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Natürlich gärtnern

„Pflanzen können

nicht weglaufen“

Die Kulturpflanzen in unseren Gärten sind auf unsere artgerechte Pflege angewiesen. Jetzt im Sommer ist die Bewässerung das große Thema. Schnell gibt man zu viel oder zu wenig Wasser. Oder zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Oder das „falsche“ Wasser. Worauf Gärtner beim Gießen achten sollten und wie effizientes Wassermanagement aussehen kann, verrät Andreas Gläßgen, Meister im Garten-Landschaftsbau, im Gespräch mit Redakteurin Kathrin Engeroff.

Herr Gläßgen, so banal es klingt: Wo nehme ich am besten das Wasser her, um meinen Garten bzw. meine Kulturpflanzen zu bewässern?

Wasser ist gerade hier bei uns in der Südpfalz eine ganz heikle Ressource. Am besten ist es, Regenwasser über Regenfallrohre, zum Beispiel am Gewächshausdach, in Tonnen oder Containern zu sammeln. Mit verschiedenen Systemen lässt sich das Wasser von Fass zu Fass leiten, sobald eines voll ist. Wenn ich über den Winter Wasser sammele und es schaffe, es mit ins Frühjahr zu bekommen, dann habe ich schon viel erreicht. Bei einem blauen Fass, das zu drei Vierteln leer ist, kann ich im Winter unter eine Seite einen Backstein legen. Falls es friert, schiebt sich das Eis dann schräg hoch, sodass das Fass durch gefrorenes Wasser nicht bricht. Das funktioniert bis etwa minus zehn Grad. Dieses Frühjahr hatten wir Glück mit der Regenmenge, und man bekommt die Fässer auch noch nach dem Winter voll.

Welche Vorteile hat gesammeltes Regenwasser denn noch, außer dem wichtigen ressourcenschonenden Aspekt?

Je natürlicher das Wasser ist, umso besser können die Pflanzen damit umgehen. Regenwasser hat einfach eine ganz andere Wirkung auf die die Pflanzen. Wenn ich sechs Wochen mit Leitungswasser gieße und es dann einmal draufregnet, bemerke ich ein ganz anderes Wachstum bei den Pflanzen. Ich kann mir einen Garten ohne Wasserfässer nicht vorstellen. Natürlich haben kleinere Gärten oft ein Platzproblem oder die Optik der Fässer gefällt nicht. Aber für die Umwelt und auch die Pflanzen lohnt es sich, selbst in kleineren Mengen Regenwasser zu sammeln. Den Ansatz, nur Wasser aus der Leitung zu verwenden, finde ich außerdem schwierig, weil es jedes Jahr wahrscheinlicher wird, dass das Wasserwerk sagt, Trinkwasser wird für nicht wichtige Bereiche abgestellt oder zum Bewässern in Gärten verboten, weil es einfach knapp ist.

Was gilt es zu beachten, wenn ich doch auf Leitungswasser zum Bewässern angewiesen bin?

Dann das Wasser auf jeden Fall vor dem Gießen im Fass ablagern und warm werden lassen. Ich will auch nicht von jemandem acht Grad kaltes Wasser übergeschüttet bekommen. Die Pflanze kann nicht wegrennen, sie ist darauf angewiesen, dass wir es gut mit ihr meinen.

Welche Gießmethoden eignen sich, um eine glückliche und gesunde Pflanze zu haben?

Es gibt verschiedene Darreichungsformen. Von der Tröpfchenbewässerung im privaten Bereich halte ich nicht viel. Das System kommt aus der kommerziellen Landwirtschaft in trockenen Gebieten wie Israel oder den USA, wo es um die existenzielle Produktion geht und das Wasser punktuell an die Pflanze ausgegeben wird. Im Hobbybereich gebe ich für das Bewässerungssystem viel Geld aus und muss es ungefähr nach acht Jahren ersetzen, weil es nicht ewig hält. Es löst sich Mikroplastik, das sich dann wieder im Boden ablagert. Wenn ich im privaten Bereich nicht fähig bin, anders zu bewässern, sollte ich mir überlegen, ob ich nicht auf andere Kulturen setze. Zucchini zum Beispiel besteht zu 98 Prozent aus Wasser, das muss irgendwie in die Frucht rein und die Pflanze somit täglich bewässert werden. Oder Aubergine zählt auch zu den wenigen Kulturpflanzen, die ganz viel Wasser brauchen. Tomaten, gut gemulcht und tief gepflanzt, muss man wiederum quasi nie gießen.

Was halten Sie von Wassersprengern?

Wenn ich einen Beregner benutze, komme ich an dem kalten Wasser aus der Leitung nicht vorbei. Das möchte ich ja vermeiden und versuche, auch nur mein Kulturland zu gießen. Vor zwei Jahren bin ich während des extrem heißen, trockenen Sommers an meine Grenzen gekommen und habe meine Kulturpflanzen mit dem Beregner über Stunden abgekühlt. Das mache ich in der Saison aber nur einmal. Denn dann habe ich erst mal einen Wachstumsstopp bei den Pflanzen. Wer einen grünen Rasen haben möchte, der muss ihn natürlich regelmäßig mit Wassersprengern bewässern.

Welche Bewässerungssysteme gibt es noch?

Eine weitere Möglichkeit bei Platz im Beet ist, verschlossene Tontöpfe neben die Pflanzen einzubuddeln, mit Wasser zu füllen und abzudecken. Die Pflanzen wurzeln an den Tontopf und ziehen sich so das Wasser raus. Die Gießkanne zur Bewässerung zu nehmen, ist natürlich die einfachste und gängigste Methode. Schwieriger wird es damit, je älter man wird. Hier können Gärtner sich helfen, indem sie die Tonnen hochstellen und mit dem natürlichen Druck arbeiten. Sich ein einzelnes Bewässerungssystem für den kompletten Garten rauszupicken, wird auf Dauer nicht funktionieren. Wie und wie viel ich bewässere, hängt von ganz vielen Faktoren ab. Ich muss das Ganze sehen, mich mit meinem Boden beschäftigen und daran arbeiten: Wie bewässere ich zum Beispiel in Kombination mit Mulch oder Kompostgabe? Spannend wird es 2026, wenn für Privatgärten Torf verboten ist. Viele müssen lernen, wie der neue Industriekompost das Wasser hält.

Können Sie noch näher auf das Zusammenspiel zwischen Boden und Wasser eingehen?

Lehmböden halten das Wasser besser als Sandböden, brauchen im Frühjahr aber länger, um sich aufzuwärmen. Sandböden nehmen es mir weniger übel, wenn ich darin „rumstochere“. Generell sollte man das Umspaten vermeiden, nur ganz oberflächlich hacken und bei Böden, die verkrusten, hilft auch mulchen. Bodenlebewesen und Würmer lockern den Boden ganz bequem und umsonst für mich. Die bekomme ich, wenn ich sie mit Grün- oder Totmaterial füttere. Unkraut – im gärtnerischen Bereich darf man davon offiziell sprechen, wenn es keinen kulturtechnischen Zweck hat – reiße ich raus und gebe es dem Boden direkt als Mulch zurück. Mit Mulch muss man experimentieren. Er verhindert, dass Wasser von unten verdunstet, von oben lässt er aber auch weniger durch. Wurzelunkräuter, die ich nicht im Beet haben möchte, vergäre ich und bringe sie im Verhältnis 1:10 als Dünger aus. Es hat meist einen Sinn, warum das Unkraut an dieser Stelle aufgeht. Im Frühjahr lasse ich die Unkräuter auflaufen und wühle in meinem lehmigen Boden noch nicht rum, denn sonst würde ich die Kapillarwirkung von unten aufbrechen. Durch Bodenverbesserung und Humusaufbau kann der Boden jedes Jahr besser das Wasser halten. Wie gesagt, im Garten muss man alles im Gesamtkontext sehen – auch das Wassermanagement.

Gibt es dennoch ein paar Grundsätze, die nur beim Gießen beachtet werden sollten?

Bei den meisten Kulturpflanzen gilt, lieber zweimal pro Woche intensiv an der Pflanze gründlich gießen, als jeden Abend drüber tröpfeln. Damit ernähre ich sie künstlich an der Oberfläche. Bei weichen, wässrigen Kulturen wie Salat ist tägliches Gießen okay, da sie die Kühle brauchen. Generell aber versuchen, das Gießintervall auf zwei bis drei Tage zu strecken und dann einen guten Schwall Wasser an die Pflanze, nicht über die Blätter, geben und eindringen lassen. Wenn ich jeden Tag ein bisschen gieße, verbrauche ich mehr Wasser, habe eine höhere Verdunstung, ernähre die Beikräuter mit und fördere die Pilzbildung. Pilzgefahr droht auch, wenn abends gegossen wird, da nasse Blätter gepaart mit warmen Nächten Pilze begünstigen. Also, besser morgens gießen, abends kontrollieren.

Wann weiß ich, dass es wirklich an der Zeit ist, mal wieder zu gießen?

Finger nehmen, in den Boden stecken. Wenn es nach fünf Zentimetern noch feucht ist, muss ich nichts machen. Das ist natürlich nur eine Faustregel und bei Lehmboden schon mal schwierig umzusetzen. Auch hängt es von der Jahreszeit und vielen anderen Dingen ab. Erfahrungen im eigenen Garten sammeln, das ist das Wichtigste. Wenn ich Anfänger bin, helfen klare Strukturen und erst mal jede Kultur für sich kennenzulernen. Wenn ich Kohlrabi und Erbsen einzeln anbauen kann, dann kann ich sie in Mischkultur versuchen. Wenn ich frisch anfange und keine Ahnung habe, kann Gärtnern frustrierend sein. Wer den Aufwand betreibt, möchte auch Ergebnisse sehen. Deshalb klare Strukturen schaffen. In dem Moment, wo es Spaß macht, mache ich auch weiter.

Der Gesprächspartner

Andreas Gläßgen aus Landau ist leidenschaftlich Gärtner – beruflich und privat. Er ist Meister im Garten-Landschaftsbau, staatlich geprüfter Wirtschafter im Gartenbau, Mitglied im Prüfungsausschuss der Landwirtschaftskammer (RLP), ist bei der Diakonie für die Außenanlagen zuständig und engagiert sich in zwei Vereinen. So beim Kleingartenverein am Ebenberg, im südlichen Landau gelegen. Dort, auf dem ehemaligen Gelände der Landesgartenschau, bewirtschaftet Andreas Gläßgen gemeinsam mit zwei weiteren Garten-Mitstreitern zwei Parzellen, auf denen er auch neue Dinge ausprobiert. Er sieht den Garten als Ganzes und versucht, mit ihm zu arbeiten. Eines seiner Ziele ist es, keine Ressourcen im Garten zu verschwenden und Schnittgut nicht zur Deponie zu fahren, sondern zu verwerten. Ein Thema, auf das er sich spezialisiert hat, ist die Verkokung. Beim Verein URSAM Natur- und Lebenspfade ist er der Gartentrainer, der Wege aufzeigt, die auch in Zukunft gangbar sind. Wichtig ist ihm, Workshopteilnehmer dort abzuholen, wo sie gärtnerisch stehen, um ihnen viel Frustration zu ersparen, und lieber den Spaß am natürlichen Umgang mit Pflanzen zu vermitteln. [ayß]

Info: ursam-training.com, garten-am-ebenberg.de

Die Serie


„Natürlich gärtnern“ heißt die VielPfalz-Serie. Experten aus der Pfalz geben Tipps, wie der Ein- oder Umstieg zum naturnahen Gärtnern gelingt. Bereits erschienen: Gemüseanbau (Ausgabe 2/2022), Schädlinge und Krankheiten (3/2022), eigenes Saatgut vermehren (4/2022), Bäume und Gehölze pflanzen (5/2022), der Garten im Winter (6/2022), Hühner & Co. halten (1/2023) sowie um die Permakultur (2/2023). Kleiner Ausblick: Im nächsten Teil von Natürlich gärtnern geht es um das Anlegen von Staudenbeeten.

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Pfälzer Warenkunde

J wie Johannisbeeren

Sommerzeit ist Beerenzeit. Zu den aromatischsten Früchten zählen dabei die Johannisbeeren, weshalb Johannisbeersträucher auch bei Pfälzer Hobby-Gärtnern so beliebt sind. Im Jahr 2022 betrug die kommerzielle Anbaufläche für Johannisbeeren deutschlandweit rund 2163 Hektar. Etwa ab dem Johannistag am 24. Juni – daher auch der Name für die Beeren – sind die ersten Früchte reif.

Frau Prof. Schlich, schwarz, rot, weiß, wie unterscheiden sich die Johannisbeersorten im Geschmack?

Johannisbeeren gehören zur Familie der Stachelbeergewächse und sind die Beerenfrüchte mit dem höchsten Gehalt an verschiedenen Genusssäuren wie zum Beispiel Zitronensäure. Daher schmecken Johannisbeeren grundsätzlich säuerlich-herb bis adstringierend. Die roten Beeren schmecken säuerlich, die schwarzen eher säuerlich mit einer bitteren, adstringierenden Note und weiße Johannisbeeren sind milder.

Sind alle drei sogenannte Vitamin-C-Bomben?

Schwarze Johannisbeeren enthalten 177 mg Ascorbinsäure auf 100 g Rohware und sind damit echte Vitamin-C-Bomben. Die roten Beeren liefern 36 mg pro 100 g. Allerdings sind höhere Mengen an Johannisbeeren aufgrund des sehr hohen Säuregehalts sensorisch etwas problematisch. Deshalb finden wir im Handel eher sogenannten Muttersaft zum Verdünnen und weniger trinkfertige Säfte.

Das Rezept zur Warenkunde

  • Mai 2023
    In der VielPfalz-Serie Landfrauen-Küche stellen wir zusammen mit dem Landfrauenverband Pfalz saisonale und regionale Rezepte vor. Silke Pletsch bereitet für diese Ausgabe eine „Johannisbeer-Sahnerolle“ zu.

Johannisbeeren, vor allem den schwarzen, werden heilende Kräfte nachgesagt. Was ist an der Aussage dran?

Schwarze Johannisbeeren sind sehr reich an sekundären Pflanzenstoffen wie Delphinidin, Pelargonin und Petunidin. Dies sind blau-rote Pflanzenfarbstoffe und Antioxidantien. Diesen Pflanzenstoffen werden gesundheitsförderliche und präventive Wirkungen zugesprochen.

Zurück in die Küche bzw. Backstube: Welche Speisen lassen sich aus welchen Johannisbeeren gut herstellen oder aufpeppen?

Schwarze Johannisbeeren passen aufgrund des sauer-herben Geschmacks gut zu herzhaften Gerichten. So können sie Zutaten für pikante Saucen oder auch Chutneys sein und auch Fleischgerichte bereichern. Ansonsten sind sie beliebte Zutaten für Kuchen, Süßspeisen, Shakes und Konfitüren.

Einfrieren, einkochen, einmachen: Was empfiehlt sich für Johannisbeeren zur längeren Aufbewahrung?

Das kommt letztlich darauf an, was später mit den Beeren zubereitet werden soll. Beim Einkochen/Einmachen werden durch die hohen Temperaturen auch wichtige Inhaltsstoffe abgebaut. Einfrieren ist eine sehr schonende Konservierungsmethode, insbesondere für das wertvolle Vitamin C. Langfristig haltbar sind natürlich auch Gelee und Konfitüre als Produkte aus Johannisbeeren.

Das Interview führte Kathrin Engeroff.

Zur Person

(apl.) Prof. Dr. Michaela Schlich ist Ernährungswissenschaftlerin und arbeitet als Akademische Direktorin an der Universität Koblenz. Dort vertritt sie professoral das Fachgebiet Ernährungs- und Verbraucherbildung.

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Wein-Comics

Ausgezeichneter Weinspaß

Wir haben die besten Comics zum Thema Wein zusammengestellt und sind fasziniert von der Vielfalt gezeichneter Literatur, die gleichermaßen Spaß macht und Weinwissen kompetent vermittelt. Die Comic-Reise führt vom Rheingau über die Pfalz bis nach Frankreich an die Loire.

Bilder sagen mehr als tausend Worte, heißt es. Für Comics gilt das offenbar nicht überall, denn im Unterschied zu unserem Nachbarland Frankreich gehören gezeichnete Bücher hierzulande zur Nische und nicht zur Hochkultur. Dass es sich lohnt, in diese literarische Nische hineinzuschnuppern, zeigen wir hier mit Comics, in denen Wein und Weinbau die Hauptrolle spielen. Auch Cartoons sind dabei. Zum Begriff: Comics erzählen eine Geschichte über mehrere Seiten, Cartoons bestehen meist nur aus einem Bild.

Karl – ein Comic schreibt Weingeschichte

Bei Mainz gleich über dem Rhein, genauer bei Walluf, entstand „Karl“. Zumindest was die Weincomics angeht, haben die Rheingauer den Pfälzern damit einiges voraus. Zeichner Michael Apitz und Texter Patrick Kunkel legten von 1988 bis 2004 eine der erfolgreichsten deutschen Comicserien mit insgesamt zwölf Bänden hin. Seit Kurzem sind alle in vier hervorragend editierten Sammelbänden wieder zu haben.

Jeder Band erzählt auf rund 40 Seiten eine Geschichte über die Entstehung des Weins, gefolgt von einem Text, der dies historisch einordnet, und zeigt, was Apitz und Kunkel erfunden haben und was belegt ist. Band 1 schildert die weinhistorisch wichtige Entdeckung der Spätlese. Weil der „Spätlesereiter“, also der Kurier, zu spät mit der Genehmigung für die Lese ankommt, hat die Edelfäule bereits eingesetzt und das führte zur Spätlese. In einem anderen Band geht es um die zufällig entdeckte zweite Gärung zum Sekt. Die Comics spielen zwar meist im Rheingau, Ortskenntnis braucht man dafür aber nicht, sondern nur Interesse am Weinbau und seiner Geschichte. Einige der zwölf Bände gehen sogar thematisch weit über den Rheingau hinaus.

In „Karl“ steckt ein bisschen Asterix, ein bisschen Lucky Luke und ein wenig Tim und Struppi – und doch hat die Serie ihren eigenen Stil. Karl ist der wissbegierige Weinexperte und seine Frau Maria steht ihm zur Seite, wenn Bösewicht Ferdinand mit seinen Kumpanen wieder einmal etwas ausheckt. Immer mit dabei sind Pater Anselm und der französische Hund Grandpatte („Die gut Riesling“) und unzählige Nebenfiguren als Karikaturen von Prominenten der 1980er und 1990er Jahre. So spielen Kohl, Genscher, Hans-Jochen Vogel und Strauss gemeinsam in einem Orchester und Karl wundert sich über die Disharmonien. Sylvester Stallone, Steffi Graf, Herbert von Karajan und viele andere kommen ebenfalls vor.

„Karl“ ist lehrreich, „Karl“ ist witzig, ohne in den Klamauk abzudriften, „Karl“ macht einfach Spaß. Die Bände eignen sich wunderbar für Menschen, die noch nie einen Comic gelesen haben oder bei dem Wort nur an Micky Maus denken. Die vier im Finix-Verlag erschienenen Sammelbände sind liebevoll gestaltet und mit ausführlichen Vorworten zur Entstehung der Serie versehen. Im Vergleich zu den bis 2004 erschienenen Einzelbänden sind sie die bessere Wahl.

Ausschnitt aus einem Karl-Comic

Bösewicht Ferdinand heckt mal wieder was aus, aber am Ende gewinnt Karl. Die Entwicklung des Weinbaus spielt in den Bänden eine große Rolle und wird mit viel Humor und vielen karikierten Prominenten dargestellt (erkennen Sie den Herrn in Rot?).

100% Pälzer!

Vom Rheingau in die Pfalz nach Neustadt: Dort wohnt Steffen Boiselle, dessen Cartoons seit 2007 regelmäßig in der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ erscheinen. Der Name „100% Pälzer!“ ist Programm, Boiselle schaut den Pfälzern genau aufs Maul. Ein Besuch auf dem Weinfest genügt, und der Zeichner kommt mit einem Sack voller Ideen zurück, die nur darauf warten, in einen Cartoon umgesetzt zu werden. Dementsprechend hoch ist der Output: Von „100% Pälzer!“ gibt es mehrere Bände, darunter das vor einiger Zeit erschienene „Des Beschde aus 12 Johr“. Steffen Boiselle setzt ein möglichst in der ganzen Pfalz kompatibles Pfälzisch ein. Denn da sind die Pfälzer eigen, von Ort zu Ort ändert sich der Dialekt.

Im Bändchen „Wein-Cartoons“ hat Boiselle seine lustigen Bilder rund ums Thema Rebensaft zusammengestellt. Auch mal mit Schenkelklopferhumor müssen die Pfälzer zeichnerisch einiges über sich ergehen lassen. Boiselle schaut eben genau hin und macht auch vor Klischees nicht halt. Als Pfälzer fühlt man sich durchaus ertappt und einige Cartoons sind herrlich politisch und gesellschaftlich unkorrekt. Im Unterschied zu den meisten anderen Zeichnern vergräbt sich Steffen Boiselle nicht am Zeichentisch, sondern sucht die Gesellschaft. Man findet ihn bei Veranstaltungen als Live-Zeichner und – Achtung, Tipp! – man kann ihn auch privat buchen, zum Beispiel für runde Geburtstage.

Pfälzer verstehen die Cartoons von 100% Pälzer! sofort, andere müssen nachdenken oder eben Einheimische fragen. Abbildung: Agiro-Verlag
Steffen Boiselle schaut in seinen Cartoons 100% Pälzer! dem Volk aufs Maul, wie man sieht auch vor dem Weintrinken. Abbildung: Agiro Verlag

Das Meisterwerk von der Loire

Comiczeichner und Winzer haben wenig gemeinsam – oder doch? Im Meisterwerk „Die Ignoranten“ hospitiert Zeichner und Texter Étienne Davodeau ein Jahr lang bei Winzer Richard Leroy. Im Gegenzug muss Richard ihn zu Zeichnern und Comicmessen begleiten und bekommt von Étienne ausgewählte Comics vorgesetzt. Da zunächst keiner von beiden etwas vom Beruf und von der Berufung des anderen versteht, heißt der Comic treffend „Die Ignoranten“. Am Ende des Weinjahres ist die Liste der Weine auf 42 angewachsen, die der Comics auf 39 (zum Nach-trinken und Nachlesen aufgelistet im Nachspann des Comics).

Comic-Künstler Davodeau begleitet den
Winzer Richard Leroy durch ein Weinjahr.
Das autobiograosche Meisterwerk fasziniert
durch seine Zeichenkunst und die
gekonnt erzählte Geschichte. Cover: etienne Davodeau/Carlsen Verlag 2020

Das 270 Seiten starke Buch zeigt, wo im Comic-Olymp der Hammer hängt beziehungsweise die Trauben gelesen werden. Davodeau beherrscht den Werkzeugkasten einer Comic-Erzählung perfekt, und bringt dem Leser die Philosophie von Richard Leroy näher als es jeder Text könnte. Augenzwinkernd und mit hintergründigem Humor in Szene gesetzt, muss man die beiden mit ihren Eigenheiten einfach mögen, ob sie nun im Weinberg schnippeln oder französische Comicstars besuchen. Wobei der überwiegende Teil des Buches vom Weinbau handelt, die Comicwelt kommt im Vergleich etwas zu kurz. Allein die Zeichnungen faszinieren mit ihren Grauschattierungen und dem scheinbar flüchtigen Strich. Mein Tipp: Lesen Sie erst die Geschichte ganz durch, dann schauen Sie sich nur die Bilder nochmal an.

Richard Leroy keltert nur 25 Fässer und hat sich mit Weinen aus historischen Spitzenlagen einen Namen gemacht. Er baut biodynamisch an und verzichtet weitgehend auf Schwefel. Der Comic beginnt mit dem Rebschnitt, in einem der folgenden Kapitel schildert Davodeau den Besuch des weltbekannten Weinkritikers Robert Parker. Leroy lebt Wein und ist vom perfekten Gewächs besessen. Der Zeichner arbeitet wunderbar heraus, dass es trotz der Unterschiede zwischen den beiden erstaunliche Parallelen gibt. „Die Ignoranten“ ist einer der herausragenden autobiografischen Comics und zeigt, wozu ein Comic künstlerisch in der Lage ist.

Auszug aus den Ignoranten

Winzer Leroy baut an der Loire biodynamisch an und erzählt von seiner Weinphilosophie. Zeichner Davodeau muss einiges aushalten, hier den Rebschnitt im eiskalten Weinberg.

Zum Schluss

Unsere kleine Sammlung zeigt, dass Comics und Wein wunderbar zusammenpassen, wenn Könner am Werk sind. Ob „Karl“, „100% Pälzer!“ oder „Die Ignoranten“ – wer sich auf die Welt aus Zeichnung und Text einlässt, wird mit neuen Erkenntnissen belohnt.

Der Vollständigkeit halber erwähnen wir noch Peter Gaymann. Der produktive Cartoonist hat im Buch „Peter Gaymanns Weinlese“ etliche Cartoons zum Thema zusammengestellt. Einer der besten davon: Zwei Männer stehen im Weinkeller, der eine sagt zum anderen: „Jede dieser Flaschen ist ein Vermögen wert.“ Der andere antwortet: „Wie in der Bundesliga.“

Gerne hätten wir noch den Comic „Die unglaubliche Geschichte des Weins“, eine Übersetzung aus Frankreich, vorgestellt. Aber das Buch erscheint erst im September. Aus der Verlagsankündigung: Das neue Comic-Sachbuch von Daniel Casanave und Benoist Simmat erzählt die Geschichte der Menschheit anhand der Weinkultur.

Weck, Worscht, Woi

Ein Trio erklärt die Pfälzer Lebensart

Genuss ist ein wichtiger Teil der Pfälzer Lebensart. Seit 2007 vermitteln dies, immer mit einer Prise Humor und Ironie, die Figuren Weck, Worscht und Woi. Die Cartoons von Uwe Herrmann erscheinen im Freizeitmagazin Leo, das der Tageszeitung Die Rheinpfalz beiliegt. Das Trio erlebt, mittlerweile nur noch im 14-Tage-Rhythmus, ständig Abenteuer, die sich häufig ums Essen, Trinken und Genießen drehen.

Die beiden Bücher, in denen eine Auswahl der Zeichnungen thematisch zusammengefasst waren, sind leider vergriffen. Der Weck aus der Nordpfalz, die Worscht aus der Westpfalz und der Woi aus der Vorderpfalz inspirieren Herrmann immer wiederzu detailliert ausgearbeiteten Cartoons. Das Trio bringt dabei den Zeichner, der auch Karikaturen und Auftragsarbeiten anfertigt, nach wie vor selbst zum schmunzeln. [dot] Info: karikaturist.de

INFO

Karl
Patrick Kunkel, Michael Apitz, Eberhard Kunkel, vier Bände, Finix Comics, je rund 190 Seiten, 29,80 Euro

100% Pälzer!
Steffen Boiselle, Wein-Cartoons, Agiro-Verlag, 38 Seiten, 4,99 Euro, und 100% Pälzer! Des Beschde aus 12 Johr, von Steffen Boiselle, Agiro-Verlag, 144 Seiten, 10 Euro

Die Ignoranten
Étienne Davodeau, Carlsen Comics, 272 Seiten, 18 Euro

Peter Gaymanns Weinlese
Peter Gaymann, Mosaik, 88 Seiten, 16 Euro

Die unglaubliche Geschichte des Weins
Daniel Casanave und Benoist Simmat, Bahoe Books, 292 Seiten, 29 Euro (voraussichtlich September 2023)

Termintipp

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Was wissen

Wie läuft eine fachliche Weinprobe technisch ab?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, wie man Wein fachlich verkostet. Wein wird immer in der gleichen Reihenfolge verkostet und anschließend bewertet: sehen, schwenken, riechen, schmecken, beurteilen, spucken.

Ein paar Hinweise vorab zum Glas: Es sollte ein fachgerechtes Weinglas mit Stiel, das sich nach oben verjüngt, benutzt werden. Keine farbigen Gläser verwenden. Ein Glas, das länger nicht benutzt wurde, grundsätzlich vorher spülen, da es schnell Gerüche aufnimmt. Werden verschiedene Weine probiert, das Glas mit einem Schluck des nächsten Weines ausspülen. Das Glas sollte für die Verkostung nicht mehr als zu einem Viertel gefüllt werden.

Die Weinbewertung im Detail

Als Erstes erfolgt die optische Prüfung. Dazu das Weinglas am Stiel anfassen, damit die Sicht auf den Inhalt ungetrübt ist. Das Glas dann etwas drehen und leicht kippen, damit Farbe, Klarheit und besonders beim Rotwein, je nach Rebsorte und Ausbauart, die Farbunterschiede besser erkennbar sind. Hier hilft, eine weiße Tischdecke oder ein weißes Blatt hinter das Weinglas zu halten.

Rotweine immer schwenken

Anschließend den Wein im Glas schwenken und dabei atmen lassen. Durch leichtes Schwenken vergrößert sich die Oberfläche des Weines und mehr Aromen gelangen in die Nase. Als Experiment kann man vor und nach dem Schwenken ins Weinglas riechen, um den Unterschied zu erkennen. Schwenken ist vor allem bei Rotweinen wichtig, denn dabei oxidieren die grünen Tannine, die es oft bei jungen Weinen gibt, durch den Sauerstoffeinfluss und werden in mildere, angenehme Tannine umgewandelt. Die Schlieren an der Glaswand, der Weinkenner spricht von „Kirchenfenstern“, verraten etwas über seinen Extrakt. Wenn man in das Glas nach leichtem Schwenken hineinriecht, kann man die Aromen und das Geruchsbild des Weines aufnehmen. Wichtig dabei ist: Die Nase gewöhnt sich rasch an Gerüche, sodass der erste Eindruck wichtig ist. Gute und Bukettweine können sehr reichhaltige Geruchsnuancen und verschiedene Aromen aufweisen. Das können milde Gerüche nach Vanille, Erdbeeren und Himbeeren bis hin zu würzigen Holznoten und Tanninen sein.

Den Wein kauen

Nach dem Riechen folgt der erste Schluck. Hier schließt sich der Kreis, die Geruchsaromen ergeben mit dem, was man schmeckt, ein Gesamtbild. Zuerst den Wein im Mund und auf der Zunge verteilen, das heißt „kauen“. An der Zungenspitze schmeckt man süß und an den Zungenrändern salzig und sauer. Beim Abgang kommen die bitteren Noten zum Tragen. Zu den Aromen bzw. Düften in der Nase kommen nun Säure, Süße und je nach Ausbaustil Tannine oder Mineralien sowie die Ecken und Kanten des Weins hinzu.

Geschmackssache

Jetzt kann man den Wein beurteilen. Recht schnell entscheidet sich, ob der Wein für den Tester ein harmonisches Bild abgibt, ob er einem zu trocken oder zu lieblich ist, das Verhältnis von Süße und Säure passt, die Tannine beim Rotwein stören, sich die Sortenaromen zeigen – kurz: Schmeckt er mir oder schmeckt er mir nicht? Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, weshalb es bei professionellen Verkostungen immer mehrere Juroren gibt, die den Wein rein technisch beurteilen. Sollen mehrere Weine hintereinander probiert werden, empfiehlt es sich, den Probierschluck auszuspucken, da sonst der Alkoholspiegel rasch ansteigt und das Beurteilungsvermögen darunter leidet. Um die Weinqualität im Abgang dennoch testen zu können, sollte bei einem weniger geübten Weinverkoster eine geringe Weinmenge den Gaumen berühren. Lang und nachhaltig im Abgang deutet auf einen guten Wein hin.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Das Trink-Pink-Fieber

Roséweine sind derzeit in aller Munde. Im südpfälzischen Göcklingen kreiert Vera Keller einen sommerlichen Roséwein aus Muskattrollinger und bringt damit einen für die Pfalz untypischen Exoten ins Glas.

Pink ist das Synonym für Lebensfreude. Unsere Weinwelt ist ebenfalls im Drink-Pink-Fieber. In Göcklingen bringt Vera Keller einen ganz besonderen Rosé auf die Flasche. Die Önologin führt gemeinsam mit ihren Eltern Hedda und Hartmut Keller in vierter Generation das Familienweingut. Vera studierte Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt und schloss als Jahrgangsbeste ab. Im Familienweingut Keller vereinigen sich hohe Ansprüche an die Weinqualität mit Pfälzer Bodenständigkeit.

Ein Exot in der Pfalz

Familie Keller baut auf 23 Hektar Rebfläche neben den typischen Pfälzer Rebsorten auch einen Muskattrollinger an. Die Herkunft der hauptsächlich in Württemberg angebauten Rotweinrebe ist nicht ganz geklärt. Erstmalig wurde Muskattrollinger 1836 erwähnt. Auch wenn der Name auf eine Verwandtschaft mit dem Trollinger schließen lässt, stehen sie nicht miteinander in Verbindung. Eine DNA-Analyse ergab, dass es sich um eine natürliche Kreuzung der Schiava Grossa und dem Muscat d´Alexandria handelt. Die Trauben der spät reifenden Rebsorte sind groß und aromatisch. Als Tafeltrauben sind sie unter dem Namen Muscat of Hamburg bekannt. Außerhalb Württembergs wird die Rebe auch in Frankreich, Griechenland und in geringen Mengen in Australien kultiviert. In der Pfalz zählt der Muskattrollinger zu den absoluten Exoten.

Ein Erfolg: der Feinherber Rosé

Zu Beginn baute die Winzerfamilie den Muskattrollinger zu einem Rotwein aus. Auch wenn der fruchtig-würzige Rotwein nicht zu verkennen war, fand er nicht allzu großen Anklang. Als Vera die Verantwortung im Weinkeller übernahm, beschloss sie, aus dem Muskattrollinger einen feinherben Roséwein zu kreieren. Der kam so gut an, dass weitere Weinberge mit Muskattrollinger angelegt wurden.

Dolce Vita im Glas

Im Glas zeigt sich der 2022er Muskattrollinger Rosé in einer rosa-roten Farbe. Der Sommerwein versprüht Aromen von Litschi, Veilchen und die typische Muskatnote. Am Gaumen zeigt er eine wunderbare klare Beerenfrucht mit einer ausbalancierten Süße, die bis in den Nachhall erhalten bleibt. Ganz gleich, ob der Wettergott uns einen sonnenverwöhnten Sommer beschert, mit diesem Pfälzer Exoten haben wir die Dolce Vita im Glas.

2022er Muskattrollinger Rosé feinherb | 0,75 l | 5,90 Euro | Weingut Keller, Göcklingen | verakellerweine.de

Inga Klohr. Foto: Adlumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Geschmacksverstärker

WinzerInnensekt (m/w/d)

Der VielPfälzer nähert sich in seiner Kolumne „Geschmacksverstärker“ mit leichter Ironie der „Generation Genuss“. Dieses Mal geht es um die sprachlichen Folgen der „Genderitis“ für das weinkulinarische Universum.

Unser VielPfälzer. Illustration: Karin Mihm

Ein Feind der Gleichstellung von Mann und Frau war ich nie. Aber als Gedankenjongleur und Sprachakrobat gerate ich bei der akut wütenden Genderitis sogar nüchtern ins Taumeln. Und als notorischer Genussmensch verschlägt es mir die Mutter- und Vatersprache, wenn ich mir ausmale, was dies in letzter Konsequenz für das weinkulinarische Universum bedeutet. Das geht beim Schaumwein los. Müsste es nicht schon längst Winzer- und Winzerinnensekt heißen? Ein wacher Blick auf die pfälzische Sekt-Elite zeigt doch, dass die Damen da ein mindestens so gutes Händchen haben wie die Herren der Schöpfung.

Weingesetze anpassen?

Hochspezifische Missverständnisse wirft auch die Erzeugerabfüllung auf. Schlichte Gemüter halten das ja für einen Vorgang, bei dem der Sohn seinem (leiblichen) Vater so lange einschenkt, bis dieser voll ist. Aber Spaß beiseite: Von Erzeuger- und Erzeugerinnenabfüllung sollte man schon reden, um ein Produkt sprachpolitisch korrekt zu beschreiben. Wann also werden die entsprechenden Formulierungen in den Weingesetzen endlich angepasst? Aufsässige Söhne (und Töchter) schenken ihren Müttern mitunter doch auch kräftig ein. Mein Vorschlag: Erzeuger*innenabfüllung, Erzeuger:innenabfüllung, ErzeugerInnenabfüllung, Erzeuger- und/oder Erzeugerinnenabfüllung … Kommen wir zur Weinbruderschaft der Pfalz. Schon ihr Name nährt den Verdacht: Hier sind die Herren in der Überzahl – und wie! „Damen sind bei mindestens der Hälfte aller Veranstaltungen gern gesehen“, versichert zwar der Ordensmeister. Aber die mehr als tausend Mitglieder sind ausschließlich Männer.

Frauenquote bei den KöchInnen

Als nächstes trifft es die Köche (und Köchinnen). Noch immer ignoriert beispielsweise der ach so unfehlbare Guide Michelin die Gleichberechtigung. Daher fordern konsequente Gleichstellungsbeauftragte beiderlei Geschlechts die Einführung einer 50-Prozent-Frauenquote bei der Vergabe der begehrten Restaurant-Sterne. Die Damen kommen in der Welt der ausgezeichneten Kochenden ohnehin seit Jahrzehnten zu kurz. Bei uns zuhause ist allerdings das Gegenteil der Fall. Aus der Küchenarbeit halte ich mich komplett raus – ein weiterer Beweis für mein an Feminismus grenzendes Gleichstellungsbewusstsein.

Wo bleibt der Weinkönig?

Aber zurück zu den Weinmachenden. Diese leben ja in einer hybriden Demokratie, weil sie nie ernsthaft an der royalen Herrschaftsform gezweifelt haben. Wie sonst lässt sich erklären, dass es in der Pfalz von Weinprinzessinnen nur so wimmelt und in Neustadt immer wieder eine Weinkönigin gewählt wird. Weinkönige sind in den einschlägigen Satzungen offenbar nicht vorgesehen. Ich persönlich halte das für verfassungsrechtlich bedenklich und habe mir eine Klage gegen diese Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bisher nur verkniffen, weil ich noch keine(n) geeignete(n) Rechtsanwalt/wältin (m/w/d) gefunden habe. Aber: Vielleicht kommt mir ja der Präsident des Verbandes der Prädikatsweingüter (VDP) zu Hilfe. Denn dieser ist im wirklichen Leben nicht nur Winzer (männlich), sondern auch Jurist – sogar Volljurist, wie es sich für rechtschaffen(d)e PfälzerInnen gehört…

Es grüßt Sie herzlich Ihr VielPfälzer

Der Geschmacksverstärker…

… ist eine Kolumne zum Nachdenken und Schmunzeln: Genussthemen müssen nicht immer bierernst sein. Schon gar nicht in der Weinregion Pfalz. Aber auch unsere wunderschöne Genussregion bietet durchaus Anlass zum Kopfschütteln. Unser VielPfälzer setzt dabei auf mehr oder weniger zarte Ironie. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist absolut nicht zufällig. Und auch die Themen sind nie frei erfunden.

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