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Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Die Pfalz in Worten

Eine Region voller Geschichten

Die Pfalz ist unbeschreiblich schön. Das stimmt nicht ganz. Es gibt Menschen, die treffliche Worte finden, um die Region auf den Punkt genau zu beschreiben. Wir begegnen der Pfalz in Büchern auf eine neue und doch vertraute Weise. Mal ist sie Hauptfigur und die Texte sind Spiegel ihrer Zeit. Mal ist sie Schauplatz fantastischer Handlungen. Mal ist sie Inspiration oder Begegnungsort für Literatur, Malerei und Grafik. Sie ist auf jeden Fall eine literarische Reise wert.

ROMANTISCH Bilder und Worte sind Spiegel ihrer Zeit. Die Schäferszene am Fuße des Trifels ist eine der Illustrationen aus „Die romantische und malerische Pfalz“ von Franz Weiß, die den Reiseführer so einzigartig machen. Der Landschaftsmaler Leopold Rottmann fertigte das Aquarell um 1839 an. Repro: Gerhard Hofmann

Wir steigen hinab. Mit jeder Treppenstufe wird es kühler. Die Härchen auf meinen Unterarmen stellen sich. Mit der Temperatur verändert sich die Lichtfarbe. Kaltweiß strahlen die Wände, die Decke, die Regale. Mein Stift kratzt steif über das Papier. Versucht, Worte und Gedanken zu fassen. Irgendwo in diesem Labyrinth klackert ein Rollwagen. Wir biegen rechts ab, links, noch zwei Mal rechts. Blanke Regalfronten ziehen vorbei wie nackte Hochhäuserfassaden. Die weiß-lackierte Stahlbetontür steht offen. Die Luft ist rein. Wir ducken uns, gehen durch den engen Zwischenraum. Achtung, Stolperfalle! Ein Schritt noch und – ich erstarre.

Verborgen im Tresorraum

„Hier bekomme ich sie alle“, sagt Claudia Germann, Diplom-Bibliothekarin und Leiterin der Pfalzbibliothek in Kaiserslautern, mit einem schelmischen Gesichtsausdruck. Wir stehen im Tresorraum des ehemaligen Bankgebäudes, in dem die Pfalzbibliothek untergebracht ist. Mit subtiler Hartnäckigkeit hat die Bibliotheksleiterin darauf bestanden, mich hierher in den Keller zuführen. Ich bin ihr dafür dankbar. Denn wo einst Gold und Silber, Geld und Urkunden sicher verwahrt lagen, ruhen heute literarische und künstlerische Schätze der Pfalz. Verborgen im Dunkeln überdauern sie die Zeiten, die über ihnen hinwegrasen. Eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert, gute 40 Zentimeter lang und 20 Zentimeter dick, mit reichverziertem, schwerem Ledereinband ist in der Mitte des Tresorraums platziert. Weiße Stoffhandschuhe liegen daneben. In den Regalen schlummern rund 200 historische Landkarten der Pfalz sowie eine Komplettausgabe der von Matthäus Merian angefertigten Pfalzstiche aus dem Jahr 1645.

KELLERSCHÄTZE Im Tresorraum bewahrt die Pfalzbibliothek literarisch und künstlerisch wertvolle Werke auf. Foto: Pfalzbibliothek

Die Macht des Wortes

Kein Wunder, dass Claudia Germann spätestens hier die Aufmerksamkeit aller ihrer Besucherinnen und Besucher hat, die sie durch die Pfalzbibliothek führt. Der Tresorraum macht zum einen nicht nur bei Schulklassen und Studierenden Eindruck. An diesem Ort spürt man die Wärme und die Macht des geschriebenen Wortes. Ich lade Sie ein, hier im Untergrund Kaiserslauterns mit mir die literarische Reise durch die Pfalz zu beginnen. Wir werden erleben, wie das eine das andere bedingt, die Pfalz die Literatur und die Literatur die Pfalz. Auf geht’s! Zurück durch die Gänge und Flure des Kellers, die Treppe rauf, am Tresen vorbei und Platz nehmen in der Ruhe des Lesesaals.

Im Lesesaal der Pfalzbibliothek

Leiterin der Pfalzbibliothek Claudia Germann. Foto: Privat

„Was Sie schon immer über die Pfalz wissen wollten, finden Sie bei uns“, heißt der Slogan der Pfalzbibliothek. Mehr als 100.000 Medien überwiegend über die Pfalz oder von pfälzischen Autorinnen und Autoren geschrieben umfasst die Sammlung. Wahnsinn! Der Großteil davon befindet sich im unterirdischen Magazin. Die gängigsten und aktuellsten Titel sind im Lesesaal frei zugänglich und nach verschiedenen Themen sortiert, zum Beispiel „Sellemols“ (Geschichte), „Pälzer Leit“ (Volkskunde) oder „Ur-Bagaasch“ (Genealogie). Die meisten Beschriftungen sind zweisprachig. „Als regionale Spezialbibliothek des Bezirksverbandes Pfalz hat die Einrichtung eine kleinere Zielgruppe als beispielsweise Stadtbibliotheken“, sagt Claudia Germann. Es seien oft Heimat- oder Familienforschende älter als 50 Jahre, die Zeit haben das Angebot zur Recherche zu nutzen. In Büchern aus dem Bestand vor Ort zu schmökern oder sie auszuleihen, ist nach vorheriger Anmeldung kostenlos. „Nur für die Fernleihe erheben wir eine geringe Gebühr. Die Fernleihe wird von allen Altersgruppen genutzt. Studierende schätzen das ruhige Ambiente und kommen gerne zum Lernen oder für Gruppenarbeiten hierher.“

Hungrig auf Bücher

Sie kennen sicher das Gefühl, wenn Sie hungrig durch den Supermarkt gehen. Auf einmal sieht jedes Produkt unglaublich lecker aus und Sie könnten einfach alles in den Einkaufswagen werfen. So ergeht es mir zwischen all den Büchern. Hier mal die Nase reinstecken, dort den Einband befummeln, oh, „Hexenverfolgung“ – da steckt bestimmt eine spannende Idee für eine Geschichte drin… Professionelle Selbstbeherrschung und der Druck, dass das Parkticket bald abläuft, lassen mich nicht heimlich zwischen den Regalen verloren gehen. „Bibliotheken waren früher der Ort, an dem ich Informationen erhalten habe. Heute bekomme ich viele davon schneller und unmittelbarer. Dennoch ist in vielen Fällen eine Buchrecherche immer noch unerlässlich, auch können beispielsweise historische Zeitungen gute Quellen sein.

GESCHMACKSSACHE Heute erscheinen Reiseführer mit unterschiedlichen Schwerpunkten – für jedes Hobby der passende. Foto: Kathrin Engeroff

Bibliotheken prägen Orte

Auf unserer pfälzischen Literaturreise steht die Pfalzbibliothek stellvertretend für die vielen großen und kleinen Bibliotheken und Büchereien in der Pfalz. Sie sind Orte der Begegnung mit der Geschichtenwelt wie auch mit anderen Buchfreundinnen und -freunden. Sie sind fixe Literaturpunkte und prägen Teil des öffentlichen Lebens jeder größeren Gemeinde. Halten wir fest: Literatur prägt also durch Bibliotheken das Erscheinungsbild der Pfalz sowie das kulturelle Leben. Auf den letzten Punkt kommen wir später noch genauer zu sprechen.

PFÄLZISCH Mundart wird in der Pfalzbibliothek liebevoll gepflegt und in den Mittelpunkt gestellt. Foto: Kathrin Engeroff

Events kommen gut an

Um noch mehr Menschen für die Pfalz und Bücher zu begeistern, setzt die Pfalzbibliothek seit einigen Jahren auf Einzelevents mit verschiedenen Schwerpunkten. Von der klassischen Krimilesung bis zur Ausstellung zu einem historischen Thema. Bis zum 27. April 2024 ist momentan die Schau zur Revolution 1848/49 „… überall weht die schwarz roth goldene Freiheitsfahne“ zu sehen. 14 Tafeln sowie Anschauungsmaterial aus dem Bestand der Pfalzbibliothek im Lesesaal beschreiben die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen der Revolution auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Es sind die Schriftstücke aus jener Zeit, die den Aufbruch in die demokratische Moderne auf verschiedene Weise nachempfinden lassen.

Umzug in neue Räume

Apropos Aufbruch: Die Pfalzbibliothek zieht vermutlich noch in diesem Jahr in die Fischerstraße in Kaiserslautern um. Die neuen Räume bieten mehr Platz für Ausstellungen, Veranstaltungen und vor allem für Medien: „Wir möchten den strengen Pfalzbezug erweitern, damit wir noch mehr Menschen mit unserem Angebot ansprechen. Im Bestand sollen künftig auch Themen Platz finden, die über die Pfalz hinaus politisch und gesellschaftlich wichtig sind, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit“, sagt Claudia Germann. Für die Diplom-Bibliothekarin ist es außerdem wichtig, etwa durch Gaming-Angebote auch Jugendlichen einen Raum in der Pfalzbibliothek zu bieten und – so der Wunsch – sie darüber für Bücher zu begeistern. Falls das nicht klappt, könnte sie die Kids wieder in den Keller führen. Nur ein Vorschlag am Rande, denn die Pfalzbibliothek zieht von einer ehemaligen Bank in die nächste – Tresorräume inbegriffen.

SCHÖN-SCHROFF Dem Romantiker Franz Weiß gefällt das wilde Land bei Falkenstein am Donnersberg besonders gut. Illustriert wurden seine Worte mit einem Aquarell des Landschaftsmalers Theodor Verhas. Repro: Gerhard Hofmann

Die romantische Pfalz

Doch wir gehen nun durch die hohe und nicht minder schwere Holztür nach draußen und schnuppern Stadtluft. Kaiserslautern liegt in der Pfalz so strategisch zentral, dass schon immer viel Durchgangsverkehr herrschte. Zum Leidwesen der Einwohner waren es viele Jahrhunderte lang vor allem Armeen, die hier zu diversen Kriegsschauplätzen durchzogen und die Stadt heimsuchten. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen dann auch die ersten Touristen dazu, die neugierig auf ein Abenteuer in diesem unbekannten Westen waren. Wir unternehmen nun bei unserer literarischen Reise einen Abstecher in diese Zeit und machen Bekanntschaft mit drei Literaten, die auf unterschiedliche Weise die Pfalz und Kaiserslautern beschrieben:

Georg Friedrich Blaul, 1838

Franz Weiß, 1840

August Becker, 1858

Ein Bild, das bleibt

Hier haben wir es mit zwei Spätromantikern und einem Realismus-Vertreter zu tun. Wie erging es Ihnen beim Lesen der Zitate? Ich musste bei Blaul herzhaft lachen, von Weiß‘ Sprache war ich entzückt und Becker verblüffte mich mit feinstem Marketing für die gesamte Pfalz. Während Bibliotheken sichtbar die Pfälzer Landschaften prägen, erschaffen Autorinnen und Autoren durch ihre Texte ein noch viel weitreichenderes Bild der Region in unseren Köpfen. So halten sich manche romantischen Motive bis heute. Oder?

DETAILFÜLLE Das Aquarell von Richard Höfle zeigt das Leben rund um Burg und Ort Frankenstein im 19. Jahrhundert. Repro: Gerhard Hofmann

Das Interesse nimmt zu

Wieso wir mit dem Pfalzbild in der Romantik starten und nicht schon vorher? Wenn doch bereits große Namen der deutschen Dichtkunst wie Schiller, Goethe oder Hölderlin viel früher mehr oder weniger charmante Worte für die Pfalz fanden? Zum einen sprechen wir historisch gesehen von der „Pfalz“ erst seit dem Jahr 1837 als der „Rheinkreis“ bei der Bildung der bayerischen Regierungsbezirke umbenannt wurde. Mit dem Hambacher Fest 1832 und der Revolution 1848/49 fallen zum anderen zwei bedeutende Ereignisse in diese Zeit, die neben der Namensgebung prägend für die neue Pfälzer Identität waren. Drittens wuchs mit dem allgemeinen auch das künstlerische Interesse an der Pfalz, wodurch sie erstmals im besonderen Maße selbst Gegenstand in der Literatur wurde. Mit den Werken von Blaul, Weiß und Becker haben wir Texte vor uns, die von Pfälzern mit viel Herz für Pfälzer geschrieben wurden.

KUNSTDRUCK-EXPERTE Gerhard Hofmann in seinem Atelier in Neustadt an der Weinstraße. Foto: Michael Dostal

Ein Ort für Romantiker

„Nicht als sachlicher Dokumentarist, sondern als sinnlicher Beobachter durchwanderte Blaul seine Heimat“, wie der Klappentext von „Träume und Schäume vom Rhein“ verkündet. Lesende empfinden die subjektiven Schilderungen als sehr authentisch. Die Pfalz bietet alles, was das Romantiker-Herz damals (und heute) höherschlagen ließ: dunkle Wälder, alte Burgen, Ruinen, Höhlen, Moore und andere Naturlandschaften. Ehrlich und humorvoll bis in die Federspitze sind auch die Schilderungen, die bis heute wenig an Aktualität eingebüßt haben und nicht in das romantische Bild passen:

Georg Friedrich Blaul, 1838:

Stahlstiche bei Franz Weiß

„Blaul nimmt die Leute mit seiner Art richtig mit“, sagt der Neustadter Künstler Gerhard Hofmann. Seine größere Bewunderung gilt allerdings dem Werk „Die malerische und romantische Pfalz“ von Franz Weiß, an dem namhafte Künstler mitwirkten. Diese Pfalzdarstellung ist laut Hofmann deshalb so attraktiv, weil hier erstmals nicht nur Wörter, sondern auch Illustrationen die Fantasie anregten. Die erste Auflage des 1840 im Verlag von August Hermann Gottschick in Neustadt an der Haardt erschienenen Buches enthielt 24 Stahlstiche. In der zweiten Auflage waren es neben dem Titelbild schon 62 Stahlstiche und in der dritten kamen noch zwei weitere hinzu. „Die Bebilderung war damals technisch eine richtige Herausforderung und finanziell eine große Unternehmung für den Verleger, so etwas zu riskieren“, beschreibt Hofmann. „Deshalb wurden für das Buch vor der Produktion zunächst Subskribenten gesucht, um zu sehen, wie viel Interesse da ist.“ Der poesievolle Reiseführer traf den Nerv der Zeit. „Die Ausstattung des Buchs mit 24 anspruchsvollen Stahlstichen bot einen besonderen Reiz bei der Lektüre“, schreibt Hofmann im Katalog zur am Buchtitel orientierten Ausstellung „Die malerische und romantische Pfalz“ in der Villa Böhm.

Franz Weiß, 1840

Herausforderung: Buchproduktion

BUCHDRUCK Im 19. Jahrhundert war die Buchproduktion technisch und finanziell eine Herausforderung. Foto: Marco Djallo/Unsplash

Franz Weiß stimmt seine Leserschaft schon mit den ersten Zeilen in der typischen romantischen Manier auf die Beschreibung seines Wander- und Reiseführers ein. Das Buch ist in der digitalen Bibliothek des Münchner Digitalisierungszentrums frei zugänglich. Mit ein paar Klicks kann es heruntergeladen werden. Als ich mich in das Lesen der Kurrentschrift reingefuchst hatte, fand ich richtig Spaß an der schwülstigen Sprache des Autors. Eines hatte ich, als sogenannter Digital Native, dabei im Wortsinn nicht auf dem Schirm: wie viel Arbeit damals alle Beteiligten in die Buchproduktion steckten. Klar kann ich die Schreibstunden des Autors am ehesten nachempfinden, aber dass das Buch in mehreren Teilen ausgeliefert wurde und man erst zum Buchbinder ging, als es komplett war, ist weit weg vom heutigen Verlagswesen. „Es ist schwierig sich vorzustellen, wie mühsam es war, ein Buch herzustellen. Die Bebilderung war damals technisch eine richtige Herausforderung“, ist Künstler Gerhard Hofmann, der selbst eine Radier- und Druckwerkstatt betreibt, von den damaligen Tiefdruckverfahren des Stahlstiches begeistert.

Die Branche im Wandel

Beeindruckend ist auch die rasante Entwicklung der Branche. Während Blaul noch ganz ohne bildhafte Unterstützung die Pfalz nur in Worten zeichnete, kamen bei Weiß die hochwertig und minutiös gearbeiteten Stahlstiche zum Einsatz und August Beckers Werk „Die Pfalz und die Pfälzer“ wurde wenige Jahre später mit Holzstichen bebildert, da die „billiger zu drucken waren“, sagt Hofmann und ergänzt: „Sie weisen aber nicht die Qualität von Stahlstichen auf.“ Ganz deutlich erkennt man daran, dass Schreibende und Künstlerinnen und Künstler immer vom Geist ihrer Zeit geprägt sind – inhaltlich, technisch und wirtschaftlich. August Becker war sich dahingehend seiner Aufgabe als Autor bewusst:

August Becker, 1858

Fragen, die bleiben

Sie haben wahrscheinlich gemerkt, dass ich ganz verliebt in die Art und Weise bin, wie diese drei Autoren vor rund 200 Jahren die Pfalz beschrieben haben. Sicherlich auch, weil mir bei ihren Schilderungen so vieles Vertrautes begegnet. Auf meine Frage, ob die drei Literaten mit ihren Werken den Grundstein für das heutige Bild der Pfalz legten, gibt es keine eindeutige Antwort. Einen gewissen Beitrag haben sie dazu geleistet – ja. Aber wie so oft ist das Thema vielschichtiger. Bevor wir uns auf unserer Reise in der Vergangenheit und in den „alten“ Geschichten verlieren, springen wir wieder zurück in die Gegenwart und sehen Parallelen.

WISSENSSCHATZ Das Erzählen von Geschichten spielt eine entscheidende Rolle für den evolutionären Erfolg und die kulturellen Errungenschaften des Menschen. Foto: Pierre Bamin/Unsplash

Von der Pfälzer Muse geküsst

„Die vielfältigen Eindrücke in der Pfalz lösen sofort den Impuls aus, das Erlebte kreativ verarbeiten zu wollen. Die Begegnung mit der Pfälzer Landschaft macht dich nicht sprachlos, sondern im Gegenteil, es fällt dir leicht, Worte zu finden“, beschreibt Autor Michael Landgraf das Verhältnis Pfälzer Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu ihrer Heimat. „Natürlich spielt beim Schreiben das, was du kennst und deine Heimat immer mit hinein.“ Der evangelische Theologe und Leiter des Religionspädagogische Zentrums der Evangelischen Kirche der Pfalz ist Autor von 140 Büchern. Neben Sach-, Schul- und Kinderbüchern schreibt er vor allem über die Pfalz. Diesen April erscheint von Michael Landgraf im Dudenverlag der Sprachführer „Pfälzisch: Alla hopp un uffbasse“. Darin spürt er auch der Frage nach, ob die Pfalz der Ausgangspunkt des Deutschen ist. „Im 9. Jahrhundert übersetzte der Mönch Otfrid von Weißenburg erstmals Teile der Bibel ins Rheinfränkische und nannte in einer Verteidigungsrede seine Sprache ,lingua teodisca’, also Deutsch“, berichtet Michael Landgraf. Otfrid von Weißenburg als erster namentlich bekannter deutscher Dichter nehme daher eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der frühen deutschen Literatur ein. Es wird vermutet, dass er aus der heutigen Südpfalz stammte und „er hat die Region auch beschrieben“.

Für jeden das passende Buch

Das Schreiben in einer gemeinsamen „Volkssprache“ ermöglicht es uns erst, Gedanken und Ideen festzuhalten, sie zu organisieren und mit anderen zu teilen. Das Geschriebene dient als Mittel zur Reflexion, zur Unterhaltung, zur Bildung und zur Dokumentation. Dafür wählen Autorinnen und Autoren bis heute unterschiedliche Genres und Darstellungsformen. Bei Michael Landgraf ist aktuell zum Beispiel der Reiseführer „Weinorte in der Pfalz“, der 2025 erscheint, in Arbeit. „Neustadt an der Weinstraße und seine Weindörfer. Der Reiseführer“, „Pfalz – Radeln für die Seele“ sowie „Glücksorte an der Deutschen Weinstraße. Fahr hin und werd‘ glücklich“ lauten die Titel seiner neuesten Bücher. All diese Reiseliteratur reiht sich in das Vermächtnis sämtlicher Veröffentlichungen seit Otfrid von Weißenburg in dem Punkt ein, dass auch dort die Schönheit der Pfalz belobigt wird. Die Leiterin der Pfalzbibliothek Claudia Germann macht bei modernen Werken jedoch folgenden Unterschied aus: „Heute werden Bücher und vor allem Reiseführer sehr zielgerichtet verfasst. Früher waren es eher subjektive, allgemeine Reisebeschreibungen, heute sind die Titel sehr speziell und es gibt für viele Bedürfnisse und Hobbys eigene Veröffentlichungen.“

Autor und Generalsekretär von PEN Deutschland Michael Landgraf. Foto: Foto: Juan Müller

Neuer Player: PEN Rhein-Neckar

Das Interesse an diesen regionalen Büchern für alle Fälle – von Reiseführern, über Krimis, Kochbücher und Romane – sei groß, bestätigen Germann und Landgraf. Die Pfalz ist dabei Hauptfigur, Schauplatz oder Inspirationsquelle. Und sie ist das Zuhause von vielen Autorinnen und Autoren. Kann man also von einer regen Literaturszene sprechen? „Rege auf jeden Fall. Die Literaturszene in der Pfalz ist recht groß und sehr engagiert“, sagt Bibliothekarin Germann. Michael Landgraf ergänzt: „Es ist etwas im Aufbruch. Wir haben vereinzelt sehr rege Gruppen, in Kirchheimbolanden oder Neustadt zum Beispiel. Es gibt in der Pfalz zwei klassische Player: den Literarischen Verein der Pfalz, ein Zusammenschluss von Literaturfreunden, auf der einen Seite und den Verband der deutschen Schriftsteller auf der anderen.“ Ganz neu ist seit einem Jahr die PEN-Regionalgruppe Rhein-Neckar. Das PEN-Zentrum Deutschland, die älteste Schriftstellervereinigung im Land, setzt sich für Literatur, Meinungsfreiheit und Völkerverständigung ein. PEN steht für Poets, Essayists, Novelists. „Um bei PEN aufgenommen zu werden, brauchst du bereits ein gewisses Standing als Schriftsteller sowie zwei Bürgen“, sagt Michael Landgraf, der seit 2018 Mitglied und seit zwei Jahren PEN-Generalsekretär ist. Ganz bewusst habe man bei der Regionalgruppe die Grenze nicht am Rhein gezogen, sondern die rechtsrheinische Kurpfalz dazu genommen. „Wir schätzen gerade diesen den Austausch, denn wir verstehen uns als eine pfälzische Kulturregion.“

POESIE ZUM PFLÜCKEN An verschiedenen Plätzen in Landau gibt es Gedichte und Kunst direkt zum Mitnehmen. Der rund 120 Mitglieder zählende Literarische Verein der Pfalz veröffentlicht jährlich drei Publikationen. Neben der Mitgliederzeitschrift sind es das Jahrbuch und der literarische Adventskalender. Foto: Literarischer Verein Pfalz/Peter Herzer

Der Literarische Verein der Pfalz

Feedback geben und nehmen ist dabei eine Kunst, die wie das Schreiben geübt sein will. Jeder, der einen literarischen Text verfasst oder ein Bild zeichnet, gibt in diesem Moment etwas sehr Persönliches von sich preis. Gefühle, Gedanken, Erfahrungen werden zu Wörtern und Farbe. Umso nervöser ist man vor einer Bewertung, wenn zum ersten Mal der Text oder das Bild von anderen Kunstschaffenden besprochen wird. „Sich diesem Austausch zu stellen, gehört zum kreativen Prozess dazu“, sagt Birgit Heid, erste Vorsitzende des Literarischen Vereins der Pfalz. Die Textbesprechung ist einer der Schwerpunkte des Vereins. Die Mitglieder treffen sich dafür regelmäßig, da „im persönlichen Miteinander sensibler auf die Autorinnen und Autoren eingegangen werden kann“. Die Landauerin Birgit Heid begann 2001 mit dem Schreiben und stieß 2013 zum Literarischen Verein. Er wurde 1878 als „Verein pfälzischer Schriftsteller, Künstler und Freunde von Kunst und Wissenschaft“ in Neustadt gegründet und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.

Wegzug von Literaten

Autorin und 1. Vorsitzende des literarischen Vereins der Pfalz. Foto: Privat

Heute gibt es Sektionen in Landau, Kaiserslautern und Speyer. „Wir nehmen jeden auf. Ganz gleich, auf welchem Niveau er schreibt. Der Verein möchte die vielseitige Literatur in der Pfalz fördern und pflegen“, betont Heid. „Je länger eine Gruppe besteht, desto besser wird das Niveau.“ In der Pfalz gebe es weitere Literatenzusammenschlüsse wie die Autorengruppe Zweibrücken oder die Literaturgruppe Wachtenburg-Donnersberg. Daneben gebe es eine ganze Reihe Pfälzer Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die im „Brot-und-Butter-Genre“, dem Krimi, zu Hause sind und leichte Unterhaltungsgeschichten schreiben. „Die Pfalz hatte historisch betrachtet nicht die Möglichkeit, eine richtige literarische Hochburg zu werden“, schildert Birgit Heid. „Das Leben hier war lange geprägt von Kriegen, Besatzungen, Armut und Auswanderungswellen. Das alles hat nicht zu ruhigeren Fahrwassern beigetragen, um sich eingehend und kreativ mit den Fragen des Lebens zu beschäftigen.“ Michael Landgraf ergänzt, dass die Pfalz bis heute einen „Provinzialität-Touch“ habe und viele Pfälzer Literaten daher in größere Städte, allen voran nach Berlin, wegziehen.

Lesen ist Genuss

Wenn man sich wie wir auf eine literarische Reise durch die Pfalz begibt, findet man dennoch für jeden Geschmack eine „Einkehrmöglichkeit“. Es gibt nicht allzu viele, aber es gibt sie, die literarischen Sternerestaurants. Die Wahl-Pfälzer Rafik Shami oder Guido Dickmann bereiten beispielsweise erstklassige Romane zu. Pfälzer Urgesteine wie Wolfgang Diehl, der 2023 den Lebenswerkpreis für Literatur des Bezirksverbands Pfalz erhielt, kocht mit viel Liebe und Scharfsinn überaus schmackhafte, regionale „Buchstabeneintöpfe“. Mundart-Autoren wie Norbert Schneider servieren „Typisch Pfalz“ und Krimi-Autoren wie Harald Schneider oder Gina Greifenstein reichen Pfälzer Häppchen für Zwischendurch. Es entsteht ein reichhaltiges Menü, das so variantenreich wie der Literatur-Begriff selbst ist.

Pfälzer Literaturfeste

Das Schreiben wird in der Pfalz gefördert und gefeiert: bei der literarischen Reihe „Speyer.Lit – Lesung. Performance. Livemusik“, bei den Landauer Büchereitagen, beim Literaturfestival in Kaiserslautern, bei den Donnersberger Literaturtagen oder beim Burgund-Literatur-Stipendium im Künstlerhaus Edenkoben. Seit 1978 gibt es außerdem in Deidesheim die Turmschreiberei. Die „Stiftung zur Förderung der Literatur in der Pfalz“ fördert Autorinnen und Autoren, die vier Wochen in Deidesheim wohnen, „pfalzbezogen“ arbeiten und das Ergebnis publizieren. Durch diese Events und Förderungen wird das Bild der Pfalz literarisch weiter fortgeschrieben. Sie sind eine Bereicherung für das kulturelle Leben der Region.

ORT DER BEGEGNUNG Das Freinsheimer Backhaus war beim literarischen Spaziergang 2023 in mehrfacher Hinsicht ein Ort, an dem sich Menschen und Geschichten begegneten. Foto: Kathrin Engeroff

Unterwegs in den Gassen

Die Tulpen blühen gelb und rosa im Retzerpark. Die Amsel singt vom Giebel laut ihr Lied, Meisen zwitschern dazwischen. Es ist ein milder Frühlingsabend im Mai – wie er im Buche steht. An der alten Sandsteinmauer im Schatten der austreibenden Bäume begegnen sich zwei Dutzend Literaturfreunde. Manche das erste Mal, manche sind seit Jahrzenten Weggefährten. Gemeinsam gehen sie nun durch die historischen Gassen Freinsheims. Die Orte, die sie besuchen werden, sind Ausgangspunkte für noch tiefer gehende Begegnungen. Die Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Waltraud Amberger nimmt mich 2023 während der Freinsheimer Lese mit auf diesen literarischen Spaziergang.

Begegnungen in der Literatur

„In der Literatur eröffnet sich uns ein Geflecht an Begegnungen: mit uns selbst, mit den Figuren, mit den Autorinnen und Autoren, mit Orten und Zeiten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geben sich dort die Hand“, sagt Waltraud Amberger. Um den Bogen zur realen Welt zu spannen, machen wir auf der Runde bewusst Station an Begegnungsorten wie der protestantischen Kirche, der ehemaligen Synagoge oder am Backhaus an der Stadtmauer. Wir suchen Antworten auf die Frage: Was macht eine Begegnung zu einer Begegnung? Wir treffen auf fiktive Romanfiguren, Geschichten, Poesie und Prosa aus zwei Jahrhunderten. Waltraud Amberger trägt Texte, Ideen und Gedanken vor oder lässt eigens eingespielte Aufnahmen für sie sprechen. Hilde Domin kommt zu Wort, Christa Wolf und Jean Paul Sartre, Stanislaw Lec, Herta Müller und natürlich Hermann Sinsheimer.

Weltoffenes Kulturprogramm

Durch den gebürtigen Freinsheimer Hermann Sinsheimer ist der Weinort in der literarischen Welt bekannt. Der Jurist, Journalist, Theaterkritiker und Schriftsteller musste wegen seiner jüdischen Herkunft aus Nazideutschland fliehen. „Zu seinen Ehren verleiht die Stadt Freinsheim seit 1983 den Hermann-Sinsheimer-Preis für Literatur und Publizistik und die gleichnamige-Plakette im Wechsel. Dieser Kontext spielt bei der literarischen Lese stets eine besondere Rolle“, heißt es im Veranstaltungskonzept. „Hermann Sinsheimers Werken und seine anspruchsvollen Texte prägen die Freinsheimer Lese noch immer“, sagt Mitorganisatorin Waltraud Amberger. Die Veranstaltungsreihe verbinde heute darüber hinaus Literatur mit Film, Bildender Kunst und Musik, sodass ein zeitgenössisches, fröhliches und weltoffenes Kulturprogramm entstehe. Passend zur Fortentwicklung der literarischen Landschaft (der Pfalz) lautet das diesjährige Motto der Literarischen Lese „Bewegungen“.

Warum lesen wir?

Immer wenn sich die Gruppe an jenem Abend im Mai wieder in Bewegung setzt und sich aufmacht zur nächsten unerwarteten Begegnung, fühle ich mich, als würde ich zum ersten Mal durch Freinsheim ziehen. Dabei ging ich die Straße in etlichen Mittagspausen oder bei sämtlichen Festen oft auf und ab. Doch nun sind sie eingebettet wie eine Brücke in verschiedene Gedankenwelten. Ich merke, wie viele der Teilnehmenden sich wie ich eine Zeitlang darin verlieren und die gehörten Worte nachklingen lassen. Waltraud Amberger stellt während des Spaziergangs auch die Frage: „Warum lesen wir?“ Eine Antwort darauf: „Wir suchen die Begegnung mit dem Unbekannten, mit den anderen. In Büchern begegnen wir uns an Orten, an denen wir nie waren. Literatur verbindet Orte mit Geschichten.“

Foto: Pricilla du Preez/Unsplash

In der Pfalz sein

In dieser Titelgeschichte sind Sie mir und meinen Gedanken an literarische Orte der Pfalz gefolgt, haben Pfälzer Autoren und ihr Bild der Pfalz aus dem 19. Jahrhundert kennengelernt, haben einen Eindruck von der zeitgenössischen Literaturlandschaft bekommen. Bei weitem haben wir nicht alle Ecken erkundet. Doch unsere literarische Reise muss an dieser Stelle nicht enden. Denn in der Welt der Bücher finden wir nicht nur Geschichten, sondern auch Erkenntnis, Inspiration, Trost und die Essenz dessen, was es bedeutet, Mensch – und in der Pfalz – zu sein.

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Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Hirtenwege

Naturschützer auf vier Beinen

Eine einzigartige Kulturlandschaft erhalten. So lässt sich ein zentrales Ziel des Projektes „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“ kurz und knapp beschreiben. Bald beginnt die Umsetzungsphase. Eine zentrale Rolle spielen dabei „tierische Rasenmäher“, die gleichzeitig als „Samentaxis“ unterwegs sind.

Schafherde im Pfälzerwald
Foto: Norman Krauß

Wiesen und Weiden sind wertvolle Lebensräume. Hier gedeihen seltene Gräser, Kräuter oder Orchideen. Hier leben Bienen, Libellen, Schmetterlinge, Heuschrecken und Käfer in großer Zahl. Diese enorme Vielfalt ist jedoch bedroht, weil solche Orte verbuschen oder mit Wald überwachsen. Mit dem Projekt „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“ wird gegengesteuert (siehe auch unsere Titelgeschichte „Ein neuer Anfang am Ende des Weges“ in der Ausgabe 5/2019). Die Organisatoren des Projektes, dessen offizieller Start im April 2018 war, sind jetzt in den Startlöchern, um mit der Umsetzung zu beginnen.

Landschaft offenhalten

Ein Blick zurück: Um dem Pfälzerwald als besonderem Naturraum Schutz zukommen zu lassen, machte ihn die Unesco 1992 zum Biosphärenreservat. Im Pfälzerwald soll so eine nachhaltige Entwicklung vorbildlich verwirklicht werden. 1998 ist das in Schutz genommene Gebiet grenzüberschreitend ausgeweitet und so zum Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen geworden. Dessen Status wurde zuletzt 2022 geprüft, bestätigt und 2023 um weitere zehn Jahre verlängert. Eines der Ziele ist dabei die Offenhaltung der Landschaft. Träger der damit verbundenen Aktivitäten ist auf deutscher Seite der Bezirksverband Pfalz. Die Umsetzungsarbeiten organisiert ein Team in Lambrecht. Zu den wichtigsten Vorhaben gehört dabei das Projekt „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“.

AUF WANDERSCHAFT Christian Ruther ist regelmäßig mit seiner Herde im Pfälzerwald unterwegs. Foto: Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen

Biotope vernetzen

Mit dem Beginn der Umsetzungsphase soll es ab Frühsommer 2024 darum gehen, in einem 8200 Hektar großen Fördergebiet neue Offenlandbiotope freizulegen und miteinander zu vernetzen. Es geht konkret um die Weideflächen Dahn-Annweiler Felsenland, Dahner Felsenland, nördliche Oberhaardt und Neustädter Gebirgsrand, südliche Oberhaardt und Queichtal, Tal Pfälzerwald, Unterhaardt und Grünstadter Berg sowie um Gebiete im westlichen und südwestlichen Pfälzerwald. Verbuschte und zugewachsene Flächen sollen wieder zu dem werden, was sie einmal waren: Streuobstwiesen, Feuchtwiesen, Blumenwiesen und Auen mit großer Artenvielfalt.

Schäfer und Schafe als Helfer

Wichtige Partner und Akteure sind dabei Schäfer, die mit ihren Herden für eine großflächige Beweidung sorgen. Vorgesehen sind ergänzend auch extensive Beweidungen mit Rindern und Ziegen. Zu den Maßnahmen, die das Hirtenwege-Team plant, gehören das Sichern, der Wiederaufbau und die Freilegung von zugewachsenen Trockenmauern. Damit schützt und kreiert man Lebensräume für Farne, Zwergglockenblumen sowie Zaun- und Mauereidechsen. Projektleiter Helmut Schuler erklärt: „Als zuverlässige und verbindliche Handlungsorientierung haben wir einen ausführlichen Pflege- und Entwicklungsplan ausgearbeitet.“ Er enthalte zum Beispiel eine Biotoptypenkartierung mit Lebensräumen von Vögeln, Fledermäusen, Käfern, Libellen und anderen Insekten. Zudem gebe der Leitfaden vor, was, wo und wann unternommen werden soll. Dazu zählten, so Schuler weiter, etwa das Abholzen und Umwandeln von Vorwald in Grünland sowie „die Erstpflege von Brachen durch Entbuschen, Mulchen und Initialbeweidung“.

IN WARTESTELLUNG Sobald der Vorwald in Grünland umgewandelt ist, können die Schafe loslegen. Foto: Norman Krauß

Die Suche nach Beweidern

Bei den Vorbereitungsarbeiten waren viele Details zu beachten. So musste die Projektleitung beim Erwerb und der Anpachtung von circa 80 Einzelflächen mit vielen unterschiedlichen Eigentümern korrespondieren und entsprechende Einigungen erzielen. Zu den Herausforderungen zählte und zählt es auch, innerhalb des Fördergebietes geeignete Beweider zu finden. Schuler erläutert: „Es gibt Regionen, in denen sich mehrere Tierhalter, darunter auch Hobbytierhalter, mit ihren Weidetieren gerne aufhalten und sich zum Teil Konkurrenz machen, während andere Regionen unversorgt bleiben, weil niemand dorthin will. Da müssen wir durch entsprechende Angebote und Abstimmungsbemühungen ausgleichend steuern.“

Ausgedehnte Weidegebiete

Regelmäßig mit seiner Herde im Pfälzerwald unterwegs ist zum Beispiel Wanderschäfer Christian Ruther aus Iggelbach (Landkreis Bad Dürkheim). Wenn er sich mit rund 400 Tieren auf den Weg macht, ergibt dies beeindruckende Bilder. Auch Georg Dauber hat mit seinen 66 Jahren als Wanderschäfer viele Kilometer zu Fuß hinter sich gebracht. Er wohnt im Örtchen Nothweiler (Landkreis Südwestpfalz) an der deutsch-elsässischen Grenze. Bis ins Jahr 2008 half seine Frau Astrid bei der Schafhaltung mit. Nach schwerer Erkrankung ging das nicht mehr. Seither ist der Alltag Daubers von frühmorgens bis spätabends mit Arbeit gefüllt. Im Jahr 2004 lag das erste Weidegebiet auf der Strecke von Bruchweiler über Salzwoog, Münchweiler und weiter Richtung Rodalben, Clausen, Merzalben, Leimen bis ins Tal Richtung Johanniskreuz. Heute läuft er so weite Strecken nicht mehr.

SAMENTAXIS Auch Schafe von Georg Dauber tragen zur Artenvielfalt bei. Foto: Norman Krauß

Schafswolle als Samenspeicher

Dauber will am Projekt der neuen Hirtenwege teilnehmen und mit seinen Schafen für die Flächenfreihaltung von 50 Hektar sorgen. Als Kenner der Natur ist ihm der Nutzen dieses Hirtenweg-Projekts sofort präsent: „Die Schafe laufen durch hohes Gras und nehmen dabei Samen in die Wolle auf. So transportieren sie Millionen von Samen in andere Gebiete. Bei den kleinen Bäumen fressen Schafe die Triebe ab und verhindern so, dass Täler und Wiesen zuwachsen. Somit entsteht mehr Lebensraum für Insekten, und die locken wiederum Vögel an.“ Mittlerweile haben die meisten Schäfer ihr Revier aber nahe am eigenen Wohnort, um das harte Leben von Wanderschäfern zu meiden. Man merkt schnell, dass Wiesen und Täler das wirkliche Zuhause von Georg Dauber sind. Maßgaben, die er von den Behörden, Veterinärämtern und Förderstellen befolgen muss, beschimpft er vehement als „Überregulierung“. Und man will es ihm glauben. Auch der Preisverfall der Wolle macht ihm zu schaffen. Das Scheren der Schafe koste oft mehr, als die geschorene Wolle später einbringe. Dem Biosphärenreservat gegenüber äußert Georg Dauber Dank für Zuschüsse, die sein Leben mit den Schafen erleichtern würden.

Idylle als Trugschluss

Auch die junge Wanderschäferin Anne Mottl aus Rumbach (Landkreis Südwestpfalz) weiß, dass alle idyllischen Vorstellungen in Bezug auf ihren Beruf trügen. Als Kind einer Schäferin und eines Schäfers ist sie mit allen Licht- und Schattenseiten dieses Berufs vertraut. Er bedeute nicht, „dass man sich den ganzen Tag seines Lebens freut und auf den Schäferstock gelehnt den Tag genießt.“ Es gelte vielmehr, tagein und tagaus mit den Tieren zu sein – bei Wind, Regen und eisiger Kälte und bei brütender Hitze.“ Für den Winter müsse Heu und Getreide im Stall eingebracht werden. Auch beim Lammen und der frühen Aufzucht in den Winter- und Frühlingsmonaten seien Aufmerksamkeit und Hilfe des Schäfers und der Schäferin gefragt. Das Scheren im Frühjahr koste ebenfalls Zeit und Geld.

BEI DER ARBEIT Die Schafe von Anne Mottl im „Rasenmäher“-Einsatz. Foto: Norman Krauß

Bürokratie als Zeitfresser

Als besondere Bürde empfindet Anne Mottl aber vor allem die zunehmende Bürokratie. „Büroarbeiten mit Meldepflichten, Antragsformularen, erforderlichen Nachweisen und anderem Papierkram fressen einen viel zu großen Teil meiner Zeit“, kritisiert sie. So musste Mottl eine Herde von 500 Mutterschafen auf derzeit 250 Tiere reduzieren, wofür sie hauptsächlich den Mangel an zusammenhängender Weidefläche verantwortlich macht. Außerdem habe sie es mehrmals erlebt, dass „Hobbytierhalter einem die bitternötige Weidefläche, die man jahrelang bewirtschaftete, nicht gönnen.“ Deshalb verbindet sie mit dem Projekt „Neue Hirtenwege“ auch etwas Hoffnung auf eine positive Wende. Trotz aller Widrigkeiten liebt und lebt sie ihren Beruf: „Auch wenn mein Weg bisher recht steinig war, macht mir das Leben mit den Tieren Mut und Spaß. Ich erlebe eigentlich täglich sehr schöne Momente. Zum Beispiel dann, wenn ich bei Geburten behilflich sein kann, oder auch, wenn im Frühling die Tiere ins saftige Grün ausschwärmen und sichtbar zufrieden sind.“

Warten auf grünes Licht

Zu den Kernpunkten der nun anstehenden Umsetzungsphase des Projekts „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“ gehören die Sicherung der Maßnahmenflächen durch Ankauf oder Pacht sowie die Abstimmung und Entwicklung der Umsetzung mit allen Projektbeteiligten. Projektleiter Schuler freut sich über „die hohe Akzeptanz, die das Projekt bei allen Akteuren gewinnen konnte“. So sei die Vernetzung und Flächensicherung für eine anschließende Beweidung mit den betroffenen Kommunen einvernehmlich abgestimmt. Regelmäßige Besuche von Gruppen aus anderen Regionen Deutschlands würden deutlich zeigen, dass dem Projekt im Pfälzerwald eine Vorbildfunktion zukomme. Jetzt erwartet man freudig das grüne Licht für die Umsetzungsphase.

Termintipp: Schäferfest

Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Natürlich gärtnern

„Was passt zu mir?“

Ein Duft von Lavendelthymian begleitet uns durch das Gespräch mit dem Biogärtner und Kräuterexperten Yves Frey. Im Interview erfahren wir, wie man die perfekten Kräuter für den eigenen Garten oder Balkon auswählt, und erhalten praktische Tipps für den Anbau. Denn Kräuter machen optisch nicht nur was her, sie sind auch als Mischkultur ideal, um Gemüsepflanzen zu stärken. Außerdem sind sie einfach lecker.

Foto: Elias Morr Unsplash

Herr Frey, wie wählt man am besten Kräuter für den eigenen Garten aus?

Am sinnvollsten ist es, zu überlegen: Welche Gerüche mag ich? Was koche ich am liebsten? Bin ich Fleischesser? Ich finde es wichtig, dass die Kräuter, die ich anbaue, auch in der Küche Verwendung finden. Ein Lavendelthymian passt zum Beispiel super zum Braten. Da sind wir beim nächsten Punkt: Allein beim Thymian gibt es zwölf verschiedene Sorten. Die Kräutervielfalt ist vielen gar nicht bewusst. Ich ermutige meine Kunden immer, an den Kräutern zu riechen und sie zu probieren. Wenn ich weiß, was zu mir passt, dann kann ich anschließend meine Pflanzen zusammenstellen oder in Gartenbaubetriebe gehen und mich noch genauer beraten lassen.

Wo baue ich denn Kräuter am besten an? Im Garten? Auf dem Balkon?

Auf jeden Fall nah am Haus, damit ich beim Kochen kurz rausgehen, Kräuter holen und direkt weitermachen kann. Die meisten Kräuter haben keine tiefe Wurzelbildung, weswegen ich sie im Topf oder in der Schale anbauen kann. In eine mittelgroße Schale passen drei bis vier Kräuter – Oregano, Thymian und Pimpinelle zum Beispiel. Von Rosmarin oder Salbei wiederum habe ich mehr, wenn ich sie ins Beet pflanze. Die südländischen Kräuter stelle oder setze ich an sonnige Standorte. Schnittlauch, Minze oder Petersilie wollen etwas weniger Sonne.

Biogärtner Yves Frey bei der Kräuterbewässerung. Foto: Privat

„Hier geht alles Hand in Hand mit der Natur“, lautet das Motto von Yves Frey aus Höheinöd. Der Gärtner hat in einem ökologischen Betrieb gelernt und sich 2016 im Gartenbau mit „Kräuter-Art“ selbstständig gemacht. Zwei Jahre später erhielt er die Biozertifizierung. Mit seinen Kräutern ist der Westpfälzer auf den Wochenmärkten in Rockenhausen und Pirmasens unterwegs. Er hält Vorträge über naturnahes Gärtnern, bietet Kräuterführungen und Seminare an oder gestaltet naturnahe Gärten. Wildkräuter und Vielfalt spielen für ihn eine große Rolle und er setzt sich für deren Erhalt ein – unter anderem als Mitglied im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. [ayß]

Info: kraeuter-art.de

Gibt es ähnlich wie beim Gemüse Kräuter, die sich nicht verstehen?

VOLLES AROMA Beim Trocknen von Kräutern konzentrieren
sich ätherische Öle in den Pflanzen. Foto: Priscilla du Preez/Unsplash

Wer sich gar nicht mit anderen verträgt, ist Petersilie. Sie steht gerne allein. Hier lässt man am besten 60 Zentimeter Platz zum Nachbarn. Ich hatte schon mal Schnittlauch und Petersilie testweise zusammen in einem Kübel. Das ging ein Jahr lang gut, dann war es vorbei. Die anderen Kräuter passen zusammen.

Kräuter eignen sich auch gut für die Mischkultur mit Gemüse, oder?

Ja, genau. Kräuter können eine positive Wirkung auf Gemüsepflanzen und ihr Wachstum haben. Gute Kombinationen sind zum Beispiel: Bohnenkraut zu Bohnen, Basilikum und Kerbel zu Tomaten, Dill zu Gurken. Im Bioanbau werden Kräuter auch bewusst zur Schädlingsabwehr gepflanzt. Kapuzinerkresse, in Töpfe gepflanzt und zwischen die Reihen gestellt oder direkt mit ins Beet, fängt Schädlinge wie Läuse ab und die Kultur bleibt sauber.

Welche Ansprüche stellen Kräuter noch?

Sie sind eigentlich ganz pflegeleicht. Wenn man Gemüsebeete mit Kompost oberflächlich anreichert oder Kompost mit ins Pflanzloch gibt, sind die Nährstoffe für die Saison ausreichend. Kräuter brauchen wenig Wasser und kommen in der Regel mit trockenen Phasen gut zurecht. Lieber einmal gut unten reingießen, im Sommer am besten frühmorgens, und die Kräuter dann wieder für eine Weile vergessen. Die Pflanze merkt sich das, wenn sie öfter gegossen wird, und bildet dann keine tiefen, stabilen Wurzeln aus. Sollten Kräuter von Schädlingen befallen sein, setzen wir im ökologischen Landbau nur Brennnesseljauche zur Abwehr ein.

Thymian
Thymian. Fotos: Anja Junghans/Unsplash
Schnittlauch. Foto: Brittney Strange/Unsplash
Ringelblume. Foto: Hans/Pixabay

Welche Kräuter eignen sich zum Trocknen?
Estragon | Kamille | lavendel | Majoran | Minze |
Oregano | Salbei | Thymian | Ysop

Welche Kräuter besser NICHT trocknen?
Borretsch | Kresse | Liebstöckel (Maggikraut) |
Pimpinelle | Tripmadam | Sauerampfer

Welche Kräuter eignen sich zum Einfrieren?
Bohnenkraut | Borretsch | Dill | Koriander |
Liebstöckel | Petersilie | Schnittlauch

Welche Kräuter besser NICHT einfrieren?
Basilikum | Brunnenkresse | Oregano |
Pimpinelle | Salbei | Thymian

Gute Kräuter-Gemüse-Mischkulturen:
Basilikum: zu Tomaten, Gurken, Paprika, Zucchini
Bohnenkraut: zu Bohnen, Salat, rote Bete
Dill: zu Gurken, Möhren, rote Bete, Zwiebeln, Salat, Erdbeeren
Knoblauch: zu Tomaten, Salat, Erdbeeren, Rosen
Pfefferminze: gut für Kohlarten
Ringelblumen: geeignet für nahezu alle Gemüsesorten und Salate
Rosmarin: zu Kohl und Möhren
Salbei: gut für alle Kohlarten
Thymian: zu Kohl und Salat

Wann ist der ideale Zeitpunkt, Kräuter zu pflanzen?

April und Mai ist absolute Hochsaison. Alles Einjährige und auch Mehrjähriges kann jetzt frisch ausgesetzt werden. Im September beginnt dann noch mal die Saison für die mehrjährigen Kräuter wie Rosmarin, Oregano oder Majoran. Die Kräuter, die über den Winter grün bleiben wie Salbei, können weiter geerntet werden. Rosmarin muss man auch nicht mehr unbedingt einpacken. Denn unsere Winter sind zu nass, weshalb die Pflanzen eher zerfallen, statt erfrieren. Pflanzen leiden mittlerweile auch im Winter extrem.

Rosmarin. Babette Landmesser/Unsplash

Apropos Winter: Wie konserviere ich am besten meine Sommerernte, um von den Kräutern im Winter etwas zu haben?

Einige Kräuter lassen sich gut einfrieren: Petersilie, Schnittlauch, Liebstöckel, Dill, Koriander oder Bohnenkraut. Die Kräuter dafür ernten, waschen, trocken tupfen und luftdicht ganz frisch einfrieren. Eine der schonendsten Varianten zur Konservierung ist das Trocknen. Einige Kräuter entfalten ihr volles Aroma sogar erst nach dem Trocknen, da sich während des Trocknungsprozesses die ätherischen Öle in den Pflanzen konzentrieren. Dazu gehören Rosmarin, Minze, Thymian oder Salbei. Andere Kräuter verlieren nach dem Pflücken schnell ihr Aroma, zum Beispiel Pimpinelle oder Borretsch, und eignen sich daher nicht zum Trocknen.

Was ist Ihr Tipp für Kräuteranfänger oder neu Biogärtner?

Sich trauen, etwas Neues auszuprobieren – auch in der Küche – und sich immer fragen: Was passt zu mir?

„Natürlich gärtnern“ heißt die VielPfalz-Serie. Experten aus der Pfalz geben Tipps, wie der Ein- oder Umstieg zum naturnahen Gärtnern gelingt. Bereits erschienen: Gemüseanbau (Ausgabe 2/2022), Schädlinge und Krankheiten (3/2022), eigenes Saatgut vermehren (4/2022), Bäume und Gehölze pflanzen (5/2022), Der Garten im Winter (6/2022), Hühner und Co. im Garten halten (1/2023), Permakultur (2/2023), Wassermanagement (3/2023), Das heimische Wildstaudenbeet (4/2023), Bokashi und Kompost (5/2023), Microgreens (6/2023) und Gartengestaltung (1/2024).

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Veranstaltungs­tipps

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Pfälzer Außenposten

Überall viel Pfalz

Berlin, Detmold, Dresden, München oder Eckernförde: Hier werden mit viel Herzblut traditionsreiche Pfälzer Weinstuben geführt. Die Gastronominnen und Gastronomen bringen Pfälzer Lebensfreude in die Städte, süddeutschen Genuss ins Glas und auf den Teller. Eine Rundreise.

Foto: Cornelia Herber

Herzliches Lachen, munteres Stimmengewirr – ein Gefühl von Wärme empfängt jeden Gast beim Betreten der Weinstube „Römer und Wein“ in Eckernförde. Hier sitzt die nördlichste pfälzische Weinstube Deutschlands. Genauso hatte Inhaber Uwe Römer sich das vorgestellt. Einen Ort zum Wohlfühlen. Einen Ort der Geselligkeit. „Hier, wo Weinstube ein Fremdwort ist und kulinarische Wüste herrscht“, meint der 60-Jährige mit einem Augenzwinkern. Natürlich gibt es auch eine gute Küche im Norden, weiß der gebürtige Ludwigsburger. Pfälzer Spezialitäten findet man jedoch eher selten bis gar nicht. Das änderte er vor nunmehr 16 Jahren und eröffnete seine Weinstube direkt an der Ostsee. „Bei uns vereinen sich süddeutsche Lebensfreude und norddeutsches Temperament. Genau wie meine Frau und ich“, sagt der Gastronom schmunzelnd. Seine Frau Astrid stammt aus Kiel und hat die Weinstube gemeinsam mit ihm aufgebaut. „Ohne ihre Unterstützung hätte das nicht geklappt.“

Astrid und Uwe Römer in Eckernförde
Astrid und Uwe Römer in Eckernförde. Foto: Römer und Wein Eckernförde

Römer, Wein und der Norden

Uwe Römer ist weder gebürtiger Schleswig-Holsteiner noch gebürtiger Pfälzer. Eckernförde kannte er aus dem Urlaub. Sein Herz schlägt schon lange für die Pfalz, wie er selbst sagt. „Ich habe seit ich denken kann Verwandtschaft dort gehabt und selbst zwölf Jahre in Burrweiler und Nußdorf gelebt. Die Menschen in der Pfalz sind einfach sehr herzlich“, schwärmt er. Bis heute würden seine engsten Freunde an diesem besonderen Fleckchen Erde leben. Römer reist nach wie vor mehrmals pro Jahr in die Südpfalz. Nicht nur, um seine Freundschaften zu pflegen, sondern auch die engen Kontakte zu seinen befreundeten Winzern. Von ihnen bezieht er den Wein für seine Weinstube direkt und verkauft ihn teilweise auch dort. Ebenso wie die typischen Pfälzer Dubbegläser. 90 Prozent der Weine, die er anbietet, sind aus der Pfalz – alle aus Biolandanbau. Das war Uwe Römer von Anfang an wichtig. Genau wie das Arbeiten ohne Zwischenhändler.

Innenansicht vom "Römer und Wein" Eckernförde
AUSLESE Uwe Renner kennt fast alle Winzerinnen und Winzer persönlich, deren Wein er ausschenkt. Foto: Römer und Wein Eckernförde

Selfmade-Gastgeber

Der gelernte Mediengestalter hat sich als Quereinsteiger alles selbst beigebracht. Das Weinwissen eignete er sich bei Winzern und Kellermeistern in der Pfalz sowie über Fachliteratur an. Und auch in der Küche probiert er sich aus. Ob Schmalz, Quiche oder Flammkuchen: Die Speisekarte des „Römer und Wein“ beinhaltet ein festes Stammrepertoire. Dazu gehören natürlich auch Bratwurst und Saumagen. Hinzu kommt eine an Jahreszeiten angepasste Karte sowie immer mal das eine oder andere Extra. „Ich probiere gerne was Neues aus“, erzählt der Gastwirt. „Letztendlich zählt für mich, dass es schmeckt.“

FLAGGE ZEIGEN Der gebürtige Pfälzer bringt den Geschmack seiner Heimat auf den Teller und ins Glas. Foto: Römer und Wein Eckernförde

Weinstube mit Auszeichnung

2010 wurde das „Römer und Wein“ sogar mit dem goldenen Rebblatt beim Gastronomiewettbewerb der Südlichen Weinstraße ausgezeichnet. Trotz großer Beliebtheit und vieler Stammgäste hofft der Gastwirt, dass sein Betrieb die kommenden Jahre weiter Bestand hat. Denn für so eine kleine Weinstube sei die Kostensteigerung massiv. In einem Urlaubsort wie Eckernförde würden dazu saisonal Arbeitskräfte fehlen. Das seien Herausforderungen, die bei allem Schönen ebenso dazugehören. Doch Uwe Römer lässt sich immer wieder etwas einfallen. So bietet er regelmäßig Weinproben an. Es gibt Feste und Konzertspecials. Ein guter Freund und Gast ist Musiker Willi Brausch aus Frankenthal in der Pfalz. Seit mehr als zehn Jahren pflegen die beiden eine enge Verbindung.

Ehrlichkeit ohne Schnickschnack

Eine Sache gab es im Römer und Wein allerdings noch nie: Softdrinks. Stattdessen gibt es die Pfälzer Schorle im Schobbeglas. Die Stammgäste lieben die Ehrlichkeit ohne Schnickschnack. Die Gemütlichkeit. Die Möglichkeit, ein gutes Glas Pfälzer Wein und etwas Leckeres zu essen zu genießen. 35 Plätze bietet der Innenbereich. Im Sommer lässt es sich auch gut draußen vor der Weinstube und im Innenhof verweilen. Und wenn der Wind vom Meer zu sehr aufkommt, gibt es auch mal eine extra Decke. Persönlich überreicht vom Chef. Das ist Service mit Herz. So lebt und liebt es Uwe Römer. „Wir sind hier in Eckernförde eine kleine Institution geworden“, die der Pfalzliebhaber gerne noch eine ganze Zeit aufrechterhalten möchte. Sein Traum: Irgendwann einen Nachfolger zu finden und dann, ja dann spielt er mit dem Gedanken, seinen Lebensabend in der Pfalz zu genießen.

STANDFEST Die Kurpfalz-Weinstuben in Berlin haben in den vergangenen 90 Jahre so mancher Wende in Berlin getrotzt. Foto: Kurpfalz Weinstuben

Zu Gast in Berlin

Vom Norden geht es in die Hauptstadt. Genauer gesagt an den Adenauerplatz. Hier behaupten sich die Kurpfalz-Weinstuben seit fast 90 Jahren. Seit acht Jahren liegt ihr Schicksal in den Händen von Vincenzo Berényi. „Das war schon eine Nummer, als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, die Weinstuben zu übernehmen. Da habe ich ernsthaft überlegt: Trau ich mich da dran?“, erinnert sich der gebürtige Westberliner. Er traute sich. Mit der Unterstützung seiner Frau, wie er betont. Die ihm nach wie vor nicht nur mit der Buchhaltung, sondern auch in der Weinstube tatkräftig zur Seite steht. Denn dem gelernten Sommelier war von Beginn an klar: „Das wird keine kleine Nummer, das wird eine Langstrecke.“ Eine Weinstube mitten in Berlin. Einem Ort, an dem ständig neue Restaurants eröffnen und gleichzeitig ein anderes wieder schließt. Bei dem Massenangebot an Lokalen sei es in der Hauptstadt als Gastronom die größte Herausforderung, über lange Zeit bestehen zu bleiben. Doch die Kurpfalz-Weinstuben seien mit ihren 100 Plätzen, verteilt auf fünf Räume plus den Außenbereich, ein Schlachtschiff, meint Vincenzo Berényi.

Treffpunkt der Stars

Ursprünglich wurden die Kurpfalz-Weinstuben von Bruno und Aenne Müller 1935 gegründet. Aenne kam aus der Kurpfalz. Daher auch der Name. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie ein beliebter Treffpunkt der Stars Westberlins. 1975 übernahm der Hamburger Gastronom Rainer P. S. Schulz die Leitung. Er führte das „Pfälzer Dorf in Berlin“, wie er selbst sagte, mit Leidenschaft und aus Liebe zum Wein. Also nicht verwunderlich, dass er seinen Nachfolger Vincenzo Berényi bei dessen Übernahme vor acht Jahren die ersten Monate ganz genau beobachtete und unter seine Fittiche nahm, erinnert der sich noch heute gut.

GEMÜTLICH In den Kurpfalz-Weinstuben ist auch der Geist der Pfälzer Gemütlichkeit zu Hause. Foto: Kurpfalz-Weinstuben

Gelebte Pfälzer Geselligkeit

Ein Betrieb in der Größe der Kurpfalz-Weinstuben muss reibungslos funktionieren. „Man muss top organisiert sein. Es muss einfach alles laufen. Die Logistik. Die Küche. Der Service. Alle sollten an einem Strang ziehen“, meint Vincenzo Berényi und fügt hinzu: „Bei alldem muss natürlich auch die Qualität stimmen.“ Darauf legt der 53-Jährige großen Wert. Sein Küchenchef Robert Pucek ist seit Dezember 2022 Teil des Teams. Zuvor war er über Jahre die rechte Hand von Kolja Kleeberg. Der Fernsehkoch und Entertainer schaut übrigens selbst gerne mal als Gastkoch zu besonderen Events, wie dem unter Kollegen geschätzten Winzerdinner, in den Kurpfalz-Weinstuben vorbei. Alle paar Wochen kommen sonntags befreundete Winzer und Kollegen zusammen. Es wird erzählt, gut gegessen, getrunken; und es wird die Geselligkeit gelebt, die eine Pfälzer Weinstube so charmant und besonders macht.

EIN KENNER Mehr als 28.000 Flaschen Wein lagern im Keller von Sommelier Vincenzo Berényi. Foto: Kurpfalz-Weinstuben

Ein Keller voller Schätze

50 offene Weine bietet der Sommelier Berényi seinen Gästen an. Mehr als 28.000 Flaschen Wein lagern im Keller. Darunter auch einige Raritäten. Für den Berliner purer Genuss. Auch die Speisekarte kann sich sehen lassen. Zum Standardprogramm zählen Käseplatte, Winzerplatte, Flammkuchen, Pfälzer Saumagen, Leberknödel oder die in der Pfalz beliebte „Dreifaltigkeit“. Feinschmeckern bereiten die deutschen Weinbergschnecken oder das Sechs-Gang-Menü inklusive Lamm oder Kaninchenkeule Gaumenfreuden. Bei den Zutaten für die Gerichte ist es Vincenzo Berényi genauso wichtig wie beim Wein, dass er weiß, wo genau sie herkommen. So bezieht er den Käse von immer den gleichen Käsereien und den Wein von den Winzern, die er persönlich kennt. Großen Wert legt er auf den persönlichen Kontakt mit den Weingütern. 95 Prozent der angebotenen Weine bezieht er direkt. Einen Lieblingswein oder -gericht hat er selbst nicht: „Bei mir kommt es immer drauf an, worauf ich gerade Lust habe.“

Kurze Zeit Wahlpfälzer

Zweieinhalb Jahre lebte er mit seiner Frau und den beiden Töchtern selbst in der Südpfalz. Genauer gesagt in Albersweiler. Da hat er auch die besondere Lebensart der Pfälzer schätzen gelernt. „Das ist einfach ein anderes Gefühl, wie das Leben dort stattfindet“, schwärmt Berényi. Ein Stück davon gibt er nun in Berlin durch seine Weinstube weiter. Ein Drittel sei Stammkundschaft, aber auch viele internationale Gäste, die in die Kurpfalz Weinstuben kommen, schätzen den beliebten Treffpunkt.

Weinstube in Ostwestfalen

STAMMGÄSTE Die Weinstube in Detmold ist ein beliebter Anlaufpunkt. Stammgäste machen sogar jährlich gemeinsam Urlaub in der Pfalz. Foto: Andreas Müller

Zu einem beliebten Anlaufpunkt hat sich auch die Pfälzer Weinstube in Detmold entwickelt. Eine der wenigen Weinstuben in Ostwestfalen. Begrüßt wird man mit dem Motto „Alla Hopp“ bereits an der Tür. Für besonderen Charme sorgt das rund 300 Jahre alte und unter Denkmalschutz stehende Fachwerkhaus, in dem sich die Weinstube befindet. Der Innenraum bietet rund 40 Gästen Platz, der Außenbereich nochmals 100 Plätze.

Mit Stammgästen in die Pfalz

Als Inhaber Andreas Müller im Jahr 2000 zufällig das Angebot bekam, die Gastronomie zu übernehmen, musste er lange überlegen, erinnert sich der 62-Jährige. „Ich habe intensiv abgewogen, ob ich das wirklich machen soll. Das Risiko war groß, aber ich habe es nie bereut“, sagt der gebürtige Bad Oeynhausener heute mit Stolz. Zu Recht. Denn die Leidenschaft für seine Weinstube und die enge Bindung zu seinen Stammgästen beweisen es. Jahr für Jahr organisiert er sogar eine Busfahrt nach St. Martin in der Pfalz mit rund 50 Personen, zumeist Stammgästen. „Wir haben schon viel zusammen gesehen, wie das Hambacher Schloss, die Burg Trifels oder natürlich diverse Hütten“, schwärmt der gelernte Koch und Restaurantfachmann.

45 offene Pfälzer Weine

Für ihn selbst fühlt sich die Pfalz wie eine zweite Heimat an. Jedes Jahr fährt er mehrmals an die Weinstraße, um den Wein für sein Lokal selbst zu holen. „Ich habe zu den Winzern ein freundschaftliches Verhältnis, schätze die Vielfalt an Rebsorten und die Familien, die hinter den Betrieben stehen. Das finde ich einfach klasse.“ Seine Gäste können immer aus 45 offenen Pfälzer Weinen wählen. Auch seine fünf Brüder, die früher eher Biertrinker waren, hätten den Pfälzer Wein kennen und lieben gelernt. „Die mussten oft genug probieren“, sagt Müller lachend. Er schätzt aber nicht nur den Wein an der Pfalz: „Sich in der Weinstube bei wildfremden Menschen dazuzusetzen und dass dabei so wunderbare Gespräche entstehen können, finde ich großartig. Genau wie die Pfälzer Hausmannkost.“

Andreas Müller
ROUTINIER Andreas Müller führt die Pfälzer Weinstube in Detmold seit fast 25 Jahren. Foto: Andreas Müller

Beliebte Pfälzer Klassiker

Die Karte in der Pfälzer Weinstube in Detmold wechselt ungefähr alle fünf Wochen und bietet eine kleine, aber feine Auswahl frisch gekochter Gerichte. Im Herbst kommen Kastaniensaumagen und Sauerkraut besonders gut an. Der Saumagen stammt von der Metzgerei Hambel aus Wachenheim. Und was ist Andreas Müllers Lieblingsgericht? „Saumagen, nein Leberknödel, nein, Fleischknepp mit Meerrettich“, da kommt der Pfalzliebhaber glatt ins Straucheln und gesteht augenzwinkernd: „Mir gefällt einfach so vieles an der Pfälzer Küche.“ Sein Wunsch ist, die Weinstube noch zumindest bis er 70 Jahre alt ist, weiterzuleiten und dann irgendwann hoffentlich mal an einen Nachfolger übergeben zu können, der mit ebenso viel Freude und Herzblut für die vielen Stammgäste und Besucher da ist. „Wenn die Leute abends mit einem Lächeln gehen, ist das für mich das Schönste“, sagt Müller.

„Pälzer Stubb“ in Dresden

Zufriedene Gäste, die sich wohl fühlen und immer wieder gerne kommen, sind für Cornelia Herber großes Glück. Die 52-Jährige betreibt seit Oktober vergangenen Jahres eine Pfälzer Weinstube in Dresden. „Ich bin mit vollem Herzblut und einem super Team dabei, ohne das nichts gehen würde“, erzählt die studierte Instandhaltungstechnikerin. Doch auch wenn Cornelia Herber eigentlich etwas ganz anderes gelernt hat, hat sie seit ihrem 13. Lebensjahr eine Verbindung zur Gastronomie. Neben der Schule und dem Studium kellnerte sie immer wieder und führte schließlich jahrelang mit ihrem Lebenspartner Restaurants in Dresden. Als die Beziehung im Sommer 2022 privat und geschäftlich auseinanderging, suchte Cornelia Herber nach einer neuen Aufgabe und fand sie zufällig in der „Pälzer Stubb“: „Ich war als ganz normaler Gast zum ersten Mal dort und habe mich sofort verliebt“, schwärmt die gebürtige Leipzigerin.

ZUFALLSFUND Gastronomin Cornelia Herber war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und fand sie in der Pälzer Stubb in Dresden. Fotos: Mamas Pälzer Stubb

Das Erbe der Genussbotschafter

Dann erfährt sie, dass die Betreiber seit Längerem einen Nachfolger suchen, der die Weinstube genau mit dem Konzept weiterführt. „Es hat ein paar Gespräche und Grübeleien gebraucht, bis ich mich entschieden und wir uns geeinigt haben“, erinnert sich Cornelia Herber. Vorbesitzer Claus Fröhlin hatte die urige und rustikale Weinstube direkt an der Elbe 17 Jahre gemeinsam mit seiner Frau betrieben. Beide kommen gebürtig aus der Pfalz und sahen sich mit ihrer „Pälzer Stubb“ in Dresden als Genussbotschafter für Wein und Pfälzer Spezialitäten. Das sei ihnen auf jeden Fall gelungen, meint Herber.

Wie bei Mama daheim fühlen

In die Pfälzer Küche musste sich Cornelia Herber erstmal reinfuchsen, wie sie selbst sagt. Gerne steht sie daher auch mal selbst mit am Herd, um alles genau kennenzulernen. „Das finde ich immens wichtig.“ Auf der Speisekarte stehen viele verschiedene Arten von Flammkuchen, typische Spezialitäten wie Leberknödel, aber auch Rouladen oder Gulasch. Saisonal sind die Kürbiskarte oder die Gänsekarte der Renner. Ihr Lieblingsgericht ist schlicht: „Fleischkäs mit Bratkartoffeln kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit essen“, sagt Cornelia Herber lachend. Seit ihrer Übernahme heißt die Weinstube übrigens „Mamas Pälzer Stubb“. Eben weil sich die Gäste ein bisschen wie bei Mama daheim fühlen sollen. Darauf gebracht haben sie ihre beiden erwachsenen Töchter, die ihr immer mental und teilweise auch mal als Aushilfe zur Seite stehen. „Das ist einfach total stärkend und toll“, freut sich Herber. Ebenso dankbar ist sie, dass sie als neue Betreiberin so gut akzeptiert wird. „Wir haben neue und alte Stammkunden, sind schnell und gut angenommen worden.“ Für diese Chance ist sie sehr dankbar.

Cornelia Herber. Fotos: Mamas Pälzer Stubb (2)

Mission: Gäste verkuppeln

Für dieses Jahr hat sich Cornelia Herber vorgenommen, auf jeden Fall die Weinstraße entlang zu reisen und die Winzer persönlich kennenzulernen, deren Wein sie ausschenkt. „Dazu hatte ich bislang noch keine Gelegenheit, freue mich aber sehr darauf.“ Erstmal gilt es aber, den ersten Winter zu überstehen. „Das wird jetzt kurz nach der Übernahme hart. Aber mit Geduld klappt es bestimmt“, hofft die Gastronomin. Auf jeden Fall sprüht sie vor Ideen, was sie alles noch umsetzen möchte – unter anderem Weinproben, Möglichkeiten für Familienfeiern und ein Herzensanliegen: noch mehr Pfälzer Lebensart in die Weinstube bringen. „Ich könnte mir gut vorstellen, die Gäste quasi miteinander zu verkuppeln“, sagt Herber verschmitzt und meint: „Also mehr zu animieren, mal von Tisch zu Tisch zu gehen, sich dazuzusetzen, mit anderen ins Gespräch zu kommen.“ Dadurch würde sicher eine besonders harmonische Atmosphäre entstehen.

Pfälzer Gastlichkeit in München

Zum Schluss werfen wir einen Blick in den Süden: nach München. Dort öffnet seit 1950 die Pfälzer Residenz Weinstube Tag für Tag in den Gasträumen der ehemals kurfürstlich und königlich-bayerischen Residenz ihre Türen. Das Besondere: Dahinter steht der Landesverband der Pfälzer in Bayern, der die Weinstube mit ihren rund 500 Sitzplätzen unterhält. „Im Bewusstsein gemeinsamer bayerisch-pfälzischer Geschichte die Verbindung mit der Pfalz unter den in Bayern lebenden Pfälzern pflegen und fördern. So steht es wörtlich in der Vereinssatzung“, erklärt einer der drei Vorsitzenden und für die Gastronomie zuständige Ralf Georg Marthaler die Idee dahinter. „Wir verstehen uns als Botschafter der Pfalz in Bayern.“ Marthaler ist gebürtiger Pfälzer. Seine Familie lebt seit Generationen im Landkreis Germersheim. Der 59-Jährige kommt immer wieder gerne und regelmäßig zu Besuch. Vor mittlerweile 36 Jahren zog es ihn jedoch fürs Studium nach München und er ist geblieben.

FÜRSTLICH Die Pfälzer Residenz Weinstube öffnet seit 1950 ihre Türen für Gäste. Foto: Pfälzer Residenz Weinstube

Echtes Pfalzgefühl

Für ihn, der Jura und an der Filmhochschule studierte, ist die Pfälzer Residenz Weinstube mehr als nur ein Hobby. Marthaler sieht es als seine Lebensaufgabe, sie zu erhalten und zu pflegen: „Wenn Sie zu uns reinkommen, ist da dieser große Saal mit den vielen langen Tischen. Da sitzen wildfremde Menschen zusammen in gesellig-freundlicher Atmosphäre.“ Das sei echtes Pfalzgefühl. Jeder ist willkommen. Oft sind Studenten aus der Pfalz unter den Gästen, die sich zum Stammtisch treffen. Meist bleiben sie in München und kommen dann immer wieder. So ist ein großer Teil des Kundenstammes mit der Weinstube älter geworden. „Bleibt wie ihr seid, sagen sie zu uns“, berichtet Marthaler. „Und wir sind bewusst eine echte Weinstube geblieben“, fügt er stolz hinzu. Vor Kurzem habe die Süddeutsche Zeitung sie als „wunderbar altmodisch“ betitelt. Ein Kompliment für die Pfälzer Residenz Weinstube, findet Marthaler.

Nur Wein, kein Bier

Die Speisekarte umfasst viele Pfälzer Klassiker wie Saumagen, Bratwurst und Leberknödel. Die Produkte werden alle von Familienbetrieben aus der Pfalz bezogen. Hinzu kommen kleinere, zu einem Glas Wein passende Speisen – darunter auch ein einfaches Butterbrot. Eine variierende Tageskarte bietet immer mal neue Gerichte und je nach Jahreszeit runden saisonale Speisen wie Kürbiscremesuppe oder sonntags Wildgerichte das Angebot ab. „Wir versuchen, die komplette Pfalz kulinarisch wiederzugeben.“ Bei den Speisen wie beim Wein. In der Pfälzer Residenz Weinstube gibt es ausschließlich Weine und Spirituosen zu trinken. Kein Bier. Dem hätten sie sich immer verweigert, obwohl sie in der selbsternannten Bierstadt München seien.

EXIL-PFÄLZER: Ralf Georg Marthaler. Foto: Pfälzer Residenz Weinstube

Germknödel mit Kruste = Dampfnudel

Marthaler selbst liebt ein Glas trockenen Riesling, dazu eine Dampfnudel. Mehr braucht es nicht. Apropos Dampfnudel: Die gibt es jeden Freitag mit Kartoffelsuppe und Weinsoße in der Weinstube. Inzwischen mit Foto und Erklärung in der Speisekarte zu finden, da schon zahlreiche Dampfnudeln zurückgegeben wurden, weil Gäste davon ausgingen, sie seien versehentlich verbrannt. Anders als in der Pfalz kennen die Bayern die salzige Variante nämlich nicht. Hier wird die Dampfnudel beziehungsweise der Germknödel für gewöhnlich süß und ohne krosse Kruste zubereitet. „Dabei ist das doch das Beste“, findet Marthaler. Dank des Bildes, das nun verdeutlicht, wie eine Pfälzer Dampfnudel im Optimalfall aussieht, gibt es mittlerweile aber keine Irritationen mehr.

FESTLICH In der Pfälzer Residenz Weinstube finden bis zu 500 Gäste Platz. Serviert wird ausschließlich typisch Pfälzischen – und kein Bier. Foto: Pfälzer Residenz Weinstube (PWS)

Gemeinnützige Weinstube

„Im Großen und Ganzen akzeptiert jeder das Haus so wie es ist. Wir sind stolz auf die Tradition und bemühen uns, das Alte zu bewahren“, erklärt Marthaler. Außerdem stehe das Wohl der Mitarbeiter an oberster Stelle. Rund 30 Servicekräfte und 20 Küchenhelfer zählt das Team. Sorgen um die Zukunft machen sich Ralf Georg Marthaler und der Verein nicht. Denn es gebe immer wieder neue Mitglieder. Zudem strömen regelmäßig am Abend 200 bis 300 Leute nach der Staatsoper in die Weinstube. Dennoch betont der Wahlmünchener, dass er das Entgegenkommen des Bayerischen Finanzministeriums, das der Verpächter ist, sehr wertschätze und es nicht selbstverständlich sei, dass der Landesverband der Pfälzer in Bayern so lange schon „geduldet würde“. Die Gewinne der Weinstube gehen in eine Stiftung und unterstützen junge Pfälzer beim Studium oder einer Weiterbildung. „Wir machen das als ‚Amateure von Herzen‘ ehrenamtlich“, meint Ralf Georg Marthaler und fügt hinzu: „Die Weinstube ist meine Ehefrau. Manchmal eben auch eine Knochenmühle wie in der Partnerschaft auch. Wenn ich dann aber hier bin und die zufriedenen Leute sehe, die mich manchmal sogar warmherzig zum Dank in den Arm nehmen, ist alles wieder gut.“

kurpfalz-weinstuben.de (Berlin) | roemerundwein.de (Eckernförde) ) | pfaelzer-weinstube.de (Detmold) | mamas-paelzerstubb.de (Dresden) | pfaelzerweinstube.de (München)

Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Was wissen

Wie beeinflusst der Klimawandel den Winzeralltag?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, wie Winzerinnen und Winzer ihre Weinberge für heißere und trockenere Sommer fit machen, welche Rebsorten und Bewässerungsmethoden sie wählen.

Trauben von der Sonne beleuchtet
Foto: Pixabay

Als die Mostgewichte bei den Trauben jedes Jahr höher ausfielen, hatte man das vor einigen Jahrzehnten nicht gleich mit dem sich veränderten Klima in Verbindung gebracht. Aber Winzer erkannten bald, dass bisher geringwertig eingestufte Weinbergslagen durch die steigenden Temperaturen höhere Weinqualitäten hervorbrachten. Durch die zunehmend wärmeren Temperaturen treiben die Reben früher aus, was zu einer früheren Weinlese führt. Dies ermöglicht den Winzern, die Trauben länger reifen zu lassen und höhere Mostgewichte zu erzielen. Allerdings erhöht das auch das Risiko von Schäden durch Spätfröste im Mai und Wasserstress aufgrund warmer und trockener Sommer.

Neue Umweltbedingungen

Die Weingüter müssen sich daher auf die neuen Umweltbedingungen einstellen. Das beginnt mit der Auswahl der Rebsorten. Hier muss der Winzer überlegen, auf welchem Standort zum Beispiel die Neupflanzung von Rieslingrebstöcken, die eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahre haben, in Zukunft noch sinnvoll ist. Den Rieslingtrauben bekommt ein langer warmer Sommer nicht gut. Der Wein entwickelt tendenziell mehr Alkohol und weniger seine charakteristische Säure. Besonders bei trockenen Standorten wird versucht, spätreifende Sorten zu pflanzen und sie früher zu ernten. Bei Neuanlagen wird zudem häufig eine Tröpfchenbewässerung mit installiert, um bei Bedarf den Boden gezielt bewässern zu können.

Pilzkrankheiten als Herausforderung

Während der Pflanzenschutzsaison sind aufgrund unbeständiger Witterungen besonders Pilzkrankheiten eine Herausforderung. Peronospora (falscher Mehltau) und Oidium (echter Mehltau) können bei einem Befall der grünen Blätter und an jungen grünen Beeren zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen. Denn nur aus gesunden, ausgereiften Trauben kann ein guter Wein ausgebaut werden. Dazu müssen die Reben vorbeugend gegen den Pilzbefall geschützt werden. Gerade hier eigenen sich neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis), die mit wenigen Pflanzenschutzbehandlungen auskommen.

Intensive Sonderkultur

Weinbau war und ist eine intensiv zu bewirtschaftende Sonderkultur. Neben fachlicher Handarbeit ist ein hoher maschineller Einsatz für die Boden- und Laubarbeiten sowie das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln für die Erzeugung gesunder Trauben notwendig. Nicht nur Bio-Betriebe, sondern auch konventionell arbeitende Winzer wirtschaften mit Blick auf die Folgen des Klimawandels zunehmend umweltschonender und können mit einer Ökobilanz die Umweltbelastung ihres Weingutes genau ermitteln. Darin enthalten sind der Stromverbrauch für die Erzeugung je Liter Wein, der Dieselverbrauch, das Heizöl, der Wasserverbrauch und die Bodenbeanspruchung mit Maschinenstunden für die Bewirtschaftung je Hektar Rebfläche. Aus diesen verschiedenen Parametern lässt sich der CO₂-Ausstoß je Liter Wein berechnen.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Crémant-Papst der Pfalz

In der Pfalz sind die Pioniere des deutschen Crémants zuhause. Familie Winterling aus Niederkirchen stellte als allererstes Weingut in Deutschland Crémant her. Bis heute spielen diese Schaumweine in der Spitze der deutschen Sektszene mit.

Fotos: Wein- und Sektgut Winterling

Wir Deutschen lieben es prickelnd! Hochwertige Winzersekte, Sekt aus bestimmten Anbaugebieten (b. A.) und Crémants liegen immer höher im Kurs. Der ein oder andere wird sich nun fragen: Crémant ist doch Sekt aus Frankreich? Der Ursprung des Crémants liegt auch tatsächlich in der Champagne. Dort war Crémant ein Schaumwein mit geringerem Druck und sehr sanfter Perlage. Nachdem in den späten 1980er-Jahren das Verwenden des Begriffs Methode Champénoise nur noch in der Champagne zulässig war, nutzten andere französische Weinbaugebiete den Namen Crémant für Schaumweine aus traditioneller Flaschengärung. In den 1990er-Jahren wurde beschlossen, dass die Produktion von Crémant EU-weit zugelassen ist.

Handlese ist Pflicht

Qualitativ steht der Crémant an der Spitze der deutschen Sektproduktion. Die Herstellungsvorschriften sind strenger als bei Sekt b. A. und Winzersekten. In der Pfalz sind Crémants auf Burgunderrebsorten und Riesling begrenzt. Die Trauben müssen per Hand geerntet und als ganze Trauben gepresst werden – maximal 100 Liter aus 150 Kilogramm Trauben. Der Grundwein ist in traditioneller Flaschengärung zu versekten und muss mindestens neun Monate auf der Hefe ruhen. Geschmacklich darf ein Crémant nie süßer als brut (zwölf Gramm Restzucker) sein.

Winterlings erste Crémant-Hersteller

Familie Winterling hat bereits vor 40 Jahren nach dem Vorbild der Champagne ihre Sekte hergestellt. Sie erntet schon immer Trauben von Hand in kleinen Boxen, um zu garantieren, dass sie unbeschadet und als ganze Trauben den Weg auf die Kelter finden. Als 1997 die Zulassung für den Begriff Crémant in Deutschland erfolgte, konnten die Winterlings ihre Sekte direkt als solche vermarkten. Sie hatten ja schon vorher nach den „neuen“ Herstellungsvorschriften gearbeitet.

Pinto Rosé brut – einfach einschenken

Crémant kann viele Gesichter haben. Bei den Winterlings findet man fruchtige und unkomplizierte Klassiker, aber auch vielschichtige Réserve-Crémants. Die warme Jahreszeit begrüßen wir mit 2021er Pinot Rosé Brut. Die Jahrgangscuvée aus 100 Prozent Spätburgunder leuchtet zartrosa im Glas. Frische Beerenfrüchte dominieren das Aroma und werden von einem Hauch Grapefruit begleitet. Hier muss man nicht viel nachdenken, einfach einschenken und das fruchtige Prickeln gießen!.

Pinot Rosé brut | 0,75 Liter | 14,50 Euro | Sekt- und Weingut Winterling Niederkirchen | winterling-sekt.de

Die VielPfalz-Weinstöberei

Winzerin Inga Klohr. Foto: AdLumina/Ralf Ziegler

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Pfälzer Szenen von Karin Mihm

Än Aagebligg: Am Hambacher Schloss

Zum zweiten Mal wird dieses Jahr in Neustadt an der Weinstraße „Das Fest der Demokratie“ gefeiert. Der Zeitpunkt – um den 27. Mai – erinnert an den Jahrestag des Hambacher Festes im Jahr 1832. Das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie, hier illustriert von Karin Mihm, ist heute ein Pfälzer Touristen-Magnet.

Zeichnung von Karin Mihm Hambacher Schloss

Die Künstlerin

Foto: Privat

Karin Mihm, Jahrgang 1966, hat in Gießen und Marburg studiert. Einige Jahre lebte sie in Berlin, bevor es sie 2003 nach Düsseldorf zog, wo sie bis heute lebt. Ihr künstlerisches Werk reicht von Comics für Kinder und Erwachsene über politische Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen bis hin zur Malerei. Sie werden mit lockerem Tuschestrich und Aquarellfarben angefertigt. Karin Mihms Ziel: typische Orte zeichnen und dabei eine liebenswerte und humorvolle Perspektive einnehmen. In der Pfalz hat sie dazu eine große Auswahl.

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Pfälzer Perspektiven

Neues entdecken

Janina Huber musste feststellen, dass es selbst für sie als Pfälzerin durch und durch noch Vieles in der Genussregion zu erkunden gibt. Genau das hat sie jetzt vor, denn Entdeckungstouren sind eine Bereicherung für Leib und Seele.

ein Kompass liegt auf einer Landkarte
Foto: Pixabay

Mit welchem Genuss-Motto sind Sie ins neue Jahr gestartet? Ganz oben auf meiner Liste steht das Credo „Zeit für Neuentdeckungen“! Dass darin viele genussreiche Erlebnisse liegen, fiel mir gerade letztens auf. Ich bin zwar per Geburt begeisterte Pfälzerin und mit den vielen Vorzügen unserer Heimat gut vertraut. Und doch war ich kurz nach Neujahr mit einer Freundin im Süden der Pfalz unterwegs und wir stellten fest, dass wir hier zu viele Ecken noch nicht erkundet haben – beide kommen wir aus der Bad Dürkheimer Gegend und mussten uns eingestehen, dass wir in den vergangenen Jahren vor allem vor der eigenen Haustür unterwegs waren.

Mit Forschergeist voran

Wie schade, könnte man jetzt meinen, sich in der eigenen Heimat gar nicht überall auszukennen. Dabei finde ich das alles andere als schade: Was für eine wunderbare Erkenntnis, dass wir in einer Region leben dürfen, die uns auch nach Jahren noch neugierig macht. Die so viele schöne Orte, Landschaften und kulinarische Eindrücke bietet, dass wir ihr immer wieder mit Forschergeist begegnen können. Und wie gut, dass wir noch nicht alles gesehen haben und uns deshalb auf so viele kleine Erkundungen freuen dürfen.

Mit frischen Eindrücken kognitiv fit

In diesen Neuentdeckungen liegt dabei mehr als nur das äußerlich erkennbare, nette Erlebnis. Vielleicht kennen Sie dieses fast kindliche Gefühl der Freude und Leichtigkeit, wenn man einen Ort erkundet oder neue Geschmäcker kennenlernt. In dem Moment, in dem wir uns der Neugier des Entdeckens öffnen, bedankt sich auch unser Kopf bei uns. Mit frischen Eindrücken regen wir die Neuroplastizität unseres Gehirns an. Neue Verbindungen werden gebildet, wir lernen quasi im Vorbeigehen, bleiben anpassungsfähig und kognitiv fit.

Wo gehen Sie auf Entdeckungstour?

Umso mehr freue ich mich darauf, die Pfalz Stück für Stück weiter zu erkunden. Welche Geschichten verbergen sich hinter historischen Gebäuden? Welcher verwunschene Waldweg lässt uns noch tiefer in die Natur eintauchen? Wo können wir unseren Geschmackshorizont erweitern, sei es in einem spannenden Restaurant oder bei einem innovativen Weingut? Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass es wirklich Pfälzer gibt, die die Pfalz bis in den letzten Winkel erkundet haben. Aber wer ein größeres Jagdgebiet braucht, den darf dieses Entdecken natürlich auch über Rhein und Haardt hinausführen. Oder es kann daheim im Lesesessel stattfinden, wo ein Buch uns neue Dimensionen erschließen kann. Möglichkeiten gibt es viele – Hauptsache neuer Input! Also: Wo gehen Sie demnächst auf Entdeckungstour?

Janina Huber im Porträt

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

Noch mehr Pfälzer Perspektiven

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Das Grün der Zukunft

Vom Verbrauch zum Gebrauch

„Wintersaison“ im Pfälzerwald: Wenn die Blätter fallen, beginnt die Hauptzeit der Holzernte. Obwohl es dem Wald in Zeiten des Klimawandels immer schlechter geht, ist dies nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Parallel zum Fällen von Bäumen werden Konzepte entwickelt und Strategien verfolgt, wie das Grün der Zukunft zu mehr Widerstandskraft kommen kann. Eine Expedition ins Dreieck zwischen Wirtschaft, Erholung und Natur.

HOLZRÜCKEN Im Wald geerntete Bäume werden mit dem Forwarder an Transportwegen abgeladen. Holz wird immer „frei Waldstraße“ verkauft.Foto: Norman Krauß

Ein Tag im Dezember 2023. Leichter Dunst liegt nach langem Regen zwischen den Bäumen im Pfälzerwald bei Hinterweidenthal (Landkreis Südwestpfalz). Es riecht nach frischem Holz. Mit einem Greifarm werden Baumstämme nach und nach übereinandergeschichtet. Ein Holzpolter entsteht am Rand eines befahrbaren Waldweges. Mit dem sogenannten Forwarder, einem Tragschlepper, sind die Stämme zuvor aus dem Wald geholt worden. Der Vorgang wird als Holzrücken bezeichnet. Nun liegt das Holz zum Abholen bereit, denn verkauft wird es grundsätzlich „frei Waldstraße“. Bis zu diesem Punkt ist es allerdings in mehrfacher Hinsicht ein langer Weg: Zum einen, weil die Holzernte auf einer Vielzahl von Gesetzen und Regeln basiert, vom Betretungsrecht des Waldes bis zu Grundsätzen der Waldwirtschaft. Zum anderen, weil es schlicht Jahrzehnte dauert, bis Bäume groß genug gewachsen sind.

EMOTIONEN Arbeiten mit schwerem Gerät hinterlassen Spuren, die bei Waldbesuchern immer wieder auf Unverständnis stoßen. Foto: Norman Krauß

Emotionen im Wald

Holzernte geht deshalb immer auch mit Emotionen einher. Zum einen, weil natürlich das schwere Gerät Spuren hinterlässt. Wanderer oder Mountainbiker fühlen sich durch matschige Wege gestört. Zum anderen, weil Bäume, die unter dem Klimawandel immer mehr leiden, geschützt werden sollen. Über das Wie streiten jedoch selbst die Fachleute. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Fragen: Braucht es den Menschen, um den Wald zu retten? Oder soll man die immens schwierige Aufgabe der Natur überlassen? Unstrittig ist in beiden Lagern nur eines: Intakte Wälder sind überlebensnotwendig. Ohne natürliches Senken von Kohlendioxid (CO2) werde keine Klimaneutralität erreichbar sein, so der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Allein auf technischem Weg seien Emissionen nicht auf Null zu reduzieren.

SEHNSUCHTSORT Der Mensch braucht den Wald auch fürs Seelenheil und die Gesundheit. Foto: Landesforsten RLP.de/Markus Hoffmann

Exkurs in die Geschichte

Der Mensch lebte ursprünglich mit und im Wald. Dies hat sich über die Jahrtausende hinweg geändert. Nicht geändert hat sich die Tatsache, dass der Mensch ohne Wald nicht auskommt. Er braucht ihn von Geburt an zum Atmen. Er braucht ihn zum Bauen, zum Heizen oder als Rückzugsort zur Erholung, fürs Seelenheil und die Gesundheit. Wald diente über Jahrhunderte als eine Vorratskammer für Beeren, Pilze, Wildbret und – vor allem – Holz. Doch eine stetig wachsende Zahl an Menschen räumt diese Vorratskammer immer schneller aus. Bereits im Jahr 1713 forderte der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz in seinem Buch „Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ immer nur so viel Holz einzuschlagen, wie nachwächst. Heute gilt dies als Grundidee der Nachhaltigkeit. Zwei Jahrhunderte später erweiterte der Berliner Forstwissenschaftler Alfred Möller diesen Ansatz. Er machte sich 1920 für einen Wald ohne Kahlschlag stark. Möller nannte ihn „Dauerwald“. Dort, so sein Ansatz, sollen nur einzelne Bäume gefällt und so die Artenvielfalt gesichert werden. Seinem Vorschlag folgten damals allerdings nur wenige Waldbesitzer.

Katastrophen als Auslöser

Forstwissenschaftler Georg Josef Wilhelm. Foto: Privat

Ein Sprung zurück in die Gegenwart mit einem Rückblick: Gestern wie heute, der Mensch kümmert sich immer erst dann um Probleme, wenn sie schon akut sind. Dies war bei Carlowitz so, der auf Naturkatastrophen seiner Zeit und vor allem aber auf den Raubbau am Wald für den sächsischen Bergbau reagierte. Dies war bei Möller so, dessen Dauerwald-Gedanke erst mit dem Waldsterben der 1980er-Jahre wieder in den Fokus rückte. Und dies war 1990 so, als die Orkantiefs Vivian, Wiebke und Co. zwischen Januar und März für Schäden in Milliardenhöhe sorgten. Das Saarland und Rheinland-Pfalz waren besonders stark betroffen. „Damals sind Jahreszuwächse von 10 bis 15 Jahren flächig einfach umgefallen“, erinnert sich Georg Josef Wilhelm. Der Forstwissenschaftler, früherer Forstplaner und Forstamtsleiter, verantwortete zuletzt ab 2015 als Ministerialrat im Klimaschutzministerium die Bereiche Naturnahe Waldwirtschaft, Waldschutz, Waldplanung, Forschung und Entwicklung. Seit Juni 2023 ist er im Ruhestand. In der Folge der Orkane, so Wilhelm heute, sei es zu einem „Paradigmenwechsel“ in der rheinland-pfälzischen Forstwirtschaft gekommen.

WINDWURF Orkane sorgten auch für einen „Paradigmenwechsel“ in der Forstwirtschaft. Foto: Landesforsten RLP.de/Sebastian Heinrich

Qualifizieren – Dimensionieren

„Wald ist eine Lebensgemeinschaft, die durch Bäume geprägt ist. Hier wirkt alles zusammen. Das meiste spielt sich dabei im Boden ab“, erklärt Wilhelm die Handlungsgrundlage der Forstleute. Für ihn bedeutet Klimawandel vor allem auch Artensterben, was zum Zerreißen von Lebensnetzen führe. „Es geht also darum, Lebenssysteme so wenig wie möglich zu stören“, ergänzt er. Vor diesem Hintergrund hat Wilhelm maßgeblich die naturnahe Waldbewirtschaftungsstrategie „Qualifizieren – Dimensionieren (QD)“ entwickelt, die sich an den charakteristischen Phasen orientiert, die Bäume durchlaufen (siehe auch Infografik oben). QD spielt nun seit bald 30 Jahren in den rheinland-pfälzischen Wäldern eine wichtige Rolle. „Wald ist keine Baustelle“, stellt Wilhelm fest und erinnert gerne an einen seiner Vorgänger, den Ministerialrat Dr. Walter Eder (Kirchheimbolanden). Es gehe also nicht um Waldbau, sondern um Waldentwicklung und eine naturnahe Waldwirtschaftsstrategie. Wilhelm betont: „Dies ist eine Daueraufgabe. Sie ist noch nicht in allen Köpfen verankert. Wir alle sind auf einem Weg.“

In Ökosysteme einfühlen

Kurz und knapp lässt sich Wilhelms Vision von Waldwirtschaft mit „vom Verbrauch zum Gebrauch“ beschreiben. Diese Haltung kommt auch in seinem Lebensprinzip „weder geizig – noch gierig“ zum Ausdruck. „Wir denken nicht mehr darüber nach, dass wir unsere Lebensweise auf schieren Verbrauch ausrichten“, kritisiert er. Diese Verbrauchskultur bezeichnet Wilhelm als Webfehler. Die große Herausforderung sei es, aus dem Wald zu schöpfen, ohne ihn zu erschöpfen. „Man kann Ökosysteme nicht beherrschen oder gar verbessern, sondern man muss sich so gut wie möglich einfügen“, ist Wilhelm überzeugt, dass Nutzen für den Menschen daraus gezogen werden kann, wenn sich dieser „integriert oder reintegriert“. In Rheinland-Pfalz gibt es zum Beispiel keine flächenweise Durchforstung mehr. „Die seit langem überwundene Kahlschlagwirtschaft war für mich der größte Horror“, fügt Wilhelm hinzu.

KLUMPENPFLANZUNG Unter Fichten soll Buchenvoranbau die Basis für einen klimastabilen Wald der Zukunft bilden. Foto: Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber

Den Klumpen im Blick

Für einen Generationenwechsel in Wäldern und zur Wiederbewaldung von Freiflächen ist die Verjüngung entscheidend. Sämlinge, Wurzelschösslinge oder Stockausschläge von Bäumen, die sich oft spontan einstellen, konkurrieren immer mit anderen Pflanzen. Auch bei Pflanzenfressern wie Rehen sind sie als Leckerbissen begehrt. Waldwirtschaftlich gelten Bäume erst als etabliert, wenn sie sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben. Mit QD werden dabei gezielt Teilflächen, sogenannte Klumpen, in den Fokus genommen, um eine starke neue Waldgeneration heranwachsen zu lassen (siehe Infografik links). Zwischen diesen Klumpen, die meist weniger als zehn Prozent der Fläche einnehmen, ist viel Platz für die eigendynamische Entwicklung. Diese ist ohnehin ganz stark auf Waldentwicklung gerichtet. Später wählt man besonders vitale „Zukunfts- oder Auslesebäume“ aus, die nochmal 50 oder sogar 200 Jahre später bei der Ernte mit geraden, astfreien Stämmen besonders wertvolles Holz liefern. Wenn der höchste Mehrwert im Holzkörper erreicht ist, würde nach herkömmlicher Wirtschaftsweise bereits mit der Holzernte der Nutzungszyklus geschlossen. In der naturnahen Waldwirtschaft verbleiben jedoch ausreichend Bäume für den kompletten Naturzyklus im Wald. Sie „reifen“ weiter und mit der Zeit beginnt der Zerfall. So bleiben waldökologische Regelkreise und die Lebensgrundlage für eine Vielzahl von Arten erhalten. Forstexperte Wilhelm ordnet ein: „Es geht darum, Extreme zu vermeiden. Wald ist komplex, aber nicht kompliziert.“ Für ihn ist QD „keine Strategie für die Ewigkeit, sondern ein in sich lernendes System, das Gestaltungsfreiheit zulässt“.

Wald ist nicht gleich Wald

Diese ist auch erforderlich, denn Wald ist nicht gleich Wald. Schon gar nicht in einem Bundesland wie Rheinland-Pfalz, dessen Fläche mit rund 840.000 Hektar zu 42 Prozent mit Wald bedeckt ist. Er befindet sich zu etwa 46 Prozent im Eigentum von Städten, Gemeinden und anderen Körperschaften. Privatleuten gehören 27 Prozent, dem Land Rheinland-Pfalz 26 Prozent und der Bundesrepublik ein Prozent. Angesichts der großen Gesamtfläche wird hier besonders augenfällig, was der Klimawandel bewirkt: Nur noch 19 Prozent aller Bäume in Rheinland-Pfalz sind ohne Schadmerkmale. Betroffen ist natürlich auch der Pfälzerwald, der jedoch noch davon profitiert, dass er überwiegend aus resistenterem Mischwald besteht. Wegen seiner unvergleichlich hohen Bewaldungsdichte gilt er als größtes zusammenhängendes Waldgebiet Deutschlands. Das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen erstreckt sich auf deutscher Seite über eine Fläche von 180.000 Hektar. Rund 75 Prozent davon sind bewaldet. Auch innerhalb dieser Region gibt es große Unterschiede.

Kernzonen als Besonderheit

Beispiel 1: das Forstamt Hinterweidenthal. Wie alle Forstämter ist es zum einen Informationsstelle für Fragen zu Themen des Waldes von Brennholz über die Jagd oder Freizeitangebote bis zur Umweltbildung. Zu den Aufgaben zählen die Waldpflege oder die Betreuung von Wegen und Erholungseinrichtungen. In Hinterweidenthal, das Team umfasst rund 50 Köpfe, ist man zuständig für 16.000 Hektar Fläche, von denen rund 10.000 Hektar Staatswald, 3500 Hektar Privatwald und 2500 Hektar kommunaler Wald sind. Organisiert ist man als Gemeinschaftsforstamt mit Revierdienst für den Kommunal- und Staatswald, den sich fünf staatliche Förster teilen. Zwei arbeiten in Mischrevieren, drei betreuen ausschließlich Staatswald. Dazu kommen ein kommunaler Forstbeamter und ein Privatwaldbetreuer. Sie beraten die Eigentümer und wirken bei der Bewirtschaftung mit. „Zu uns gehört mit insgesamt 2400 Hektar die größte Kernzonenfläche im Pfälzerwald“, nennt Forstamtsleiter Michael Grünfelder eine Besonderheit. In den Kernzonen des Biosphärenreservats bleibt sich die Natur selbst überlassen, sodass besondere Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstehen. Sie machen im gesamten Pfälzerwald rund drei Prozent der Fläche aus. Eingebettet sind sie in Pflegezonen, die schädliche Einflüsse auf die Kernzonen abschirmen sollen.

Thema „Pfälzerwald“ in der VielPfalz

Von der Fläche zum Einzelbaum

Eine Hauptaufgabe ist auch die Organisation von Holzeinschlag und Holzvermarktung. In Hinterweidenthal, so Forstamtsleiter Grünfelder, werden jährlich etwa 35.000 Festmeter Holz aus dem Staatswald verkauft. Hinzu kommen weitere rund 15.000 Festmeter aus dem Gemeinde- und Privatwald. Aus kartellrechtlichen Gründen ist die Vermarktung über jeweils eigene Verkaufsorganisationen geregelt. Das Forstamt Hinterweidenthal ist zudem, zusammen mit den Forstämtern Wasgau (Dahn) und Westrich (Pirmasens), für die Ausbildung von Waldarbeitern (Forstwirten) zuständig. Grünfelder, Jahrgang 1958 und seit 2000 im Amt, unterteilt seinen Bereich grob in zwei Teile: „Die Bundesstraße 10 ist quasi die Grenze. Nördlich, im inneren Pfälzerwald, haben wir klassischen Laubwald, südlich mit Kiefern einen höheren Nadelholzanteil.“ Gute Standortbedingungen in den Hochlagen des Pfälzerwaldes heben laut Grünfelder die Konkurrenzkraft der Traubeneiche und führen sie, neben der Buche, in eine mitherrschende Rolle. „Bis 1990 gab es in unserem Gebiet noch Kahlschläge“, berichtet Grünfelder. Heute orientiere man sich auf der Basis der QD-Strategie nicht mehr an der Fläche, sondern am Einzelbaum. Genutzt werde nur so viel, wie nachwachse. Dabei ist die Zahl der geernteten Bäume insgesamt zurückgenommen worden. „Es gibt aber keinen Masterplan, denn alles ist ein dynamischer Prozess“, betont der Forstamtsleiter.

Inventur und Planung

Basis für die Waldbewirtschaftung ist die sogenannte Forsteinrichtung. Sie umfasst zum einen die Wald-inventur, die den Waldzustand mit Standorten, Fläche oder Baumzahl detailliert dokumentiert. Zum anderen kommen die Kontrolle der bisherigen Maßnahmen und die Planung hinzu. „Der Schutz von Boden, Luft, Wasser, aber auch die verfügbare Arbeitskraft setzen klare Grenzen“, erklärt Grünfelder. Die Revierleiter müssten sie erkennen und berücksichtigen. Für die Holzernte gibt es eine Zehnjahresplanung, die durch eine jährliche Wirtschaftsplanung konkretisiert wird. Die Fläche wird nach Waldorten strukturiert. Zu klären sind dabei Fragen wie: Welche Menge Holz wird benötigt? Welche Maschinen sind dafür notwendig? Welche Konflikte könnte es geben? Der Bereich technische Produktion erstellt auf dieser Basis einen Umsetzungsplan. Parallel erfolgt, in Abhängigkeit von den Kosten, eine nationale oder europaweite Ausschreibung der Waldarbeiten. „Nur ein bewirtschafteter Wald bringt die volle Wirkung“, betont Grünfelder, weil Kohlendioxid (CO2) dann im Wald und in Holzprodukten gleichzeitig gespeichert werde. Das an anderer Stelle wichtige Totholz dagegen gebe CO2 ab.

Forstamtsleiter Johanniskreuz: Niklas Tappmeyer. Foto: Michael Dostal

Planung mit Detailschärfe

Beispiel 2: das Forstamt Johanniskreuz. Gut 30 Kilometer weiter nördlich liegt es im Herzen des Pfälzerwaldes. Der Zuständigkeitsbereich umfasst 23.000 Hektar. Auch hier hat der Staatswald mit 17.000 Hektar, gefolgt von 4000 Hektar kommunalem und 2000 Hektar privatem Wald, den größten Anteil. Niklas Tappmeyer, seit September 2022 Leiter des Forstamtes, erklärt die Struktur. Die Gesamtfläche unterteilt sich in Reviere, Distrikte, Abteilungen und Waldorte. Von Bereich zu Bereich wird die Größe dabei von zunächst rund 2000 Hektar bis am Ende auf fünf bis 15 Hektar kleiner. Auch hier ist die Forsteinrichtung Basis der Arbeit. „Für unsere Fläche umfasst das Zahlenwerk mehr als 6000 DIN A4-Seiten. Die Baumartenliste zeigt nicht nur den Mengenanteil, sondern auch das Alter“, beschreibt Tappmeyer Größenordnung und Detailschärfe des Planungsinstruments. Rund drei Viertel betreffen die zukünftige Waldentwicklung, das restliche Viertel beschreibt betriebswirtschaftliche Ziele. „Die Herausforderung ist die Frage, was wir in 200 bis 300 Jahren brauchen“, erklärt Tappmeyer.

WERTHOLZ Auf dem Lagerplatz bei Johanniskreuz liegen etwa 300 Jahre alte Eichen bereit, für die Kaufinteressenten Gebote abgeben. Foto: Michael Dostal

„Brautschau“ im Wald

Warum dies so ist, wird auf dem Lagerplatz in Johanniskreuz deutlich. Mitte Dezember beginnt hier die „Brautschau“. In Reih und Glied liegen mächtige Eichenstämme neben- und hintereinander. Insgesamt rund 450 Festmeter mit einem Wert von etwa 700.000 Euro. Alle sind etwa 300 Jahre alt. Alle sind von Anfang Oktober an aus dem Wald „geholt“ worden. Bis Ende Januar konnten Interessierte ihre Gebote abgeben, um das Holz zu erwerben. Bei den Traubeneichen, die trockenere Standorte lieben, handelt sich um Wertholz im Wortsinn. Der Buntsandstein-Untergrund sorgt für ein langsames, stetiges Wachstum und damit für ein mildes Holzbild oder einen geraden Faserverlauf. Das eine ist für Furnierholz wichtig, das andere schätzen Fassbauer. Tappmeyer: „Die Eiche ist mit Preisen zwischen 1000 und 4000 Euro pro Festmeter das wertvollste Holz.“ Glücklicherweise komme sie mit Trockenstress gut zurecht, sodass man auch künftig mit auf die Eiche setzen könne. Seinen Antrieb für die Arbeit beschreibt Tappmeyer, Jahrgang 1992, so: „Demut vor dem, was meine 15 Vorgänger hinterlassen haben. Und die Überzeugung, dass es nichts Besseres für den Klimaschutz gibt als den Rohstoff Holz.“ Für dieses Ziel arbeite er mit Menschen, die mit dem Wald arbeiten.

Forstamtsleiterin in Kusel: Gabi Kleinhempel. Foto: Marco Sergi

Von Leitlinien überzeugen

Beispiel 3: Rund 35 Kilometer weiter nordwestlich liegt das Forstamt Kusel. Hier ist man für insgesamt 16.500 Hektar Waldfläche zuständig, die sich jedoch ganz anders aufteilt. Den kleinsten Anteil hat nämlich mit 3500 Hektar der Staatswald, dafür umfassen Privatwald 5000 Hektar und Kommunalwald sogar 8000 Hektar. Er gehört insgesamt 94 gemeindlichen Waldbesitzern im Landkreis Kusel. Um Synergieeffekte erzielen zu können, sind vor kurzem von 39 Gemeinden zwei Forstzweckverbände gegründet worden. Die anderen Kommunen haben über einen solchen Schritt noch nicht nachgedacht oder haben sich dagegen entschieden. Noch kleinteiliger ist der Privatwald mit etwa 20.000 Eigentümern, was teilweise zu Waldflächen in Gartengrundstückgröße führt. Deren Besitzer werden vom Forstamt Kusel, das deshalb eigens über ein Revier für Privatwald verfügt, beraten und betreut. Dies gilt auch für jede Kommune, die jeweils einen eigenen Betrieb darstellt oder Mitglied eines Zweckverbands ist. „Die Zeit des Erklärens beginnt für uns deshalb oft neu“, beschreibt Gabi Kleinhempel, die das Forstamt Kusel seit 2017 leitet, die Arbeit. Hintergrund: Alle fünf Jahre nach den Kommunalwahlen gibt es vielerorts neue Ortsbürgermeister und andere Zusammensetzungen der Gemeinderäte. „Wir müssen also immer wieder Menschen von unseren Leitlinien neu überzeugen“, ergänzt die 1963 geborene Leiterin. Es sei ja zu klären, was die Gemeinde in ihrem Wald mit Blick auf Erholung, ökologische Schutzfunktion und wirtschaftliche Nutzung erreichen wolle. „Die Kernthemen in der Zusammenarbeit sind immer die Rückschau, der Ist-Zustand als eine Art Inventur und die Vorausschau“, ergänzt Werner Häußer, seit 1987 Leiter des Reviers Lichtenberg. Er hat in der Verbandsgemeinde Kusel-Altenglan mit 18 Gemeinden zu tun.

Große Vielfalt an Baumarten

„Wir haben den Goldstandard“, freut sich Kleinhempel. Die Forstamtsleiterin spielt damit auf insgesamt 42 Baumarten und einen Nadelbaumanteil unter zehn Prozent in ihrem Zuständigkeitsbereich an. Mit Blick auf die Anforderungen an den Wald durch den Klimawandel sei dies eine gute Ausgangsposition. Die Gemeinden nehmen auch mit Hilfe des Forstamts am Förderprogramm der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) teil, in dem es um klimaangepasstes Waldmanagement geht. Dabei werden bei der Erfüllung vielfältiger Bewirtschaftungsauflagen unter anderem fünf Prozent der Gesamtfläche für 20 Jahre aus der Nutzung genommen. Nicht zuletzt beteiligt sich das Forstamt Kusel als Zentrum für Gen-Erhaltungsmaßnahmen der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz (FAWF) mit Sitz in Trippstadt an der Nachzucht von Pflanzen. Auf knapp 70 Hektar Fläche sind sogenannte Erhaltungs-Samenplantagen für mehr als 20 seltene und gefährdete Baumarten angelegt. Weitere Versuchsflächen dienen der Herkunftsforschung. Dabei geht es unter anderem darum, Daten zu erheben, die die Anbaufähigkeit und die Abstammung mit Blick auf den Klimawandel vergleichbar machen.

LECKERBISSEN Wildbestände bestimmen die Zukunft von Wäldern entscheidend mit. Wildmanagement ist deshalb ein wichtiger Baustein. Foto: Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber

Vorausdenken ist angesagt

Ziel der Arbeit: den Wald für die nächsten 150, 200 und 300 Jahre möglichst fit zu halten. „Forstleute müssen deshalb immer zwei, drei Schritte weiterdenken. Wir haben keine Glaskugel, aber verschiedene Schattierungen sehen wir schon“, erklärt Forstamtsleiterin Kleinhempel. Waldverwaltung sei immer in Bewegung, wie der Wald auch, ergänzt der 1962 geborene Revierleiter Häußer. Der Umgang mit Wald sei ja zudem keine neue Erfindung, sondern mindestens 2500 Jahre alt. Heute setze man in den Flächen auf Naturverjüngung und seit 2005 auf die QD-Strategie. Neu hinzu kämen stellenweise Ergänzungsbaumarten wie beispielsweise Baumhasel und Edelkastanie. In der Planung gehe man bei den laubholzgeprägten Waldbeständen pro Hektar von einem Zuwachs von vier und einer Entnahme von drei Festmetern aus. Ein Problem mit Blick auf die Waldentwicklung seien zu hohe Wildbestände, so Kleinhempel. So gebe es im Oberen Glantal mehrere Muffelwild-Rudel mit bis zu 150 Tieren sowie viel Damwild. „Die Wildbestände bestimmen die Zukunft entscheidend mit, deshalb ist ein Wildmanagement zwingend erforderlich“, betont die Forstamtsleiterin.

ZUKUNFTSBAUM An dieser Stelle signalisiert eine blaue Markierung, dass hier ein Baum wächst, der viele Jahre später besonders wertvolles Holz liefern soll. Foto: Landesforsten RLP.de/Jonathan Fieber

Ökologie und Holz als Ziel

Werner Häußer. Foto: Michael Dostal

Überall im Wald, dies zeigen die drei Beispiele, wird an dessen Zukunft gearbeitet. „Der Mensch nimmt sich zurück und schaut mehr auf das, was die Bäume machen“, beschreibt Bernhard Frauenberger die Grundphilosophie für alle. Als Referent im Mainzer Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität hat er seit 2023 – zuvor leitete er das Forstamt Soonwald im Hunsrück – eine Doppelfunktion. Der 1979 geborene Forstwissenschaftler verantwortet sowohl betriebliche Strategien von Landesforsten und berät als Teil der Forstabteilung im Ministerium politische Entscheidungsträger. Als „aktives Nichtstun, bei dem beobachtet und punktwirksam reagiert wird“ bezeichnet er den Kern der Zukunftsstrategie im Wald. „Festmeter sind ein Wert, aber nicht der alleinige“, betont Frauenberger und fordert, nicht gegen die Natur, sondern mit ihr zu arbeiten. Die Diskussion über das Wie müsse man auch im Rückblick fair führen. „Es war nicht alles schlecht, sondern alles muss aus der Sicht der jeweiligen Zeit betrachtet werden“, ergänzt Frauenberger. Wenn heute die einen den Wald alles selbst regeln lassen wollen und andere das Steuern durch den Menschen einfordern, so ist für Frauenberger die QD-Strategie die Antwort an beide Lager. „Wir müssen hier Brückenbauer sein“, macht er sich dafür stark, auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einzubinden. Die Devise müsse lauten: „Probleme benennen, dann an Lösungen arbeiten.“ Dabei rücken die Ökosystemdienstleistungen des Waldes immer mehr in den Mittelpunkt. Ein weiteres Ziel bleibt daneben die Holzgewinnung.

Bernhard Frauenberger. Foto: Landesforsten RLP.de

Im Gegenstrom-Prinzip

Ganz gleich, ob in Hinterweidenthal, Johanniskreuz, Kusel oder anderswo in er Pfalz, der Verkauf von Holz – auch auf dem Wertholzlagerplatz – wird zentral gesteuert. Für den gesamten Staatswald in Rheinland-Pfalz ist die Zentralstelle der Forstverwaltung (ZdF) mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße zuständig. Wenn es um Holz aus Gemeindewäldern geht, ist es die Kommunale Holzvermarktung Pfalz GmbH in Maikammer. Ähnlich wie im Wald selbst, sind auch beim Verkauf die Abläufe komplex. „Wir arbeiten in einer Art Gegenstrom-Prinzip“, erklärt Klaus Dunkel, seit 2019 Abteilungsleiter Produktion und Vertrieb bei der ZdF. Der Verkauf müsse sich einerseits an der Nachfrage orientieren, die sich zum Beispiel nach dem Umfang der Bautätigkeit richte. Andererseits hänge er von der Holzproduktion ab, die auf der Waldentwicklung basiert. Beide Seiten erfordern langfristige Prognosen. Hinzu komme, dass Kalamitäten wie Stürme oder Borkenkäferbefall Planungen durchkreuzen. So sind ein kontinuierlicher Holzbedarf auf der einen Seite und eine Holzerzeugung, die durch Wetter und Klima beeinflusst wird, auf der anderen Seite in Einklang zu bringen.

PRÄZISION Waldarbeiter (Forstwirte) haben beim Fällen von Bäumen eine diffizile Arbeit zu erledigen, die noch dazu gefährlich ist. Maschinen, sogenannte Holzvollernter, sind im Wald nur begrenzt einsetzbar. Fotos: Norman Krauß

Klaus Dunkel. Foto: Privat

Der lange Weg zum Holz

Rund eine Million Festmeter Holz aus dem Staatswald in Rheinland-Pfalz werden pro Jahr verkauft. Sie bringen alle zusammen zwischen 50 und 70 Millionen Euro für den Landeshaushalt. Die Preisspanne pro Festmeter reicht dabei von rund 50 Euro bis zu 1.000 Euro für beste Eichenstammhölzer. An der Spitze stehen Werthölzer für Furniere, Fässer oder Musikinstrumente. Danach folgt die Kategorie Sägeholz für Möbel, Fußböden, Dachstühle oder den Bau von Holzhäusern. Eine Stufe darunter wird Verpackungsholz einsortiert, das zum Beispiel für Holzpaletten benötigt wird. Und am Ende stehen Industrieholz für die Herstellung von Papier, Zellstoff oder Spanplatten sowie Brennholz. Letzteres wird übrigens von den Forstämtern an private Abnehmer auch direkt abgegeben. „Für alle Holzarten gilt grundsätzlich, verkauft wird nur, was die Forstämter anbieten“, betont Dunkel. Die Einschlagplanung liefert dafür das Mengengerüst. Seitens der ZdF erhalten die Forstämter Hinweise zur Planung, etwa welches Holz wohl im nächsten Jahr mehr oder weniger benötigt wird. „Im Wald gibt es mit Blick auf Holzarten glücklicherweise eine gewisse Dehnbarkeit“, erklärt Dunkel. Am Ende unserer Exkursion ins Dreieck zwischen Wirtschaft, Erholung und Natur ist also klar: Es ist nicht nur ein langer Weg bis zum Holzpolter in Hinterweidenthal, sondern auch zum Wald der Zukunft.

www.wald-rlp.de | klimawandel-rlp.de | fawf.wald.rlp.de
nachhaltigkeit-pfalz.de | waldwissen.net | koho-pfalz-gmbh.de | bmel.de | fnr.de | holz-von-hier.eu | charta-fuer-holz.de

„Naturnahe Waldwirtschaft mit der QD-Strategie“
Georg Josef Wilhelm/Helmut Rieger, Eugen Ulmer KG
ISBN 978-3-8186-0354-0, 224 Seiten, 29,90 Euro

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Veranstaltungs­tipps

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Foto-Tour im Pfälzerwald

Den Winterwald perfekt inszenieren

Der Pfälzerwald ist zu jeder Jahreszeit fotogen. Im Winter bietet er jedoch aufgrund des besonderen Lichts und der Natur einzigartige Motive. Lassen Sie sich von unseren Bildideen inspirieren und erfahren Sie, mit welchen Tricks besonders schöne Fotos vom Winterausflug gelingen.

FROSCHPERSPEKTIVE Mit dem Handy ist es viel einfacher als mit anderen Kameras, vom Boden aus zu fotografieren. Wagen Sie mal den Perspektivwechsel, wie im Foto von Matthias Schulz.

Der Winter ist die Jahreszeit der unzähligen Fotomotive. Glücklicherweise benötigt man dafür keinen Schnee, zumal der in der Pfalz nur ein paar Stunden liegen bleibt, wenn überhaupt. Eine teure Fotoausrüstung ist nicht notwendig, denn die beste Kamera ist die, die man dabeihat. Das Smartphone reicht für gute Bilder völlig aus und ist auch in der Wandergruppe kompatibler. Wenn der Profi seine Fotoausrüstung erst auspackt, hat das Handy schon wieder drei Bilder mehr in der Jackentasche. Aber: Knipsen Sie einfach drauf los oder fotografieren Sie bewusst?

In drei Sekunden zum besseren Bild

Der einfachste und wirksamste Trick zu besseren Fotos: Stellen Sie in der Handy-Kamera einen 3-Sekunden-Selbstauslöser ein und fotografieren Sie ab jetzt nur noch so. Sie schauen länger auf das Display und beschäftigen sich mit dem Motiv. Probieren Sie es aus! Sie sehen plötzlich das Bild als Fotograf und werden oft in den drei Sekunden den Bildausschnitt ändern. Und zwar am besten so:

eine verwitterte Bank im Pfälzerwald
RAUS AUS DER MITTE Die verwitterte Bank sieht interessant aus, weil sie aus der Mitte verschoben aufgenommen wurde. Das Motiv hat Jürgen Rink fotografiert.
Farne, Gräser und ein Pfad im Pfälzerwald, Nadelbaum im Vordergrund
FARBKONTRASTE Farne und Gräser sind im Winter oft hell statt grün und bieten reizvolle Kontraste. In diesem Bild von Jürgen Rink dient der Nadelbaum im Vordergrund zudem als Bildrahmen.

Eine Bitte noch zu diesen fünf Basistipps für die nächste Winterwanderung: Nehmen Sie zwei bis drei der Tipps in Gedanken mit und wenden Sie sie zusammen mit dem 3-Sekunden-Trick an. Die Qualität der Fotos wird damit aus der Masse herausstechen. Nach und nach nehmen Sie dann weitere Tipps in Ihr Repertoire auf.

Porträt von Jürgen Rink

Jürgen Rink…

… war viele Jahre Chefredakteur der Fotozeitschrift c’t Fotografie, die er auch gegründet hat, und ist Mitglied der deutschen Gesellschaft für Photograpie (dGPh). Er juriert Fotowettbewerbe und gibt Kurse und Vorträge, derzeit eher zum Thema KI statt Fotografie. In der Pfalz großgeworden und in die weite Welt gereist, wohnt Jürgen Rink seit Kurzem wieder in seiner alten Heimat Neustadt an der Weinstraße.

Winterwald-Eigenheiten

Im Winter wirkt der Pfälzerwald auf den ersten Blick trist und farblos. Der Himmel erscheint grau. Dennoch lohnt es sich, das Handy zu zücken, denn nur in dieser Jahreszeit zeigen sich die Astverzweigungen der Bäume. Baumporträts, die skurrile Stämme und Äste zeigen, wirken sehr gut vor einem hellen, nebligen Hintergrund, wie es ihn oft im Winter gibt. Das diffuse Licht bewölkter Tage leuchtet den Wald hervorragend aus. Regen hat einen ähnlichen Hintergrundeffekt wie Nebel: Der Baum kommt auch damit sehr gut zur Geltung.

Schwarz-weiß-Aufnahme einer Baumgruppe neben Weideflächen
WENIGER IST MEHR Die Baumgruppe mit den Holzpfosten wirkt, weil nicht allzu viele davon auf dem Bild sind. In der Wintersonne mit harten Schatten sieht Schwarzweiß sehr gut aus. Ein Motiv von Matthias Schulz.

Nutzen Sie die Sonne

Wenn sich dann mal die tiefstehende Sonne in der kalten Jahreszeit zeigt, leuchtet der Wald in harten Kontrasten. Übrigens: Während Fotografen im Sommer mittags Pause machen, weil die Sonne zu steil scheint, hat die tiefe Wintersonne den Vorteil, dass Sie den ganzen Tag über schöne Fotos machen können. Die Baumgruppe im Gegenlicht, wenn einer der Bäume die Sonne verdeckt, wirkt zum Beispiel immer. Nutzen Sie die Sonne nicht nur als Beleuchtung, sondern auch als Fotomotiv. Wenn das Bild auf dem Display über- oder unterbelichtet ist, ändern Sie einfach die Helligkeit – das geht beim Handy sehr einfach.

Weniger statt mehr Objekte

An den starken Kontrasten und Schlagschatten durch die Wintersonne kann man sich kaum sattsehen. Doch wirkt ein solches Foto oft nicht, weil zu viele Licht- und Schattenbereiche im Bild sind. Beschränken Sie sich daher auf wenige Objekte. Im Sonnenlicht ist ein Baum, Strauch, Felsen oder auch eine Bank der Schwerpunkt, den das Bild braucht.

Kahle Laubbäume im Gegenlicht der Wintersonne
SCHLAGSCHATTEN Wenn dann mal ausnahmsweise die Sonne scheint, ergeben sich im Gegenlicht interessante Schattenspiele auf dem Boden, die Matthias Schulz eingefangen hat.

Fotostudio Wald

Der Wald ist ein riesiges Fotostudio mit vielen Gegenständen. Um ein ruhiges Bild zu erzeugen, sollten sich Baumstämme möglichst nicht überkreuzen. Parallele Stämme sehen besser aus. Wenn zwischen den Stämmen noch helle Kontraste sind, entsteht ein wunderschönes Foto. Im Winter werden viele Gräser und andere niedrige Pflanzen gelb bis hellgelb und wirken zwischen den Bäumen als faszinierender Kontrast. In der Nähe der Hohe-Loog-Hütte bei Neustadt kann man das beobachten.

Matthias Schulz…

… fotografiert schon fast sein ganzes leben lang. Der versierte Hobbyfotograf ist vor allem bei Hochzeiten und in der People-Fotografie tätig. Doch bei den zahlreichen Wandertouren im Pfälzerwald ist die Kamera immer dabei. Nicht nur die Kamera: Matthias Schulz lässt gerne für spektakuläre aufnahmen die Drohnen hoch über die Berge steigen. Er nahm an einigen Fotowettbewerben und Ausstellungen teil.

Ein Rahmen veredelt das Bild

Nutzen Sie das natürliche Fotostudio zum Beispiel, wenn Sie weit über die Pfälzer Berge schauen: Fotografieren Sie das Panorama so, dass Zweige und Boden einen Rahmen geben, wann immer Sie in die Weite fotografieren. Das Motiv wirkt mit einem natürlichen Waldrahmen viel besser, genauso wie ein Rahmen ein Bild veredelt.

Unendliche Möglichkeiten

In der Pfalz haben wir Mischwald und damit die volle Auswahl: Um in den Wald reinzufotografieren, eignen sich Nadelbäume hervorragend, für Gegenlichtaufnahmen bieten Laubbäume die besseren Motive.

Detailaufnahme einer Pilzkolonie auf dem Waldboden
DETAILS Im kargen Winterwald findet man ständig Objekte, die ein Foto wert sind: hier eine reizvolle Pilzkolonie, fotografiert von Jürgen Rink.

Bildideen für die Wanderung

Damit der Übergang vom Knipsen zum Fotografieren leicht gelingt, haben wir hier noch einige Foto-ideen: Setzen Sie zum reizvollen Blick mit Aussicht im Pfälzerwald noch eine Person in Szene, und zwar so, dass sie nur klein von hinten auf dem Bild zu sehen ist. Wenn Sie Gemälde von Caspar David Friedrich kennen: Genau so. Das Foto wirkt erhabener, der kleine Mensch in der großen Natur.

Zwei Baumstämme die zusammen den Buchstaben R bilden
BUCHSTABENSPIEL Suchen Sie Baumformationen, die wie Buchstaben aussehen. Wer die meisten fotografiert hat, gewinnt – das ideale Motivationsspiel für den Nachwuchs im Wald (das hier ist zwar kein Winterwald, aber das R ist so schön – gefunden und fotografiert von Jürgen Rink).

Gerade mit dem Handy ist es sehr einfach, direkt vom Boden aus der Froschperspektive so zu fotografieren. Einfach deshalb, weil Sie auch von schräg oben noch das Motiv im Handy-Bildschirm erkennen. Dazu kommt die enorme Schärfentiefe der kleinen Kamera, der Vordergrund ist dadurch genauso zu erkennen wie das eigentliche Bildmotiv. Die Bodenaufnahmen sind die Spezialdisziplin der Handy-Kamera. Das können die Pfütze mit Spiegelung sein oder die Blätter auf dem Waldboden.

Schauen Sie nach Details im Wald, statt immer nur die spektakuläre Aussicht aufzunehmen. Gerade im Winter ist die Auswahl an Pilzen, skurrilen Ästen, moosüberzogenen Steinen, Eiszapfen, Regentropfen groß. Ein Mikrokosmos der Möglichkeiten tut sich auf.

Das Baumbuchstabenspiel ist ein spaßiger Fotowettbewerb, um den Nachwuchs auf der Wanderung bei Laune zu halten: Jeder sucht nach Baumformationen, die wie ein Buchstabe aus dem Alphabet aussehen. Wer die meisten Waldbuchstaben aufgenommen hat, darf sich in der Pfälzer Hütte etwas wünschen. Welche Bildideen fallen Ihnen ein, wenn Sie das lesen?

Los geht’s!

Wählen Sie für die nächste Winterwanderung aus den vielen Anregungen und Tipps diejenigen aus, die Ihnen am besten gefallen. Und wenn dann auch noch ein spektakuläres Foto dabei herauskommt, das sich zu Hause für die Wohnzimmerwand eignet, dann bietet sich ein Leinwanddruck von einem der zahlreichen Dienstleister an. Die Handy-Auflösung reicht für DIN A4, manche High-End-Handy-Kameras erlauben sogar DIN A3.

Meist kommt der Wunsch nach Bildbearbeitung auf, wenn ein Bild an die Wand soll. Das Handy bietet schon viele Modi, die man einfach durchprobieren kann. Apps wie Snapseed und viele andere bieten noch viel mehr Bildbearbeitung fürs Handy. Auf dem PC sollten sich Einsteiger die kostenlosen Programme jpg-Illuminator und FastStone Image Viewer ansehen, die leicht bedienbar sind.

Viel Spaß im Pfälzerwald und schöne Fotos!

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