Pfalz unternahm. Doch schon drei Jahre später schrieb er von „verabscheuten Vorgängen auf der Höhe by Hambach“ und meinte das Hambacher Fest. Am 27. Mai 1832 waren etwa 30.000 unzufriedene Menschen aus nah und fern auf den Hambacher Schlossberg gezogen. Das Hambacher Fest gilt als Meilenstein für die Demokratieentwicklung in Deutschland. Für Ludwig, dem – in traumatischer Erinnerung an die Französische Revolution – jede Volkserhebung ein Graus bedeutete, war es wohl ein Schock. Er ließ den bayerischen Staatsapparat hart zurückschlagen und schickte mehr als 8000 Soldaten in die Pfalz. Die Initiatoren des Hambacher Festes wurden mit Prozessen überzogen und mundtot gemacht. Trotz Zensur kursierten damals Spottgedichte auf den König.

ZUG ZUM SCHLOSS Auf das Hambacher Fest am Mai 1832, hier eine Federlithographie von Erhard Joseph Brenzinger, reagierte Ludwig I. mit harten Maßnahmen. Quelle: Historisches Museum der Pfalz Speyer

„Bollwerk“ gegen Frankreich

Zum Aufbegehren des eigenen Volkes kam für den Monarchen die äußere Bedrohung durch das benachbarte Frankreich hinzu. Zeugnis davon gibt das „Bollwerk gegen Frankreich“ in Germersheim, das König Ludwig I. ab 1834 erbauen ließ. Als größte bayerische Festung außerhalb Altbayerns imponiert das Bauwerk noch immer. Kurioserweise diente die Festung in den Revolutionsjahren 1848/49 auch als Zufluchtsort der Kreisverwaltung. Aufständische sollen vergeblich versucht haben, die Festungssoldaten zu einer Teilnahme am Aufstand zu bewegen.

Vom „Rheinkreis“ zur Pfalz

In diese Zeit fiel auch die Abkehr Ludwigs von der napoleonischen Nomenklatur für Gebietsnamen. Wie die französischen Départements hatte Napoleon die in Kriegen dazugewonnene Gebiete nach Flüssen benannt. Aus dem linksrheinischen Gebiet war „Überrhein“ geworden. Maximilian IV. Joseph machte ab 1817 den „Rheinkreis“ daraus. Mit Ludwig I. wurde er 1838 wieder „die Pfalz“. Apropos Namen: Als Verehrer des alten Griechenlands hielt er es für stilvoller, im Namen seines Königreiches Baiern ein „Y“ einzupflegen, um „Bayern“ daraus zu machen. So kam auch die Stadt Speier, früher Sitz der bayerischen Regierung in der Pfalz, zu ihrem Y. Eine entsprechende Verordnung hatte er kurz nach seiner Thronbesteigung am 20. Oktober 1825 erlassen.

WEICHENSTELLUNG Die historische Darstellung von 1829 zeigt die Menschenmenge bei der Begrüßung Ludwig I. in der Rheinschanze, aus der später die Stadt Ludwigshafen wurde. Quelle: Stadtarchiv Ludwigshafen

Der Hafen Ludwigs am Rhein

Im Jahr 1842 erwarb Ludwig I. in Höhe von Mannheim linksrheinisch die Rheinschanze. Ziel war es, einen strategisch wichtigen Handelsort zu entwickeln. Dass die ehemalige Festung und Kaufmannsniederlassung großflächiger besiedelt werden konnte ist vor allem der Rheinbegradigung zu verdanken. Von Ingenieur Johann Gottfried Tulla 1817 eingeleitet, zogen sich die Arbeiten rund 70 Jahren hin. Die Auen zwischen Speyer und Worms waren ohne Dammbauten und Regulierung des Flusses ein kaum bewohnbares Feuchtgebiet. Am 25. April 1843 machte das bayerische Innenministerium öffentlich: „Seine Königliche Majestät genehmigen, dass dem bisher unter dem Namen der Rheinschanze bekannten Handels- und Hafenplatz gegenüber von Mannheim und der sich dort bildenden Gemeinde der Name Ludwigshafen schon jetzt beigelegt werde.“ Zu einer Stadt entwickelte sich Ludwigshafen aber sehr langsam. Zehn Jahre nach seiner Namensgebung wurden erst 1500 Einwohner gezählt. Der Hafenausbau, die Einrichtung eines Bahnverkehrs in die Pfalz, vor allem aber die Ansiedlung der BASF im Jahr 1865 gaben die nötigen Impulse für eine urbane Entwicklung.

Ludwig I. als Stadtgründer

Die Ausmalung des Doms

Ebenfalls im Jahr 1842 soll Ludwig I. bei einem Besuch des Doms zu Speyer den Entschluss gefasst haben, dort umfangreiche Veränderungen vorzunehmen. Dazu gehörte ein Bild- und Freskenprogramm, das bei Restaurierungen in den 1950er- und 60er- Jahren großenteils entfernt wurde. Erhalten blieben im Mittelschiff Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie aus dem Marienleben. Einzelne Fresken aus dem ehemaligen Querhaus haben heute im Kaisersaal über der Vorhalle ihren Platz.  Am Grab von Kaiser Rudolf I. von Habsburg ließ Ludwig I. 1843 ein Throndenkmal errichten, das jetzt in der Westvorhalle steht. Eine große Aufwertung ließ Ludwig I. der Westfassade des Doms zukommen. Zur baulichen Neukonzeption beauftragte er den Karlsruher Weinbrenner-Schüler Heinrich Hübsch. Dass sich des Königs Sinn für das Schöne nicht nur am Kolossalen eines Doms verwirklichte, zeigt sich in Rinnthal bei Annweiler. Dort kann man den von ihm unterstützten Bau der evangelischen Ortskirche besuchen. Kunsthistoriker betrachten ihn als bedeutsamsten klassizistischen Kirchenbau in der Pfalz.

VERSPOTTET Die Karikatur „Ariadne auf Bor“ spielt auf Lola Montez und ihre Erhebung in den Gräfinnenstand 1847 an. Sie ist auf ihrer Dogge dargestellt, Ludwig reicht ihr die Krone als Amor. Inspiriert wurde die Darstellung von Johann Heinrich Danneckers Skulptur „Ariadne auf dem Panther“. Quelle: Historisches Museum der Pfalz Speyer, Bild nach eduard fuchs: ein Vormärzliches tanzidyll. lola Montez in der Karikatur, Berlin 1904

Der Spott der Untertanen

Zurück zu den Frauen: Ludwig I., der Großvater des Märchenkönigs Ludwig II., verhedderte sich 1846 endgültig im Gestrüpp seiner Liebschaften. Womit wir wieder bei Lola Montez angelangt sind. „Die hat ihm gerade noch gefehlt!“ So oder ähnlich mögen wohl Ludwigs Berater gedacht haben, als die vorgeblich spanische Tänzerin auftauchte, um mit ihren 25 Jahren dem damals 60-jährigen Ludwig den Kopf zu verdrehen. Sämtliche Warnungen blieben ungehört. Der Monarch musste sich Spott seiner Untertanen gefallen lassen. Erst 1851 gab Ludwig I. die Beziehung nach gescheiterten Erpressungsversuchen seitens der feschen Lola auf. Dem König, der seine politische Autorität eingebüßt hatte, war es endgültig zu viel. Er dankte im Revolutionsjahr 1848 ab. Gleichzeitig hat er sich seiner wahren Liebe zugewandt: der Pfalz. Jedes zweite Jahr zog er in den Sommermonaten in seine Villa Ludwigshöhe. Und in der Winterzeit mietete er sich eine Villa in Nizza. Dort starb er am 29. Februar 1868 mit 81 Jahren.

Sonderausstellung „König Ludwig I. – Sehnsucht Pfalz“:
Historisches Museum der Pfalz in Speyer (verlängert bis 1. September 2024)

Katalog „König Ludwig I. – Sehnsucht Pfalz“
Verlag Regionalkultur, ISBN 978-3-95505-399-4, 136 Seiten, Broschur in Fadenheftung, 28 Euro (im Museumsshop 19,90 Euro)

Damals – Das Magazin für Geschichte
„Ludwig I. von Bayern – Bauten, Kunst und Skandale“, Ausgabe 10/2023, 7,30 Euro, wissenschaft.de

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Sehnsucht Pfalz

„Vom Freihafen zur Stadt“

Ludwigshafen trägt den Namen König Ludwig I. von Bayern. Im Interview mit Helmuth Bischoff erklärt Dr. Regina Heilmann, Leiterin des Stadtmuseums und der Nebenmuseen der Stadt, warum es trotzdem wenig sichtbare Spuren des Gründers gibt.

Foto: Stadt Ludwigshafen/Martin Hartmann

Man sagt so leicht daher, dass König Ludwig I. der Stadtgründer von Ludwigshafen war. So nach dem Motto: Mir ist langweilig, also gründe ich heute mal eine Stadt. Es war aber ein bisschen mehr dabei zu tun, oder?

Regina Heilmann: Sicher ist es ein großer Aufwand und eine verantwortungsvolle Aufgabe, eine Stadt zu gründen. Der Wunsch dazu kam ja aber aus einer schon bestehenden Siedlung in Gestalt einer sich zunehmend vergrößernden Gemeinde mit ersten Gewerbeansiedlungen, Güterumschlag und Familien, die die ehemalige Rheinschanze mittlerweile bewohnten. Es gab während der Regentschaft von Ludwig dort bereits ein Zollamt. Zudem verfügte die Siedlung über den Status eines Freihafens. Dies alles kam den Wittelsbachern bzw. dem Bayerischen Staat natürlich entgegen. Denn die Lage am Rhein erwies sich als ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Wie muss man sich den Weg zur Stadt und ihrem Namen konkret vorstellen?

Ihrem König Ludwig hatten die Einwohnerinnen und Einwohner 1829 einen feierlichen Empfang ausgerichtet. Den späteren Ortsnamen „Ludwigshafen“ hatte der Pfälzische Regierungspräsident Fürst Eugen von Wrede vorgeschlagen. Doch bei der Erhebung zur Stadt Ende 1852 und späteren Verleihung der Stadtrechte 1859 war schon sein Sohn Maximilian II. Joseph Regent, da Ludwig im Jahr der Revolutionswirren 1848 abgedankt hatte. Es gelang Bayern durch Eugen von Wrede im Jahr 1843, dem Speyerer Handelshaus Lichtenberger, das bis dahin eine Monopolstellung innerhalb der Siedlung innehatte, das Gelände abzukaufen und an viele interessierte Käufer zu verteilen – auf diese Weise konnten sich rasch Industrien, Firmen und Gesellschaften ansiedeln, während der Hafen staatlich blieb. Baupläne für die neue Stadt nach den ästhetischen Vorstellungen Ludwigs, wie wir sie beispielsweise aus München kennen, wurden jedoch später unter der Regentschaft seines Sohnes Max und dessen Nachkommen nicht weiterverfolgt.

SCHMUCKPOSTKARTE Hier ist Ludwigshafens Brückenaufgang um 1900 zusammen mit dem Stadtwappen abgebildet. Quelle: Stadtarchiv Ludwigshafen

Gibt es in Ludwigshafen noch sichtbare Spuren, die an König Ludwig I. erinnern?

Wenige, denn die Stadtentwicklung verlief ja nicht mehr unter seiner Regentschaft und so manches, was die Wittelsbacher der jungen Stadt stifteten, hat die beiden Weltkriege und die Zeiten ab dem Wiederaufbau nicht überstanden. Herausheben möchte ich die ab 1858 erbaute und 1862 geweihte neuromanische Kirche St. Ludwig in Ludwigshafen. König Ludwig I. war nicht nur bei der Grundsteinlegung und der Einweihung zugegen, sondern hat auch große Summen für den Bau und die Innenausstattung gespendet. Erwähnenswert ist auch eine Gedenktafel an der Straßenfassade des sogenannten Schillerhauses in Oggersheim: Als kunstbegeisterter Mensch ließ Ludwig I. sie dem großen Freiheitsdichter zu Ehren anbringen. Sie erinnert an Schillers Aufenthalt im dortigen ehemaligen Gasthaus „Zum Viehhof“. Bemerkenswert ist dies auch, weil gerade Schillers „Leitmotiv Freiheit“ dem König eigentlich widerstrebte.

Zum Hauptbeitrag über König Ludwig I.

Eine Fahrt durch die Pfalz, um Spuren von König Ludwig I. zu begegnen: Welche Orte, Plätze, Bauwerke, Denkmale dürfen neben der Villa Ludwigshöhe nicht fehlen?

Neben der Gegend um die Villa Ludwigshöhe und Ludwigs baulichen Veränderungen am Dom zu Speyer fällt mir da Frankenthal ein, wo der König den Entwurf für ein 1841 eingeweihtes Denkmal stiftete, das der Frankenthaler Gefallenen der Napoleonischen Kriege gedachte. Es steht im Parkfriedhof der Stadt. Oder auch das ehemalige „Wacht- und Arresthaus“ in Herxheim bei Landau, das Ludwig 1831 im klassizistischen Stil erbauen ließ. Es wurde 1921 zu einer Kriegergedächtniskapelle umgewidmet. Herausragend ist die durch Ludwigs Ansinnen erbaute Fruchthalle in Kaiserslautern, ein monumentales Bauwerk im Stil der Renaissance mit romanischen Details, das 1846 eröffnet wurde. Der König selbst bezeichnete Kaiserslautern bei der Grundsteinlegung 1843 als „Barbarossastadt“ in Anlehnung an den Beinamen des großen Stauferkaisers und Kreuzfahrers Friedrich I. Ein Begriff, der auch heute noch zu hören ist.

Wenn Sie Ludwig I. eine Frage stellen könnten: Wie würde sie lauten?

Weniger eine Frage als ein Diskussionsthema wäre Ludwigs harte politische Reaktion auf das Hambacher Fest 1832 und ob dies nicht im Widerspruch zu seiner erkennbaren Liebe zur Pfalz und ihren Menschen stand. Auch als Leiterin des Stadtmuseums Ludwigshafen, das 2026 an einem neuen Standort wieder- eröffnet wird, würde ich gerne seine Meinung hören, was aus seiner Sicht dort unbedingt präsentiert werden sollte. Allerdings gehe ich stark davon aus, dass wir sehr unterschiedliche Ansichten haben würden, was unter Kulturvermittlung und dem Bildungsauftrag eines Museums heute zu verstehen ist!

Das Stadtmuseum Ludwigshafen öffnet 2026 am neuen Standort wieder. Bis dahin arbeitet das Museum projektbezogen und ist mit Gastspielen an verschiedenen Orten präsent.
Virtuelle Ausstellungen: stadtmuseum.ludwigshafen.de

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Was wissen

Weinetikett: Was bedeutet die neue Kennzeichnungspflicht?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, was es mit der Nährwert- und Zutatenkennzeichnung auf Wein- und Sektetiketten auf sich hat und ab wann die neue EU-Verordnung gilt.

Foto: Deutsches Weininstitut

Nach einer neuen EU-Verordnung wird die Nährwert- und Zutatenkennzeichnung, wie bereits für andere Lebensmittel, nun auch für die Weinbranche Pflicht. Verlangt werden eine Auflistung und Angaben zu Nährwerten und Inhaltstoffen, die für die Weinbereitung verwendet wurden. Sie können direkt auf dem Weinetikett aufgelistet oder online abgerufen werden. Die Umsetzung der Regelungen gilt seit 8. Dezember 2023.

Jahrgang 2023 nicht komplett betroffen

Die EU-Verordnung regelt aber auch in der sogenannten Abverkaufsvorschrift, dass Weine von der Kennzeichnungspflicht befreit sind, die vor dem Stichtag hergestellt, das heißt vergoren, wurden. Das umfasst alle Weine des Jahrgangs 2023, abgesehen von Eiswein, der nach dem Datum geerntet wurde, und „Schaumwein“, der erst nach der zweiten Gärung als hergestellt gilt. Die neue Änderung betrifft somit erst umfänglich den Weinjahrgang 2024. Der Lebensmitteleinzelhandel kann die Vorgabe bereits früher fordern.

Nährwerte in Tabellenform

Die Nährwerte sind grundsätzlich in Tabellenform darzustellen, in der sich die Angaben auf 100 Milliliter beziehen, ansonsten erfolgen die Wertangaben in Gramm. Die Nährwertkennzeichnung auf dem Etikett muss folgende Angaben enthalten: Brennwert, Kohlenhydrate, davon Zucker, Eiweiß, Salz.

Alle Zutaten auflisten

Beim Zutatenverzeichnis sind Stoffe mit oder ohne Nährwert anzugeben, die aus technologischen Gründen, je nach Bedarf, bei der Herstellung und Verarbeitung zugesetzt werden können. Als Beispiel: Trauben, Saccharose, Konservierungsstoffe: Sulfite. Plus weitere obligatorische Angaben (Säureregulatoren wie Weinsäure, Stabilisatoren wie zum Beispiel Citronensäure, Gase/Kohlensäure für Perlwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure, weitere Konservierungsstoffe und Antioxidantien). Bei Bio-Weinerzeugnissen müssen die Zutaten aus ökologischer Produktion stammen und auch so deklariert werden. Die anzugebenden Zahlen werden aus den Untersuchungsergebnissen einer Lebensmittelanalyse mit den Werten aus Alkohol-, Restzucker- und Gesamtsäuregehalt berechnet. Der Brennwert ist in Kilojoule (kJ) und Kilokalorien (kcal) anzugeben.

Alternative: e-Label

Die Nährwertdeklaration und das Zutatenverzeichnis passen vom Umfang her nicht immer auf das Etikett. Für die Angaben auf dem Etikett sind Schriftgrößen vorgeschrieben. Reicht die Fläche auf dem jeweiligen Etikett nicht aus, können die Betriebe als Alternative ein „e-Label“ verwenden, das als QR-Code auf dem Rückenetikett erscheint und mit dem Smartphone eingescannt werden kann.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Facettenreich und alkoholfrei

Wenn man alkoholfrei und Wein in einen Zusammenhang setzt, werden schnell skeptische Stimmen von Weinenthusiasten laut. Immer öfter zu Unrecht. Das Weingut Bergdolt-Reif & Nett aus Duttweiler zum Beispiel zeigt, dass alkoholfreie Weine hochkarätig sein können.

Foto: Stefan Schauberg/Unsplash

Christian Nett ist mit seinen Weinen stets am Puls der Zeit. Als einer der Vorreiter hatte er bereits 2005 einen alkoholfreien Traubensecco in seinem Repertoire. Heute ist er einen großen Schritt weiter. Das Weingut bietet gleich sieben verschiedene alkoholfreie Weine an. Die Linie umfasst Rot-, Rosé- und Weißweine von verschiedenen Rebsorten mit unterschiedlichen Weinstilistiken. Winzer Christian Nett ermöglicht somit ein gleichwertiges alkoholfreies Weinerlebnis, wie man es von all seinen Weinen kennt.

Fehlerfreie Weine und richtiges Verfahren

Das Geheimnis für einen ausgezeichneten alkoholfreien Wein sieht er in zwei Dingen: in einem hochwertigen und fehlerfreien Wein und dem richtigen Entalkoholisierungsverfahren. Ganz gleich, ob alkoholfrei oder regulär: Beim Weingut Bergdolt-Reif & Nett werden alle Weine erstmal nach den gleichen Qualitätsansprüchen vinifiziert. Somit stecken hinter den alkoholfreien Weinen die gleiche Herkunft, Geschichte und Arbeit wie bei den Weinen mit Alkohol. Welcher Wein schließlich entalkoholisiert wird, entscheidet sich erst nach dem Herbst.

Winzer Christian Nett. Foto: Lukas Hofstätter

Aromen werden zurückgeführt

Zur Entalkoholisierung setzt das Weingut auf eine schonende Vakuumdestillation mit Aromarückgewinnung. Hierbei wird durch ein Vakuum der Siedepunkt des Alkoholes (circa 27 bis 32°C) verringert, sodass dieser bei niedrigen Temperaturen verdunstet. Bei der Aromarückgewinnung handelt es sich um ein kostenintensives Verfahren, das Aromastoffe, die üblicherweise verloren gehen, auffängt und anschließend an den Wein zurückführt.

Wirklich alkoholfrei?

Diese alkoholfreien Wein-Typen machen die Pfälzer Weinkultur jetzt auch für diejenigen erlebbar, die zuvor aufgrund des Alkohols keine Möglichkeit dazu hatten. Der entalkoholisierte Sauvignon Blanc Reserve beispielsweise zeigt in der Nase eine grün-fruchtige Aromatik. Am Gaumen verbinden sich Grapefruit und Stachelbeeren mit einer gut eingebundenen Säurestruktur. Der Abgang ist langlebig, fruchtig und trocken. Wenn Sie den ersten Schluck von diesem Wein probieren, werden Sie sich sicherlich ebenfalls fragen: „Ist der Sauvignon Blanc wirklich alkoholfrei?“

Reserve Sauvignon Blanc entalkoholisiert | 0,75 Liter | 12,50 Euro | Weingut Bergdolt-Reif & Nett, Duttweiler | nett-weine.de

Inga Klohr. Foto: Adlumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Pfälzer Szenen von Karin Mihm

Än Aagebligg

Fasnacht, Fastnacht, Karneval oder Fasching: Je nach lokalem Dialekt hat die fünfte Jahreszeit in der Pfalz einen anderen Namen. Gemeint sind aber immer die Narren und Närrinnen, die ausgelassen auf der Straße und anderswo feiern. Dieses gelebte Brauchtum zeigt Illustratorin Karin Mihm dieses Mal als typische Pfälzer Szene in Än Aagebligg.

Die Künstlerin

Foto: Privat

Karin Mihm, Jahrgang 1966, hat in Gießen und Marburg studiert. Einige Jahre lebte sie in Berlin, bevor es sie 2003 nach Düsseldorf zog, wo sie bis heute lebt. Ihr künstlerisches Werk reicht von Comics für Kinder und Erwachsene über politische Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen bis hin zur Malerei. Sie werden mit lockerem Tuschestrich und Aquarellfarben angefertigt. Karin Mihms Ziel: typische Orte zeichnen und dabei eine liebenswerte und humorvolle Perspektive einnehmen. In der Pfalz hat sie dazu eine große Auswahl.

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Pfälzer Perspektiven

Hari hachi bu

Betrachtungen von Janina Huber rund um leibliche Genüsse und gute Vorsätze und warum radikale Abnehmversuche oder der plötzliche Verzicht auf alles Genussvolle zum Scheitern verurteilt sind.

Foto: Monika Grabkowska

Hari hachi bu Je weiter es Richtung Weihnachten geht, umso mehr rücken sie in den Fokus: die leiblichen Genüsse. Rund um die Festtage suchen sie sich langsam ihren Weg in Richtung Hüfte, von wo sie dann ab Januar mit allerlei guten Vorsätzen wieder vertrieben werden sollen.

Der erhobene Zeigefinger stört

Klar, im Kreise von Familie und Freunden Kalorien zählen, das muss nicht sein. Strikte Diätpläne haben im Dezember eine kurze Halbwertszeit. Das ist im Grunde auch gut so, schließlich stört der erhobene Zeigefinger im eigenen Kopf selbst den schönsten Genussmoment. Also: Wem danach ist, der gönnt sich noch ein Plätzchen, ein weiteres Pfännchen Raclette und in der Pfalz – na klar – das nächste Glas Riesling. Einmal pro Jahr ganz ohne Reue genießen, das dürfen wir uns ruhig erlauben!

Erfolglose, radikale Versuche

Doch Moment: Wenn Neujahr die Google-Suchanfragen für „Abnehmen“ und „Diät“ neue Höchststände erreichen, war das dann wirklich Genuss ohne Reue? Anscheinend kommt die Reue doch, nur eben mit Verzögerung. Also greifen wir richtig durch: Zuckerfrei, „low carb“ und natürlich ein „dry January“ (ja, ein ganzer Monat ohne Riesling) stehen auf dem Plan. Am Ende bleiben diese radikalen Versuche meist wenig nachhaltig. Spätestens mit den ersten Frühlingstagen rutschen wir in alte Muster zurück und beenden das Jahr erneut in Völlerei, um voll Reue in ein neues zu starten – überspitzt gesagt.

Die 80-Prozent-Devise

Wer sich jetzt ertappt fühlt und aus diesem Kreislauf ausbrechen möchte, der könnte es mal mit „Hara hachi bu“ probieren. Die Methode kommt aus Japan und geht auf Konfuzius zurück. Die Devise ist simpel: Gegessen wird, bis der Magen zu 80 Prozent gefüllt ist. Es geht dabei nicht um Verzicht oder schnelles Abnehmen, sondern um eine gesunde Lebensweise. Die Meister dieser Kunst sind die Bewohner der Insel Okinawa. Sie gehören zu den Menschen mit der höchsten Lebenserwartung weltweit. Natürlich kommen hier zu „Hara hachi bu“ ein paar weitere Faktoren dazu – so fußt die Ernährung auf einer hochwertigen, regionalen Kost. Auf unsere Lebensrealität übertragen könnte man sagen: Weniger, aber besser – ein Prinzip, das im Übrigen gerade für uns Pfälzer Weinliebhaber Sinn macht. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

100 Prozent Genusswünsche

Ich bin mir sicher, Sie finden den richtigen Weg! Ganz gleich, ob mit „Hara hachi bu“ oder gezielter Zügellosigkeit: Hundertprozentigen Genuss wünsche ich Ihnen in jedem Fall – für die Weihnachtstage und fürs neue Jahr.

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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