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Natürlich Gärtnern

„Humus gibt es nicht in Tüten“

Im Herbst kommen oft besonders viel Grünschnitt, Laub und Pflanzenreste zusammen. Zudem werden Obst und Gemüse eingemacht und verarbeitet. Die Biotonne ist bald voll. Aus Umweltsicht ist das Quatsch. Diese „Abfälle“ sind ein wahrer Schatz für den Garten. Warum das so ist, was es mit hungrigen Bodenlebewesen und Bokashi auf sich hat, darüber hat Redakteurin Kathrin Engeroff mit Gärtnerin Ursula Abel-Baur aus Landau gesprochen.

Foto: Baur Fotografie

Frau Abel-Baur, wieso ist es sinnvoll, Garten- und Küchenabfälle selbst zu verwerten, statt sie in die Biotonne zu werfen oder zum Wertstoffhof zu bringen?

Ich würde gerne eine Frage voranstellen, um die Antwort auf Ihre Frage besser einordnen zu können. Nämlich: Was ist Humus eigentlich?

Gerne. Diese Frage ist gar nicht so trivial zu beantworten, oder?

Ja, selbst viele erfahrene Gärtnerinnen und Gärtner wissen oft gar nicht so genau, was das ist. Um zu verstehen, warum es sich richtig lohnt, eine Kreislaufwirtschaft im Garten und der Küche zu haben, ist etwas Bodenkunde sinnvoll.

Verstehe, dann von vorn: Was ist Humus mit einfachen Worten erklärt?

Humus bildet sich in der oberen, fruchtbaren Bodenschicht, die die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt. Dadurch wird die Wasserhaltekapazität der Böden erhöht. Humus entsteht durch einen komplexen Vorgang, an dem Bakterien, Pilze, tierische und pflanzliche Bodenlebewesen, das sogenannte Edaphon, beteiligt sind. Die größeren Lebewesen wie Würmer stoßen Stoffe wieder aus, die Bodenlebewesen sterben ab – all das und noch viel mehr ist Humus. Es handelt sich um einen ständigen, lebendigen Prozess, den man nicht in Tüten kaufen kann. Die Organismen brauchen für diesen Prozess organischen Nahrungsnachschub. Ich verstehe, dass nicht jeder einen Kompost haben möchte oder Platz dafür hat, aber man tut seinem Garten mit gekauften Substraten oder Humusprodukten nichts Gutes.

Humusaufbau ist also eine wichtige Station im biologischen Kreislauf und ich schütze dabei noch das Klima?

Genau. Ich selbst kann etwas Konstruktives zur Verbesserung des Klimas beitragen, wenn ich mit meinem Grünschnitt und Küchenabfällen Humus aufbaue. Das reduziert die Menge an Abfall, spart CO₂, da der Abtransport wegfällt, ist dadurch kostengünstig und umweltfreundlich, weil keine fossilen Brennstoffe verbraucht werden. Das Wichtigste ist aber die Kreislaufwirtschaft: Alles, was ich meinem Garten entnehme, führe ich wieder zurück und erhalte so einen wertvollen Rohstoff. Wenn jeder Einzelne das macht, erreicht man unglaublich viel für den Umwelt- und Klimaschutz.

Bei der Selbstwirksamkeit setzt auch die Bokashi-Methode an. Was steckt dahinter?

Bokashi wurde in den 80er-Jahren von dem Mikrobiologen Teruo Higa an einer japanischen Universität entwickelt. Es ist eine Methode zur Fermentation von organischen Abfällen. Bokashi bedeutet wörtlich übersetzt „fermentiertes Allerlei“. Entwickelt wurde diese Methode speziell für Städter, die so auf kleinstem Raum organische Abfälle verwerten können. Für die Verwertung von Küchenabfällen gibt es aber auch für alle anderen keine Alternative, die sich die Arbeit mit einem Kompost nicht machen möchten oder können.

Foto: Baur Fotografie

Wie funktioniert die Fermentation der Küchenabfälle? Was brauche ich alles dafür?

Der Prozess ist mit dem Einmachen von Sauerkraut zu vergleichen, er verläuft also anaerob ohne Sauerstoff. Mikroorganismen bauen organische Verbindungen ab, wodurch ein saures Endprodukt entsteht. Man braucht also zunächst den Bokashi-Eimer, den man luftdicht verschließen kann, einen Stempel zum Andrücken, Einstreu und Effektive Mikroorganismen (EM), die Milchsäurebakterien, Hefen und Photosynthesebakterien enthalten. Ich empfehle, sich einfach ein Starter-Set zu kaufen, damit man direkt loslegen kann – auch wenn man sich so einen Eimer selbst basteln könnte.

Die Gesprächspartnerin

Ursula Abel-Baur ist Gärtnerin mit Gartenbaustudium, Natur- und Wildkräuterpädagogin, sie führt durch die Landschaft und ist Projektleiterin für Schulgärten. Als systemische Trainerin sind Kreislaufwirtschaft und regenerative Landwirt-schaft ihre inhaltlichen Schwerpunkte. In Landau gründete die Mutter von vier erwachsenen Kindern mit Mitstreitern 2019 den Verein „Ursam – Natur- und Lebenspfade“. Dieser bringt Menschen aus unterschiedlichen Berufs- und Lebensfeldern zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam nachhaltig Zukunft zu gestalten. „Wir möchten keine grüne Blase, sondern verschiedene Blickwinkel“, sagt Vorsitzende Abel-Baur. Gemeinsam wolle man intelligente Strategien für eine Kreislaufwirtschaft ausbauen. Im Vordergrund stehe die Förderung des Umweltschutzes durch umweltverträgliche Lebenskonzepte für Mensch und Natur, die zum Handeln motivieren. Seit zwei Jahren hat der Verein ein 3000 Quadratmeter großes Grundstück in seiner Obhut, auf dem die Mitglieder Kreisläufe und Lösungen für anstehende ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen entwickeln. [ayß]

Info: ursam-training.com

TERRA PRETA Pflanzenkohle dient zur Terra-Preta-Herstellung oder Beigabe zum Bokashi. Die Biomassenkohle hilft auch bei der Kohlenstoffspeicherung im Boden. Foto: Baur Fotografie

Und dann kommt da alles rein, was ich an Küchenabfälle habe?

Man kann alles reinmachen, von Gemüseabfällen über Fleisch, Essensreste oder sogar Kuchen. Zunächst die Abfälle zerkleinern, bis sie etwa Zwei-Euro-Stück groß sind, und sie erst mal extern sammeln. Den Bokashi nur alle zwei bis drei Tage damit füllen. Denn je öfter ich den Eimer öffne, desto öfter unterbreche ich den Prozess und die Fermentation dauert länger. Vor dem ersten Befüllen den Eimer mit heißem Wasser auswaschen und mit EM einsprühen. Dann ist es wichtig, richtig zu schichten. Zuerst kommt die Biomasse, die mit dem Stempel richtig festgedrückt wird, sodass es keine Hohlräume gibt. Anschließend das Einstreu darüber verteilen. Im Starter-Set ist meistens RoPro enthalten – mit EM voraktivierte Pflanzenkohle. Es muss aber keine aktivierte Pflanzenkohle sein, genauso gut geht zum Beispiel Sägemehl. Das Einstreu dient dazu Gerüche und Flüssigkeiten zu binden. Ein Bokashi darf nicht zu feucht sein, aber auch nicht zu trocken, da beides die Fermentation unterbindet. Am besten ausprobieren. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass Essigsaures, etwa von Salatsoßen oder Gurkenwasser, dem Prozess ebenfalls schadet. Nach der Einstreu alles mit EM einsprühen und wieder luftdicht verschließen. Die Flüssigkeit, die beim Prozess entsteht und durch ein Sieb in den unteren Bereich des Eimers abfließt, kann ich übrigens ablassen und im Verhältnis 1 :100 zum Düngen nehmen. Überschüssige Bokashi-Flüssigkeit ist in gut verschließbaren Schraubgläsern maximal fünf bis sechs Monate lagerfähig. Die kann ich gut verschlossen auch im Keller lagern, bis ich sie ausbringen kann.

KLASSIKER Ein herkömmlicher Komposthaufen ist ebenfalls ein Resteverwerter, natürlicher Nährstofflieferant und Bodenverbesserer im Garten. Foto: Baur Fotografie

Wann ist denn die Fermentation abgeschlossen?

Die Zeit, die für die Fermentation benötigt wird, kann variieren. Das ist unter anderem abhängig davon, wie lange ich gebraucht habe, um den Eimer zu befüllen, und von den verwendeten Abfällen. In der Regel dauert die Fermentation etwa zwei bis vier Wochen. Der Bokashi verändert seine Textur, Farbe und seinen Geruch. Wenn er allerdings grünlich ist, und nach Erbrochenem riecht, stimmt etwas nicht. Dann würde ich ihn nicht im Garten ausbringen, um keine Ratten anzuziehen. Ein weißer Belag hingegen ist kein Problem. Es empfiehlt sich, mindestens zwei Bokashi-Eimer zu haben, damit immer einer befüllt werden kann, während der andere noch fermentiert.

Was mache ich mit dem fertigen Bokashi?

Den Inhalt des Bokashi-Eimers kann ich komplett und als Ganzes im Kompost vergraben oder ihn an andere Stelle im Gartenbeet an der Luft vererden lassen. Unter acht Grad Außentemperatur ziehen sich die Bodenlebewesen in tiefere Schichten zurück, dann warte ich einfach, denn die Vererdung geht im Frühjahr weiter. Wenn ich weder Kompost noch Beet habe, kann ich mich mit anderen Gärtnern und Gärtnerinnen zusammentun. Das potenziert das Gefühl noch mal, dass man wirklich etwas bewegen kann. Und das tut man ja auch.

Foto: Baur Fotografie

Vom Bokashi abgesehen: „Gartenabfälle“ helfen auch beim Humusaufbau, oder?

Auf jeden Fall. Laub und Pflanzenreste im Garten als Mulchmaterial auf den Beeten verwendet, verhindern Wasserverlust und werden von den Bodenlebewesen zersetzt. Äste und Zweige, die länger brauchen, bis sie zersetzt sind, kann ich in Hügel- und Hochbeete als Schicht einbauen oder eine Totholzecke einrichten. Oder ich baue einen Laubhaufen für Igel oder Eidechsen. Es lassen sich ganz verschiedene, tolle Biotop-Ecken mit Grünabfällen gestalten. Auch gibt es viele unterschiedliche Arten von Kompost. Das ist ein gigantisches Gebiet. Warum nicht mal einen Pilz- oder Wurmkompost, den man auch Indoor machen kann, ausprobieren? Alles, was ich selbst für den Humusaufbau in meinem Garten tun kann, ist für die Umwelt und das Klima besser, als Substrate oder Humusprodukte kaufen zu müssen. Ich würde mich freuen, wenn Menschen Lust bekommen, mit dem Garten und Boden zu arbeiten. Es ist ein andauernder Lernprozess und man kann nicht alles von heute auf morgen können. Wir von „Ursam“ stellen jedenfalls gerne unser Wissen zur Verfügung, um selbst weniger Fehler machen zu müssen und gemeinsam Lösungen für die Zukunft zu finden.

„Natürlich gärtnern“ heißt die VielPfalz-Serie. Experten aus der Pfalz geben Tipps, wie der Ein- oder Umstieg zum naturnahen Gärtnern gelingt. Bereits erschienen: Gemüseanbau (Ausgabe 2/2022), Schädlinge und Krankheiten (3/2022), eigenes Saatgut vermehren (4/2022), Bäume und Gehölze pflanzen (5/2022), der Garten im Winter (6/2022), Hühner & Co. im Garten halten (1/2023), Permakultur (2/2023) sowie Wassermanagement (3/2023) sowie das heimische Wildstaudenbeet
(4/2023). Ausblick: Im nächsten Teil der Serie geht es um Microgreens.

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Was wissen

Wofür steht die amtliche Prüfungsnummer?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, wie ein Wein zu seiner amtlichen Prüfungsnummer kommt, wofür die Zahlen stehen und weshalb die Nummer eine Pflichtangabe auf jedem Weinetikett ist.

Weinprüfung
Foto: DWI

Die amtliche Prüfungsnummer (A.P.-Nr.) auf dem Weinetikett ist die Nummer, die nach der erfolgreichen Standardprüfung für jeden deutschen Qualitäts- und Prädikatswein behördlich vergeben wird. Die Qualitätsweinprüfung soll gewähren, dass ausschließlich fehlerfreie Weine vermarktet werden, die zudem die Angaben auf dem Etikett, wie beispielsweise Farbton, Rebsorte oder Qualitätsstufe, erfüllen. Jeder deutsche Qualitätswein, wozu auch die Prädikatsweine Kabinett, Spätlese, Auslese, Beeren- und Trockenbeerenauslese sowie der Eiswein gehören, muss sich dem amtlichen Prüfungsverfahren unterziehen und nach einer erfolgreichen Prüfung als Pflichtangabe seine ihm zugeteilte A.P.-Nr. auf dem Etikett tragen.

Rückschlüsse auf die Weinherkunft

Anhand der angegebenen A.P.-Nr. kann eine Überwachungsbehörde Rückschlüsse auf die Herkunft und das Prüfungsjahr des Weines ziehen. Ein Beispiel, welche Informationen in der A.P.-Nr. 5 027 333 20 23 stecken: Jedes Weinanbaugebiet hat eine eigene Prüfstelle mit einer eigenen Ziffer. Mit dieser beginnt die amtliche Prüfungsnummer. Für die Pfalz ist die Prüfstelle bei der Landwirtschaftskammer im Weinbauamt in Neustadt an der Weinstraße angesiedelt und hat die Ziffer 5. Die nächsten drei Zahlen, hier 027, stehen für die Gemeinde des Abfüllers. Die weiteren Zahlen (333) beziehen sich auf den Abfüller. Die nächsten Zahlen beziffern die einzelnen Füllungen des Betriebes als laufende Nummer (20). Die Prüfnummer endet mit dem Jahr der Prüfung (23) für das Jahr 2023. Das hat aber nichts mit dem Weinjahrgang zu tun. Weine können auch, bedingt durch eine gewollte Reifung, später abgefüllt und geprüft werden.

Wein bei der Prüfstelle einreichen

Für die Prüfung der Weine muss der Winzer eine Analyse mit den relevanten Daten, die von einem anerkannten Weinlabor erstellt wird, zusammen mit einem Antrag, welcher unter anderem die gewünschte Bezeichnung sowie die Zusammensetzung des Weines beinhaltet, sowie drei Flaschen des abgefüllten Weines bei der Prüfstelle einreichen. Zwei der drei Flaschen werden versiegelt und dem Antragsteller zur Aufbewahrung zurückgegeben. Es muss sich um Durchschnittsproben handeln, auf welche die Überwachungsbehörde im Verdachtsfall zurückgreifen kann.

30.000 Weine pro Jahr

Der zur Prüfung eingereichte Wein wird von einer unabhängigen Prüfungskommission verdeckt verkostet. Diese Prüfungskommission setzt sich aus mindestens drei Prüfern zusammen, die jeweils den gleichen Wein verkosteten. Zur Prüfungskommission gehören Vertreter der Weinwirtschaft, Winzer, Händler, Weinbauberater, Angestellte der Verwaltung und auch Verbraucher. Alle werden vorab geschult und müssen sich vor einer Berufung zum Weinprüfer einer Abschlussprüfung unterziehen. Bei der Neustadter Prüfstelle verkosten etwa 180 Prüfer bis zu 30.000 Weine pro Jahr.

Nur Qualitätswein darf verkauft werden

Bei der sensorischen Prüfung wird der Wein zunächst auf seine Farbe und Klarheit geprüft. Sind diese Vorbedingungen erfüllt, findet ein Bewerten der Weine nach dem „5-Punkte-Schema“ statt. Beurteilt werden die Kriterien Geruch, Geschmack und Harmonie des Weines. Bei der Sensorikprüfung wird zwar der Wein im Mund verkostet, aber danach wieder ausgespuckt. Abschließend notieren die Prüfer die notwendigen Angaben und vergeben eine Punktzahl. Nach der Probe werden die einzelnen Ergebnisse abgerufen. Erreicht der Wein im Prüfungsergebnis der einzelnen Prüfer die notwendige Punktzahl nicht, führt dies zur Ablehnung der A.P.-Nr. mit einem negativen Prüfungsbescheid. Das heißt, der Wein oder der Sekt darf nicht als Qualitätswein verkauft werden.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Patenschaften

In der Pfalz verwurzelt

Ob aus Verbundenheit zur Heimat, als Urlaubssouvenir oder ausgefallenes Geschenk: Patenschaften für Rebstöcke und Bäume sind in der Pfalz begehrt. Für Mandelbäume gibt es bereits Wartelisten. Mancherorts tragen die Patenschaften zur Erhaltung wichtiger Lebensräume oder alter Reb- und Obstbaumsorten bei. Die „Patenkinder“ sind zudem eine lebendige, deutschlandweite Werbung für die Region.

Foto: Julia Köller

Die Mandelblüte lockt jedes Jahr aufs Neue unzählige Besucher an die Weinstraße. Wohl kaum eine Baumart ist in den Vorstellungen der Menschen so eng mit der Pfalz verknüpft. Da wundert es nicht, dass die Idee einer Mandelbaum-Patenschaft zum Erfolgsmodell wurde. So stehen etwa in Maikammer, Bad Dürkheim, Birkweiler, Ranschbach, Edenkoben und Gimmeldingen nun Mandelbäume, deren Pflanzung jeweils Paten zu verdanken ist.

In Bad Dürkheim erfolgte vor der ersten Pflanzaktion zunächst eine Bestandsaufnahme, wie Denise Seibert von der Tourist-Information erzählt. Entlang des Mandelpfads fiel auf: „Da würden sich ein paar Bäumchen noch gut machen.“ Hier sei vor allem der Verlauf durch die Weinberge besonders passend. Denn: „Die Römer haben die Mandel in die Pfalz gebracht“, sagt Seibert. Das haben die Bäume mit dem Wein gemeinsam. Mit einem Expertenteam wurde nicht nur nach geeigneten Standorten geschaut, sondern auch überlegt, welche Mandelsorten gepflanzt werden sollten. „Wir haben neun Sorten hier in Bad Dürkheim.“ Dazu gehören als eigene Sorten auch die weiß blühende Dürkheimer Krachmandel und die Ungsteiner Süßmandel mit rosa Blüten.

MEIN BAUM I In Bad Dürkheim übersteigt die Nachfrage nach Patenschaften das Angebot an Mandelbäumen. Foto: Stadt Bad Dürkheim

Mehr Nachfrage als Bäume

„Seit 2021 züchten wir unsere Mandelbäume selbst“, berichtet Seibert. Die ersten Patenbäume wurden allerdings bereits 2019 zwischen der Michaelskapelle und der Römervilla Weilberg gepflanzt. Bis heute ist der Mandelpfad so um mehr als 60 Bäume reicher geworden. Eine Patenschaft kostet einmalig 135 Euro. Hinzu kommen 25 Euro jährlich für die Pflege durch die Stadtgärtnerei. Die Paten bekommen für ihren Beitrag eine Urkunde und dürfen kostenlos zur Mandelblütenzeit an einer Führung mit der Weinprinzessin entlang der neu gepflanzten Bäume teilnehmen. Welcher Baum genau ihrer ist, verrät ein entsprechendes Schild am Stützpfosten. „Die Nachfrage ist größer als die Anzahl der Bäume, die gepflanzt werden“, sagt Denise Seibert, die eine Warteliste führt. Doch bis diese Liste abgearbeitet werden kann, müssen erst weitere Standorte gefunden werden.

Beliebtes Geschenk

MEIN BAUM II Einige der jungen Mandelbäume längs des Mandelpfads in Maikammer suchen noch Paten. Foto: Büro für Tourismus Maikammer

Verfügbare Paten-Mandelbäume gibt es derweil in Maikammer, wo im vergangenen Jahr 15 junge Bäumchen entlang des Mandelpfad-Rundwegs gepflanzt wurden. Weitere 15 kamen in diesem Frühjahr hinzu. „Unsere Grundintention war, den Mandelpfad noch attraktiver zu machen“, sagt Sabine Baßdorf vom Büro für Tourismus in Maikammer. In der Regel werde die Patenschaft verschenkt – etwa zu Hochzeit, Geburt oder Taufe. „Einige Paten kommen aus Maikammer. Aber es sind auch Urlaubsgäste dabei, die immer wiederkehren“, erklärt Baßdorf. Wenn die Gäste zum Beispiel im Frühjahr ihren blühenden Baum fotografieren, können sie sich dann das ganze Jahr über an dem Bild erfreuen oder sie kommen jederzeit einfach mehrmals ihren Mandelbaum besuchen.

Bäume für die Städte

Neben der Mandel gibt es in der Pfalz weitere Bäume, für die eine Patenschaft übernommen werden konnte oder kann. So gibt es zum Beispiel den Lautrer Kinderwald 2.0, der ab 2018 als Streuobstwiese mit 44 Apfel-, 20 Birnen-, acht Pflaumen- und vier Mirabellenbäumen angelegt wurde. Die ausschließlich alten Obstbaumsorten wurden auf Flächen des Forstamtes Kaiserslautern während „eines Events von Paten, meist Eltern oder Großeltern, für Kinder gepflanzt und werden von uns, dem Forstamt Kaiserslautern, künftig gepflegt“, heißt es auf der Website der Landesforsten Rheinland-Pfalz. Eine Baumpatenschaft zum Erhalt bestehender städtischer Bäume kann etwa in Ludwigshafen übernommen werden. Der Beitrag dient in diesem Fall dazu, die Stadt bei der Pflege und Bewässerung der Bäume zu unterstützen.

MEIN BAUM III Im Lautrer Kinderwald 2.0 sind wiederum alle Obstbäume mit Paten versorgt. Foto: Tetiana Padurets/Unsplash

Pate für Trüffelbäume

Bei den Baumpatenschaften, die das Weingut Karl Schaefer in Bad Dürkheim anbietet, sind es dagegen gar nicht die Bäume selbst, die faszinieren, sondern das, was im Erdreich darunter wächst. Denn Dr. Job von Nell, der gemeinsam mit seiner Frau Nana das Weingut führt, hatte vor einigen Jahren die Idee, die Genusskombination von Riesling und Trüffeln auch ganz praktisch umzusetzen – mit Trüffelbäumen. „Es sind überwiegend Haselnuss, Buche, Eiche und Linde“, erklärt der Unternehmer. Zu Trüffelbäumen werden sie, indem die Wurzeln der jungen Bäumchen mit Trüffelsporen oder -mycel beimpft werden. Etwa sieben bis zehn Jahre dauert es, bis rund um die Bäume die ersten Trüffel geerntet und von den Paten verzehrt werden können. Die Patenschaft, welche pro Jahr 250 Euro kostet, ist in diesem Fall also langfristig angelegt.

TRÜFFELBAUM Die Wurzeln dieses Haselnussstrauchs werden mit Trüffelsporen geimpft. Paten warten bis zu zehn Jahre, bis sich die ersten Trüffel finden und genießen lassen. Foto: Job von Nell

Nachhaltiger Genuss

Rund 70 Menschen haben sich bisher dem Freundeskreis der Paten angeschlossen und sind geduldig genug, der Natur ihren Lauf zu lassen – im wörtlichen Sinne, denn die Anlage ist naturbelassen. „Es geht darum, das Mikrobiom im Boden zu stärken“, erklärt von Nell, der sich in seinem Forstbetrieb, der von Nell’schen Forstverwaltung im Hunsrück, der naturnahen Bewirtschaftung verschrieben hat. Ebenso wie der Pilz eine Symbiose mit dem Baum eingeht, verschmelzen so auch Nachhaltigkeit und Genuss miteinander. Die Patenbäume stehen zwar auf dem rund 150 Trüffelbäume umfassenden Gelände im Hunsrück, doch einige Trüffelbäume sind auch in den Weinbergen des Weinguts Schaefer in der Pfalz zu finden. Bis die erste Ernte ansteht, lädt Job von Nell einmal jährlich zum Patentreffen. Von Jahr zu Jahr steigt die Spannung, wie wohl die ersten eigenen Trüffel schmecken.

„Familientreffen“ bei Kohls

Wer sich derweil für eine Rebstockpatenschaft entschieden oder sie geschenkt bekommen hat, kann relativ schnell von den Erzeugnissen der „Patenkinder“ kosten. Beim Weingut Kohl in Erpolzheim etwa ist das seit 2012 möglich. Weinfachfrau Annette Kohl schickt den rund 150 aktiven Pächtern nicht nur jährlich ihr Weinpaket, sondern lädt sie auch zu einem Pächtertreffen ein, das sich großer Beliebtheit erfreut. „Es ist wie so eine Art Familientreffen“, schwärmt die Weingut-Chefin. „Wenn man es ein paar Jahre macht, merkt man erst, was für ein Spirit da entsteht.“ Die ersten Pächter seien langjährige Stammkunden gewesen, erinnert sie sich. „Das hat motiviert.“ Mittlerweile würden die meisten Menschen über Mund-zu-Mund-Propaganda und das Internet auf das Angebot aufmerksam. Bei der Auswahl des Wingerts habe sie sich seinerzeit viele Gedanken gemacht. „Es sollte auch ein schöner Weinberg sein“, sagt Kohl. So wurde es ein Weinberg zwischen Freinsheim und Herxheim, der mit seiner leicht nach Süden geneigten Lage einen herrlichen Ausblick über die Rheinebene und somit auch die perfekte Kulisse für das Pächtertreffen bietet.

MEINE REBE I Zur Rebstockpatenschaft gehört beim Weingut Kohl auch das jährliche Pächtertreffen. Foto: Weingut Kohl

Pächter als Lesehelfer

Für 75 Euro pro Jahr können Pächter die Patenschaft von einem Spätburgunder-Rebstock übernehmen. Doch der Inhalt der Flaschen ist jedes Mal eine kleine Überraschung. „Der Spätburgunder ist sehr vielseitig, weil man so viel daraus machen kann“, erklärt Annette Kohl. Ob es am Ende ein klassischer Rotwein, ein Rosé oder ein Blanc de Noir wird, verrät das Weingut-Team vorab nicht. Allerdings dürfen die Pächter, wenn sie denn mögen, an der Lese teilnehmen. „Wir haben 2018 die Handlese wieder eingeführt“, sagt die Geschäftsführerin des Weinguts. Es gebe auch immer einige Pächter aus dem Umkreis, die sich spontan zur Lese einfänden. Für Annette Kohl hat sich das Konzept bewährt. „Es ist gut für den Beziehungsaufbau. Man hat einen Stamm an Kunden, die immer wieder vorbeikommen“, sagt sie. „Und durch die Pacht haben wir regelmäßige Einnahmen.“

Adoptierte Riesling-Reben

Diesen Vorteil sieht auch Laura Kerbeck von Kore-Wein in Deidesheim. Die 32-Jährige und ihr Mann Fabian, der ebenso wie sie hauptberuflich in der Weinbranche arbeitet, betreiben ihr Weingut im Nebenerwerb und bieten seit 2021 über die Plattform CrowdFarming Riesling-Reben zur Adoption an. „Wir wissen so vorher immer, was wir schon verkauft haben. Das ist ein Luxus“, erklärt die ehemalige Pfälzische Weinkönigin, welche Sicherheit die Rebstockpacht bedeuten kann. „Sonst ist man als Winzer ja immer in der Vorleistung.“ CrowdFarming lernten die Kerbecks kennen, als sie selbst die Adoption eines Bienenstocks geschenkt bekamen.

MEINE REBE II Kore-Wein bietet seit 2021 Riesling-Reben über Crowdfarming zur Adoption an. Foto: Kore-Wein

„Das große Ziel ist es, den Produzenten eine gewisse Sicherheit zu geben. Das nimmt enorm viel Druck raus“, so Kerbeck. Bei Kore adoptiert man sechs Rebstöcke für 78,45 Euro pro Jahr. Dafür erhält man die Ernte in Form von sechs Flaschen Riesling. Zudem markiert Laura Kerbeck die adoptierten Reben mit einer kleinen Schiefertafel. Wer durch den idyllisch oberhalb von Deidesheim gelegenen Wingert schlendert, wird dabei die Namen vieler Paare entdecken, die entweder gemeinsam die Rebstöcke adoptiert oder sie als Geschenk bekommen haben. „Es gibt einige, die jetzt schon das dritte Jahr dabei sind“, freut sich Kerbeck.

Wein aus dem Hochzeitswingert

Während beim Weingut Kohl und bei Kore Wein Rebstockpatenschaften häufiger ein Geschenk zur Hochzeit sind, gibt es in Weisenheim am Sand einen Weinberg, der seit rund 20 Jahren ganz und gar verheirateten Paaren gewidmet ist. „Das war eine Idee des Standesbeamten der Gemeinde Freinsheim“, sagt Jürgen von der Au, Vizepräsident der Casinogesellschaft Freinsheim und Ansprechpartner für den Hochzeitswingert. „Wein ist in unserer Kulturlandschaft ein wesentliches Element. Das kommt unserem Ziel entgegen, Freinsheim als Urlaubsregion bekannter zu machen“, erklärt von der Au, warum die Organisation des Hochzeitswingerts in den Händen der Casinogesellschaft liegt. Der Wingert selbst gehört zum Weingut Langenwalter, das den Wein – einen trockenen Riesling – auch ausbaut. Als „Vinum Nuptiale“, also Hochzeitswein, gelangt der Rebensaft dann zu den Paaren. 22 Euro pro Jahr kostet eine Patenschaft im Hochzeitswingert, die für mindestens drei Jahre übernommen werden muss. Viele Eheleute sind dem Hochzeitswein jedoch länger treu: „Es gibt Paare, die von Beginn an dabei sind“, so der Vizepräsident. Ehepaare, die sich über den „Vinum Nuptiale“ freuen dürfen, gibt es in ganz Deutschland sowie in England, den Niederlanden und der Schweiz. Für alle Paten muss es jedoch eine Empfängeradresse in Deutschland geben, da der Wein-Versand ins Ausland zu teuer wäre.

Prominente als Paten

Auslandsversand gehört für die Stadt Deidesheim wiederum dazu, denn im Deidesheimer Prominenten-Wingert waren und sind berühmte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland die Rebstockpaten. Neben Margaret Thatcher und John Major zählte auch der damalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow zu den Pächtern. Er besuchte 1990 gemeinsam mit Helmut Kohl Deidesheim und hielt dort spontan eine Rede, wodurch die pfälzische Stadt in allen Nachrichten vertreten war. „Das war der wohl spektakulärste Staatsbesuch, den wir je hatten“, erinnert sich Bürgermeister Manfred Dörr. Die in den Statuten festgelegte Pacht – der Gegenwert einer Logel Most – übernahm in Gorbatschows Fall die Stadt. Seine Flasche Riesling Kabinett trocken aus der Weinlage Paradieswingert habe der berühmte Pächter stets bekommen, sagt Dörr. Eine Rebstockpacht im Prominenten-Weinberg, der vom Weingut von Winning bewirtschaftet wird, kann man sich nicht einfach erkaufen, sie wird als besondere Ehre verliehen – an Politiker, Kulturschaffende, erfolgreiche Sportler und weitere Personen, die eine Verbindung zu Deidesheim haben. Die Einnahmen kommen dem 1986 eröffneten Museum für Weinkultur zugute.

Tief in Deidesheim verwurzelt

„Der Weinberg fiel nach einem Flurbereinigungsverfahren an die Stadt und wurde dann für diesen Zweck verwendet“, berichtet der Bürgermeister. Zu den namhaften Pächtern, die auch gerne bei der Weinlese mit anpacken, gehören etwa die Kunstturnerin Elisabeth Seitz und viele Turmschreiber. Erster Pächter im Promi-Wingert war 1983 Richard von Weizsäcker. Alt-Bundeskanler Helmut Kohl, der der Stadt sehr verbunden war, besaß selbstverständlich ebenfalls einen Rebstock. Rund 1300 Quadratmeter Fläche der Weinlage „Paradiesgarten“ gehören zum Prominenten-Wingert. Für Bürgermeister Dörr haben die Patenschaften einen großen Symbolwert. „Die Reben haben tief gehende Wurzeln“, sagt der Stadtchef. Und genauso tief sollen die Geehrten mit Deidesheim verbunden bleiben.

Alte Rebsorten bewahren

Wein aus dem Rebsortenarchiv. Foto: Jung

In der pfälzischen Gemeinde Weingarten gibt es ebenfalls einen besonderen Weinberg, in dem man Patenschaften für Rebstöcke übernehmen kann. Allerdings sind hier nicht die Paten außergewöhnlich, sondern die Patenkinder. Denn dabei handelt es sich um teils sehr alte oder zuvor ausgestorbene Sorten, die Andreas Jung wieder aufgespürt, gesammelt und für sein Rebsortenarchiv zur Erhaltung gezüchtet hat. „Es sind alles Sorten, die ich in alten Weinbergen gefunden habe“, sagt der Experte, der über mehrere Jahre hinweg die Sammlung aufgebaut hat, indem er in verschiedenen deutschen Regionen und in der Schweiz Jahresknospen eingesammelt hat. „Im Prinzip können Sie aus jeder Knospe eine neue Rebe ziehen“, erklärt der Lustadter. 131 Sorten finden sich nun im Südpfalzweinberg. Wer eine Patenschaft für einen Rebstock übernimmt, leistet damit auch einen Beitrag zur Erhaltung von Rebsorten, die sonst vermutlich längst ausgestorben wären. „Rebsortenarchive sind notwendig geworden, weil es staatliche Institutionen unterlassen haben, unser weinkulturelles Sortenerbe systematisch einzusammeln und als Gesamtheit nachhaltig in virusfreier Qualität und in der vorhandenen Klonenvielfalt zu bewahren“, mahnt Jung, der den Wingert mittlerweile selbst gepachtet hat und nicht nur als Züchter, sondern auch als Winzer im Südpfalzweinberg aktiv ist.

MEINE REBE IV Eine Patenschaft im Rebsortenarchiv von Andreas Jung in Weingarten trägt zum Erhalt alter, fast ausgestorbener Rebsorten bei. Foto: Julia Köller

Wertvolle Sortenschätze

Unterstützung bekommt er dabei vom Weingut Spieß in Weingarten. Interessierte Paten können aus den noch verfügbaren Sorten wählen. Da von manchen Sorten nur vereinzelte Rebstöcke vorhanden sind, ist es jedoch nicht möglich, einen Wein nur aus diesen Trauben zu gewinnen. Der Qualitätswein, den die Paten bekommen, vereint daher die alten Sorten in einer Cuvée. Für 120 Euro pro Jahr beziehungsweise 350 Euro für drei oder 580 Euro für fünf Jahre ist eine Patenschaft für – je nach Sorte – vier bis fünf Rebstöcke im Südpfalzweinberg zu haben. Den Ertrag bekommen die Paten in Form von sechs – ab dem zweiten Jahr zwölf – Flaschen Wein nach Hause geliefert. Außerdem gibt es eine handgefertigte Urkunde, Informationen zur Rebsorte, eine Führung durch den Weinberg und eine Einladung zu einer kulinarischen Weinprobe. Schon 2008 wurde das Patenprojekt ins Leben gerufen. Von den ersten 80 Paten seien zehn noch dabei, freut sich Jung. Insgesamt gebe es 120 Paten aus ganz Deutschland, die mit ihren Beiträgen den Weinberg finanzieren. „Sie haben den Sinn dieses Weinbergs verstanden“, sagt der Fachmann. „Sie haben begriffen, dass es da wirklich einen Schatz an Sorten gibt, den man woanders nicht findet.“ So kommt es, dass in der Pfalz auch Sorten wachsen, die mindestens 8000 Jahre alt sind wie etwa der Süßschwarz, ein Rotwein. Auch echte „Perlen des historischen Weinbaus“ sind vertreten, wie Jung erklärt. Als Beispiele nennt er die Rotweine Fränkischer Burgunder und Blauer Traminer und den weißen Adelfränkisch. Manche dieser Sorten möchte der Züchter auch wieder zu den Winzern zurückbringen. Die finanzielle Unterstützung durch die Paten ist dabei eine große Hilfe.

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Weinstöberei

Wiederentdeckte
Schätze

Im Nordpfälzischen Kindenheim ist das Weingut Thilo Holstein zuhause. Neben den klassischen Pfälzer Rebsorten bauen die Holsteins seit fünf Jahren historische Rebsorten wie Adelfränkisch, Roter Muskateller und Blauer Muskateller an.

Foto: Weingut Holstein

Die Vielfalt der Rebsorten, die es in der Pfalz gibt, gab oder wieder gibt, ist eng mit der Geschichte der Region verknüpft. Thilo Holstein erzählt, dass in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Könige und Fürsten über den Rheingraben herrschten. Jeder von ihnen brachte diverse Vorlieben mit und so legte jeder Amtsinhaber neu fest, welche Rebsorten angebaut werden durften und welche aus den Weinbergen verbannt wurden. So kam es, dass viele Rebsorten ausgehackt wurden und in Vergessenheit gerieten. Zum Zeitpunkt dieser Rodungen wurde noch mit Pferd und Muskelkraft jede Rebe einzeln aus dem Boden gezogen. In manchen Fällen schlugen die Pflanzen wieder aus und wuchsen wild am Rand der Weinberge.

“Historische Rebsorten”

Der Ampelograph (Rebsortenkundler) Andreas Jung hat sich 20 Jahre lang auf die Suche nach genau diesen Reben gemacht und sie dann in Zusammenarbeit mit dem Rebveredler Ulrich Martin vermehrt und zu Wein ausgebaut. Die Rebsorten, die sich weinbaulich und önologisch bewährten, wurden in die Liste der „Historischen Rebsorten“ aufgenommen.

Unkonventioneller Roséwein

Im vergangenen Jahr haben die Holsteins den Blauen Muskateller das erste Mal geerntet und zu einem Rosé ausgebaut. Entstanden ist ein spannender und unkonventioneller Roséwein. Die Farbe des 2022er Blauen Muskateller ist zartrosa im Provence-Stil. Beim ersten Hineinriechen in das Glas sind typisch-exotische Muskatelleraromen nach Litschi, jungen Rosenblüten und würzigen Muskatnoten zu finden. Der erste Schluck bringt eine Überraschung für den Gaumen. Die Musakatelleraromen sind etwas zurückhaltender und es tritt eine zarte Erdbeere, gepaart mit Zitrus und Johannisbeere in den Vordergrund. Thilo Holstein empfiehlt, den Rosé mit einem Mango-Curry-Auflauf zu kombinieren. Das Rezept hierzu gibt’s direkt beim Winzer.

2022er Blauer Muskateller Rosé | 0,75 l | 10,90 Euro | Weingut Holstein, Kindenheim | weingut-holstein.de

Inga Klohr. Foto: Adlumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

Weitere Artikel aus der VielPfalz

Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Geschmacksverstärker

VielPfälzer

Der VielPfälzer hat sich in der Kolumne “Geschmacksverstärker” immer mit leichter Ironie der „Generation Genuss“ genähert. Der Autor, Journalist und Pfälzer mit Leib und Seele dahinter ist überraschend und viel zu früh verstorben. Ein Nachruf.

Ämotzione mit Schraubverschluss“ machen den Anfang. Seit der Ausgabe 5 im ersten VielPfalz-Jahr 2016 ist der VielPfälzer mit dem Dubbeschobbe in der Hand als „Geschmacksverstärker“ ein fester Bestandteil unseres Magazins. Des VielPfälzers ganz spezielle Gedanken rund um Pfalz-Phänomene, mit mehr oder minder zarter Ironie zum Ausdruck gebracht, gehören also fast von Anfang dazu. Seine Seite am festen Platz hat schnell einen begeisterten Leserkreis gefunden. Es gibt manche, die unser Magazin wegen der Kolumne von hinten zu lesen beginnen. Ab dieser Ausgabe fehlt sie.

Der VielPfälzer, dessen Gedanken immer ohne Namensnennung erschienen sind, ist auch im wahren Leben ein wirklicher VielPfälzer. Die Rede ist von Holger Mühlberger. Der Journalist und Buchautor beschreibt sich selbst als Sprachakrobaten, Humormenschen sowie „ausgebildeten und praktizierenden Pfälzer“. Wachenheim an der Weinstraße wird für den 1953 in Ludwigshafen geborenen Autor zum Lebensmittelpunkt.

Pfalz-Themen spielen für den früheren Redakteur der „Rheinpfalz“ in Kaiserslautern und Ludwigshafen immer eine wichtige Rolle. Ganz besonders während der Mitarbeit an den Regionalseiten „Südwestdeutsche Zeitung“. Intern nennt man sie liebevoll „Heimat“. Dieser bleibt „müb“ – so sein Kurzzeichen – treu, als er acht Jahre lang als Geschäftsführer der Pfalzwein-Werbung in Neustadt wirkt. Um viel Pfalz geht es für ihn danach bei seiner nächsten Herausforderung. Als Print Medien Service Südwest (mssw)-Geschäftsführer hebt er 1996 das Freizeitmagazin „Leo“ mit aus der Taufe. Ab 2005 ist „müb“ dann in der Werbung und als freier Texter tätig. Ab 2016 auch für uns.

Damit schließt sich ein Kreis: Denn die Wege von Holger und mir, der ich mich als Gründer unseres Magazins auch als VielPfälzer bezeichnen darf, kreuzen sich vielfach. Natürlich immer in der Pfalz. 1981 bringt er mir in meinem Volontariat, der Ausbildung zum Redakteur, als Ausbilder mit das Handwerk bei. Holger tritt damals in dieser Funktion in die Fußstapfen von Dr. Rudolf Joeckle, dem Nestor der „Volontärsväter“ bei der „Rheinpfalz“. Später darf ich dann selbst die Ausbildung vieler Redakteurinnen und Redakteure steuern. Doch nicht genug, ich werde ein weiteres Mal „müb“-Nachfolger: 2005 als mssw-Geschäftsführer und „Leo“-Chef. Nach dem Start von VielPfalz ist Holger deshalb wahrscheinlich nicht überrascht, dass ich ihn als Autor einer Kolumne gewinnen will. Sein Ja kommt prompt und der VielPfälzer erblickt das Licht der Welt.

Am 12. August ist Holger Mühlberger überraschend verstorben. Mit der Beschreibung ganz spezieller „Halsschmerzen“ in der Ausgabe 4/2023 endet deshalb seine Kolumne. Denn niemand kann Pfalz-Phänomene auch nur annährend so pointiert zu Papier bringen, wie es unser VielPfälzer zelebrierte. Er fehlt uns.

Veranstaltungs­tipps

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Ab in die Pilze

Untergrund­bewegung

Steinpilz, Pfifferling oder Champignon: Das sind gerade mal drei von mehreren Tausend Großpilzarten, die in unseren Breiten vorkommen. Das Reich der Fungi, wie Pilze botanisch heißen, ist vielfältig. Zudem sind sie unverzichtbar für ein gesundes Ökosystem. Auf geht’s in die Pilze in Pfälzer Wäldern.

Foto: Landesforsten rlp.de/Markus Hoffmann

Es ist ein sonniger Mittwochmorgen im Weingärtner Lohwald in der Vorderpfalz. Vogelgesang schafft eine klangvolle Kulisse für einen Streifzug in die Pilze. Das Waldstück liegt im ehemaligen Revier von Förster Volker Westermann, der im Forstamt Rheinauen für Umweltbildung zuständig ist.

Auf Sand gebaut

PILZEXPERTE 1 Förster Volker Westermann. Foto: Julia Reichelt

Die Wälder in der Rheinebene stehen zumeist auf sandigen und damit trockenen Böden – wie auch der Pfälzerwald. Die Trockenheit verschärft sich jedoch dadurch, dass es dort vergleichsweise weniger regnet. Pilze finden in den Wäldern also keine Idealbedingungen. „Aber wenn es doch einmal ordentlich Niederschlag gibt, ist die Artenvielfalt oftmals erstaunlich. Hier gibt es neben bekannten Kandidaten wie Steinpilzen auch besonders seltene Arten, die man nur alle paar Jahre sieht“, sagt Förster Volker Westermann, „zum Beispiel den Kaiserling, der mit dem Fliegenpilz verwandt, aber essbar ist. Mir begegnen hier immer wieder Arten, die ich vorher noch nie gesehen habe. Oder Arten, die jahrelang verschwunden waren und plötzlich wieder auftauchen.“

Zuständig für Recycling

Apropos auftauchen: Kaum losgelaufen, hat Volker Westermann schon den ersten Pilz entdeckt, den andere im Vorbeilaufen wahrscheinlich übersehen hätten. Das Exemplar mit brauner Hutoberseite steht gut getarnt im Laub. Der Förster dreht den Pilz achtsam heraus. Beim Blick unter den Hut fällt auf, dass es zwischen den Lamellen rötlich schimmert. „Wenn man den Hut mit den Lamellen nach unten auf ein Blatt legt, fällt nach wenigen Stunden ein rosa-rötliches Sporenpulver heraus. Das zeigt an, dass es sich um ein Exemplar aus der Gattung der Dachpilze handelt“, erklärt er. Der Fruchtkörper ist dicht neben einem Wurzelstock gewachsen. Volker Westermann: „In diesem Wurzelstock lebt das Myzel, das eigentliche Hauptorgan des Pilzes. Im Laufe der nächsten Jahre oder Jahrzehnte zersetzt es das Holz und verwandelt es zurück in fruchtbaren Waldboden. Ist das Material aufgebraucht, verschwindet auch der Pilz. Er hat aber in der Zwischenzeit über die Fruchtkörper, die aus dem Holz herauskommen, Millionen von Sporen verbreitet. Landen sie auf einem geeigneten Platz, erwacht die nächste Generation zum Leben.“

PILZBESTIMMUNG Viel Wissen und Erfahrung sind nötig, um Funde eindeutig zu bestimmen. Hier wird gezeigt, woran man einen Dachpilz erkennt. Foto: Julia Reichelt

Drei Gruppen von Pilzen

In einer anderen Ecke der Pfalz – Kaiserslautern und Umgebung – ist der Pilzsachverständige Dietmar Theiss unterwegs. Sein Wissen teilt er regelmäßig bei Pilzwanderungen in Kooperation mit Volkshochschulen oder dem Haus der Nachhaltigkeit in Johanniskreuz. Ihm ist es dabei wichtig zu vermitteln, welche Rolle Pilze in unseren Ökosystemen spielen. Er erläutert: „Neben den zwei großen W’s – Wasser und Wärme – brauchen Pilze auch ein Substrat, sozusagen eine Lebensmittelversorgung. Anhand des benötigten Substrats lassen sie sich in drei Gruppen einteilen. Es gibt die sogenannten Saprobionten, die von abgestorbenem Material wie etwa Totholz oder Laub leben. Es gibt die Mykorrhiza-Pilze, die in Gemeinschaft mit anderen Pflanzen, meistens Bäumen, leben. Dazu zählen die bekanntesten Speisepilze wie Steinpilze, Pfifferlinge oder Maronenröhrlinge. Und dann gibt es parasitäre Pilze, die sich von lebendem, überwiegend pflanzlichem Substrat ernähren.“ Parasitäre Pilze spielen etwa in der Landwirtschaft eine Rolle, in diesem Fall eine unerwünschte, da sie Krankheiten auslösen können.

GEHEIMNISVOLL Der giftige Fliegenpilz ist nicht nur in Laub- und Nadelwäldern tief verwurzelt, sondern auch in Volkserzählungen und Mythen vieler Kulturen. Zu erkennen ist er am Hut, Stiel, Geruch und seinen Lamellen. Foto: Landesforsten/Jonathan Fieber

Sicherheit geht vor

Ebenso weist er darauf hin, dass Pilze nicht nur am Boden zu finden sind. „Im Wald sollte man den Blick auch ab und zu nach oben richten“, sagt der Pilzsachverständige. „An den Stämmen abgestorbener Bäume wachsen, teils in mehreren Metern Höhe, viele Baumpilzarten. Dazu zählen etwa konsolenartig aussehende Arten wie der Zunderschwamm oder der rotrandige Baumschwamm.“ Nicht zuletzt mahnt er zu Vorsicht: „Es ist sehr schwierig, einen Pilz treffsicher zu bestimmen. Die Teilnahme an einer geführten Pilzwanderung reicht dafür bei Weitem nicht aus. Viele beliebte Speisepilze, zum Beispiel Pfifferlinge, haben gleich mehrere Doppelgänger. Der sogenannte Falsche Pfifferling oder Gabelblättling ist harmlos. Aber hier in der Pfalz gibt es auch Rauköpfe, die Pfifferlingen zum Verwechseln ähnlich sehen können und tödlich giftig sind. Ebenso wissen viele Hobbysammler nicht, wie man Champignons von einem giftigen Knollenblätterpilz unterscheidet.“ Deswegen sollte man, so schön das Sammeln auch ist, immer auf maximale Sicherheit gehen.

BAUMPILZE I Hallimasche, auch bekannt als Honigpilze, bilden im Herbst faszinierende Pilzkolonien an Baumstämmen.

Mit Röhrenpilzen anfangen

Wer sich Literatur als Bestimmungshilfe besorgen möchte, für den gilt: Auf die Dicke kommt es an. „Ein Buch, das die 50 wichtigsten Speisepilze und ihre Doppelgänger zeigt, reicht nicht“, sagt Dietmar Theiss. „100 Pilze sind nur ein kleiner Bruchteil der bekannten Großpilzarten. Ein ordentliches Pilzbuch sollte mindestens 500 bis 1000 Pilzarten beschreiben. Nur so bekommt man eine Ahnung davon, was es alles gibt, und wie ähnlich sich Arten sein können.“ Als sichere Bank für ungeübte Speisepilzsammler empfiehlt er Röhrenpilze, die unter dem Hut eine schwammartige Röhrenstruktur aufweisen: „Da gibt es bitter schmeckende Pilze, die das Essen verderben oder etwas Bauchweh verursachen, wie etwa den Gallenröhrling, den Schönfußröhrling oder den Satanspilz. Lebensgefahr besteht aber nicht.“

PILZEXPERTE 2 Dr. Dietmar Theiss. Foto: Julia Reichelt

Richtig „ernten“

Wer einen Pilz entdeckt hat und sicher ist, worum es sich handelt, kann diesen oberirdisch mit einem Messer abschneiden. Wer unsicher, ist, dreht den Fruchtkörper besser heraus und nimmt ihn insgesamt mit. Das schadet dem Pilzgeflecht im Boden nicht und „an der Stielbasis gibt es oft wichtige Bestimmungsmerkmale wie die Knolle beim Knollenblätterpilz“, fügt der Pilzsachverständige hinzu. Er selbst beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Pilzen. Was als Hobby begann, hat er, größtenteils im Selbststudium, nach und nach intensiviert und gefestigt. Die Prüfung zum „Pilzsachverständigen“ hat er dann bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie abgelegt, dem größten Verein im Bereich der Pilzkunde.

Den Pilzblick bekommen

Zurück im vorderpfälzischen Lohwald bei Volker Westermann. Wer mit ihm unterwegs ist, lernt, dass der Wald jederzeit voller Pilze ist. Man muss nur hinschauen. Auf kurzer Distanz bleibt er mehrfach stehen und zeigt auf immer neue Fundstücke. Zum Beispiel auf einen graubräunlichen Pilz, der zart und damit nahezu unsichtbar daherkommt. Dabei sieht man dem Förster an, wie sehr er sich selbst für die Natur begeistert: „Die Vielfalt der Pilze zeigt sich nicht in den großen auffälligen Exemplaren“, sagt er. „Es sind vielmehr die kleinen, unscheinbaren Gattungen, zu denen dieser Helmling gehört. Helmlinge umfassen bis zu 100 verschiedene Arten. Unser Exemplar hier ist dafür verantwortlich, das Laub zu zersetzen.“ Pilze sind auch wichtige Signalgeber für die Waldbewirtschaftung: „Wenn man in einem alten Kiefernbestand unterwegs ist und dort die Krause Glucke entdeckt, weiß man, dass der Baum, vor dem sie wächst, von innen fault. Ganz selten findet man sie auch an Douglasien oder Lärchen. Der Pilz selbst zersetzt das Holz. Der Fruchtkörper, der sich außerhalb des Baumes bildet, ist jedoch essbar.“

SYMBIOSE Pilze wie der Zunderschwamm unterstützen als natürliche Zersetzer den Zerfallsprozess der Bäume im Wald. Davon profitiert der Hirschkäfer und seine Larven, die sich in morschem Holz abgestorbener Bäume entwickeln. Foto: Landesforsten RLP/Jonathan Fieber

Förderung der Artenvielfalt

Pilze, die Totholz als Substrat benötigen, erweisen uns damit einen großen Gefallen. Ganz drastisch ausgedrückt, würden wir in Biomüll ersticken, wenn es die Zersetzer nicht gäbe. Dabei erschließen sie das abgestorbene Material für weitere Nutzungsgruppen. „Bei Landesforsten Rheinland-Pfalz gibt es ein Totholz-Konzept, mit dem wir Flächen, Baumgruppen oder auch alte Bäume ausweisen, die zur Förderung der Artenvielfalt erhalten bleiben sollen“, sagt Volker Westermann. „Zum Beispiel braucht der Hirschkäfer das schon zersetzte und zerfaserte Holz eines toten Baums, um sich zu vermehren. Ohne solche Biotop-Bäume, wie wir sie nennen, gäbe es irgendwann keine Hirschkäfer mehr.“

Pilz-Baum-Partnerschaften

Und was ist dran an der Kommunikation zwischen Pilzen und Bäumen? „Das Wood Wide Web gibt es wirklich“, so der Förster. „Allerdings sind die harten Fakten vielleicht etwas weniger spektakulär, als es uns manche Erzählungen glauben machen wollen. Im Prinzip geht es um Pilz-Baum-Partnerschaften. Man weiß durch Untersuchungen mit radioaktiven Kohlenstoffverbindungen, dass ein Pilz dabei mit mehreren Bäumen verbunden ist. Ebenso kann ein Baum mit mehreren Pilzen Symbiosen eingehen. Dabei werden auch Stoffe über die Kette Baum-Pilz-Baum übertragen. Warum und wann das genau passiert – hier steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen.“

AUFRÄUMER Diese Helmlingsart zersetzt das Laub im Wald.
DOPPELGÄNGER Narzissengelber Wulstling aus dem Pfälzer Waldboden. Fotos: Julia Reichelt

Gib mir Zucker!

Bekannt ist, dass der Pilz, um eine Symbiose anzubahnen, die Baumwurzeln umschließt. Er dringt in die Wurzeln ein und unterstützt den Baum mit Wasser- und Mineralienlieferungen. Dafür zahlt der Baum einen Preis, indem er gut ein Drittel des Zuckers, den er durch Photosynthese produziert, an das Netzwerk der Pilze abgibt. Volker Westermann fügt hinzu: „Es handelt sich um Zweckgemeinschaften zu beiderseitigem Vorteil. Der Übergang zum Schmarotzertum ist allerdings fließend.“ Dabei sind manche Pilze Generalisten und vertragen sich mit vielen Baumarten. Andere, wie beispielsweise der Goldröhrling oder Steinpilze, sind spezialisiert – auf Lärche bzw. Fichte. Wie dicht durchzogen das Erdreich unter uns mit Pilzmyzel ist, erklärt Westermann anhand eines Beispiels: „Würde man alle Fäden aus der Menge Waldboden, die in eine kleine Becherlupe passt, aneinanderreihen, würde die feine Schnur von hier bis nach Köln reichen.“

Ötzi und der Birkenporling

PILZKUNDE Die Pilzfreunde Saar-Pfalz geben ihr Wissen an Interessierte weiter. Hier schaut Vorsitzender Thomas Brandt ins Mikroskop.

Doch nicht alles, was über das Wood Wide Web gesagt wird, entspricht der Realität:  Wissenschaftlich nicht erwiesen sei die Tatsache, dass Mutterbäume im Sinne der Brutfürsorge junge Bäume mit Nährstoffen unterstützen, so der Förster: „Bäume leben in einem harten Konkurrenzkampf um Licht, Wasser und Nährstoffe. Derjenige, der am besten angepasst ist, setzt sich durch und stellt die anderen sprichwörtlich in den Schatten.“ Und dann weist er auf weitere Nutzungsarten von Pilzen hin, die unser Leben bereichern: „Pilze, in dem Fall Hefepilze, machen sich verdient in der Bier- und Weinherstellung. Manche Pilzarten sind auch schon in früheren Jahrhunderten aufgrund ihrer Heilkräfte genutzt worden. Im Gepäck von Ötzi, der Gletschermumie, fand sich neben einem Zunderschwamm zum Feuer machen auch ein Birkenporling, vermutlich aus medizinischen Gründen. Ein aus Birkenporlingen zubereiteter Tee bzw. Sud ist ein wunderbares Heilmittel, wenn man Probleme mit dem Magen hat.“ Pilze sorgen auch in der neueren Medizin für Fortschritt: Penicillin ist nach dem Schimmelpilz benannt, der zur Entdeckung des ersten Antibiotikums führte.

Mit Pilzfreunden unterwegs

Mit der Vielfalt an Pilzen beschäftigen sich auch die Pilzfreunde Saar-Pfalz. Der 1983 im südwestpfälzischen Pirmasens gegründete Verein ist inzwischen nach Bexbach bei Homburg umgezogen. Dennoch kommen die Mitglieder weiterhin gerne in den Pfälzerwald, zuletzt etwa für ein pilzkundliches Wochenende nach Lemberg. Die Aufgabe des Vereins, so umschreibt es der Vorsitzende Thomas Brandt, sei es, Wissen in volkstümlicher Pilzkunde oder Hobby-Mykologie weiterzugeben. Bei den pilzkundlichen Wochenenden seien daher auch Gäste willkommen. Waren das früher maximal zehn bis zwölf Interessierte, sei der Zuspruch inzwischen enorm: „Letzten November, als es richtig viele Pilze gab, hatten wir um die 60 externe Teilnehmer. Das hat uns überrascht und stellenweise auch organisatorisch überfordert.“ Seitdem gilt: Teilnahme nur per Vorab-Anmeldung. Wie läuft ein pilzkundliches Wochenende ab? Thomas Brandt erklärt: „Wir schwärmen in Gruppen zum Sammeln aus und besprechen nachfolgend die gefundenen Pilze.“ Auf Tischen aufgereiht und mit Namensschildern versehen, liegen die Fundstücke später für alle zugänglich aus. Wenn zum Bestimmen das menschliche Auge oder eine mitgeführte Lupe nicht ausreichen, stehen in der gemeinsamen Unterkunft auch Mikroskop und Bestimmungsliteratur parat.

DUFTERLEBNISS 1 An Pilzen zu riechen, hilft sie zu bestimmen. Der Nadelstinkschwindling riecht nach verfaultem Kohl. Foto: Julia Reichelt

Mit allen Sinnen bestimmen

Im Wald sind die Pilzfreunde stets mit allen Sinnen unterwegs. „Man muss einen Pilz anschauen, fühlen, riechen und schmecken“, sagt der Vereinsvorsitzende, unterwegs im Wald bei Lemberg. „Einige Pilze sind beispielsweise gut am Geruch zu erkennen. Der Morchelbecherling, ein sehr guter Speisepilz, riecht nach Chlor. Dann gibt es Pilze, die wie Obst duften oder nach Urin stinken. Daher führt ein Kenner seine Fundstücke zum Bestimmen auch an die Nase.“ Zwei solche Exemplare entdecken die Pilzfreunde direkt vor Ort: einen Fenchelporling, der tatsächlich süßlich-aromatisch riecht. Später folgt ein Nadelstinkschwindling, der sich auf das Zersetzen von Fichtennadeln spezialisiert und seinen Namen in jeder Hinsicht verdient: Beim Zerreiben des Huts fängt er an, nach verfaultem Kohl zu stinken.

DUFTERLEBNIS 2 Fenchelporling duftet süßlich-aromatisch. Foto: Julia Reichelt

Auf den Punkt (ge)kommen

„Wenn man erst einmal einen kleinen Einblick in das Reich der Pilze hat, will man immer mehr wissen“, umschreibt Thomas Brandt seine Motivation, sich im Verein zu engagieren. In mehr als 20 Jahren hat er sich umfassendes Wissen rund um die Pilze angeeignet. Als die Gruppe einen narzissengelben Wulstling findet, der einen gepunkteten Hut trägt, erklärt er: „Die weißen Punkte erinnern an den Fliegenpilz, mit dem er auch nah verwandt ist. Wenn der Fruchtkörper frisch aus der Erde kommt, ist der Hut komplett weiß umhüllt. Sobald er sich öffnet, reißt die Schutzhülle auf und hinterlässt die weißen Punkte.“ Allerdings kann Regen die Reste der aufgeplatzten Hülle wegwaschen. Daher sind die Punkte kein verlässliches Bestimmungsmerkmal.

Wo wächst was?

Ein bis zwei pilzkundliche Wochenenden führt der Verein pro Jahr durch. Dabei erstellen die Pilzfreunde jeweils eine Liste mit allen Funden, die sie der Deutschen Gesellschaft für Mykologie übergeben. „Mithilfe unserer Daten wird die Rote Liste der bedrohten Arten erstellt“, sagt Thomas Brandt. „Die Daten geben Aufschluss darüber, welche Pilze wo wachsen, welche Arten zunehmend seltener oder häufiger auftauchen.“ Die Pilzkartierung ist somit ein weiterer wichtiger Baustein der Vereinsarbeit – gerade in Zeiten des Klimawandels. Generell ist es bei Pilzen aber schwierig, eine Aussage darüber zu treffen, ob sich Klimaveränderungen auf die Verbreitung oder Artenvielfalt auswirken. Denn wenn Pilzen die Bedingungen nicht passen, bilden sie manchmal jahrelang keine Fruchtkörper.

FUNDSTÜCKE Die Pfalz ist reich an Pilzarten. Beispiele sind Schmetterlingstramete, umgeben von Maiporling (links unten), Winterporling (links oben) und Glockendüngerling (oben). Foto: Julia Reichelt

Zukunftsgedanken

Spekulieren lässt sich unter anderem darüber, was passiert, wenn es dem Wald durch den Klimawandel immer schlechter geht. Das könnte sich auf die Pilze auswirken, die ausschließlich oder vorzugsweise mit bestimmten Baumarten partnerschaftlich verbunden sind. Bringt es etwa das Fichtensterben mit sich, dass es auch weniger Steinpilze gibt? Eines zeichnet sich zumindest jetzt schon klar ab: Aufgrund der anhaltend trockenen Sommer verschiebt sich die Saison für klassische Speisepilze nach hinten. Sie warten, bis an warmen Herbsttagen der Regen kommt. Und dann erst „schießen“ sie quasi über Nacht förmlich aus dem Boden.

Buchtipps

Kosmos Naturführer: Welcher Pilz ist das?, Markus Flück, Kosmos Verlag
1 mal 1 des Pilzesammelns, Walter Pätzold/Hans E. Laux, Kosmos Verlag
Grundkurs Pilzbestimmung, Rita Lüder, Quelle & Meyer Verlag
Der große Kosmos-Pilzführer, Hans E. Laux, Kosmos Verlag
Der große BLV-Pilzführer, Ewald Gerhardt, BLV
Handbuch für Pilzsammler, Thomas Gminder, Kosmos Verlag
Das Geheimnisvolle Leben der Pilze, Robert Hofrichter, Penguin Verlag
Pilze zum Genießen – ein Familien-Pilzbuch für Küche, Kreativität und Kinder, Rita und Frank Lüder, Eigenverlag kreativpinsel

Veranstaltungs­tipps

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Pfälzer Perspektiven

Nachhaltig genießen

Betrachtungen von Janina Huber rund um die Frage, wie nachhaltig wir in der Pfalz genießen und warum Herz und Verstand manchmal wichtiger sind als Bio-Siegel.

Foto: Pixabay

Wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit? Eine Gretchenfrage der modernen Zeit. Sie betrifft alle Lebensbereiche – auch die Pfalz und ihre Wein- und Genusslandschaft. Vor ein paar Wochen habe ich einen internationalen Kongress für Weinfachleute besucht. Der gemeinsame Tenor aller Vorträge: Die Zukunft braucht mehr Nachhaltigkeit. Dazu im Kontrast stand der Bericht einer Konsumentenstudie. Die hatte ergeben, dass Nachhaltigkeit bei der Entscheidung zum Kauf von Weinen noch eine untergeordnete Rolle spielt. Rufen wir also alle nach Nachhaltigkeit und greifen im entscheidenden Moment dann doch daneben?

Der Mensch als Ressource

Mal von vorne: Dem heutigen Verständnis nach hat Nachhaltigkeit drei Dimensionen. Ganz offensichtlich ist der ökologische Aspekt, also die Natur zu schonen. Als nächstes geht es um Ökonomie, denn Nachhaltigkeit muss sich am Ende auch rechnen. Die dritte Dimension betrifft den sozialen Aspekt: Menschen werden als Ressource gesehen, mit der man fair umgehen muss. Im Endeffekt geht es immer darum, ein System nur so weit zu belasten, dass es sich noch selbst regenerieren kann.

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

Dauerbrenner: CO2-Reduktion

Was bedeutet das in puncto Genuss? Sie merken es schon, es könnte etwas unbequem werden. So einiges steht auf dem Prüfstand. Gleichzeitig gibt es viele kreative Ansätze. Restaurants, die genau nachschauen, woher sie ihre Produkte beziehen, oder die mit weniger Geschirreinsatz die Zahl Spülgänge reduzieren wollen. Auch die Weinwelt ist sich ihrer Verantwortung zunehmen bewusst und Themen wie die CO2-Reduktion sind Dauerbrenner. Nun könnte man meinen, dass doch diese Welt von Wein und Genuss nur eine Randerscheinung ist. Was nützt es also, hier etwas zu ändern? Doch es ist eine Welt, auf die man gerne schaut und die daher Signalwirkung haben kann.

Auf’s Bauchgefühl hören

Was bedeutet das für uns als Genießer? Naja, zumindest sollten wir wohl etwas genauer hinschauen. Nachhaltigkeits-Siegel können hier eine Hilfe sein. Aber auch das eigene Bauchgefühl und ein bisschen Verstand bringen einen schon weiter. Ja, das kann unbequem sein, aber nur so kommen wir voran. Dabei muss man ja nicht gleich in Perfektionismus verfallen oder allem nur noch skeptisch begegnen – ein gesundes Mittelmaß ist ein guter Anfang! Nachhaltigkeit ist kein Zustand, sondern ein Prozess, den wir alle gemeinsam gestalten. Ganz gleich, wie groß oder klein der Einfluss ist, am Ende liegt die Verantwortung bei jedem von uns!

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Titelgeschichte: Wasser in der Pfalz

Pfalz halbtrocken

Was beim Wein Geschmack beschreibt, ist beim Wasser ein Alarmzeichen. Im Pfälzerwald versiegen erste Quellen. Flüsse führen im Sommer nur noch Niedrigwasser. Weiher trocknen aus. In Dörfern der Pfalz dürfen Gärten zeitweise nicht mehr gegossen werden. Um kühles Nass für Gemüsefelder gibt es heiße Diskussionen. Unser Lebenselixier, das durch nichts zu ersetzen ist, wird immer knapper und kostbarer. Ein Dossier über das Wasser in der Pfalz mit vielen Grafiken und Hintergründen.

AUSGETROCKNET Der Jagdhausweiher bei Kaiserslautern war einmal ein beliebter Badesee. Das hat sich stark verändert, wie die Aufnahme aus März 2022 zeigt. Foto: Reiner Voß/view – die Agentur

Endlich ist er da, der langersehnte Regen. Tropfen um Tropfen fällt er auf den trockenen Boden. Jetzt riecht man den Sommer. Erdig-frisch und leicht würzig. Unter dem Schutz des Blätterdaches lässt sich beim Spaziergang im Wald so richtig durchatmen. Wissenschaftler haben diesem Duft bereits Mitte der 1960er-Jahre den Namen „Petrichor“ gegeben. „Pétros” steht für Stein und „Ichor“ war laut griechischer Mythologie eine Flüssigkeit, die durch die Adern der Götter floss. Die Forscher fanden heraus, dass der Geruch des Regens durch ätherisches Öl entsteht, das Pflanzen und Bäume in Trockenphasen produzieren. Es wird von Böden und Gesteinen „aufgesaugt“. Hinzu kommt – dies zeigen jüngere Untersuchungen – der Alkohol Geosmin, den Bakterien im Boden bilden. Während großer Trockenheit und Hitze fahren sie ihren Stoffwechsel extrem herunter. Der Kontakt mit Wasser aktiviert die Bakterien dann schnell wieder und lässt sie Geosmin abgeben. Alkohol und ätherisches Öl zusammen steigen in Luftbläschen auf, die platzen und verwirbelt werden. Für einen ähnlichen Effekt sorgt auch Kohlensäure, die beim Öffnen einer Sektflasche entweicht und die Aromen verströmt.

Der Wald als Schwamm

Der Duft des Regens ist das eine. Zum anderen haben Wälder einen entscheidenden Einfluss auf die Wasserversorgung von Flüssen und Grundwasser. Das Kronendach der Bäume dämpft die Wucht des Wassers. Wenn dieses nach und nach in lockerem, humusreichem Untergrund versickert, kann der Waldboden viel mehr davon aufnehmen. So können Wälder entscheidend mit zu einem dezentralem Hochwasserschutz und zur Grundwasserbildung beitragen. „Intakter Wald ist wie ein Schwamm. Das merkt man auch an feuchterer Luft und an zwei bis vier Grad, die es im Wald kühler ist“, betont die Hydrologin Dr. Eva Verena Müller. Die 1979 in Darmstadt geborene Wissenschaftlerin betreut bei der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Trippstadt (Landkreis Kaiserslautern) in der Abteilung „Umweltvorsorge – Wald und Wasser“ das Thema in ganz Rheinland-Pfalz. Dabei spielt der Pfälzerwald, das größte geschlossene Waldgebiet Deutschlands, als bedeutender Grundwasserspeicher eine wichtige Rolle. Das Problem: Auch hier nimmt die Grundwasser-Neubildungsrate seit 20 Jahren deutlich ab.

Quelle: Dr. Eva Verena Müller

Der Mensch und Ökosysteme

Hydrologin Dr. Eva Verena Müller. Foto: Karl Pfleging

Für uns Menschen ist der Geruch des Regens und die erholsame Wirkung des Waldes genauso selbstverständlich, wie das Vorhandensein von Luft und Wasser an sich. „Alles hat aber einen Wert und alles hängt mit allem zusammen. Es geht also um eine Inwertsetzung als Bewusstseinsprozess“, fordert Müller ein Umdenken und kritisiert, dass „sich um Probleme erst gekümmert wird, wenn sie akut sind“. Für die Wissenschaftlerin ist „der Mensch auf sensible Weise mit Ökosystemen und deren Funktionsfähigkeit verbunden“. Die Idee sogenannter Ökosystemdienstleistungen (ÖSDL) erkenne die Abhän- gigkeit des Menschen von der Natur an. Beispiele für ÖSDL des Waldes: Er steuert den Wasser- sowie Nährstoffkreislauf und übernimmt Boden- und Lebensraumfunktionen. Gleichzeitig sorgt er mit für die Trinkwasserversorgung und den Schutz vor Hochwasser. „Daraus abzuleiten ist eine menschliche Verantwortung und ein aktives Handeln, um die Natur zu erhalten“, sagt Müller. Ihre Doktorarbeit verfasste sie zum Thema „Analyse der waldspezifischen Ökosystemdienstleistungen im Hinblick auf die Wasserhaushaltskomponenten: Abfluss und Grundwasserneubildung im Wald“. Hier unterscheidet die Hydrologin zwischen versorgenden, regulierenden, kulturellen und unterstützenden ÖSDL. Müller ergänzt: „Der Naturhaushalt erfordert natürliche Vorgänge, um im Gleichgewicht zu bleiben. Wir sind aber mittendrin in einer Krise.“

Quelle: Dr. Eva Verena Müller

Der Klimawandel als Verstärker

„Sommer, Sonne, Sorgen“ titelte Anfang Juli die „Süddeutsche Zeitung“ mit Blick auf Ozon, UV-Strahlen und Temperaturen von weit über 30 Grad. Die jüngste Hitzewelle setzt die Entwicklung der vergangenen Jahre fort. In Rheinland-Pfalz wurde für die Zeit von 1881 bis 2020 „ein signifikanter Temperaturanstieg um 1,6 Grad Celsius festgestellt“. Dies ist im Waldschadensbericht 2022 des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität nachzulesen. Mit der klimawandelbedingten Temperaturerhöhung ist es vor allem in den Jahren 2018, 2019 und 2020 zu längeren Trockenphasen innerhalb der Vegetationsperiode gekommen, was negative Folgen für die Wasserbilanz in Waldgebieten hatte. Doch nicht genug: Laut Klimaforschern erlebte Europa 2022 den heißesten Sommer seiner Geschichte. 2022 gilt mit außergewöhnlicher Hitze, ausgetrockneten Flüssen und brennenden Wäldern als ein „Jahr der Negativ-Rekorde“. Aktuell haben Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) registriert, dass im Juni 2023 die Durchschnitts-Temperatur zum zehnten Mal in Folge das langjährige Mittel überschritten hat. Im Südwesten war es am wärmsten. Mit einer Durchschnittstemperatur von 22,5 Grad, so die Meteorologen von Klima-Palatina in Maikammer, liegt Neustadt an der Weinstraße deutschlandweit an der Spitze. Selbst an kühleren Orten überstieg die Juni-Temperatur den Durchschnitts-Vergleichswert von 1981 bis 2010. Auch hier kommt der „Spitzenreiter“ aus der Pfalz: Pirmasens lag mit 20,4 Grad mehr als rund fünf Grad über dem Mittel.

Quelle: Klima-Palatina Maikammer

Der Regen und Bodenfeuchte

Die Folgen der großen Hitze im Jahr 2022 wurden durch fehlende Niederschläge zusätzlich verstärkt. Über das Jahr ist rund zehn Prozent weniger Regen gefallen als gewöhnlich. In Spanien, Großbritannien und Deutschland war das Defizit am größten, heißt es im Bericht „European State of the Climate 2022“ des EU-Beobachtungsdienstes Copernicus. Die Trockenheit betrifft die ganze Gesellschaft, weil sie vielfältige Auswirkungen hat. Sie reichen von der Energieversorgung bis zum Warenverkehr auf Flüssen. Besonders betroffen sind vor allem Landwirtschaft und Natur. Wie viel Wasser Pflanzen in den oberen Bodenschichten zur Verfügung steht, wird als Bodenfeuchte gemessen. Optimal sind Werte zwischen 50 und 100 Prozent. Im Sommer 2022 lagen die Werte laut DWD und Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung nahezu überall in Deutschland deutlich unter 50 Prozent. Deshalb kann man von der größten Dürre seit Jahrzehnten reden. Weitere Folge der Trockenheit: In Deutschland ist 2022 so viel Wald bei Bränden zerstört worden wie noch nie zuvor in diesem Jahrtausend.

EXTREM Mit dem Klimawandel verstärken sich Wetterphänomene und ihre Auswirkungen. Beispiele aus der Pfalz, alle fotografiert von Rainer Voß/view – die agentur: Trockenschäden am Donnersberg.
Gewitterregen im Lautertal.
Starkregen im PRE-Park in Kaiserslautern.
Pflanzenwuchs im Burgalbweiher bei Johanniskreuz.
Niedrigwasser am Rhein bei Speyer.
Ausgetrockneter Boden bei Herschberg.

Der Blick in die Zukunft

Revierleiter Hauenstein, Gerald Scheffler. Foto: Michael Dostal

Wie wird sich dies in Zukunft entwickeln und wie kann gegengesteuert werden? Solche Fragen und die komplexen Wechselbeziehungen des Waldes mit menschlichen Aktivitäten standen bei einem europäischen Interreg-Projekt zwischen 2018 und 2021 im Mittelpunkt. Voraussetzung dafür, dass mehr Wasser im Wald zurückgehalten und gereinigt werden kann, sind funktionsfähige Böden (siehe auch VielPfalz-Ausgabe 2/2022). Hauptziel ist es nun, die Qualität von Ökosystemdienstleistungen (ÖSDL) zu verbessern. In ihrer Doktorarbeit, die ins Projekt eingebettet war, erstellte Eva Verena Müller Modellszenarien. „Die aktuelle Entwicklung des Klimas hat die Zukunftsprojektionen bereits ,überholt‘, was erschreckend ist“, betont die Wissenschaftlerin. Vor diesem Hintergrund sind Risikofaktoren für die ÖSDL des Waldes analysiert worden. Dazu zählen die Bodenverdichtung durch das Befahren mit schweren Maschinen bei der Holzernte oder Waldflächen, die etwa durch dürrebedingtes Absterben, Schädlinge oder Windwurf in Mitleidenschaft gezogen werden.

Die Arbeit mündet in Empfehlungen für Strategien der Waldbewirtschaftung und Verbesserungen des Wasserhaushaltes von Wäldern. Ein Beispiel sind Wege im Wald: Hier achtet man, beispielsweise zwischen Hauenstein und Hinterweidenthal, darauf, dass Wasser nicht mehr abgeleitet, sondern flächig im Wald verteilt wird. „Dazu legen wir Rigole an, durch die das Wasser unter dem Weg langsam durchsickern kann“, erklärt der Hauensteiner Revierleiter Gerald Scheffler. Er verweist zudem auf Flutmulden links und rechts des Weges, die Wasserspitzen aufnehmen bis sie versickern oder verdunsten. „Es gibt nicht den großen Wurf, sondern viele kleine Einzelmaßnahmen. Der Wald allein wird es nicht reißen“, betont Müller. Da Anpassungen im Wald immer in langen Zyklen erfolgen, ist dies ein massives Problem und erfordert rasches Handeln. Müllers Sorge: „Wenn der Klimawandel zu schnell ist, hat der Wald nicht genug Zeit sich anzupassen. Waldsterben und Versteppung können die Folge sein.“

Quelle: Dr. Eva Verena Müller

Der Experte und das Frühwarnsystem

Gewässerbiologe Dr. Holger Schindler. Foto: Michael Dostal

Geschätzt gibt es rund 2500 Quellen im Pfälzerwald. „Man geht von 1,4 Quellen pro Quadratkilometer aus“, berichtet Dr. Holger Schindler. Für den 1970 in Kaiserslautern geborenen Gewässerbiologen, der auch als Regionalbeauftragter für die Pfalz des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aktiv ist, sind Quellen „ein Frühwarnsystem in der Natur“. Fast überall in Rheinland-Pfalz gebe es im Durchschnitt rund 25 Prozent weniger Bildung von Grundwasser, erläutert er an der Quelle „Am Flüsschen“ im Wald bei Trippstadt. Mitte Juni tritt hier noch ausreichend Wasser aus, doch schon bald werde sie wohl austrocknen.

KOMPLEX Die Funktionalität des Waldes und menschliche Aktivitäten sind eng miteinander verbunden. Das Verbessern des Wasserhaushaltes ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Das Foto zeigt den Blick vom Luitpoldturm über den Pfälzerwald nach einem Regenguß. Foto: Reiner Voß / view – die agentur

„Eigentlich müsste man an solchen Stellen monitoren. Dies ist aber besonders schwer, weil kleine Bächlein auch mal von Natur aus austrocknen und die Schüttung schwer zu messen ist“, erläutert Schindler. Zudem hätten die Behörden nur die großen Gewässer im Blick, weil es erst ab zehn Quadratkilometern Einzugsgebiet eine Berichtspflicht gebe. Wie es aussieht, wenn Bäche „trocken fallen“ zeigt Schindler – ebenfalls zwischen Trippstadt und Kaiserslautern – am Aschbach, von dem es nur noch den Bachlauf gibt. „Hier fließt schon lange kein Wasser mehr. Hauptgrund dafür ist Wasserentnahme über Jahrzehnte“, sagt der Wissenschaftler.

Der Trend und die Effekte

Für einen Fehler hält es Schindler, dass bei Modellrechnungen oft noch mit Niederschlagsmengen und Temperaturen gearbeitet werde. „Dies führt zu Trugschlüssen, da ja durch die Klimaerwärmung die Verdunstung zunimmt“, argumentiert der Gewässerbiologe. Trotz einer im langjährigen Trend gleichen Regenmenge sorgen kürzere Winter und ein immer früherer Blütezeitraum für längere Vegetationsphasen, sodass Pflanzen und Bäume mehr Wasser benötigen. „Diese indirekten Effekte sind wichtig, weil ja auch die Verteilung der Niederschläge ganz anders ist. Manchmal gibt es wochenlang keinen Regen, dann kommt die ganze Menge an wenigen Tagen“, beschreibt Schindler weitere Gründe dafür, dass sich der Wasserhaushalt insgesamt ändert. Deshalb müsse dringend an allen Stellschrauben gegengesteuert werden. Dazu zählt für den Gewässerbiologen das Reduzieren von Wasserverlusten in den Rohrsystemen genauso wie ein Wald, der geschlossen gehalten wird. „Wir müssen zurück in eine Schwammlandschaft, in der das Wasser gehalten wird“, fordert Schindler. Nicht zuletzt benötige man in der Landwirtschaft andere Techniken, um künftig „nur nachts größere Flächen mit weniger Wasser zu bewässern“. In Israel und Kalifornien seien solche Systeme längst im Einsatz.

Quelle: Dr. Eva Verena Müller

SCHWINDEND Quellen wie „Am Flüsschen“ (links) drohen, im Sommer trocken zu fallen. Der Aschbach (rechts) führt schon lange kein Wasser mehr.

Der Mahner aus Landau

„Es wird immer noch mit Mitteln von gestern gearbeitet. Ich vermisse ein Konzept für eine nachhaltige Landwirtschaft genauso wie Lösungsvorschläge, die die Landwirtschaftsverbände aktiv unterbreiten“, kritisiert Dr. Hans Jürgen Hahn aus Landau. Der 1963 geborene Privatdozent im Institut für Umweltwissenschaften an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau beschäftigt sich auch als Geschäftsführer des Instituts für Grundwasserökologie IGÖ GmbH mit Quellen, Bachsedimenten sowie Grund- und Trinkwasser. Hahn, wie auch sein Kollege Dr. Holger Schindler, haben 2022 insgesamt rund 2400 Beobachtungen von Bürgern rund um kleine Gewässer in ganz Deutschland ausgewertet. Gesammelt worden sind sie in der ARD-Aktion „#UnserWasser“, die sich dem Thema Wasser als Grundlage des Lebens in Filmen, Dokumentationen und Mitmachaktionen gewidmet hat. Zahlreiche Meldungen kamen auch aus der Pfalz: In fast allen wird auf niedrige Wasserstände oder nicht mehr vorhandenes Wasser hingewiesen.

Privatdozent für Umweltwissenschaften Dr. Hans Jürgen Hahn. Foto: Michael Dostal

Der Streit um Bewässerung

„Die Situation trifft uns alle. Wir müssen Wege finden, wie wir in Zukunft mit weniger Wasser zurechtkommen“, sagt der Grundwasserökologe. Neue Brunnenbohrungen sind für ihn „nur eine Krücke, die das Problem zeitlich verschiebt“. Das Land sei zwar dabei, eine Wasserstrategie zu entwickeln, doch aus Hahns Sicht fehlen regional belastbare Wasserbilanzen. Unterschiedliche Versorger in den Regionen und Städten der Pfalz würden auf dem Weg zu verlässlichen Zahlen für zusätzliche Komplexität sorgen. Hahn spricht deshalb von einer Gleichung mit vielen Unbekannten: „Man weiß nicht, wie viel Grundwasser es gibt. Unklar ist auch, wie viel Wasser die Landwirtschaft und andere Nutzer verbrauchen, weil vieles nur geschätzt ist.“ In der Südpfalz werde von der Landwirtschaft vermutlich mehr Wasser genutzt als genehmigt sei. Vor diesem Hintergrund hat sich dort ein Streit zwischen Natur- und Umweltschützern sowie Landwirten entwickelt. Ihnen wird vorgeworfen, Wasser zu verschwenden. Sie seien so mit schuld daran, dass der Grundwasserspiegel sinke. Die Bauern verwahren sich dagegen.

KÜNSTLICH Um die Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen gibt es heiße Diskussionen zwischen Natur- und Umweltschützern und Bauern. Foto: Joachim Ackermann

Der Stöpsel in der Badewanne

ABLESBAR Digitale Wasseruhren dokumentierten in einem Modellversuch den Verbrauch von Grundwasser in der Landwirtschaft. Foto: SGD Süd

„Die Landwirte haben ein Problem und die Situation wird sicher nicht besser“, verweist Hahn darauf, dass sich in Teilen der Vorderpfalz 50 Prozent weniger Grundwasser bilde. Deshalb sei für eine Grundwasserberegnung, wie sie in der Südpfalz üblich ist, schlicht zu wenig Wasser da. „Die Rheinebene ist wie eine Badewanne, in der man den Stöpsel zieht. Wenn das Grundwasser stark absinkt, dreht sich der Druck um und oberflächennahes Wasser wird in Tiefe gezogen. Quellen und Bäche trocknen aus“, beschreibt Hahn die Problematik. Für die Landwirtschaft sei unbedingt eine langfristige Perspektive erforderlich. Dabei gibt Hahn zu bedenken, dass auch die Oberflächenbewässerung, wie sie etwa über den Beregnungsverband Vorderpfalz erfolgt, Probleme anderer Art mit sich bringe. „Diese Wassermenge ist begrenzt, weil der Rhein immer öfter Niedrigwasser hat oder haben wird“, sagt der Wissenschaftler. Zudem benötige man dann besonders viel Wasser, wenn der Rhein wenig davon führt. Zusätzlich komme zu dem Mengen- auch ein Qualitätsproblem hinzu, denn aus Flüssen und Bächen zulaufendes Wasser könne eine komplexe Mischung von Schadstoffen enthalten. Ursache dafür sei, dass bei niedrigen Wasserständen der Anteil von gereinigtem Abwasser besonders hoch sei. Hahn verweist darauf, dass die Vielfalt und Konzentration der im Grundwasser nachgewiesenen chemischen Verbindungen seit Jahrzehnten zunehmen. Nicht zuletzt führe intensive Bewässerung außerdem dazu, dass auf den Äckern mehr gedüngt und so stärker zu hohen Nitratbelastungen im Grundwasser beigetragen werde.

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Der Gemüsegarten Deutschlands

Die Bandbreite reicht von Artischocke bis Zuckermais: Das größte geschlossene Anbaugebiet für Freilandgemüse in der Bundesrepublik wird gerne „Gemüsegarten Deutschlands“ genannt. Etwa 18.000 Hektar Fläche bewirtschaften Landwirte zwischen Worms im Norden und Wörth im Süden. Kartoffeln, Salat, Radieschen oder Blumenkohl werden hier geerntet. Im Bereich der Vorderpfalz gibt es Bewässerung schon seit den 1950er-Jahren. Um den wachsenden Wasserbedarf der Landwirtschaft decken zu können, ist 1965 ein Beregnungsverband gegründet worden, der Altrheinwasser aus Otterstadt (Rhein-Pfalz-Kreis) verteilt. Laut Website des Verbandes umfasste die beregnete Fläche im Jahr 2010 rund 13.500 Hektar. Versorgt wird sie zwischen Gerolsheim im Norden und Otterstadt im Süden mit einem rund 600 Kilometer langem Verteilnetz. Für 2010 wird die Gesamtmenge an Wasser mit 11,4 Millionen Kubikmetern angegeben. Die beregnete Fläche, so heißt es auf der Website weiter, soll auf etwa 22.000 Hektar anwachsen. Ein Kubikmeter entspricht 1000 Litern. Gerne hätten wir aktuelle Zahlen veröffentlicht, doch der „Wasser- und Bodenverband zur Beregnung der Vorderpfalz“, so der offizielle Name, war zu keinem Gespräch bereit. Beim Versuch, telefonisch einen Termin zu vereinbaren, wurden wir gebeten, uns per E-Mail zu melden. Trotz mehrerer Versuche haben wir aber darauf keinerlei Rückmeldung erhalten.

Den Brunnen im Visier

Manfred Schanzenbächer. Foto: SGD Süd/ H. G. Merkel

In der Pfalz gibt es insgesamt rund 2500 Beregnungsbrunnen. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd in Neustadt ist nach dem Landeswassergesetz (LWG) als obere Wasserbehörde ab einer Entnahmemenge von 24 Kubikmetern am Tag zuständig. Dauerhafte Entnahmen werden in die Datenbank der Wasserwirtschaftsverwaltung Rheinland-Pfalz eingetragen. Im Zuständigkeitsbereich der unteren Wasserbehörden bei den Kreisen und kreisfreien Städten erfolgt der Eintrag ab zehn Kubikmetern am Tag. Vereinzelt sind auch Brunnen mit einer geringeren Entnahmemenge erfasst, die etwa zum Beregnen von Sport- oder Parkanlagen dienen oder über eine „normale Gartenberegnung“ hinausgehen. In der Südpfalz, so die SGD, sei für das Jahr 2022 eine Entnahmemenge von 1,4 Millionen Kubikmetern genehmigt worden. In einem Pilotprojekt wurden dort zwischen Zeiskam und Hochstadt ab August 2021 an acht landwirtschaftlich genutzten Brunnen ein Jahr lang mit digitaler Messtechnik Entnahmemengen und Wasserstände kontrolliert. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass die Grundwasserbewirtschaftung „als nachhaltig“ zu bezeichnen sei (Details auf sgdsued.rlp.de unter Themen, Wasserwirtschaft, Landwirtschaftliche Bewässerung). Der Grundwasserspiegel sei zwar während der Beregnungssaison gefallen, habe sich aber danach wieder aufs ursprüngliche Niveau bewegt. Kritiker finden jedoch, dass acht Brunnen eine zu geringe Beobachtungsgröße seien und alles über einen längeren Zeitraum betrachtet werden müsse. Die Messungen an den Brunnen laufen laut SGD weiter.

Wasser im Wandel

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Der Kampf ums Wasser

Für Manfred Schanzenbächer, Leiter der SGD-Abteilung „Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz“, ist Wasser „das wichtigste Lebensmittel überhaupt“. Er versteht die Rolle der Behörde deshalb als die eines „Anwaltes des Wassers“. In dieser Funktion gehe es um den Schutz einer Ressource genauso wie um das Wasser als Allgemeingut. „Es gibt nicht nur die eine Wahrheit“, sagt Schanzenbächer mit Blick auf die Kritik an der Landwirtschaft. Er beschreibt die Problematik so: „Jeder will regionale Produkte haben. Zwiebeln, Salat oder Radieschen gedeihen aber ohne Wasser nicht.“ In der Südpfalz schaue man „etwas neidisch“ auf die Vorderpfalz mit dem Beregnungsverband und müsse für die Versorgung Brunnen bohren, für die Landwirte Entnahmerechte erhalten. Dem Vorwurf von Naturschützern, die SGD würde zu wenig kontrollieren, will Schanzenbächer, der auf den personellen Aufwand verweist, mit Automatisierung und Digitalisierung begegnen. Die Behörde habe aber bisher keine Manipulationen an Zählern feststellen können. Gegen einzelne Landwirte würden allerdings Ordnungswidrigkeitsverfahren laufen, weil sie mehr Wasser als genehmigt entnommen hätten. „Dies ist wie bei Blitzern im Straßenverkehr. Es gibt immer ein paar schwarze Schafe“, meint Schanzenbächer. Zu einer Veränderung der Gesamtsituation wird es übrigens voraussichtlich ab Januar 2024 kommen: Ein Gesetzentwurf der rheinland-pfälzischen Landesregierung sieht vor, dass jeder, der mehr als zehn Millionen Liter Grundwasser für die Beregnung nutzt, ab dieser Marke sechs Cent pro Kubikmeter zahlen muss. Bisher sind Landwirte im Gegensatz zu Unternehmen vom sogenannten Wassercent ausgenommen.

PLÄTSCHERND Der Sieben-Brunnen im Langental bei Diemerstein (Landkreis Kaiserslautern) ist eine Quelle, die 1927 erstmals gefasst wurde und seit 1967 als Naturdenkmal geschützt ist. Foto: Reiner Voß/view – die agentur

Der Druck zu sparen

Für die SGD lässt sich die Auseinandersetzung um die Wassermengen für die Bewässerung von Feldern in der Südpfalz jedoch nicht durch mehr Kontrollen lösen. Grundvoraussetzung für ein nachhaltiges Beregnungssystem sei ein Verband. Wasserrechte könnten dann für das gesamte Gebiet und nicht mehr für einzelne Landwirte erteilt werden, was ein Beregnungsmanagement mit optimierten Brunnenstandorten ermögliche. Die SGD hält für diesen Fall sogar eine Grenzgrundwasserentnahme von zwei Millionen Kubikmetern im Jahr in der Südpfalz für möglich. „Wir müssen uns aber auch um Wassersparmaßnahmen kümmern“, blickt Schanzenbächer auf die Gesamtsituation. „Je mehr Wasser, desto wirtschaftlicher“ könne auf Dauer kein Konzept für Wasserwerke sein. Vielerorts seien auch Kanalnetze aus den 1970er-Jahren mit 200 bis 210 Litern in der Sekunde viel zu groß dimensioniert. Sie müssen mit viel Wasser gespült werden. Heute würden 120 Liter in der Sekunde ausreichen, auf der anderen Seite seien aber groß dimensionierte Abwasserrohre bei Starkregen sinnvoll. Nicht zuletzt gibt es zwischen SGD und Landesforsten Rheinland-Pfalz Gespräche darüber, mit welchen Maßnahmen Wasser im Pfälzerwald zurückgehalten werden kann.

Foto: Dave/Unsplash

Der Ursprung von allem

Wasser wird in der Pfalz nicht knapp, aber immer knapper. Diskussionen um das kostbare Nass gibt es deshalb an vielen Orten. Es geht um neue Brunnen oder Verbundleitungen. Es geht um Planungen wie im „Integrierten Grundwasserbewirtschaftungskonzept 2040“, das gerade in Kaiserslautern erarbeitet worden ist. Es geht – wie 2021 und 2020 in der Verbandsgemeinde Freinsheim – um Gärten oder Swimmingpools, die nicht mehr bewässert oder gefüllt werden dürfen. Eine Umfrage des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches unter rund 350 Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland, deren Ergebnisse im Juni vorgestellt wurden, hat ergeben: Die Versorgung mit Trinkwasser „in ausreichender Menge und qualitativ hochwertiger Güte“ ist in den nächsten Jahren sichergestellt. Fast 20 Prozent der Versorger hatten jedoch in den vergangenen Jahren bereits Engpässe bei den Wasserressourcen. Ein sparsamer Umgang mit dem wichtigsten Lebensmittel ist also unumgänglich, schließlich hat schon der griechische Philosoph und Mathematiker Thales von Milet (um 625 bis 545 v. Chr.) gesagt: „Das Wasser ist der Ursprung von allem.“

INFO

fawf.wald.rlp.de | project-ecoserv.eu | wasserportal.rlp-umwelt.de
lfu.rlp.de | umweltbundesamt.de | dwd.de | www.ufz.de
klima-palatina.de | prolimno.de | grundwasseroekologie.de
bund-rlp.de | beregnungsverband.de | sgdsued.rlp.de

Das Biosphärenreservat Pfälzerwald bietet für Gruppen zum Wunschtermin Biosphären-Guide-Touren an. Dazu gehören eine „Zwei-Quellen-Tour“ (Eisbach und Bockbach bei Ramsen) und die Tour „Wald und Wasser“ rund um die Mehlinger Heide. Infos: per E-Mail info@pfaelzerwald.bv-pfalz.de oder Telefon 06325 95520.

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Wasser in der Pfalz

Der große Luxus

Quellen, Brunnen, Wasserleitungen – wie die Versorgung mit Trinkwasser in der Pfalz ausgebaut wurde. Sauberes Wasser war lange ein Luxusgut.

Quelle: Fotosammlung Zink, Pfalzbibliothek des Bezirksverbandes Pfalz, Kaiserslautern

„Ein Blick in die Vergangenheit kann hilfreich sein.“ Für Dr. Harald Bruckert, Lehrer am Eduard-Spranger-Gymnasium in Landau, ist dies nur logisch, denn er unterrichtet neben Deutsch das Fach Geschichte. Zudem ist er Autor diverser historischer Publikationen. Seine neueste Veröffentlichung fasst erstmals pfalzweit zusammen, wie die Trinkwasserversorgung auf- und ausgebaut worden ist. Das reich mit historischen Aufnahmen, Postkarten und Zeichnungen illustrierte Buch ist deshalb nicht nur eine detaillierte Dokumentation, sondern in Zeiten des Klimawandels gleichzeitig ein Aufruf „für einen sensiblen Umgang mit einer lebenswichtigen Ressource“.

Buchautor Harald Bruckert. Foto: Privat

Klöster waren gut versorgt

Was heute für Menschen in unseren Breiten schier unbegrenzt kalt oder warm aus dem Wasserhahn sprudelt, war über Jahrhunderte eine Herausforderung. Das kühle Nass musste aus öffentlichen oder privaten Brunnen sowie Fließgewässern beschafft werden. Sauberes Wasser stellte einen großen Luxus dar. Nur die Klöster hätten schon früh über technisch aufwändige Wasserförderanlagen verfügt, erläutert Bruckert. Ein so hoher Standard wie in der Römerzeit sei erst wieder in der Neuzeit erreicht worden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde, so Bruckert weiter, die Grundwasserversorgung auf eine neue Grundlage gestellt. Neustadt habe bei der Wasserversorgung als erste Stadt in der Pfalz mit dem Bau eines modernen Wasserwerks eine Vorreiterrolle übernommen.

Buch: Liebe zum Detail

„Brunnen hatten auch eine soziale Funktion als Dorfmittelpunkt oder waren Gartenkunst“, ergänzt Bruckert. Da die Thematik bisher ausschließlich auf Ebene von Ortschroniken oder in Städte- und Gemeindearchiven behandelt worden sei, sei es für ihn „ein Reiz gewesen, Neuland zu betreten“. Den Autor, 1975 in Landau geboren, „hat die Idee zum Buch lange mit sich herumgetragen“, bevor er es in rund zweieinhalb Jahren realisierte. „Wasser und Quellen haben mich schon immer beim Wandern mit ihrer Schönheit fasziniert“, beschreibt er den Ursprung für seine Motivation zum Projekt. Dem Werk mit seiner Liebe zum Detail ist die Begeisterung anzumerken.

Buchtipp

Harald Bruckert, „Vom Laufbrunnen zum Wasserwerk – Der Ausbau der Trinkwasserversorgung in der Pfalz im 19. und 20. Jahrhundert“, Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, ISBN 978-3-948913-05-2, 184 Seiten, Hardcover, 29,50 Euro

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Natürlich gärtnern

„Freundlich sind alle, nützlich nicht“

Heimische Wildstauden haben einen unschätzbaren ökologischen Wert. Sie sind an die lokalen Bedingungen angepasst und daher in der Regel pflegeleicht. Zudem sind sie eine optische Bereicherung für jeden Garten. Redakteurin Kathrin Engeroff spricht mit dem Wildpflanzenexperten Friedhelm Strickler darüber, wie Beete durch heimische Stauden den Garten lebendiger und bunter machen.

Fotos: Wildpflanzengärtnerei Strickler

Herr Strickler, wenn wir über Stauden sprechen, über welche Art Pflanzen unterhalten wir uns dann?

Eine einfache Definition lautet: Stauden sind mehrjährige, winterharte krautige Pflanzen. Auch zweijährige Stauden wie die Königs- oder Nachtkerze zählen dazu. Es gibt einen sehr großen Markt an Staudenpflanzen. Viele davon werden als insektenfreundlich angepriesen. Freundlich sind sie alle, nützlich nur bedingt.

MUT ZUR LÜCKE Pflanzenfressende Insekten gehören genauso in einen Naturgarten wie blütensuchende Arten. Erst sie ermöglichen Vielfalt. Blattläuse sind zum Beispiel die Lebensgrundlage des Marienkäfers. Foto: Michael Engeroff

Wie meinen Sie das?

Als insektenfreundlich Pflanzen empfinden wir, wenn die Bienchen an den Blüten Nektar sammeln. Von Stauden wie Lavendel oder dem aus Nordamerika stammenden Mädchenauge profitieren allerdings vor allem die Allerweltsarten, zum Beispiel die Gartenhummel. Es ist wichtig, dass die Gärten bunter werden. Wenn ich jedoch tiefer einsteigen möchte, um die Artenvielfalt in meinem Garten zu unterstützen, komme ich an heimischen Wildstauden nicht vorbei. Denn viele Bienen, gerade die bedrohten Arten, sind Nahrungsspezialisten, die nur von einer bestimmten heimischen Staudenart Pollen sammeln. Und wenn wir „nur“ an die Bienen denken, unterstützen wir generell einen sehr kleinen prozentualen Anteil der Insekten: Es wird geschätzt, dass es in Mitteleuropa etwa 33.000 und mehr Insektenarten gibt, darunter sind 560 Wildbienenarten, von denen viele auch in Rheinland-Pfalz zu Hause sind. Nehmen wir noch andere Insekten wie Schmetterlinge dazu, kommen wir bei uns auf zirka 1200 bis 1500 blütensuchende Arten. Das bedeutet, dass wir einen sehr hohen Anteil und eine große Vielfalt an pflanzenfressenden Insekten haben. Diese Insekten werden meist wenig oder überhaupt nicht beachtet.

Manche werden wohl auch als Schädlinge angesehen?

Ich sage, das ist Leben. Leben, das in einen Naturgarten gehört. Wir schreiben auf unsere Rechnungen auch immer mit dazu, dass Löcher in Blättern oder Blüten keinen Mangel darstellen. Im Sommer ist zum Beispiel die Blattschneidebiene unterwegs, die Material für ihren Nestbau sammelt. Raupen vom Schwalbenschwanz an Doldenblütlern, wie der Wilden Möhre, werden bei uns auch unbeabsichtigt mitverschickt. Wer es zulässt, lockt mit einheimischen Wildstauden selbst auf dem kleinsten Raum im achten Stock eines Hochhauses viele Tiere an. Denn wo es Insekten gibt, ziehen bald Vögel nach, die wiederum die mutmaßlichen Schädlinge in Schach halten. Man muss die ganze Nahrungskette betrachten und sehen, dass es zum Beispiel ohne Blattläuse ein gewisses Leben im Garten nicht gäbe.

Friedhelm Strickler. Foto: Wildpflanzengärtnerei Strickler

Der Gesprächspartner

Friedhelm Strickler ist Gärtnermeister, Naturgartenplaner und seit 1990 in der Naturgartenszene unterwegs. Vor 25 Jahren eröffnete der gebürtige Pfälzer seine Wildpflanzengärtnerei in Alzey mit dem Schwerpunkt auf heimischen Wildstauden. Bis heute leistet er im gesamten süddeutschen Raum Pionierarbeit im naturnahen Gartenbau. Er ist Mitglied im Verein Naturgarten und freut sich, dass nach viel Auf und Ab in der grünen Branche das Interesse an natürlichen, nachhaltigen Gärten zunimmt. „Wir sind zwar raus aus der Nische. Im Verhältnis zu den bundesweit verkauften Pflanzen, ist der Anteil der heimischen Wildstauden aber immer noch gering“, sagt Strickler.

Das Wissen, wie wichtig heimische Stauden für die nachhaltige Förderung und Erhaltung der biologischen Artenvielfalt sind, müsse an die Öffentlichkeit. Daher engagiert sich die Wildpflanzengärtnerei auch beim Projekt „1000 Gärten, 1000 Arten“ des Bundesamtes für Naturschutz und unterstützt andere Betriebe, die ihr Sortiment umstellen möchten. Rund 850 heimische Wildarten produziert die Bioland-zertifizierte Wildgärtnerei selbst: vom Samenkorn bis zur verkaufsfertigen Pflanze ohne Torf, Pestizide oder chemisch-synthetische Düngemittel. [ayß]

Es ist also wichtig darauf zu achten, dass ich heimische Wildstauden wähle, die bei den unterschiedlichsten Insekten auf dem Speiseplan stehen. Welche Kriterien sind bei der Auswahl noch wichtig?

Im normalen Hausgarten würde ich auf trockenheitsverträgliche Arten setzen. Auch hier gibt es viele einheimische Arten. Gerade in den Weinbergsregionen, zum Beispiel am Herxheimer Felsberg, finden wir einheimische Vegetation, die mit der Klimaveränderung klarkommt. Beispiele sind Goldhaar-Aster, Steppen-Wolfsmilch, Große Fetthenne und Ähriger Ehrenpreis.
Außerdem sind der Gartenboden und die Lichtverhältnisse wie bei allen Pflanzen ganz wichtige Faktoren. Eine Küchenschelle verträgt zwar Hitze, kommt aber mit extrem schweren Lehmböden nicht klar. Bei Staudenpflanzen gilt: je magerer der Boden, desto besser, da sie dann hitzeverträglicher sind und weniger Wasser brauchen. In den Boden kann ich zur Vorbereitung Sand mit einarbeiten und ihn so abmagern. Das gilt für sonnige Standorte. Je schattiger die Lage ist, umso mehr muss Humus künstlich nachgebildet werden. Unter Bäumen ist es daher sinnvoll, bevor die Stauden ins Beet kommen, Kompost auszubringen.

Was gehört noch zur Beetvorbereitung für Stauden?

Wenn ich ein Staudenbeet neu anlege, kann ich es bis August oder September zunächst sauberpflegen. Wenn Sand oder Kompost in den Boden eingearbeitet sind, halte ich die Erde erst mal feucht, damit alles Unkraut rauskommt. Im Oktober jäte ich es dann und kann die ersten Blumenzwiebeln stecken. Im Frühjahr folgt die Pflanzung der Stauden. Auf große Flächen kann ich natürlich auch einsäen. Aber für Anfänger wird beim Pflanzen schneller ein Ergebnis sichtbar und Pflanzabstände können besser berücksichtigt werden. Wichtig: Nach dem ersten Pflanzjahr wird das Staudenbeet mit einheimischen Arten nicht mehr gehackt und auch nicht gemulcht, damit sich die Pflanzen selbst aussäen können. Denn in einem Naturgarten wird nicht nachgepflanzt, sondern es findet eine natürliche Verpflanzung statt. Spätestens nach zwei Jahren ist kein Boden mehr zu sehen.

DIE SERIE

„Natürlich gärtnern“ heißt die VielPfalz-Serie. Experten aus der Pfalz geben Tipps, wie der Ein- oder Umstieg zum naturnahen Gärtnern gelingt. Bereits erschienen: Gemüseanbau (Ausgabe 2/2022), Schädlinge und Krankheiten (3/2022), eigenes Saatgut vermehren (4/2022), Bäume und Gehölze pflanzen (5/2022), der Garten im Winter (6/2022), Hühner & Co. im Garten halten (1/2023), Permakultur (2/2023) sowie Wassermanagement (3/2023). Kleiner Ausblick: Im nächsten Teil der Serie geht es um Bokashi, Pflanzenkohle, Effektive Mikroorganismen & Co.

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